Im Wortlaut
- Mitschrift Pressekonferenz
- Sonntag, 13. Dezember 2020
Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesminister Olaf Scholz, Regierender Bürgermeister Michael Müller, Ministerpräsident Markus Söder
BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, Bund und Länder haben heute früh beraten und auch schon in den letzten Tagen einen Beschluss vorbereitet. Ausgangspunkt und Notwendigkeit ergeben sich daraus, dass die Maßnahmen, die wir am 2. November begonnen hatten, nicht gereicht haben. Nachdem wir eine Zeit lang das exponentielle Wachstum stoppen konnten und es eine Seitwärtsbewegung gab, gibt es seit einigen Tagen wieder steigende Fallzahlen und ein exponentielles Wachstum. Das bedeutet, dass wir auch sehr viele Tote zu beklagen haben; Sie verfolgen die Statistik ja alle. Wir wissen, dass auch das Gesundheitssystem schon sehr stark belastet ist.
Unser Auftrag oder unser Vorhaben war ja immer, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden. Deshalb besteht dringender Handlungsbedarf, und daraus resultieren die Beschlüsse, die heute gefasst wurden. Ziel bleibt - das will ich hier noch einmal unterstreichen -, dass die Kontaktnachverfolgung wieder möglich wird. Das heißt, wir brauchen Inzidenzen von 50 Fällen pro 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen und geringere Inzidenzen.
Das alles hat natürlich Auswirkungen auf die Feiertage - das wissen wir -, aber wir sind zum Handeln gezwungen und handeln jetzt auch. Wir haben miteinander beschlossen, dass die Verordnungen der Länder erst einmal bis zum 10. Januar gelten werden. Aber das Ziel bleibt eben, die Inzidenz zu senken. Das heißt, wie es Anfang Januar weitergehen wird, können wir heute noch nicht sagen, sondern das hängt dann von den Ergebnissen ab, die wir erreichen.
Wir bleiben, was die persönlichen Kontakte angeht, dabei, dass sich Freunde, Verwandte und Bekannte mit maximal fünf Personen aus zwei Hausständen treffen können. Es wird nur über die Weihnachtstage vom 24. bis zum 26. Dezember eine Ausnahme davon geben, nicht aber zu Silvester und Neujahr. Diese Ausnahme heißt, dass man über den eigenen Hausstand hinaus noch vier weitere Personen einladen kann, und zwar aus dem engsten Familienkreis, also Ehegatten, Lebenspartner, Partner oder Verwandte der geraden Linie. Das sind Eltern und Kinder, und auch für Geschwister gilt das. Aber es wird an alle Bürgerinnen und Bürger appelliert, wenn sie andere Hausstände aus der Familie zu Weihnachten zu sich einladen, wann immer möglich die Kontakte in den sieben Tagen vorher zu reduzieren, also eine Schutzwoche einzulegen.
Silvester und Neujahr gelten also die normalen Kontaktbeschränkungen. Es gibt keine Sonderregelungen.
Wir werden ab Mittwoch, ab dem 16. Dezember, den Einzelhandel schließen und Geschäfte nur noch für Lebensmittel und ähnliche dringende Waren des täglichen Bedarfs offen halten. Es wird auch darauf geachtet, dass der Verkauf von Nicht-Lebensmittelprodukten im Lebensmitteleinzelhandel nicht ausgeweitet wird.
Es gibt ein Verbot des Verkaufs von Pyrotechnik vor Silvester. Das wird vom Bundesinnenministerium per Verordnung sichergestellt.
Es müssen auch die Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege wie zum Beispiel Friseure schließen.
An den Schulen sollen die Kontakte deutlich eingeschränkt werden, ebenso bei den Kindertagesstätten. Das bedeutet, dass Kinder wann immer möglich zu Hause betreut werden. Daher werden im Zeitraum ab dem 16. Dezember, also ab Mittwoch, die Schulen grundsätzlich geschlossen oder die Präsenzpflicht ausgesetzt. Es werden Notfallbetreuungen bereitgestellt, und es werden Regelungen zum Distanzlernen angeboten. Für Abschlussklassen können gesonderte Regelungen erlassen werden. Für Kindertagesstätten gilt das wie gesagt analog zur Schule. Wo immer möglich sollen die Kinder zu Hause betreut werden.
Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber werden gebeten, Betriebsferien oder großzügige Homeoffice-Lösungen vom 16. Dezember bis zum 10. Januar anzubieten.
Was die Frage von mitnahmefähigen Speisen aus Gastronomiebetrieben für den Verzehr zu Hause anbelangt, bleibt das weiterhin möglich. Aber der Verzehr vor Ort wird untersagt. Sie wissen, dass es in den letzten Tagen und Wochen immer wieder eine Situation gab, in der sich doch Ansammlungen von Menschen vor Einrichtungen ergeben haben, in denen der Verzehr möglich war.
Gottesdienste sind nur unter engen Voraussetzungen möglich. Wir werden dazu Gespräche mit den Kirchen führen. Das wird das Bundesinnenministerium machen.
Eine besondere Beachtung finden die Alten- und Pflegeheime sowie mobile Pflegedienste. Hier soll eine verpflichtende Testung mehrmals pro Woche angeboten werden.
Wir raten von Reisen im In- und Ausland, die nicht zwingend notwendig sind, ab. Die Quarantäneregeln werden so weitergeführt, wie sie heute sind.
Es wird umfangreiche Wirtschaftshilfen geben; dazu wird der Bundesfinanzminister etwas sagen.
Wir haben damit ein umfassendes Maßnahmenpaket verabredet, das natürlich die Lebenssituation vieler Menschen beeinflusst und das dazu führt, dass die Kontakte stark reduziert werden. Deshalb möchte ich den Menschen in Deutschland dafür danken, dass sie die Regelungen bislang in großer Zahl eingehalten haben. Ich möchte alle ganz eindringlich bitten, auch in den nächsten Tagen von Kontakten, die nicht unbedingt notwendig sind, Abstand zu nehmen und damit einen Beitrag dazu zu leisten, dass unser Gesundheitssystem nicht überfordert wird. Ich möchte vor allen Dingen denen, die in den Krankenhäusern und in den Altenheimen arbeiten, den Ärzten, den Schwestern, den Pflegern, ein ganz herzliches Dankeschön sagen. Für sie wird dies ein sehr schweres Weihnachten werden. Unsere Beschlüsse sind deshalb dringend geboten, um gerade auch sie zu unterstützen und Menschen mehr gesundheitliche Sicherheit zu geben.
Herzlichen Dank.
BGM Müller: Es hat in den letzten Tagen einen sehr detaillierten, aber auch sehr schnellen und einvernehmlichen Abstimmungsprozess zwischen den Ländern sowie zwischen dem Bund und den Ländern gegeben. Tatsächlich, wie die Bundeskanzlerin sagte, sind das jetzt einschneidende Maßnahmen für eigentlich alle Beteiligten - natürlich für die Familien, für Schülerinnen und Schüler, für die Einzelhändler, für viele Unternehmen, für die Kultur -, die nach wie vor noch keine Perspektive haben, wie es weitergeht. Es ist ein wirklich umfassender Beschluss, auf den wir uns hier verständigt haben.
Ich möchte gerne noch einmal für mich die ganze Situation einordnen und darstellen, was aus meiner Sicht auch in den letzten Monaten schon alles passiert ist, weil ich immer wieder und gerade in den letzten Tagen gehört habe: Warum erst jetzt? Warum nicht noch weitgehender? Warum nicht härter? Warum kann sich die Politik auf dieses oder jenes nicht verständigen? – Wenn man sich anschaut, was seit Februar oder März passiert ist, und zwar in allen Bundesländern, muss man sagen: Wir haben sehr schnell und entschlossen gehandelt, und zwar alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. Wir haben Dinge eingeschränkt und beschlossen, von einem Tag auf den anderen. Dinge, die vorher selbstverständlich waren, waren dann eben nicht mehr möglich. Wir haben uns in einer großen Einigkeit immer wieder im Grundsatz auf weitere Schritte verständigt, natürlich an regionale Gegebenheiten angepasst.
