Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bürgermeister Müller und Ministerpräsident Söder nach der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Bürgermeister Müller und Ministerpräsident Söder nach der Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder

in Berlin

36 Min. Lesedauer

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Dienstag, 10. August 2021

Sprecher: Bundeskanzlerin Angela Merkel, Regierender Bürgermeister Michael Müller, Ministerpräsident Markus Söder

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, wir haben uns ja heute zu einer Sitzung der MPK zusammen mit der Bundeskanzlerin, wie es heißt, also mit der Bundesregierung, getroffen, und hatten zwei Tagesordnungspunkte sehr unterschiedlicher Art, die aber beide außerordentlich wichtig sind.

Das Erste war die Bewältigung der Hochwasserkatastrophe und ihrer Folgen. Wir können sagen, dass Deutschland und hier insbesondere die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in einer bisher nicht gekannten Art und Weise von den Folgen eines Hochwassers erfasst wurden. Wir haben natürlich noch einmal unser Mitgefühl mit den Angehörigen der Opfer und auch den Opfern, die Verletzungen und materielle Schäden erlitten haben, ausgedrückt. Wir sind unendlich dankbar - das ist heute auch noch einmal durch die beiden Ministerpräsidenten Armin Laschet und Malu Dreyer deutlich geworden -, dass eine so umfassende Hilfsbereitschaft aus dem ehrenamtlichen und privaten Bereich stattgefunden hat und dass sehr, sehr viele freiwillige Helfer heute noch tätig sind.

 
Aber wir wissen, dass das natürlich eine Aufgabe ist, die von gesamtstaatlicher Bedeutung ist. Ich bin sehr froh, dass wir neben den bereits am 21. Juli beschlossenen Soforthilfen heute auch Hilfen vereinbaren konnten, die langfristiger Natur sind. Es ist inzwischen eine Schadensermittlung durch die besonders betroffenen Bundesländer erfolgt. Die sagt uns, dass wir ein Sondervermögen des Bundes mit einem Volumen von 30 Milliarden Euro aufbauen müssen. Das ist deutlich mehr als bei den letzten Hochwassern. Die Wiederaufbaumaßnahmen der Länder in Höhe von 28 Milliarden Euro - zwei Milliarden betreffen Schäden an Bundesinfrastruktur - werden je zur Hälfte von Bund und Ländern finanziert. Das ist ein Zeichen gesamtstaatlicher Solidarität. Wegen der sehr, sehr hohen Summe wird diesmal die Beteiligung der Ländergesamtheit über eine Anpassung der sogenannten vertikalen Verteilung des Umsatzsteueraufkommens über 30 Jahre erfolgen.

Das Bundeskabinett wird diese Hilfen am 18. August beschließen. Der Deutsche Bundestag wird dann wahrscheinlich - das ist Sache des Bundestags - in der darauffolgenden Woche die erste Lesung dieses Gesetzentwurfes vornehmen, sodass wir dann in der Sitzung des Deutschen Bundestages im September die zweite und die dritte Lesung durchführen können und es damit auch sehr zeitnah Klarheit für die Betroffenen geben wird.

Es wird auch weitere Hilfsmaßnahmen und vor allen Dingen einen sehr engen Kontakt zu den Aufbaustäben der betroffenen Bundesländer geben. Wir haben innerhalb der Bundesregierung ja auch einen Staatssekretärsausschuss, der versucht, alle Hilfen unbürokratisch durchzuführen und die planungsrechtlichen Dinge zu klären, die natürlich im Wesentlichen der Länderhoheit unterliegen, um hier vor allen Dingen auch wirklich schnell zu handeln.

Wir bitten die Justizministerkonferenz vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse, auch noch einmal zu prüfen, ob die bisherige Bewertung der Pflichtversicherung - das ist ja alles schon einmal geprüft worden -, weiter Bestand haben soll, oder ob wir sie doch aktualisieren müssen.

Ich habe mich gefreut, dass dieser Teil der Beratungen wirklich sehr zügig vor sich ging und dass es eine große, große gemeinsame Bereitschaft gibt, in dieser außergewöhnlichen Situation den Menschen zu helfen, die von den Verwüstungen, wie man ja sagen muss, betroffen sind.

Zweitens ging es um Maßnahmen zur Bewältigung der Coronapandemie. Wir sind jetzt in einer völlig anderen Situation, als wir es hier sehr oft bei diesen Pressekonferenzen waren. Jetzt haben wir genug Impfstoff, und wir müssen dafür werben, dass geimpft wird. Wir sind im europäischen Vergleich nicht mehr spitze, sondern es gibt eine Reihe von Ländern, die besser und auch impffreudiger als Deutschland sind. Wir haben am heutigen Tage 55,1 Prozent der Bevölkerung vollständig und 62,5 Prozent einmal geimpft. Es gibt auch eine ziemliche Spanne zwischen den Bundesländern, aber die Durchschnittswerte habe ich genannt. Erfreulich ist, dass im Durchschnitt mehr als 80 Prozent der über 60-Jährigen, die ja unter den Folgen dieser Coronapandemie sehr viel stärker als Jüngere zu leiden haben, geimpft sind. Das ist schon ein erheblicher Schutz. Wir können davon ausgehen, dass auch - das ist die gute Nachricht - bei der Deltamutation die Impfwirkung sehr, sehr positiv ist, insbesondere bezüglich schwerer Verläufe der Pandemie.

Die nicht so gute Nachricht ist, dass das Impftempo doch erheblich nachgelassen hat. Deshalb sind wir uns einig, dass jeder in seiner Verantwortung - Bund und Länder, aber auch kommunal Verantwortliche - für das Impfen wirbt, wo immer es geht. Wir wissen, dass Impfangebote sehr niedrigschwellig sein müssen, dass man zu den Menschen gehen muss. Ich bitte auch von dieser Stelle aus heute noch einmal alle - Freunde, Bekannte, Familienmitglieder, die vielleicht schon geimpft sind -, in ihren Freundeskreisen, Familienkreisen und Sportvereinskreisen dafür zu werben, dass sich andere auch impfen lassen, weil das einfach ein Schutz für uns alle ist, nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für uns alle. Wir tun also etwas für uns, jeder für sich, aber wir tun eben auch etwas für diejenigen, die nicht geimpft werden können, seien es Kinder, die noch gar kein Impfangebot erhalten haben, oder seien es Menschen, die so vorerkrankt sind, dass sie nicht geimpft werden können. Insofern ist das also auch ein Beitrag für die Gemeinschaft, den jeder Einzelne leisten kann.

Es gibt trotz der Impffortschritte eine Steigerung des Infektionsgeschehens. Natürlich hängt die Fallzahl der Infizierten sehr stark von der Impfquote ab. Das heißt, es wird weniger Infektionen geben, wenn wir mehr Geimpfte haben. Wir waren uns auch darüber einig, dass wir zur Beurteilung des Gesamtgeschehens auch andere Indikatoren brauchen. Ich will allerdings ausdrücklich sagen: Die Inzidenz - das heißt, die Zahl der Fälle pro 100 000 Einwohner - korreliert jetzt anders, ist also anders verbunden, nämlich zum Beispiel mit der Zahl der Krankenhausaufenthalte, und zwar durch die hohe Zahl der Geimpften. Wenn man einmal davon ausgeht, dass die Erkrankungen der Geimpften keinen schweren Verlauf mehr nehmen, zählt im Grunde immer der Teil der Bevölkerung, der noch nicht geimpft ist. Aber der durchläuft die Pandemie natürlich genauso wie zu der Zeit, als alle noch nicht geimpft waren. Das heißt, ein Fünftel der über 80-Jährigen, die heute noch nicht geimpft sind, muss mit den gleichen Folgen rechnen. Aber es sind natürlich in der Gesamtheit sehr viel weniger Menschen, und das hat natürlich eine positive Wirkung auf unser Gesundheitssystem.

Wir wollen alle, dass wir mit niedrigschwelligen Maßnahmen den Anstieg der Infektionszahlen eindämmen können. Weil die Pandemie aber weiter da ist und weil die Deltavariante auch sehr aggressiv und sehr ansteckend ist - nicht von der Wirkung der Erkrankung her schwieriger, aber von der Schnelligkeit der Ansteckung her -, brauchen wir weiterhin Basisschutzmaßnahmen für die gesamte Bevölkerung, besonders in einer Zeit, in der eben gerade einmal 55,1 Prozent vollständig geimpft sind. Dazu bekennen wir uns. Das heißt also, die AHA+L-Regeln sind weiter einzuhalten. Schutzmasken medizinischer Art im Einzelhandel und im öffentlichen Personennahverkehr bleiben für die Bevölkerung verbindlich vorgeschrieben. Wir werden natürlich wie alle anderen Maßnahmen auch diese alle vier Wochen überprüfen.

Wir wollen dann zur weiteren Vermeidung des Anstiegs die sogenannte 3G-Regel durchsetzen. Dabei geht es um geimpfte, genesen oder getestete Personen bei Veranstaltungen in Innenräumen, weil wir wissen, dass das Infektionsgeschehen hier von besonderer Bedeutung ist. Das gilt für den Zugang zu Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie zu Einrichtungen der Behindertenhilfe, zur Innengastronomie, zur Teilnahme an Veranstaltungen und Festen, Informations-, Kultur- und Sportveranstaltungen in Innenräumen, für die Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen, für Sport im Innenbereich sowie - Test bei Anreise und zweimal pro Woche während des Aufenthalts - für Beherbergung.

Die Länder können Regelungen dafür vorsehen, dass die 3G-Regel ganz oder teilweise ausgesetzt wird, solange die 7-Tage-Inzidenz in einem Landkreis unter 35 Infektionen pro 100 000 Einwohner liegt oder - manche Länder haben das - das Indikatorensystem eines Landes ein vergleichbar niedriges Infektionsgeschehen widerspiegelt, womit dann ein Anstieg der Infektionszahlen durch die Aussetzung der Regelung nicht zu erwarten ist. Das heißt also, wir setzen jetzt bei steigenden Infektionszahlen bei diejenigen, die noch nicht geimpft sind, auf das Testen.

Da wir im Grunde jetzt schon jedem Bürger der Bundesrepublik Deutschland oder jeder Bürgerin ein umfassendes Impfangebot machen können, werden wir die kostenlosen Bürgertests für alle mit Wirkung ab dem 11. Oktober beenden. Das heißt, das gilt für all diejenigen, die sich impfen lassen könnten. Es ist natürlich klar: Wenn jemand Schwerstbehindert ist oder wenn jemand aus anderen Gründen nicht geimpft werden kann, dann werden wir das nicht tun.

Wir weisen darauf hin, dass Großveranstaltungen und Veranstaltungen in geschlossenen Räumen, Feiern, Bars und Clubs Veranstaltungen mit einem besonders hohen Risiko sind. Hier können ergänzende Regeln zur 3G-Regelung durch einschränkende Regelungen oder situationsbezogene Entscheidungen durch die Länder und Kommunen vorgenommen werden. Die Länder haben sich noch einmal über Sportgroßveranstaltungen verständigt. Das werden Herr Müller und Herr Söder gleich sagen.

Wir haben den gemeinsamen Wunsch geäußert oder zugesagt, dass die Überbrückungshilfen verlängert werden. Das bezieht sich natürlich auch auf die Tatsache, dass weitere Einschränkungen gerade auch bei Großveranstaltungen notwendig sind. Die Länder bitten den Bund, auch den erleichterten Zugang zum Kurzarbeitergeld zu verlängern.

Wir werden die Arbeitsschutzverordnung anpassen und verlängern. Das gilt insbesondere für die Pflicht zur Erstellung und Aktualisierung betrieblicher Hygienekonzepte sowie die Testangebotsverpflichtung.

Wir haben dann gesagt, dass wir natürlich weiterhin sehr stark berücksichtigen müssen, wie sich das weitere Infektionsgeschehen entwickelt. Hierfür sind die wichtigen Indikatoren die Inzidenz und natürlich die Impfquote, dann auch die Zahl der schweren Krankheitsverläufe sowie die daraus resultierende Belastung des Gesundheitswesens. Sie alle müssen im Blick behalten werden, um das Infektionsgeschehen zu kontrollieren. Wir hoffen allerdings, dass sich die Impfquote noch einmal deutlich steigert, vielleicht auch nach den Ferien, und dass damit die Kontrolle natürlich automatisch viel einfacher wird, als wenn wir bei 55 Prozent der voll Geimpften oder bei 62 Prozent stehen bleiben würden. Es wäre schon sehr, sehr gut, wir kämen deutlich über 70 Prozent und hin zu 80 Prozent, was aber im Augenblick noch nicht als gesichert angesehen werden kann.

Wir haben dann abschließend aus dieser Situationsbeschreibung geschlussfolgert, dass wir die epidemische Lage von nationaler Tragweite verlängern müssen; denn leider ist die Pandemie durch die Deltavariante nicht vorbei, und leider sind wir bei der Impfquote auch noch nicht da, wo wir hin müssen. Deshalb werden beschränkende Maßnahmen auch in Zukunft notwendig sein.

Alles in allem war es wichtig, dass wir uns heute auf diese nächsten Schritte verständigt haben. Natürlich bleiben wir auch weiter im Kontakt, um das weitere Geschehen zu verfolgen.

BGM Müller: Ich will gleich zu Beginn betonen, dass ich es gut finde, dass wir uns heute und nicht erst Ende August getroffen haben; denn wir haben zwei wichtige Themen miteinander beraten, die dringlich sind und bei denen viele Menschen, glaube ich, auch darauf warten, dass wir uns positionieren und sie auch unterstützen.