Es gibt einen Unterschied zwischen großen Flächenländern, auch solchen in Grenznähe, und Stadtstaaten. Es gibt einen Unterschied zwischen Ländern mit sehr hohen und Ländern mit sehr niedrigen Inzidenzen. Wir mussten und haben auch immer wieder einen Weg - einen gemeinsamen Weg - formulieren können, haben vielen Menschen helfen können - sowohl, was den Gesundheitsschutz anbelangt, als eben auch in Bezug auf eine erneute Perspektive, auch eine wirtschaftliche Perspektive - oder für die Kulturinstitutionen wieder Dinge möglich gemacht. Es war und ist uns doch auch allen wichtig, nach wie vor dort, wo es möglich ist, wieder Normalität zuzulassen und deutlich zu machen, dass Dinge auch gehen. Aber wir haben dann eben auch wieder in den Situationen, in denen wir gemerkt haben, dass sich die Zahlen leider wieder nach oben entwickeln, sofort nachgesteuert - im Oktober, im November, im Dezember.
Warum dann nicht sofort einen harten Lockdown? Ich will auch einmal an das Frühjahr erinnern, als viele auch zu Recht gesagt haben: Wir haben doch aus dem Frühjahr gelernt. Manche Dinge gehen auch nicht von heute auf morgen, wie jetzt zum Beispiel im Bereich von Kita und Schule. Familien müssen auch die Chance haben, sich wenigstens ein, zwei Tage lang auf die Situation einzustellen und etwas für die Kinder zu organisieren. Die Schulen müssen die Chance haben, diese digitalen Angebote dann auch wenigstens ein, zwei Tage lang umzusetzen und sie an die Familien zu vermitteln. Die Einzelhändler, die mit einem Weihnachtsgeschäft gerechnet haben, müssen doch die Chance haben, ein, zwei Tage lang auf diese Situation zu reagieren.
Wir haben auch immer wieder gelernt, durch Beratung und durch Erfahrungen, die wir im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung gemacht haben. Auch wissenschaftliche Beratung hat sich in den letzten Monaten in Bezug auf Kinder, auf Schulen, auf Pflegeeinrichtungen usw. verändert. All das ist auch immer wieder in unsere Beschlüsse eingeflossen.
Insofern sage ich auch: Man kann jede einzelne Maßnahme hoch- und runterdiskutieren: „Warum so und nicht anders, warum heute und nicht schon gestern oder warum erst morgen?“ Aber im Gesamtbild ist es, glaube ich, sehr wichtig, dass wir deutschlandweit zu einer guten Verständigung zwischen den Ländern kommen und dass wir Maßnahmen über die letzten Monate hinweg auch gemeinsam getragen haben. Das ist immer wieder und auch jetzt gelungen.
Ja, es ist richtig: Wir haben viele Dinge berücksichtigt und hoch- und runterdiskutiert, wie ich es Ihnen eben dargestellt habe. Unterschiedlichste Erwartungen aus den unterschiedlichsten Perspektiven wurden natürlich auch formuliert. Aber ich will für mich auch wieder ganz klar sagen: Letztendlich bleibt der Maßstab der Gesundheitsschutz. Der Gesundheitsschutz ist das A und O. Wie können wir bestmöglich Menschen schützen? - Wir haben nun Perspektiven, auch durch die Impfungen, die ja in nächster Zeit umgesetzt werden können und die uns allen, glaube ich, auch große Hoffnung darauf geben, dass wir uns mit diesem Impfschutz wieder und erneut ein Stück Normalität erarbeiten und erkämpfen können. Aber das wird noch dauern. Es wird noch dauern, bis dann wirklich viele durch die entsprechenden Impfungen geschützt sein werden.
Das bedeutet: Wir müssen weiterhin achtsam sein, wir müssen weiterhin - eben auch durch Einschränkungen - Menschen schützen, und wir müssen weiterhin Kontakte vermeiden. Im Rahmen dieser Kontaktvermeidung spielt jetzt eben alles eine Rolle. Auch wenn es nicht besondere Auffälligkeiten an den Schulen gibt, gibt es dort und im Umfeld der Schule Kontakte und Infektionen. Auch wenn Einzelhändler und Handwerker die Maßnahmen alle gut umsetzen und auf Regeln achten, gibt es natürlich Kontakte, und über die Kontakte gibt es erneute Infektionen. Wir sind einfach im Moment wieder in einer Situation, in der wir alles, was nur irgend möglich ist, einschränken müssen, um diese Kontakte und damit neue Infektionsketten zu vermeiden.
Insofern will ich mich auch dem abschließenden Appell der Bundeskanzlerin noch einmal anschließen. Ja, es sind natürlich auch weiterhin Dinge möglich. Es sind Dinge im Zusammenhang mit Weihnachten und Silvester möglich. Aber man muss auch nicht alles machen, was möglich ist, sondern man muss sich jetzt auch selbst prüfen, wie man sich selbst, die eigene Familie, Freunde und Verwandte am besten schützen kann. Das sind einerseits die Regeln, und das ist zum anderen eben auch die Kontaktvermeidung im größtmöglichen Umfang. Das ist nicht in jeder Lebenssituation, jeden Tag und immer umfassend möglich, aber es ist mit Sicherheit für uns alle möglich, auch an dieser Stelle noch mehr als bisher zu tun, um uns eben auch gemeinsam zu schützen, bis uns der Impfstoff entsprechend allen helfen kann.
Insofern glaube ich, dass wir bei allen Zumutungen, die es jetzt auch wieder für so viele Menschen in unserem Land gibt, miteinander einen sehr verantwortungsvollen Weg formuliert haben. Es ist auch meine dringende Bitte, das den alle mittragen und uns in unseren Bemühungen unterstützen.
MP Söder: Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, das ist heute keine normale Ministerpräsidentenkonferenz gewesen, wie es sie in den letzten vier oder fünf Monaten gab, als wir stundenlang über Kleine Details geredet haben. Heute ist die Lage anders; denn Corona ist außer Kontrolle geraten. Die Lage ist: Es ist eigentlich wieder fünf vor zwölf. Deswegen wollen wir keine halben Sachen mehr machen, sondern konsequent handeln.
Wir hatten letzte Woche in Bayern den Katastrophenfall ausgerufen, und ein Journalist fragte mich: Ist das nicht übertrieben? - Unabhängig davon, dass es dabei um sehr viele praktische Fragen geht, ist Corona eine Katastrophe. Corona ist eine Katastrophe, die unser Leben mehr als jede Krise betrifft, die wir in den letzten 50 Jahren zuvor hatten. Deswegen bedarf es jetzt auch einer Kraftanstrengung von uns allen, einer nationalen Kraftanstrengung. „Ganz oder gar nicht“ heißt das Motto. Nicht mehr „halbherzig“, „ein bisschen“ oder „versuchen, Ausnahmen und Schlupflöcher zu suchen“, sondern konsequent entscheiden! Der „Lockdown leicht“, wie wir ihn versucht haben, hatte eine Wirkung. Er war eine Medizin, aber sie hat nicht gereicht. Wir waren nicht mit der notwendigen Therapiekonsequenz dabei. Wenn wir nicht aufpassen, wird Deutschland schnell das Sorgenkind in ganz Europa. Deswegen mussten und müssen wir handeln.
Besonders schlimm und besorgt macht uns vor allem die Zahl der Todesfälle. Alle drei Minuten stirbt jemand in Deutschland an Corona. Es wird wohl die dritthäufigste Todesursache in diesem Jahr werden. Deswegen können wir darauf nicht achselzuckend reagieren oder das als statistische Größe wahrnehmen. Hinter all dem stecken Familien - Menschen, die auch gern Weihnachten und Silvester erlebt hätten. Die Kliniken ächzen derzeit unter der Belastung. Teilweise gibt es schon Triage in Deutschland, nämlich, dass man entscheidet, wer behandelt wird oder wer woanders hin verlegt werden muss.
Wir reden manchmal über Einzeldetails wie Ferien oder das Einkaufen. Dabei kämpfen Pflegerinnen und Pfleger und Ärzte jeden Tag einen schier unermüdlichen Kampf. Bergamo ist näher, als der eine oder andere glaubt.