Das wird natürlich ganz besonders beim ersten Punkt deutlich, den wir diskutiert haben, der Fluthilfe. Es sind ja wirklich tragische Bilder, die man dort sieht. Es ist bitter, wenn man sieht, wie viele Menschen von einer Minute auf die andere ihre Lebensgrundlage, ihr Zuhause verloren haben. Es ist unfassbar, dass so etwas geschehen kann. Insofern war es wirklich gut, auch zu spüren, dass hier alle helfen wollen. Das sind natürlich vor allen Dingen auch diejenigen, die vor Ort sind. Den Helferinnen und Helfern, die dort konkret unterstützen, kann man gar nicht genug danken. Man darf nie vergessen: Wir sind ja immer noch auch bundesweit in einer Ausnahmesituation, in einer Pandemie, und jeder hat damit auch noch selbst zu kämpfen. Aber es ist großartig, zu sehen, wie viel Hilfe es dann doch vor Ort für die Menschen gibt, die diese Unterstützung eben noch dringender brauchen.

Wir wollten das natürlich auch mit unserer politischen Beschlussfassung ausdrücken. Es ist so, wie die Bundeskanzlerin gesagt hat: Als wir intern diskutiert haben, war sehr, sehr schnell klar und völlig unstrittig, dass wir hier gemeinsam auch finanziell unterstützen werden und dass Bund und Länder gemeinsam wirklich große Summen zur Verfügung stellen werden. Ja, das ist eine Kraftanstrengung, auch für die Länder, nicht nur für den Bund. Das ist eine Kraftanstrengung, aber eine nötige, und eine unstrittig geleistete Kraftanstrengung, die hier miteinander beschlossen wurde. Insofern glaube ich, ist das auch ein wichtiges Signal.

Ich will auch sagen, dass durch diese dramatischen Bilder allen noch einmal ganz bewusst wurde, dass es jeden treffen kann. Wir sehen, welche Auswirkungen die Klimaveränderungen haben, wie schnell sich Naturkatastrophen in einem wirklich ungeahnten Ausmaß entwickeln können und dass das tatsächlich auch jeden treffen kann, sicherlich in unterschiedlicher Form und in unterschiedlicher Dynamik. Aber es ist klar: Wir sind hier solidarisch, und wir wollen unterstützen.

Beim Thema Corona ist es so, dass wir, ja, wieder steigende Zahlen sehen und dass wir sehen, dass wir auch achtsamer sein müssen, wie sich die Infektionen entwickeln und welche Infektionsdynamik es gibt. Es ist richtig: Wir sind in einer anderen Situation als vor einem Jahr. Wir haben andere Erkenntnisse. Wir haben eine noch tiefere wissenschaftliche Begleitung. Wir haben andere Testkapazitäten und eine andere Testvielfalt. Wir haben vor allen Dingen die Impfstoffe und auch den entsprechenden Impffortschritt. Dennoch, muss man ganz klar sagen, ist hier noch etwas zu tun, und zwar jenseits von einschränkenden Maßnahmen. Wir haben einen guten Impffortschritt, aber die Gruppe der Ungeimpften ist zu groß; darum gibt es nichts herumzureden. Es ist auch schon bitter, zu sehen, dass so viele immer noch Vorbehalte haben oder Angebote nicht annehmen. Überlegen wir uns noch einmal, wie die Situation vor einem Jahr oder Ende 2020, Anfang 2021 war, als wir händeringend darauf gewartet haben, dass wir endlich die Impfstoffe haben und dass wir die Infrastruktur, die wir ja aufgebaut haben, für die Impfangebote nutzen können. Dann kamen die Impfstoffe; viele Impfstoffe kamen. Wir konnten sehr schnell helfen. Wir konnten denen helfen, die besonders betroffen waren und besonders geschützt werden mussten, den Älteren. Die Jüngeren haben gewartet. Wir haben dann immer mehr Impfstoffe bekommen und konnten immer mehr Angebote machen. Dass wir jetzt bei einer Impfquote von 60 Prozent sind, ist gut, aber das macht deutlich, dass wir gemeinsam an dieser Stelle auch noch viel zu tun haben.

Ich sehe auch - gerade in Berlin sehe ich das -, dass wir uns aus der Kombination von Testmöglichkeiten und Impfangeboten wieder viel zutrauen können. Wir können ins Theater gehen. Wir können ins Kino gehen. Wir können zu Sportveranstaltungen gehen. Das ist alles das, was wir über Monate vermisst haben. Aber wir müssen uns das doch erhalten, und wir müssen es uns vor allen Dingen durch ein schnelleres Impfen erhalten, durch eine deutlich höhere Impfquote. Impfen, impfen, impfen, das ist nach wie vor das Gebot der Stunde.

Wir sehen, wie die Impfung schützt. Wir sehen bei den Ältesten, wie sie durch eine sehr hohe Impfquote geschützt sind. Wir sehen aber bei den Jüngeren, bei denen wir noch eine relativ niedrige Impfquote haben, leider auch, wie die Inzidenzen nach oben gehen. Ich sage das ohne Vorwurf. Denn wir wissen auch, dass die Jüngeren erst später ein entsprechendes Impfangebot bekommen haben. Viele Studierende zum Beispiel kommen jetzt erst wieder zurück in die Stadt, um sich auf das Wintersemester vorzubereiten. Aber wir haben in Berlin in der Gruppe der 15- bis 25-Jährigen eine Inzidenz, die um 100 liegt, eben dort, wo wir noch keinen entsprechenden Impffortschritt haben. Insofern ist das auch von mir ein dringender Appell, die Angebote, die wir haben, bitte anzunehmen. Wir haben die entsprechenden Möglichkeiten. Wir haben die Möglichkeiten, nach denen sich andere Länder sehnen, und wir sollten diese Möglichkeiten auch nutzen.

Wir haben heute in unserer Beschlussfassung festgehalten, dass wir vor allen Dingen dort, wo das Infektionsgeschehen zu beobachten ist und wo es auch schnell bedrohlich werden kann, nämlich in den Innenräumen, anders als unter freiem Himmel, auch wieder verpflichtend für diejenigen, die nicht geimpft oder genesen sind, entsprechende Testerfordernisse formulieren. Diese Tests stehen auch zur Verfügung. Sie stehen die nächsten acht Wochen auch noch kostenlos zur Verfügung. Ab dem 11. Oktober werden sie kostenpflichtig. Ich will an dieser Stelle auch sagen, dass ich es richtig finde, dass wir diesen Schritt gehen. Ich weiß, dass es dagegen auch Widerspruch gibt und dass einige auch sagen: Das ist doch etwas, was dauerhaft kostenfrei angeboten werden muss. - Ich sage an der Stelle aber auch: Man kann all diese Erfordernisse - Testen, kostenpflichtige Tests - umgehen. Durch eine Impfung kann man sie umgehen. Wer dieses Angebot nicht annimmt, kann nicht dauerhaft damit rechnen, dass ihm die Solidargemeinschaft finanziert, dass er solche Angebote nicht annimmt und - das muss man immer wieder zu Ende denken - dass er, wenn er diese Angebote nicht annimmt, sich und nach wie vor auch andere gefährdet. Wer also diesen Weg warum auch immer wählt, muss dann eben auch damit rechnen, dass er die entsprechenden Tests bezahlen muss.