Um das zu verhindern, müssen wir konsequent handeln. Oft wird gesagt, wir seien herzlos. Genau das Gegenteil ist der Fall. Mich persönlich und uns alle rührt das. Deswegen dürfen wir aus Bequemlichkeit oder reinen monetären Interessen keine Fehlentscheidungen treffen. Denn eines lehrt uns Corona überall in der Welt: Je später man handelt, desto länger dauert es und desto größer sind die Schädigungen für Gesundheit und Wirtschaft.
Das Positive heute ist: Wir haben uns alle miteinander klar und konsequent auf einen Beschluss geeinigt. Es gibt kein „sowohl als auch“, sondern eine Richtung. Das ist eine bittere Pille, aber ich glaube, diese Dosis ist jetzt richtig. Wichtig ist: Wir führen nicht wieder eine Diskussion über Ausnahmen, sondern über konsequentes Umsetzen.
Wenn wir ehrlich sind, dann haben die Diskussionen über Ausnahmen und Details und das letzte Haar in der Suppe, die seit Monaten geführt werden, letztlich auch die Akzeptanz vieler dieser gemeinsamen Ideen geschwächt und untergraben. Deswegen ist wichtig: Ab Mittwoch gibt es einen richtigen Lockdown in Deutschland, für alle konsequent und auch klar verständlich und anwendbar.
Der Lockdown ist bis zum 10. Januar geplant. Aber ich sage ausdrücklich: Er wird dauern, solange es dauert. Corona hält sich nicht an Daten der Ministerpräsidentenkonferenzen. Corona hält sich nicht an Feiertage. Corona nimmt den Freiraum, den man ihm lässt. Deswegen ist unsere oberste Aufgabe und Priorität, jetzt das Virus zu bekämpfen.
Überall in der Welt gibt es zweite und sogar dritte Wellen. In der Geschichte waren übrigens immer die zweite oder dritte Welle am gefährlichsten, vor allem die zweite. Warum? Weil man sie unterschätzt hat.
Es ist auch heute wichtig noch einmal klarzumachen, dass wir in einer sehr ernsten Situation sind. Es ist Zeit für Gemeinsamkeit. Wir alle sitzen in Deutschland im gleichen Boot. Alle müssen mitmachen. Deswegen war es heute aus meiner Sicht sehr wichtig, dass alle mitgemacht haben. Dazu gehört auch die gute Vorbereitung und die klare Führung durch die Kanzlerin, wenn ich das sagen darf.
Wir Bayern sind besonders betroffen. Wir haben heute erstmals den Inzidenzwert von 200 für das ganze Land überschritten. Das heißt, wenn man es auf das Land bezogen sieht, dann sind wir ein Hotspot. Aber es ist anders als bislang gedacht: In den letzten Wochen war die Tendenz, dass es im Norden weniger und im Süden hoffentlich auch ein bisschen weniger Fälle wurden. Es ist jetzt umgekehrt: Von Süd nach Nord wandert es überall, und das geht ganz schnell. Es ist auch keine Frage von besser oder schlechter, sondern nur von gemeinsam und gleich betroffen, wie wir agieren müssen.
Für Bayern kann ich sagen: Wir werden die Beschlüsse maximal umsetzen. Wir haben in der letzten Woche bereits Maßnahmen getroffen, die alle in diese Richtung gehen. Ich bin sehr dankbar, dass wir diesen Weg gemeinsam gehen können.
Was heißt jetzt der komplette Lockdown? Alle Geschäfte werden ab Mittwoch zu sein. Es gab den einen oder anderen, der das auch eher gern eher hätte machen wollen. Es lag aber nicht daran, dass wir jetzt Mittwoch haben, weil ein Ministerpräsident nicht wollte, sondern weil es klare Parlamentsbeteiligungen gibt, die dazu zwingen, Fristen einzuhalten. Deswegen gilt der Lockdown ab Mittwoch. Das ist insofern ein besonderes Vorgehen, weil wir uns damit auch an die eigenen Gesetze halten.
Es gibt dafür eine umfangreiche Entschädigung des Bundes. Auch dafür sage ich schon einmal ein herzliches Dankeschön. In den Innenstädten wird also alles heruntergefahren bis auf die Geschäfte des Lebensmittelhandels und des wirklich notwendigsten alltäglichen Bedarfs. Denn die Philosophie heißt: Daheim bleiben und Kontakte vermeiden. Die Philosophie heißt nicht, irgendwo zu sein, sondern am besten zuhause mit der Familie. Deswegen machen übrigens in den Innenstädten nicht nur die Geschäfte zu, sondern gilt auch ein klares Alkoholverbot, um „Glühwein to go“ und „Glühwein-Hopping“ zu verhindern.
Zweitens. Ab Mittwoch - für Bayern sage ich das - sind alle Schulen und alle Kitas komplett zu. Das ist eine klare Regelung. Es ist so, weil wir vor Weihnachten kein Risiko mehr eingehen wollen. Studien zeigen zunehmend, dass auch Kinder, auch Kleinstkinder, betroffen sein können, meistens ohne jedes Symptom. Dafür besteht dann umso leichter die Möglichkeit der Ansteckung. Denn wenn kein Symptom vorhanden ist, neigt man im Sozialverhalten vielleicht eher dazu, darauf weniger Rücksicht zu nehmen. Die Kleinen nehmen wir auch besonders gern in den Arm; das ist bei 17- und 18-Jährigen sicherlich etwas anders. Neue Studien aus den USA oder Österreich zeigen, dass dort ein erhöhtes Risiko ist. Deswegen müssen wir vor Weihnachten auf Nummer sicher gehen. Wenn es zu Schließungen kommt, dann richtig, und nicht wieder halb oder gar nicht.
Deswegen sind ab Mittwoch alle Jahrgangsstufen in Bayern zu: mit Distanzunterricht, ja, mit Notbetreuung - das gilt für Schulen und Kitas -, wo es für die Eltern notwendig ist, und mit Ausgleich. Eltern können auch einen Ausgleich nehmen. Wenn es keine Möglichkeit der Betreuung gibt und sie deswegen Urlaub nehmen müssen, dann soll es einen finanziellen Ausgleich geben. An die Arbeitgeber richten wir den Appell - das ist, glaube ich, sowieso wichtig -, möglichst über Weihnachten und Neujahr Betriebsferien zu machen und Homeoffice anzubieten, wo es nur geht.
Diese Maßnahmen gelten alle, auch in der Schule, bis zum 10. Januar. Wir in Bayern haben den Vorteil, dass wir zu vier Ländern gehören, die ohnehin bis zum 10. Januar zu haben. Das gibt uns Zeit. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass danach alles wieder normal weitergeht. Wir werden besonders darauf achten, dass Abschlussklassen ihre Prüfungen schaffen. Darauf wird geachtet. Es werden Prüfungstermine verschoben werden müssen. Wir holen das ohne zusätzlichen Leistungsdruck nach. Die Schülerinnen und Schüler und Eltern sollen sich darauf verlassen können. Wir werden alles tun, damit die gleiche Bildungsqualität erhalten bleibt, ohne ein Stress-Abi, eine Stress-Mittlere Reife oder andere Stress-Abschlüsse zu haben.
Zu den privaten Kontakten: Da bleibt es zunächst bei den bisherigen Regelungen. Für uns in Bayern ist das eine klare Ausgangsbeschränkung, das Haus nur aus triftigem Grund zu verlassen. Wir haben in Bayern schon bei Inzidenzen über 200 Ausgangssperren von 21 Uhr bis 5 Uhr gehabt. Das hat sich in den letzten Tagen sehr bewährt. Wir halten daran fest, und wir werden, nachdem Bayern jetzt überall im Land Werte über 200 hat, das jetzt für ganz Bayern machen. Warum? Wir wollen auch da die privaten Feiern, private Kontakte, reduzieren.
Ich weiß, das ist nicht einfach. Es ist gerade für die jungen Leute unglaublich nervig und stressig. Aber wir sollten jetzt lieber in den nächsten Wochen wieder zusammenhalten, als das Ganze in einer Endlosschleife zu haben. Es hilft uns nicht. Wir müssen ganz besonders an die Älteren denken, an unsere Eltern und Großeltern. Sie zu schützen, ist Gebot für uns alle.
Für Weihnachten gibt es eine andere Regelung. Die Kanzlerin hat es schon gesagt. Dort wird es besonders schwierig sein. Das betrifft auch die Gottesdienste. Ja, für viele ist es eine große Einschränkung, dass Gottesdienste nur mit Maske, mit Anmeldung, um Abstände einzuhalten, und ohne Gesang stattfinden sollen. Aber gerade in der Kirche geht es um das Leben der Menschen, um den Schutz der Menschen. Deswegen, glaube ich, ist das gut vertretbar.
Für Silvester haben wir in Bayern die klare Regelung: Dort, wo Ausgangssperren sind, gelten sie auch dann. Das ist ab 21 Uhr. Da gelten auch die gesamten anderen Regeln. - Bei uns in Bayern ist es so: Dann bleibt man ohnehin zuhause.
Wir haben uns heute noch einmal darauf verständigt, ein De-facto-Böllerverbot zu haben. Viele fragen sich nun: Warum soll es jetzt ein De-facto-Böllerverbot geben? Hat denn das Böllern pandemisch irgendeine Auswirkung?
Auf den ersten Blick hat es sie nicht. Wir haben aber aus den Krankenhäusern den dringenden Wunsch bekommen, in diesem Jahr auf das Böllern zu verzichten. Denn wenn die normalen Verletzungen, die es in jedem Jahr durch Böllern gibt, dazukommen, sind die Krankenhäuser nicht mehr aufnahmefähig. Deswegen gibt es in diesem Jahr eine Ausnahme. Das heißt, es wird ein stilles Silvester. Das ist schade. Es ist wirklich schade. Aber es ist, glaube ich, in diesem Jahr geboten.
Bei Alten- und Pflegeheimen ist uns der Schutz der Älteren ganz besonders wichtig. Es hat sich übrigens gezeigt: Obwohl seit Monaten alle Länder und Kommunen entsprechende Schutzmaßnahmen treffen, ist Corona hereingekommen übrigens nicht nur durch Besucher, sondern manchmal auch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch in den Grenzregionen haben wir übrigens gespürt, dass dort Einträge möglich sind. Das hat in der letzten Woche in einer Fernsehsendung übrigens auch das Max-Planck-Institut noch einmal bestätigt. Hier haben wir klare Regeln: Besuche nur einmal pro Tag mit Maske und Test, Testpflicht für Mitarbeiter mindestens zweimal in der Woche, und wo es geht - das sage ich jetzt für Bayern - vorhandene andere Einrichtungen für Verlegungen nutzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das sind jetzt klare Regeln. Ich glaube, dass sie auch, weil sie für alle gelten und sie ohne große Ausnahmen sind, verständlicher und besser kommunizierbar sind. Wir hatten in den vergangenen Monaten immer Regelwerke, bei denen selbst der eine oder andere Minister, wenn er im Fernsehen danach gefragt wurde, erst einmal nachschauen musste, ob er alle parat hatte. Das kann man jetzt, glaube ich, ganz gut verstehen.
Für manche ist das eine große Einschränkung und Enttäuschung: Ich bin sicher, dass es aber für die Mehrzahl eine gewisse Erleichterung ist, weil sie froh darüber sind, dass wir jetzt alle den einheitlichen Weg gehen.
Es fällt uns nicht leicht, das zu tun. Wir tun es nicht - wie manche der Querdenkergruppen meinen - aus einem politischen Motiv heraus, also im Sinne davon, dass es uns Freude machen würde. Wir tun es nicht, weil wir das wollen, sondern weil wir es müssen, und zwar aus echter Verantwortung für die Menschen, für unsere Eltern und Großeltern und für das ganze Land.
Es gibt Hoffnung, natürlich auch in dieser schweren Zeit. Die jetzt beschlossenen Maßnahmen sind Hoffnung, weil wir fest davon überzeugt sind: Sie können wirken, wenn alle mitmachen. Wir kommen da auch als Deutschland durch. Wir überstehen das. Die Frage ist nur mit welchen Schäden. Wir wollen sie so Klein wie möglich halten.
Der Impfstoff ist eine Hoffnung, wenn das auch sicherlich nicht über Nacht geht. Erste Anzeichen sind da, dass nicht alles an Impfstoff wie gewünscht zur Verfügung steht. Das heißt: Wir müssen sehr klug überlegen, wie wir trotzdem konsequent impfen können. Die logistische Infrastruktur in den Ländern steht. In Bayern sind es fast 100 Impfzentren. Über 2000 Ärzte sind zur Mithilfe bereit. Ich habe mich jetzt selber davon überzeugt. Jens Spahn war in der Woche bei uns, und es läuft sehr gut. Aber erst muss der Impfstoff da sein, und dann muss klar sein, wer alles geimpft werden kann. Das wird nicht einfach werden. Ich sage Ihnen aber auch: Meine Hauptsorge ist nicht, dass es zu wenig Impfstoffe gibt, sondern dass sich am Ende nicht genügend impfen werden. Es wird nicht reichen, nur die vulnerablen Gruppen zu impfen, nur die Risikogruppen, nur die kritische Infrastruktur, sondern es müssen alle beim Impfen mitmachen. Denn sonst wird es ein ständiges Hin und Her, ein Auf und Ab. Das ist doch die Perspektive, die wir brauchen, um irgendwann einmal den großen Wurf zu machen. Wir brauchen möglichst viel Schutz durch Impfung und durch niedrige Zahlen - übrigens brauchen wir auch für das Impfen niedrige Zahlen -, um das zu schaffen.
Insofern schließe ich mich noch einmal dem Appell an: Es kommt jetzt auf wirklich jeden einzelnen an. Keiner steht außen vor. Ich bitte darum, ganz herzlich mitzumachen. Es ist eine schwierige Zeit. Aber vielleicht ist die sogenannte „stade“ Zeit, wie man bei uns in Bayern zu der Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr sagt, die jetzt sozusagen früher beginnt und länger dauert, die beste Gelegenheit, um daheim zu bleiben.
Eines noch: Das wichtigste Geschenk zu Weihnachten ist nicht das Teuerste, sondern die Zeit, die gemeinsam in der Familie verbracht werden kann. Auch das sollte man in diesem Jahr vielleicht viel stärker als je bewerten und besinnen. Vielen Dank.
BM Scholz: Wir würden Ihnen heute zum 3. Advent sicherlich gern weniger schwierige Botschaften mitteilen. Aber ich glaube ganz fest, dass das die Zeit ist, in der es notwendig ist, das zu tun, was unsere Aufgabe ist.
Wir haben als Regierung geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden. Genau darum geht es, wenn jetzt diese Entscheidungen getroffen werden. Das, glaube ich, muss auch jeder wissen: Das Virus macht keine Ferien. Das Virus feiert keine stille Weihnacht, sondern es ist darauf angewiesen, dass Menschen sich in großer Zahl begegnen und es dann von Mensch zu Mensch übertragen werden kann.
Deshalb muss es jetzt darum gehen, dass es angesichts der gestiegenen Infektionszahlen und der Prognosen, die wir für die weitere Zeit haben, weitere entschiedene, klare Kontaktbeschränkungen gibt, die auf verschiedene Weisen in Deutschland durchgesetzt werden.
Dass wir diese Situation gut vorbereitet haben, ist ein Beweis dafür, dass der deutsche Föderalismus und die Art und Weise, wie wir regieren, auch ordentlich funktioniert. Ich bin sehr froh, dass wir die ganze Woche über stundenlang miteinander gesprochen haben, um vorzubereiten, dass heute eine schnelle und zügige Entscheidung getroffen werden kann. Denn aus meiner Sicht wäre es nicht gut gewesen, wenn wir angesichts der Bedeutung dieser Entscheidung und der weitreichenden Konsequenzen, die damit verbunden sind, jetzt tatsächlich heute den ganzen Tag noch über Kommas und andere Fragen diskutiert hätten.