Also: Ich denke, dass es heute schon sehr wichtig war, noch einmal deutlich zu machen, dass wir das Infektionsgeschehen, das wir in unserem Land sehen, im Auge haben, dass wir darauf reagieren, dass wir darauf besonnen und angemessen mit entsprechenden Maßnahmen reagieren, um noch mehr Menschen einerseits zu schützen und ihnen andererseits aber auch entsprechende Impfangebote machen zu können.

Auch bei den Sportveranstaltungen - die Bundeskanzlerin hat es gerade angesprochen - sehen wir, dass wir uns etwas zutrauen können, dass wir Großveranstaltungen zulassen können, aber auch nicht in jeder Form, weil wir eben noch nicht komplett über den Berg sind, so schön die Fortschritte in der Pandemiebekämpfung auch sind. Wir haben einen Beschluss der Chefs der Staats- und Senatskanzleien aufgegriffen und haben jetzt auch als MPK noch einmal festgehalten, dass Sportgroßveranstaltungen oberhalb einer absoluten Zahl von 5000 Zuschauern in einer Auslastung von maximal 50 Prozent in den Stadien und Arenen zugelassen werden, aber eben auch gedeckelt mit einer Höchstzuschauerzahl von 25 000.

Das macht auch deutlich: Ja, Großveranstaltungen sind möglich, aber mit Regeln, mit entsprechenden Abständen, die bei diesen Großveranstaltungen auch berücksichtigt werden können. Wir wissen auch, dass wir jenseits der Veranstaltung selbst, vor und nach der Veranstaltung, vermeiden können und wollen, dass es zu großen Ansammlungen kommt, in denen wieder neue Gefährdungssituationen entstehen.

Also, unter dem Strich, noch einmal: Das war, wie ich finde, eine sehr wichtige Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin, auch zum richtigen Zeitpunkt. Denn wir können jetzt gemeinsam noch darauf reagieren, wie das Infektionsgeschehen ist. Wir können jetzt gemeinsam auch die Grundlagen dafür legen, dass wir auch im Herbst und im Winter gut durch diese Zeit kommen, dass wir mit einer noch höheren Impfquote noch mehr Menschen und natürlich auch uns selbst schützen, aber vor allen Dingen auch die zurückgewonnene Freiheit der letzten Monate, die wir uns durch besonnenes Verhalten wieder zurückerobern konnten, auch im Herbst und Winter absichern können.

MP Söder: Frau Bundeskanzlerin, Herr Müller, die vierte Welle schleicht sich richtig heran. Es ist eine ein bisschen trügerische Ruhe. Die Mehrzahl der Menschen denkt, dass die Inzidenzen eigentlich ganz niedrig seien. Bei den meisten ist auch noch Sommerurlaub. Aber klar ist: Diese vierte Welle kommt, und zwar ganz sicher im Herbst.

Wir sind gut beim Impfen, aber lange nicht so gut, wie es sein muss. Die bisherigen Impfquoten reichen einfach nicht aus, um sorglos zu sein. Wir bekommen die Gefahr einer Pandemie der Ungeimpften. Da sind die Inzidenzen übrigens deutlich höher. Wenn man das - die Bundeskanzlerin hat es gesagt - einfach einmal herausrechnet, dann sieht man, dass wir bei denen, die ungeimpft sind, heute deutlich höhere Inzidenzen haben, als es die Gesamtzahl vermuten lässt. Wir kriegen immer mehr Fälle von „Long Covid“. Wir kriegen immer mehr Belastungen junger Menschen, die sich langfristig aufs Leben auswirken können.

Die Wahrheit ist: Wenn nicht ausreichend geimpft wird, besteht immer die Gefahr von Mutationen, weltweit, aber auch bei uns. Um zu verhindern, dass wir in eine Endlosschleife kommen - - - Das ist ja eigentlich das, was alle so beschwert. Wir können mit zwei Kleinen Piks, die umsonst zur Verfügung gestellt werden, aus dieser Endlosschleife herauskommen. Bislang gelingt das aber nicht. Deswegen ist die Kernfrage, wie ehrlich wir uns dieser Situation stellen.

Die heutige MPK war ein wichtiger Zwischenschritt. Aber es war noch nicht der abschließende Entwurf. Ich denke nicht, dass unsere Beschlüsse den ganzen Winter überdauern werden. Da wird sich sicherlich noch eine Menge ergeben. Das ist auch völlig unabhängig vom Wahlkampf. Denn Corona interessiert sich nicht dafür, was im Wahlkampf stattfindet oder nicht.

Auch deswegen mussten wir heute Beschlüsse fassen. Der wichtigste ist übrigens die gemeinsame Auffassung, dass die epidemiologische Lage verlängert werden muss. Denn ohne einen solchen Beschluss - - - Manche fordern ja einen „Freedom Day“. Ein „Freedom Day“ würde überhaupt nichts bringen, im Gegenteil. Er führt zur Wehrlosigkeit. Wir hätten keine Chance mehr, zu reagieren und zu steuern. Darum ist die Verlängerung dieser Lage zunächst einmal ein entscheidendes Moment.

Zweitens. Wir sagen im Grunde genommen: 3G, aber nicht endlos. - 3G bedeutet geimpft, genesen und getestet. Wir wissen, dass sich die Impfzahlen verbessern müssen. Wir wollen keine Impfpflicht. Jeder entscheidet echt selbst, ob er sich impfen lassen will oder nicht. Aber in einem freiheitlichen Staat trägt jeder auch die Verantwortung dafür. Der, der sich impfen lässt, trägt die Verantwortung. Der, der sich aber nicht impfen lässt und dazu auch bewusst Nein sagt, trägt auch die Verantwortung. Was heißt das? - Zum einen trägt er die Verantwortung. Jetzt muss mehr getestet werden. Ich finde es richtig - man muss sagen, dass das auch sehr stark auf die Initiative der Bundeskanzlerin zurückgeht -, mit 35 da noch einmal einen klaren Grenzwert zu definieren, dass mehr getestet werden muss. Ja, für einige bedeutet das auch, früher zu testen als bei den bisherigen Werten. Aber das ist notwendig, um eine dämpfende Wirkung zu haben. Es wird also mehr getestet. Jetzt müssen sich viele Landkreise und Kommunen und die Bürger, wenn sie den Zugang dazu haben wollen, wieder auf mehr Testen einstellen. Man muss sich auch - das ist wieder die Frage der Eigenverantwortung - darauf einstellen, dass diese Tests auf Dauer eben nicht kostenlos sind. Ist das unfair oder gerecht? - Es ist natürlich gerecht. Denn wenn man sich bewusst entscheidet, sich seinen Schutz und den Schutz anderer noch zu überlegen oder sich davon zu distanzieren, dann kann nicht der Steuerzahler auf Dauer Unmengen Tests bezahlen. Das ist nicht fair.