Hier geht es nicht um Kommas. Es geht um Gesundheit. Es geht um das Leben der Bürgerinnen und Bürger. Dementsprechend muss das auch gut vorbereitet und schnell umgesetzt werden.
Dass wir gemeinsam handeln, ist auch ein Zeichen dafür, dass es gut abgewogene und die richtigen Entscheidungen sind. Das, glaube ich, kann man den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes ganz ausdrücklich sagen. Es sind Entscheidungen, bei denen sich niemand irgendein einziges Detail leichtgemacht hat. Aber es sind welche, über die alle Einigkeit haben. Deshalb glaube ich, kann man gut davon ausgehen, dass es Entscheidungen sind, die helfen werden und die jetzt auch erforderlich sind. Dazu zählt, dass wir die Kontakte beschränken, dass der Einzelhandel außerhalb des täglichen Bedarfs eingeschränkt wird und auch an Schulen und Kitas die Kontakte reduziert werden, wobei wir sehr darauf geachtet haben, dass niemand Nachteile in seinem Schulerfolg hat und die Schulabschlüsse erreicht werden können.
Das alles sind richtige und notwendige Maßnahmen. Sie haben aber auch Konsequenzen, um die wir uns kümmern müssen und für die wir uns verantwortlich fühlen. Deshalb ist mit diesem Beschluss und auch mit den Maßnahmen, die wir zur Förderung der Wirtschaft auf den Weg bringen, auch verbunden, dass wir allen beistehen, die Hilfe, Beistand und Unterstützung brauchen. Ich will im Hinblick auf die Situation zum Beispiel der Gewerbemieter und Pächter in den Städten Deutschlands sagen: Sie haben jetzt eine Situation, in der sie mit ihren Vermietern und Verpächtern sicherlich neu über die Vertragsbeziehungen in dieser Situation reden können müssen. Wir werden sie dabei unterstützen.
Wir werden all die steuerlichen Erleichterungen, die wir bei verschiedener Gelegenheit gemacht hatten - alle untergesetzlich möglich -, nutzbar machen. Dazu gehört auch, dass Abschreibungsmöglichkeiten für Waren, die jetzt nicht verkauft werden können, schnell und unbürokratisch genutzt werden können.
Vor allem aber wird es eine sehr umfassende Wirtschaftshilfe, Überbrückungshilfe geben. Wir haben von Anfang an die Unternehmen in Deutschland nicht alleine gelassen. Mit den ersten Maßnahmen zur Stabilisierung der deutschen Wirtschaft auch während des Lockdowns, dann mit den Überbrückungshilfen danach. Gegenwärtig sind wir noch bei der zweiten Überbrückungshilfe, und wir haben schon lange die daran anschließende, bis zum Sommer des nächsten Jahres geltende Überbrückungshilfe III vorbereitet.
Das zeigt: Wir sind bei ständiger Weiterentwicklung unseres Förder- und Hilferegimes angelangt, wir greifen immer wieder neue Erkenntnisse und Anforderungen auf, und wir haben natürlich auch ganz besonders die jetzige Situation im Blick, wenn wir den Unternehmen und Geschäften helfen, die jetzt von den Schließungsentscheidungen betroffen sind. Es wird bis zu 500 000 Euro Unterstützung im Monat für direkt oder indirekt geschlossene Betriebe geben. Wir werden mit der Überbrückungshilfe weiter auch all denjenigen helfen, die indirekt betroffen sind, weil sie zwar nicht geschlossen sind, aber auch von dem geringeren Handelsgeschehen berührt sind, indem wir leichter möglich machen, dass man bei Umsatzausfällen von bis zu 40 Prozent dann auch die Überbrückungshilfe in Anspruch nehmen kann, die dann bis zu 200 000 Euro betragen kann. Wir geben dann jeweils entsprechend der Größe des Umsatzausfalles Unterstützung bis zu 90 Prozent der Fixkosten, die anfallen können.
Mittlerweile haben wir viele Regelungen getroffen, die zum Beispiel besondere Situationen berücksichtigen, was die Veranstaltungswirtschaft oder die Kinos betrifft oder zum Beispiel, was Aufwendungen von Unternehmen betrifft, die Abschreibungen für mit Krediten finanzierte Anlagen haben. Das alles ist gut berücksichtigt, und da wird Unterstützung geleistet.
Wir werden das auch für das nächste Jahr so machen. Wenn es im nächsten Jahr Schließungen gibt, wird das auch dazu führen, dass diese Überbrückungshilfen zur Verfügung stehen.
Um Ihnen ein Gefühl für den Umfang der Maßnahmen zu geben, die hier auf den Weg gebracht werden und genutzt werden können: Wenn es zu einer vollen Schließung für einen ganzen Monat kommt, rechnen wir mit Ausgaben knapp über elf Milliarden Euro für einen Monat. Das zeigt: Das ist schon eine sehr umfassend gestaltete Unterstützung. Ich will gleichzeitig sagen: Ich halte sie für absolut richtig, denn es geht hier um Existenzen, es geht um Männer und Frauen, die sich über viele Jahre und Jahrzehnte ein Geschäft aufgebaut haben und jetzt Sorge haben, dass in wenigen Wochen und Monaten eine ganze Lebensleistung vor ihren Augen verschwindet. Das muss aufgehalten werden mit den Möglichkeiten, die wir haben, und natürlich geht es auch um die vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in all diesen Betrieben beschäftigt sind.
Lassen Sie mich zum Schluss noch einmal sagen: Es kommt unbedingt auf uns alle an. Jeder von uns muss seinen Beitrag leisten, damit wir die Bürgerinnen und Bürger schützen können, indem wir die Regeln einhalten, die wir miteinander aufgestellt haben, was Abstand und Hygiene betrifft, indem wir die Zahl der Kontakte reduzieren, soweit es möglich ist, und indem wir damit die Gesundheit unserer Liebsten, unserer Freunde, aber auch vieler anderer Bürgerinnen und Bürger, die wir nicht kennen, die uns wichtig sind und von denen wir wollen, dass sie jetzt nicht von dieser Gesundheitskrise Schaden nehmen, unterstützen.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, das war ja eine Blitz-MPK mit sozusagen sehr weitreichenden Weihnachtsnotbremsen. Was haben Sie getan, dass die Ministerpräsidenten sich jetzt so schnell und so umfassend haben einigen können? Sind das nicht die Dinge, die Sie sich schon vor Wochen hätten vorstellen können, um mehr Leben zu retten und weniger Tote zu haben?
An die Ministerpräsidenten: Hat die Kanzlerin im Rückblick mit ihrem vorsichtigen Kurs Recht behalten, können Sie das sagen? Es gibt ja schon Stimmen, die sagen, der Föderalismus sei jetzt stärker an die Grenzen gestoßen. Auch Herr Brinkhaus sagt, darüber müsse man sich Gedanken machen. Wie sehen Sie das als Ministerpräsidenten?
An Herrn Scholz: Diese bezahlten Urlaubstage, wie viele können das sein?
BK’in Merkel: Damit nicht nachher Recherchen angestellt werden, welchen Zettel ich an Herrn Brücher weitergegeben habe, möchte ich zu Beginn sagen: Das war die Bitte, die Unterrichtung der Fraktionsvorsitzenden auf 12.15 Uhr zu verschieben, damit wir noch ein bisschen Zeit für Fragen haben. Damit ist auch der Umfang dieser Pressekonferenz definiert.
Jetzt hat der Kollege ja gleich eine Vielzahl von Fragen gestellt. Dazu will ich Folgendes sagen: Es ist heute wirklich nicht der Tag, zurückzublicken oder irgendwie zu fragen „Was wäre gewesen, wenn…“, sondern es ist der Tag, das Notwendige zu tun. Das haben wir miteinander beschlossen, das haben wir gut vorbereitet, und jetzt ist das notwendig.