Also: 3G bleibt, aber mit mehr Testen und auf Dauer nicht mit kostenlosem Testen.

Die Wahrheit ist aber auch - das gilt insbesondere für den Herbst -: Wer keinen Lockdown will - - - Einen Lockdown wird es so auch nicht mehr geben, auf keinen Fall für zweifach Geimpfte. Warum? - Weil es verfassungsrechtlich gar nicht vertretbar ist. Das ist übrigens auch schon Beschlussfassung von Bund und Ländern, indem wir nämlich sagen, dass diejenigen, die zweimal geimpft sind, von Kontaktbeschränkungen und Ähnlichem mehr ausgenommen sind.

Letztlich muss es klar sein: Wenn wir Impfanreize setzen wollen, dann geht das nicht nur über die finanzielle Frage, sondern dann geht es auch um die verfassungsrechtlich entscheidende Frage, wem Rechte vorenthalten werden und wem nicht. In den letzten Tagen gab es eine Debatte darüber, ob wir uns mehr um die kümmern müssen, die nicht geimpft sind. Das ist der eine Aspekt, und das verstehe und respektiere ich. Aber wir müssen auch die Frage stellen, was mit denen ist, die schon zweifach geimpft sind und den maximalen Schutzauftrag für sich und für die Gesellschaft erfüllt haben. Die Verfassungsrechtler sagen eindeutig, dass es auf Dauer nicht möglich ist, ihnen die Rechte vorzuenthalten. Also müssen ihnen die Rechte zugestanden werden. Was bedeutet das? - Es muss klar sein - das muss jetzt Stück für Stück überlegt werden -, dass auch bei Höchstzahlen, die gemacht werden, auf Dauer die Nichtanrechnung von vollständig Geimpften erfolgen kann.

Wir werden es übrigens auch nicht verbieten - wir haben uns heute auch darüber ausgetauscht -, wenn private Veranstalter bewusst entscheiden und sagen: Zugang bei mir nur über 2G. - Dann gibt es keine Handhabe des Staates, dies zu verbieten.

Ich bin relativ sicher, dass es irgendwann auch eine Debatte darüber geben wird, ob es die Zugänge zu bestimmten Bereichen nicht mehr mit 3G gibt, sondern irgendwann nur noch mit 2G. Je länger es läuft und je länger die Impfzahlen gering bleiben, desto näher rückt man daran heran. Darum muss sich jeder noch einmal selbst den Impuls setzen und überlegen, ob es nicht der richtige Weg ist, sich impfen zu lassen. Das Impfen ist wirklich eine der leichtesten Möglichkeiten, für sich und andere Freiheit und eine größere Form von Sorglosigkeit zurückzubekommen. Unser normales Leben kommt durch das Impfen zurück. Wer das Impfen ausschlägt, läuft Gefahr, dass er dieses ganze Hin und Her und dieses ganze Theater mit Testen, Masken und allem endlos haben wird. Wer also wirklich ein freiheitsliebender Mensch ist, dem noch einmal die Empfehlung, sich das einfach einmal zu überlegen. Nach den Millionen von Impfungen in Deutschland - das kann man jetzt sagen - gibt es ausführliche Berichte über Nebenwirkungen, über Impfreize, die es gegeben hat, und auch allergische Reaktionen. Alles ist dokumentiert. Das kann man einsehen. Die Relationen und die Sorgen, die dahinterstehen, sind viel geringer als die Möglichkeiten, die bestehen. Wir werden uns also der Debatte über 2G auf Dauer sicherlich nicht verschließen können.

Noch zwei Punkte:

Wir haben heute nur am Rande über Schule gesprochen. Alle Bundesländer sind sich einig - Herr Müller, alle haben es, glaube ich, auch noch einmal dokumentiert - und wollen auf jeden Fall Präsenzunterricht haben. Alle werden mit Masken und mit sehr viel Testen operieren. Der Schülerausweis wird, im Grunde genommen, übrigens auch ein Testzertifikat werden, weil man mit dem Schülerausweis nämlich de facto nachweist, dass man mehrfach getestet ist. Das führt auch dazu, dass man damit automatisch die Möglichkeit für alle anderen Zugänge hat.

Ganz wichtig ist, dass angesichts mittlerweile auch vieler geimpfter Schüler nicht die gleichen Quarantäneregeln gelten. Wir setzen es überall fort. Alle Bundesländer bemühen sich, Angebote für das Impfen der Schüler zu machen.

Zum Fußball: Das sage ich jetzt nur für Bayern. Wir werden nach den Erfahrungen, die wir während der EM gemacht haben - - - Wir sind in der Tat das Land gewesen, dass die Fußballeuropameisterschaft bei sich hatte, mit sehr guten Ergebnissen. Das übertragen wir jetzt. Deswegen kann man auch sagen: Wir waren etwas zurückhaltend, Herr Müller. Wir werden die Maximalzahl auf Bundesebene jetzt auch ausschöpfen und es genauso machen wie alle anderen Bundesländer. Das an unsere Fußballvereine.

Letzter Satz: Wir haben heute einiges beschlossen. Aber ich glaube, dass das, wie gesagt, nicht das Letzte gewesen sein wird. Wir werden das Ganze auf Wiedervorlage legen, weil wir uns der Debatte nicht entziehen können. Ich hoffe sehr, dass wir jetzt gerade im September - - - Ich weiß, es ist Wahlkampf, und jeder versucht, da noch seine speziellen Punkte zu machen. Aber Corona erfordert von uns allen, nicht nur daran zu denken, was bis zum 26. September wird, sondern auch daran zu denken, was den gesamten Herbst hinein wird. Wenn wir in dieser Zeit falsche Entscheidungen treffen und nach der Bundestagswahl dann möglicherweise nicht so handlungsfähig sind, wie wir es uns vorstellen können, dann holt uns das alles im Winter wieder ein. Darum - das war, denke ich, auch der Ansatz heute; darum hat es auch ein bisschen eine Debatte um Testpflichten gegeben - lieber vorher und lieber dämpfend und präventiv als wieder hinter der Lage herzulaufen und am Ende wieder mit großen Schäden für alle einsammeln zu müssen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie schätzen Sie die Gefahr ein? Bis wann muss welche Impfquote bestehen, damit es nicht zu der Endlosschleife kommt, die Herr Söder angesprochen hat?

Herr Söder, wie wollen Sie das Problem in Ihrer eigenen Regierung mit Ihrem Stellvertreter lösen, der großer Impfskeptiker ist? Wird für ihn vielleicht einmal ein Lockdown für Ungeimpfte gelten?