Ich hätte mir auch gewünscht, dass die leichteren Maßnahmen eine bessere Wirkung entfaltet hätten. Wir haben ja hier gesessen und haben gesagt: Wir brauchen 70 oder 75 Prozent Kontaktreduzierung. Wir hatten in den besten Fällen nur 40 Prozent erreicht, und gerade auch durch das Einkaufsgeschehen zu Weihnachten ist die Zahl der Kontakte noch einmal stark angestiegen. Das heißt, wir müssen jetzt diese Maßnahmen treffen. Sie haben eine breite Wirkung auf viele, viele Menschen, das ist uns bewusst. Sie werden aber auch eine Wirkung haben, damit unser Gesundheitssystem nicht überlastet wird. Das erfordert jetzt allerdings alle Anstrengungen und eben auch dieses schnelle Handeln.
Deshalb bin ich heute sehr einverstanden mit den Maßnahmen, die wir getroffen haben. Wir haben das in den letzten beiden Tagen beziehungsweise drei Tagen in großer Ernsthaftigkeit miteinander vorbereitet. Das zeigt, dass unser Staat, bestehend aus Bund und Ländern, handlungsfähig ist, wenn es notwendig ist.
BGM Müller: Ich möchte das gerne noch einmal unterstützen. Allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten war immer der Ernst der Lage bewusst, und wir haben immer entschieden. Ich will es auch noch einmal ganz klar sagen: Es gibt niemanden, der die eine Maßnahme oder den einen Weg kannte, der alle Probleme gelöst hätte, sondern wir haben in den Ländern unterschiedliche Erfahrungen gemacht, mit guten und schlechten Zahlen, und zwar ohne Ausnahme. Wir haben unsere Erfahrungen miteinander ausgetauscht und haben immer wieder nachgeschärft. So war es hier jetzt auch.
Ich möchte auch noch einmal daran erinnern: Im Oktober und November sind schon weitgehende Beschlüsse gefasst worden. Noch vor wenigen Tagen hat es ein Papier der Leopoldina gegeben, in dem die Empfehlung stand, doch bitte ab dem 24. Dezember den Einzelhandel einzuschränken. Sie sehen daran, dass wir das jetzt praktisch ab sofort machen, dass uns sehr wohl bewusst ist, wo wir stehen.
Das macht deutlich, dass es hier keine Differenzen gibt. Wir müssen einfach sehen - Herr Söder ist auch schon darauf eingegangen -: Wir haben mitunter Lagen, in denen wir auch über die Parlamente unsere Maßnahmen umsetzen müssen. Auch die Situationen der Familien müssen wir bei der Umsetzung der Maßnahmen berücksichtigen. Uns hat das in den letzten Wochen gemeinsam immer wieder beschäftigt: Wie machen wir es gut, um einerseits den Gesundheitsschutz zu gewährleisten, andererseits aber auch die Menschen mitzunehmen und ihnen die Chance zu geben, sich auf die jeweiligen Maßnahmen einzurichten und einzustellen?
Das sind weitgehende Einschnitte. In vielen Familien ist es nicht so einfach, das von heute auf morgen umzusetzen. Ich habe in meiner Stadt 52 Prozent Alleinlebende oder Alleinerziehende. Damit, dass auch die eine Chance brauchen, ihre Familiensituation oder ihre Situation am Arbeitsplatz zu organisieren, muss ich umgehen. Das ist nicht Sorglosigkeit - Sorglosigkeit hat es die ganzen letzten Wochen nicht gegeben, in keinem Bundesland, von keinem Ministerpräsidenten. Es hat aber auch keinen gegeben, der von Anfang an den Königsweg wusste. Wir haben uns vielmehr gemeinsam weiterentwickelt, und ich glaube, wir haben uns in vielen Bereichen sehr erfolgreich gemeinsam weiterentwickelt. Wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir sehen, dass es bundesweit mit diesen einzelnen Schritten nicht mehr geht, sondern dass es jetzt wirklich ein umfassendes Herunterfahren der Kontakte geben muss. Insofern gibt es darauf auch die Verständigung.
MP Söder: Wenn wir alles immer perfekt wüssten, dann wäre es ja ganz einfach; aber wir leben in einer Demokratie und haben es mit einer einzigartigen Herausforderung zu tun. Überall in der Welt ist es, dass Corona immer wieder neu aufflammt. Es gibt einige Länder, die autoritär sind und die auch nicht auf die Eigenverantwortung der Menschen, sondern allein auf die Staatsmacht setzen. Es gibt einige Länder, die nicht wie wir umgeben von anderen Ländern sind, sondern die beispielsweise Inseln sind. Australien, habe ich gelesen, ist sehr erfolgreich - unter anderem, weil da seit Monaten niemand das Land betreten darf, oder wenn, dann nur unter strengsten Quarantänevorschriften.
Wir haben eine gesellschaftliche Form, eine lebendige, liberale Demokratie, die, glaube ich, auch diesen Bewährungstest bestehen kann. Da dauert manches einmal zwei Tage länger, aber ich glaube, dass wir jetzt schon gemeinsam entschieden haben. Trotzdem bin ich froh, dass wir jetzt so entschieden haben. Das liegt auch am Bewusstsein aller, aber schon auch an eindringlichen Worten, die auch vom Bund noch einmal gekommen sind. Deswegen will ich einfach noch einmal sagen: Das war schon auch wichtig.
Was mich persönlich betrifft, muss ich jetzt sagen: Ich bedanke mich wirklich für die gute Zusammenarbeit auch mit Herrn Müller und mit Herrn Scholz. Es hat sehr geholfen, dass sich gestern noch einmal alle beteiligt haben. Meine Position zu den Dingen ist seit Monaten bekannt - ich sage aber auch: nicht, weil wir immer glauben würden, wir wüssten es besser, sondern weil wir von Anfang an stärker betroffen waren. Wir in Bayern haben zum Beispiel die längste Außengrenze aller deutschen Bundesländer - über 1000 Kilometer. Wenn es in den Nachbarregionen, die wir sehr schätzen und mögen, riesige Einträge gibt, dann ist es nur eine Zeitfrage, bis sich das hier und dort entwickelt.
Noch einen letzten Satz: Keiner ist vor hohen Infektionszahlen gefeit. Wir sehen zum Beispiel, wie schnell das jetzt in einigen Bundesländern vorangeht, die noch vor wenigen Wochen gesagt haben: Warum setzen wir uns überhaupt zusammen? Deswegen ist es entscheidend, dass wir nach vorne blicken und entscheiden, und nicht die Frage stellen: Wer hat die bessere Figur abgegeben? Das hilft nämlich niemandem, das hilft keinem Menschen. Deswegen konzentrieren wir uns alle auf die gemeinschaftliche Aufgabe in einem demokratisch-föderalen System.
BM Scholz: Das ist aus meiner Sicht genau das, was wir alle hier verstehen müssen: Es ist eine besondere Situation. Weihnachten und das Neujahrsfest werden ganz anders sein, als wir das bisher erlebt haben. Trotzdem ist es richtig, hier gemeinsam und entschlossen die Kontakte zu reduzieren, um einander zu schützen.
Was die Frage betrifft, was wir mit den erweiterten Möglichkeiten machen, frei zu nehmen, so werden die Details jetzt zu regeln und zu besprechen sein - heute und morgen, denn es muss ja Gesetzgebung zustande kommen, damit das möglich ist und damit das in der nächsten Sitzungswoche des Deutschen Bundestages beschlossen werden kann - der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist bereits dabei, das vorzubereiten und die richtigen Handlungsoptionen zu wählen. Da es hierbei um einen überschaubaren Zeitraum geht, wird es sicherlich auch möglich sein, eine gute, pragmatische Lösung zu finden.
Frage: Eine Nachfrage zum Thema Impfen: Frau Bundeskanzlerin, andere Länder haben ja bereits begonnen, mit dem in Deutschland entwickelten Impfstoff zu impfen. Wann wird in Deutschland der erste Mensch geimpft werden?
Weil es in weiten Teilen der Gesellschaft und in den sozialen Medien eine wachsende Skepsis beim Thema Impfen gibt, möchte ich noch fragen: Können Sie hier versichern, dass der Impfstoff sicher ist? Kann man sich also ohne schlechtes Gewissen impfen lassen?
BK’in Merkel: Die Frage, ob ein Impfstoff sicher ist, wird ja von den zuständigen Behörden geprüft. Wir haben dafür die Europäische Arzneimittel-Agentur, und die führt diese Prüfungen durch. Wir wollen natürlich, dass das sorgfältig geschieht, und deshalb werden wir da auch keinen politischen Druck machen. Die EMA - das ist diese Europäische Arzneimittel-Agentur - hat gesagt, dass sie bis zum 29. Dezember eine Zulassung machen wird. Wir haben heute den 13. Dezember, müssen also noch einige Tage warten. Vielleicht wird es auch etwas früher, aber spätestens am 29. Dezember soll es die Zulassung geben. Dann wird natürlich auch sofort der Impfstoff ausgeliefert - im Übrigen in alle europäischen Länder -, und dann wird es im Januar sehr schnell die Möglichkeit geben, zu impfen. Man wird dann also wenige Tage nach der Zulassung natürlich impfen. Ich vertraue den europäischen Arzneimittelbehörden und der Sachkunde, die dort waltet.
Im Übrigen ist es so, dass auch die nationalen Behörden Informationen an die europäischen Behörden weiterleiten. Bei uns ist das das Paul-Ehrlich-Institut, das diesbezüglich seinen Sachverstand mit einbringt. Ich mache mir keine Sorgen, dass nicht der beste Sachverstand, den es in Europa gibt, auch wirklich genutzt wird. Deshalb kann dieser Impfstoff so zugelassen werden, wie das auch gemacht wird. Es wird jetzt noch keinen Impfstoff für Kinder geben. Sicherlich werden noch einige Randbedingungen zu klären sein. Ich glaube, es ist wichtig, dass man hier Sorgfalt walten lässt.
Frage: Ich habe eine Frage an die beiden Ministerpräsidenten Müller und Söder. Kitaschließungen und insbesondere Grundschulschließungen sind nicht nur ein großes Problem für die Bildungsgerechtigkeit, sondern einfach ein Betreuungsproblem für berufstätige Eltern. Sie haben gesagt, es werde eine Notbetreuung und die Gewährung von Urlaubstagen geben. Können Sie das ein bisschen konkretisieren? Wer hat Anspruch auf die Notbetreuung?
BGM Müller: Wir werden in zwei Stunden mit dem Senat zusammenkommen und werden miteinander besprechen, wie wir das umsetzen. Was die Notbetreuung und die Frage angeht, für wen wir sie anbieten können, haben wir ja Erfahrungen aus dem Frühjahr. Das Wort „Notbetreuung“ macht schon deutlich, worum es geht: Es wird etwas für Notlagen organisiert.
Ich sage es noch einmal: Wir wollen weitestgehend Kontakte vermeiden. Das ist das Ziel. Insofern gibt es in unserem Beschluss die dringende Aufforderung, zu sehen, wie man jenseits des Präsenzbetriebs in Schule und Kita anders organisieren kann, wie man das familiär organisieren kann. Es gibt entsprechende Unterstützung in Form der digitalen Lernangebote. Dort, wo es für den Kitabereich nicht anders zu organisieren ist, gibt es eine Notbetreuung. Es wird aber eine Betreuung in einem geringen Umfang sein; das muss ich so sagen. Detaillierter kann ich es Ihnen vor der Senatssitzung noch nicht sagen.
MP Söder: Es wichtig, dass wir eine einheitliche Regelung haben. Wir haben vorher beispielsweise ganz unterschiedliche Auffassungen von Wechsel- und Distanzunterricht und Ähnlichem mehr gehabt. In neuesten Studien und in Tests in Österreich zeigt sich, dass es, obwohl es in Kitas wenig symptomatische Fälle gibt, offenkundig sehr viele asymptomatische Übertragungen gibt. Das heißt, es kann eine hohe Ansteckung geben. Wenn ganz, dann richtig.
Sie haben völlig recht: Die Betreuung spielt eine zentrale Rolle. Deswegen existiert ein Dreiklang, der so aussieht: Erstens Distanzunterricht in der Grundschule, wenn das möglich ist. Wenn nicht, gilt es zweitens, die Notbetreuung zu organisieren, und zwar für diejenigen - ich sage es einfach einmal allgemein -, die sie brauchen. Wir hatten uns im Frühjahr auf sehr knappe systemrelevante Berufe verständigt. Für Bayern würde ich sagen: Wir müssen für diejenigen eine Notbetreuung organisieren, die sie brauchen. Das muss nicht nur im Fall einer Berufstätigkeit sein, sondern in dem Fall, wo es einfach gar nicht anders organisierbar ist. Wir können ja die Eltern nicht völlig alleine lassen. Ganz entscheidend ist, dass Eltern bezahlten Urlaub nehmen können, was im Frühjahr auch möglich war. Sie bekommen also eine Entschädigung. Ich glaube, das hilft sehr.
Wir bitten die Arbeitgeber noch einmal dringend - es handelt sich nicht um mehr als drei Tage; das ist jetzt keine wochenlange Debatte -, Homeoffice zu ermöglichen. Ich glaube, für diese drei Tage kann Homeoffice und Gemeinsamkeit bestehen. Das gilt sowohl in Bezug auf die Kulanz der Arbeitgeber als auch vor Ort. Wenn wir es für diese drei Tage in Deutschland nicht organisieren können, eine gute Betreuung zu finden - - - Die Eltern schaffen das zum Teil selbst. Es gibt aber tatsächlich auch Eltern, die das nicht können, beispielsweise Pflegekräfte. Für sie gibt es entweder die Möglichkeit einer Notbetreuung oder die Eltern beziehungsweise ein Elternteil bleibt zu Hause, wenn es gar nicht anders geht - das ist natürlich bei Alleinerziehenden häufig der Fall -, und dann erhalten sie einen entsprechenden Ausgleich. Wir sind sehr dankbar, dass der Bund uns hier entgegenkommt und das mitfinanziert.
BK’in Merkel: Wobei man sagen muss, dass es in einigen Ländern mehr als drei Tage sind. Es sind drei Tage vor Weihnachten. In Bayern - in anderen Ländern auch - dauern die Ferien bis zum 10. Januar. Nicht alle Länder haben bis zum 10. Januar Ferien.
MP Söder: Nach jetzigem Stand sind es nicht fünf Wochen am Stück; das muss man einfach einmal sehen. Die Menschen haben sich in dieser Weihnachts- und Silvesterzeit ohnehin schon mit der Frage beschäftigt, wie es weitergehen wird, was die Betreuung der eigenen Kinder angeht.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, erlauben Sie, dass ich kurz eine Frage zum Thema Brexit stelle. Es gibt in der britischen Presse sehr harte Vorwürfe, dass Sie unter anderem zu hart verhandelt haben oder eine zu harte Position hatten und daher möglicherweise die Gespräche scheitern. Nachher sprechen Frau von der Leyen und Herr Johnson miteinander. Wären Sie für eine Fortsetzung der Gespräche, um doch noch möglicherweise ein Agreement hinzukriegen?
BK’in Merkel: Wer ist mit „Sie“ gemeint? Sie haben gesagt, dass „Sie zu hart verhandelt haben“. Ich als Person oder die Europäische Union?
Zusatz: Wenn ich es richtig gesehen haben, werden Sie in der britischen Presse als die Hauptschuldige präsentiert.
BK’in Merkel: Das ist gut zu wissen. - Ich habe überhaupt nicht verhandelt. Ich verhandle gar nicht, sondern die Europäische Kommission verhandelt. Sie haben es erwähnt: Die Kommissionspräsidentin und Michel Barnier verhandeln für uns alle. Diese Verhandlungsposition hat sich nicht verändert. Dass die Verhandlungen nicht einfach sind, ist ja klar. Großbritannien scheidet aus dem Binnenmarkt aus. Mit dem Ausscheiden aus dem Binnenmarkt müssen wir natürlich darauf achten, dass es im Zeitverlauf, wenn sich also die Rechtslage zwischen Großbritannien und der Europäischen Union weiter auseinanderentwickelt, faire Wettbewerbsbedingungen gibt. Wie gesagt, Deutschland verhandelt überhaupt nicht als einzelner Teilnehmer, sondern das sind alles Verhandlungen der Europäischen Union.