BK’in Merkel: Ich kann mich hier ja auch nur auf die Aussage der Fachleute beziehen, die das modellieren. Ideal und wichtig wäre eine Impfquote von 90 Prozent der über 60-Jährigen - wir sind jetzt bei 80 Prozent. Aber ein Anteil von 90 Prozent wäre schon sehr, sehr wünschenswert - und eine Impfquote von 80 Prozent, 85 Prozent der über 12-Jährigen, was dann praktisch einer Impfquote von 70 Prozent, 75 Prozent der Gesamtbevölkerung entspräche. Wir brauchen hier also noch eine deutliche Steigerung. Wir sind jetzt bei 62,5 Prozent der Erstimpfung. Daran sieht man ja, wie viele Menschen bereit sind, sich impfen zu lassen. Denn wer eine Erstimpfung hat machen lassen, wir auch eine Zweitimpfung machen lassen. Da ist es also eine Frage der Zeit. Aber selbst da guckt Herr Müller skeptisch. Aber die Allermeisten, glaube ich, werden eine Zweitimpfung machen lassen. Deshalb wäre es also schon sehr erfreulich, wenn wir noch zwischen 15 Prozentpunkte und 20 Prozentpunkte dazubekommen. Daran arbeiten wir.

Wir können ja nur immer wieder sagen, dass dann ein sehr viel besserer Schutz gegenüber der Erforderlichkeit, noch mehr Maßnahmen zu ergreifen, bestehen würde. Das muss man ganz einfach sagen. Wir haben keine Impfpflicht, sondern wir können es jetzt nur immer wieder deutlich machen und gleichzeitig einfach auch jeden, der sich hat impfen lassen - das sind ja immerhin schon 55,1 Prozent der Bevölkerung - bitten, am besten noch einmal zu schauen, ob man noch jemanden werben kann, es genauso zu machen.

MP Söder: Die Bayerische Staatsregierung arbeitet immer mit einheitlichen Beschlüssen. Das war bislang so, und das wird auch so weitergehen. Nach den leichten Irritationen der letzten Tage hat sich das wieder sehr beruhigt. Ich habe auch die Rückmeldung der Landräte von vor Ort und auch des Koalitionspartners. Wir kriegen das alles gut hin.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben darauf hingewiesen, dass die Inzidenzzahlen wegen der Zahl der Geimpften inzwischen anders korrelieren. Es gibt ja schon eine längere Diskussion darüber, welche Werte künftig gelten sollen. Offenbar hat es darüber heute keine Einigkeit gegeben. Herr Müller hat heute Morgen - ich meine, es war im „Morgenmagazin“ - schon kritisiert, dass das Gesundheitsministerium diesbezüglich keinen konkreten Vorschlag vorgelegt hat.

Wie soll das weitergehen? Wann wird es diesbezüglich neue Richt- und Orientierungswerte geben?

BK’in Merkel: Wir haben uns ja auch in der Vergangenheit immer nach den Gegebenheiten gerichtet. Wir haben am heutigen Tag eine bundesweite Inzidenz von 23,5. Wir haben eine Impfquote in der Höhe, wie ich sie genannt habe. Wie das vielleicht in vier oder sechs Wochen sein wird, gerade, was die Impfquote anbelangt, kann ich nicht sagen. In Abhängigkeit von der Impfquote können wir uns bestimmte Inzidenzen und, abgeleitet davon, bestimmte Belastungen des Gesundheitssystems - - - Das müssen wir beobachten. Ich halte es zum jetzigen Zeitpunkt für sehr schwierig, zu sagen, bei welcher Impfquote dann welche Inzidenz und in der Folge welche Hospitalisierungsrate und Intensivrate wahrscheinlich wären. Wir müssen uns alle diese Faktoren anschauen. Richtigerweise hängt es jetzt auch nicht mehr davon ab, wie die Gesamtinzidenz ist. Herr Müller hat es gesagt. Die Gesamtinzidenz bei den über 60-Jährigen ist im Augenblick noch sehr, sehr niedrig. Wenn von 80 Prozent dieser Gruppe geimpft sind, dann muss man im Grunde die Inzidenz mal fünf nehmen. Denn ein Fünftel ist nicht geimpft. Wenn aber die Inzidenz bei den 20- bis 29-Jährigen dramatisch steigt, dann werden auch diese natürlich Krankenhausaufenthalte und Ähnliches haben.

Das heißt also: Ich habe sehr, sehr viele Variablen, die von der Impfquote abhängen. Heute eine Aussage dazu zu machen, was wir dann machen - - - Da haben wir erst noch eine andere Diskussion: Wie gehen wir mit den Geimpften um? Bei allem was wir bisher gemacht haben, ob es Kontaktbeschränkungen bei der Bundesnotbremse oder Kontaktbeschränkungen bei Feiern waren, sind die Geimpften immer ausgenommen worden. Deshalb hängt es dann, wenn wir uns wieder Maßnahmen überlegen, sehr, sehr davon ab, wie viele nicht Geimpfte wir haben. Deshalb ist das heute der richtige Tag gewesen, erst einmal zu beschließen, dass wir mit den jetzigen Werten mit 3G, also getestet, geimpft, genesen, versuchen, die Dynamik des Infektionsgeschehens zu verlangsamen, und in der Zwischenzeit alle Maßnahmen und Möglichkeiten nutzen, um noch mehr Menschen vom Impfen zu überzeugen. Dann können wir - vielleicht müssen wir es auch - die Diskussion weiterführen.

MP Söder: Ich will einen Kleinen Satz ergänzen: Das ist wirklich die kniffeligste Frage von allen. Auf der einen Seite ist klar: Ohne Inzidenz geht es nicht. Die Inzidenz ist einfach die Zahl der Infektionen. Das ist völlig klar. Ohne die Inzidenz kann keiner auf der Höhe bleiben. Wir müssen ja sehen, wie viele sich infizieren. Aber wie man das in die richtige Relation bringt und welche Folgen man davon ableitet - - - Man hat heute in der heutigen MPK gesehen, dass alle willig waren, darüber zu diskutieren. Aber wenn wir ganz ehrlich sind: So ein richtiges Konzept, wie man das macht - und auch verständlich kommunikativ macht -, ist noch nicht da. Deswegen ist es jetzt, glaube ich, sinnvoll, dass die Diskussion in allen Fachgremien weitergeführt wird. Natürlich spielt die Hospitalisierung eine Rolle. Wir können heute nicht eine Inzidenz von 50 oder 100 als den gleichen Maßstab nehmen. Deswegen gibt es ja ab einer Inzidenz von 100 auch keine Notbremse mehr. Es hatte ja schon eine Auswirkung, wenn man keine Notbremse macht.