Zusatzfrage: Sind Sie dafür, dass die Gespräche fortgeführt werden?
BK’in Merkel: Natürlich bin ich der Meinung, dass wir alles versuchen sollten, um ein Ergebnis zu erzielen. Das versteht sich von selbst. Die Kommissionspräsidentin hat uns ja auch während des Europäischen Rates berichtet. Jede Möglichkeit, noch zu einem Ergebnis zu kommen, ist hochwillkommen.
Frage: Frau Bundeskanzlerin, im Rahmen der ersten Welle haben Gerichte eine ganze Reihe der Verschärfungen gekippt. Was macht Sie sicher, dass es dieses Mal in Bezug auf diese zusätzlichen starken Einschränkungen, die beschlossen wurden, nicht so sein wird?
Herr Scholz, eine Nachfrage in Sachen Finanzen. Sie hatten elf Milliarden Euro erwähnt. Mit wie viel Geld rechnen Sie darüber hinaus? Herr Söder hat ja schon angekündigt, dass er sich nicht vorstellen kann, dass nach dem 10. Januar plötzlich alles wieder aufgehoben wird und alles so sein wird wie vorher.
BK’in Merkel: Wir leben weiter unter den pandemischen Bedingungen. So lange es nicht eine gewisse Herdenimmunität durch das Impfen gibt, werden wir immer unter diesen Bedingungen leben. Wie diese jeweils ausgestaltet sind, muss man sehen.
Was Ihre Frage zu den Gerichtsprozessen im Frühjahr angeht, haben sich diese im Grunde erst ergeben, als wir angefangen haben zu lockern, weil dabei immer sehr die Frage der Gleichbehandlung im Raum stand. Ich glaube, jetzt, wo es so harte Schritte gibt, stellen sich diese Fragen nicht so stark. Wir haben erlebt, dass das Öffnen sehr schwer ist, weil dann eben gefragt wird: Wer wird im Verhältnis zu wem gleichbehandelt? Was ist jetzt verhältnismäßig? Was ist richtig?
Ich glaube, angesichts der Zahl der Toten, angesichts des exponentiellen Anstiegs sind diese Maßnahmen so erkennbar notwendig, dass ich nicht mit großen Schwierigkeiten rechne, zumal wir die Maßnahmen auch bundeseinheitlich durchführen. Das sehe ich als gegeben an, zumal wir die Maßnahmen jetzt in Übereinstimmung mit § 28 a des Infektionsschutzgesetzes getroffen haben, wo wir noch einmal die Inzidenzen festgelegt haben. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass das geboten ist.
BGM Müller: Was die Beschlüsse von Bund und Ländern angeht, haben wir jetzt einfach eine andere rechtliche Grundlage, was durch den Verweis der Bundeskanzlerin gerade deutlich wurde. Es gibt eine andere rechtliche Grundlage, auf der wir bundesweit in den Ländern anders agieren können. Es gab vor allen Dingen Urteile in Bezug auf die Grundrechtseinschränkungen sowohl in Sachen Demonstrationsrecht und Religionsfreiheit. Das sind natürlich die Dinge, mit denen wir jetzt besonders sensibel umgehen. Darauf liegt zum Beispiel im Parlament in Berlin ein besonderes Augenmerk. Wir haben aus diesen Urteilen gelernt. Aber die Rechtsgrundlage ist jetzt auch eine andere.
MP Söder: Ich möchte noch einen Satz sagen: Einer der Hauptgründe der Gerichte war immer ein ganz einfaches Schema, nämlich der Gleichheitsgrundsatz. Dadurch, dass wir im Grunde genommen jetzt alles gleichstellen, entfällt diese Endlosdifferenzierung, die einer der Gründe war - warum Fitnessstudio, warum dieses nicht, warum etwas anderes -, weitgehend weg.
Noch einmal zur Wahrheit: Zumindest in Bayern wurden von einer Unzahl von Verfahren nur etwas über zwei, knapp drei Prozent verloren. Das zeigt, wie juristisch dicht und stabil die Entscheidungen waren. Sie berichten immer gerne über die Entscheidung, die negativ ausgeht, aber nicht über die Hunderten von Entscheidungen, die abgelehnt werden oder positiv sind. Allein in Bezug auf die Masken gibt es unzählige Entscheidungen von überzeugten Maskengegnern, die immer wieder abgelehnt wurden. Infektionsschutzverordnungen und Ähnliches wurden bis hin zum Verfassungsschutzgericht akzeptiert.
BM Scholz: Um auf Ihre Frage in Bezug auf die Finanzen zu antworten: Der Deutsche Bundestag hat gerade den Haushalt für das Jahr 2021 beschlossen. In diesem sind für Wirtschaftshilfen 39,5 Milliarden Euro und außerdem zusätzliche Mittel für Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie von 35 Milliarden Euro vorgesehen. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat sich vorbehalten, 20 Milliarden Euro davon dann nur im Gespräch mit ihm auszugeben. Diese Summe ist also entsprechend festgelegt. Wenn man das insgesamt betrachtet, ist doch eine große Vorsorge für alles, was passieren kann, getroffen worden.
Was die Maßnahme pro Monat kostet, habe ich erwähnt, damit man die Dimensionen der Förderung wahrnimmt und auch wahrnimmt, mit welcher Ernsthaftigkeit - dieses Wort will ich schon verwenden - wir wirklich das Schicksal vieler Unternehmer und Unternehmerinnen und all der Beschäftigten in diesen Betrieben im Blick haben, um ihnen in dieser Situation beiseite zu stehen. Ich glaube, das ist schon etwas, was notwendig und auch richtig ist.
Gleichzeitig ist natürlich klar, dass wir immer schauen müssen, was passiert, wenn es länger dauert. Deshalb habe ich Ihnen gesagt, dass wir vom Deutschen Bundestag einen großen Spielraum bekommen haben, dort zu helfen, wo es notwendig ist.
Frage: Sie hatten vorhin gesagt, dass die Maßnahmen, die Sie schon im November getroffen haben, nicht die Wirkung gehabt haben, die man sich erhofft hatte. Sie haben eigentlich eine Erweiterung dieser Maßnahmen durch weitere Schließungen getroffen. Es gab im Vorfeld oft Ankündigungen: Verteilen von FFP2-Masken, Lüftungssystemen in den Schulen und was da noch alles an Ankündigungen kam. Es ist aber sehr still geworden, was die praktische Umsetzung angeht. Woher haben Sie das Vertrauen, dass diese Maßnahmen jetzt wirklich funktionieren und dass das klappt?
BK’in Merkel: Das Vertrauen kann man haben, weil wir auf der einen Seite Erfahrungen aus dem Frühjahr haben. Das heißt, wir wissen, wie wir jetzt mit Kontaktreduzierungen rechnen können. Zweitens gewinnen wir dieses Vertrauen aus dem, was wir in unseren Nachbarländern sehen, wo es eine ganze Reihe von Beschränkungen gab - zum Teil noch härtere Beschränkungen, als die, die wir jetzt gemacht haben - und wo man nach einigen Tagen sah, wie sich das auswirkte.
Wir müssen jetzt sehen, dass es natürlich noch eine ganze Reihe von Tagen geben wird - an die zehn Tage -, in denen die Zahlen weiter steigen, weil die Infektionen die heute, morgen und übermorgen erkannt werden, ja schon in der Vergangenheit stattgefunden haben und dann erst überhaupt eine Verbesserung der Lage sichtbar ist. Das heißt, wir haben jetzt schon einen recht langen Weg vor uns.
Was die FFP2-Masken anbelangt, werden noch vor Weihnachten - das hat ja der Gesundheitsminister angedeutet - drei Masken pro Berechtigtem durch die Apotheken ausgegeben. Die anderen werden im Januar ausgegeben. Das heißt also, dieses Versprechen wird in diesen Tagen genau umgesetzt.
SRS'in Fietz: Ich danke für Ihr Kommen und noch einen schönen dritten Advent.