Wir haben heute noch einmal festgehalten: Bei einem exorbitant ansteigenden Verhalten oder bei bestimmten Veranstaltungen müssen Hygienekonzepte vorliegen, um daraus kein „Superspreading Event“ zu machen. Aber im Grunde genommen ist das eine kniffelige Frage, auf die es noch keine endgültige Antwort gibt. Mein Eindruck ist: Darüber diskutieren sowohl der Bund, also der Bundesgesundheitsminister, als auch das RKI und die Landesgesundheitsminister eifrig. Es ist aber - das kann man wirklich sagen - noch keine Glücksformel gefunden worden, die das alles schon ins Lot bringt. Das ist, glaube ich, ein bisschen das Problem.

Darum: Ja, alle - Bund und Länder - sind eigentlich bereit, darüber zu reden. Aber ganz ehrlich: Eine richtige Lösung hat man noch nicht. Daran müssen wir noch arbeiten. Vielleicht geht es, vielleicht geht es aber auch nicht. Das muss man einfach so sagen, worauf die Bundeskanzlerin auch hingewiesen hat.

BGM Müller: Wobei eine Grundlage - vielleicht kann man das auch sagen - das ist, was es in einigen Ländern ja gibt, nämlich diese Corona-Ampel, dieses Warnsystem, das sich ja schon aus mehreren Faktoren zusammensetzt. Wir fangen da nicht bei null an. Herr Söder hat recht: Das ist nicht eins zu eins übertragbar und noch nicht die Formel für alle und für alle Situationen, die wir berücksichtigen wollen. Es ist aber heute auch noch einmal betont worden, dass das in den weiteren Beratungen für die Gesundheitsminister - und dann auch für uns - eine Grundlage sein kann, wie man mit mehreren Faktoren ein gutes Gefühl dafür bekommt, was sich vor Ort entwickelt.

Was hat es für Auswirkungen auf die Hospitalisierung und dann wiederum auch auf Schwersterkrankten und die Intensivstationen, wenn eine Inzidenz steigt? Da gibt es inzwischen doch schon Erfahrungen und auch ein Gefühl dafür, was man berücksichtigen muss und wie man gewichten muss. Das kann, wie gesagt, auch eine Grundlage für die weiteren Beratungen sein.

BK’in Merkel: Wenn ich noch etwas ergänzen darf. Dann ist es natürlich so: Die Zahl der Intensivbetten ist auf ungefähr 350 gesunken. Man sieht mit dem Anstieg der Inzidenz jetzt schon eine ganz leichte Steigerung - wirklich eine ganz leichte Steigerung - der Intensivbelegung. Wir haben inzwischen leider Erfahrungen damit, wo die Belastungsgrenzen unseres Gesundheitssystems liegen. Das haben wir ja erlebt. Mit 5000 bis 6000 Belegungen der Intensivbetten waren wir an einem Punkt, wo die Intensivmediziner deutlich gemacht haben, dass das so nicht weitergeht.

Was wir aber dieses Mal verhindern wollen - und deshalb wäre die Impfquote so wichtig -, ist, dass wir wieder überhaupt an so einen Punkt kommen. Denn die Maßnahmen, die wir damals ergreifen mussten, wollen wir ja nicht wieder ergreifen. Das heißt, wir müssen versuchen, mit leichten Maßnahmen zu reagieren, um so möglichst ganz dramatische Maßnahmen zu verhindern. Deshalb heute diese Entscheidung, über die ich sehr froh bin, dass spätestens bei einer Inzidenz von 35 bei allen Veranstaltungen getestet wird und man dann schaut, ob man damit das Infektionsgeschehen besser in den Griff bekommt. Das heißt aber auch, dass für alle Großveranstaltungen, Bars, Clubs usw. von den Ländern sicherlich noch weitere Maßnahmen ergriffen werden müssen, was ja auch der Fall ist.

Frage: Herr Söder, Sie sprachen von einem heutigen Zwischenergebnis. Wie genau sehen denn Ihre Vorstellungen aus, was konkrete Maßnahmen bei einem Endergebnis angeht?

Frau Merkel, Herr Müller, würden Sie diese Einschätzung eines heutigen Zwischenergebnisses ähnlich bewerten?

BK’in Merkel: Aus meiner Sicht würde ich sagen: Wir haben heute zusätzliche Maßnahmen ergriffen. Das ist die Testpflicht für Innenräume ab einer Inzidenz von 35. Wir wissen jetzt ja noch nicht, wie sich das auf die weitere Entwicklung auswirkt. Wenn es sich gut auswirkt und gleichzeitig die Leute, die aus dem Urlaub kommen, sagen „Jetzt lassen wir uns doch impfen“, wird unser Problem deutlich Kleiner sein, als wenn es weiter eine Stagnation beim Impfen gibt und die sonstigen Kontakte so relevant sind, dass die Testpflicht in den Innenräumen nicht das gewünschte Ergebnis bringt.

Weil wir diese Entwicklung nicht kennen, werben wir für das Impfen, beschließen das Testen und müssen dann berücksichtigen, wie sich die weiteren Faktoren entwickeln. Das ist die Inzidenz, weil wir so eine hohe Impfquote haben, aber immer auch zum Beispiel die Faktoren Krankenhausbelegung, Belastung des Gesundheitssystems, Nachverfolgbarkeit der Infektionen, was nach wie vor ein Punkt ist. Wir wissen: Wenn das Infektionsgeschehen zu diffus war, wenn man nicht mehr hinterherkam, war das sehr schwierig. So sehe ich das. Deshalb handelten wir nicht verantwortlich, wenn wir sagen würden: Jetzt sind wir überzeugt, und es wird keinen weiteren Beratungen bedürfen. Aber es wäre auch aus meiner Sicht nicht gut, wenn wir gar nicht abwarteten, wie sich unsere Maßnahmen auswirken.

MP Söder: Wir haben vorhin an der einen Frage schon gesehen, wie kniffelig es ist, eigentlich eine wichtige Frage zu definieren: Wie gehen wir mit einer veränderten Situation beispielsweise in Bezug auf Inzidenz, Impfen und Genesene um? Da stellen wir schon fest, dass wir an die Grenzen stoßen. Deswegen gab es darüber auch eine muntere Diskussion. So kann man das ja sagen und auch nachlesen.

Zweitens. Wir befinden uns ein bisschen in einem Wettlauf mit der Zeit. Es ist ja nicht so, dass das Testen jetzt eine neue Idee wäre. Wir testen in Deutschland seit einem Jahr wie die Weltmeister. Was das Testen betrifft, kann man uns keinen Vorwurf machen. Da wurde vielleicht manchmal zu früh oder zu spät bestellt, aber das Testen ist ein fester Bestandteil. Die Wahrheit ist, dass allein mit Schnelltests das Risiko nicht völlig ausgeschlossen werden kann, weil die Sicherheit dieser Tests nicht so hoch ist. Testen allein hilft nicht. Das Einzige, was derzeit nach menschlichem Ermessen hilft, ist das Impfen. Deswegen sind wir da natürlich in einem Wettlauf.

Drittens muss ich einfach sagen - es wäre nicht ehrlich, das zu sagen -: Wir hören jetzt immer sehr viele Proteste von Ungeimpften. Wir erleben eine sehr lautstarke politische Debatte, hören Argumentationen. Ich habe Respekt davor, wenn einer sagt: Ich will mich nicht impfen lassen. Zum Teil hören wir, was das Impfen betrifft, verständliche Argumente bis hin zu sehr überraschenden Argumenten. Ich formuliere es jetzt einmal ganz höflich, um da nichts auszulösen.

Aber es gibt auch immer mehr Menschen, die immer lauter sagen: Wieso? Ich bin doch zweimal geimpft. Ich möchte jetzt wieder meine Rechte haben. – Das wird relativ deutlich irgendwann verfassungsrechtlich ein Problem sein, weil Gerichtsentscheidungen besagen werden: Menschen, die zweimal geimpft sind, kann man nicht sozusagen ihrer Rechte berauben. Deswegen müssen wir uns, glaube ich, der Diskussion stellen. Es gibt einige Ministerpräsidenten, die da noch zurückhaltend sind, aber auch andere wie zum Beispiel Herr Tschentscher, dessen Auffassung ich teile. Es wird uns auch noch im September beschäftigen - da bin ich sicher -, spätestens danach. Dem Thema wird man auch nicht ausweichen können. Ich finde es in Ordnung. Wir sind immer auf Sicht gefahren. Aber Auf-Sicht-Fahren bedeutet auch, dass man manchmal korrigieren muss.

Ich glaube, der Hinweis ist einfach ehrlich, dass es für viele Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, irgendwann stärker eine Frage der Unterscheidung bei den Rechten geben kann. Das muss man auch ehrlich diskutieren. Das ist der Punkt, den ich einfach aussprechen möchte, um nicht den Vorwurf zu haben: Ihr habt irgendwann einmal nicht darüber geredet. Das muss man einfach sagen.

BGM Müller: Ich kann mit der Formulierung „Zwischenergebnis“ auch gut leben, weil es ja offensichtlich so ist, dass wir zusammen noch eine ganze Strecke gehen müssen, um dann auch wirklich die gewünschten Erfolge - die gewünschte Impfquote – zu erreichen. Wir haben auch in den letzten anderthalb Jahren gelernt, dass immer wieder etwas passieren kann, dass wir uns mit neuen Virusvarianten auseinandersetzen müssen, dass die eine oder andere Situation im Zusammenleben dazu führt, dass es wieder ein neues Infektionsgeschehen gibt. Insofern gehe ich davon aus: Wir werden an dem Thema dranbleiben müssen.

Ich will es nur noch einmal betonen: Nur gibt es überhaupt keinen Grund, immer nur traurig in die Gegend zu gucken. Wir haben viel erreicht. Wir haben in den letzten anderthalb Jahren vielen Menschen das Leben gerettet: durch unsere Maßnahmen, durch die Dinge, die von vielen Leuten solidarisch mitgetragen wurden, durch den Impffortschritt, durch die Hilfe in den Krankenhäusern. Wir haben sehr viel erreicht.

Jetzt müssen wir nicht wie in den vergangenen Monaten nur über Absagen reden, dass Veranstaltungen, Konzerte nicht stattfinden. Doch, sie können stattfinden. Es ist doch ein Riesenfortschritt, ein Riesenerfolg. Es geht jetzt genau darum, sich das zu erhalten. Es geht genau darum, das nicht durch unbesonnenes Verhalten zu riskieren. Deswegen ist das nötig, was die Kanzlerin sagt, sich nämlich jetzt, an dieser Stelle, mit Maßnahmen, mit Dingen auseinanderzusetzen, die das absichern, was wir erreicht haben – jenseits von Absagen und Einschränkungen. Niedrigschwellig ist das, was wir im Moment miteinander verabredet haben. Aber man kann ganz viel erreichen, wenn es von vielen Leuten mitgetragen wird.

Noch einmal, auch wenn manche es nicht mehr hören können: Doch, es geht um das Impfen. Es geht genau darum. Es geht genau darum, uns das, was wir erreicht haben, auch mit dem Impfen für die kommenden Monate zu sichern. Ich finde, da kann man auch voller Zuversicht in die nächsten Monate gucken und kann auf das aufbauen, was wir in den vergangenen Monaten miteinander verabredet und solidarisch umgesetzt haben.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Söder hat es eben relativ klar gesagt: Einen Lockdown wie im letzten Herbst oder Winter wird es nicht noch einmal geben. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Laschet hat sich heute im Düsseldorfer Landtag ähnlich geäußert. Würden Sie sich dieser klaren Ansage anschließen? Würden Sie ausschließen, dass es Lockdown-Maßnahmen wie im letzten Herbst und Winter nicht mehr geben wird?

BK’in Merkel: Wir haben es ja eben schon mehrfach gesagt: Allein durch die Frage „Welche Rechtsbeschränkung kann ich für Geimpfte machen?“ - das kann ich nicht; das haben wir bisher nicht gemacht - werden Einschränkungen deutlich anders aussehen. Wenn von den über 60-Jährigen 80 Prozent doppelt geimpft sind - - - Auch hier muss ich wieder eine Einschränkung machen: Solange wir keine Mutation haben, die den Impfeffekt völlig infrage stellt. Bis jetzt ist das ja eine sehr, sehr gute Nachricht.

Aber solange der Impfstoff wirkt, können wir nicht einfach sagen: Ein Geimpfter darf nicht sozusagen seine Rechte als Bürger ausüben. Damit ist jede beschränkende Maßnahme deutlich anders strukturiert, als das bisher der Fall ist. Die Geimpften müssen sich jetzt ja auch nicht testen lassen. Die Geimpften werden sicherlich anders behandelt als die nicht Geimpften, wenn es eine weitere Steigerung des Infektionsgeschehens gibt. Aber wir werden nicht zulassen - das bleibt das Gleiche -, dass unser Gesundheitssystem überlastet wird. Das können wir ja überhaupt nicht verantworten. Zu glauben, wir könnten jetzt den Weg in die Herdenimmunität gehen und einfach jeden der Gefahr des Infiziertwerdens aussetzen, weil wir keinerlei Beschränkung wollen, das werden wir nicht tun können. Sondern wir werden immer wieder sagen: Du hast durch das Impfen die Chance rauszukommen.

Es gibt ja auch eine Diskussion, dass jeder mit den Folgen leben muss, wenn er oder sie sich nicht impfen lässt. Okay. Aber wir müssen auch an die denken, die dann in den Krankenhäusern die Arbeit tun. Eine Überlastung des Gesundheitssystems muss ausgeschlossen werden. Aber die beschränkt sich nach jetzigem Erkenntnisstand– bis auf ganz, ganz, ganz, ganz wenige Ausnahmen vielleicht – dann eben im Wesentlichen auf die nicht Geimpften.

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