OECD-Bildungsstudie 2020
Eine starke berufliche Bildung, gute Aufstiegschancen, eine hohe Bereitschaft zur Weiterbildung und Fortschritte bei MINT: Die OECD sieht Deutschland international in vielen Bereichen des Bildungssystems weit vorne.
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Bundesbildungsministerin Anja Karliczek spricht von einem "guten Tag für die berufliche Bildung" - so ihre Reaktion auf die Ergebnisse des OECD-Berichts "Bildung auf einen Blick 2020". Die Studie lobt insbesondere das deutsche Berufsbildungssystem. Dieses werde eine Schlüsselrolle in der Erholungsphase nach der Corona-Krise spielen.
Im internationalen Vergleich gelinge der Berufseinstieg besonders gut. Es gebe für junge Menschen mit abgeschlossener Ausbildung hervorragende Aufstiegs- und Karrierechancen.
Der Bericht „Bildung auf einen Blick 2020“ enthält Daten zum Aufbau, zur Finanzierung und zur Leistung der Bildungssysteme in 37 OECD-Staaten und neun Partnerländern. Schwerpunktthema des diesjährigen Berichts ist die berufliche Bildung.
Wichtige Säule des wirtschaftlichen Erfolgs
Karliczek unterstreicht, die berufliche Bildung sei ein "ganz wesentlicher Teil unseres wirtschaftlichen Erfolgs". Gerade in der aktuellen Krise zeige sich, wie dringend Deutschland die Kompetenzen benötige, die in Ausbildungsberufen vermittelt würden. Als Beispiel würdigte sie die Arbeit von Krankenpflegern, Erzieherinnen oder Einzelhandelskaufleuten. Sie alle hätten vor allem in der Zeit der Kontaktbeschränkungen "unser Land am Laufen gehalten".
Der OECD-Bericht geht auch auf weitere Stärken des deutschen Bildungssystems ein. So geht aus der Studie hervor, dass in keinem anderen Land ein Abschluss in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) so beliebt ist wie in Deutschland. Und die Bereitschaft zur Weiterbildung bei den Beschäftigten sei überdurchschnittlich hoch.
Wichtige Ergebnisse auf einen Blick:
- Berufsausbildung:
Der OECD-Bericht sieht die berufliche Bildung als eine der Stärken des deutschen Bildungssystems. Knapp die Hälfte (46 Prozent) der 25- bis 34-Jährigen hat den Weg der berufsbildenden Programme als Einstieg in eine qualifizierte Erwerbstätigkeit gewählt. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 24 Prozent. Der Anteil der Frauen in dieser Altersgruppe mit beruflichem Abschluss liegt bei 49 Prozent.
Die Perspektiven für junge Leute mit einem beruflichen Abschluss sind in Deutschland so gut wie in fast keinem anderen OECD-Land. Die Beschäftigungsquote für die 25- bis 34-Jährigen mit mittleren Qualifikationen liegt mit 88 Prozent über dem OECD-Schnitt (82 Prozent).
- Berufseinstieg und Aufstiegschancen:
Der wichtige Übergang von der Ausbildung in das Erwerbsleben gelingt in Deutschland besonders gut. Gut 86 Prozent der Absolventinnen und Absolventen finden innerhalb der ersten zwei Jahre nach ihrem Abschluss einen Arbeitsplatz. Der OECD-Durchschnitt beträgt 66 Prozent.
Das berufliche Bildungssystem in Deutschland zeichnet sich zudem durch eine hohe Flexibilität aus. Etwa 92 Prozent der beruflichen Abschlüsse ermöglichen ohne Erwerb weiterer Qualifikationen den direkten Zugang zu höheren Bildungsgängen. Im OECD-Schnitt sind dies nur 70 Prozent. Ferner gibt es vielfältige Aufstiegsmöglichkeiten, beispielsweise als Fachwirt/-in, Meister/-in, sowie den zahlreichen Abschlüssen der Fachschulen (unter anderem Techniker/-in, Erzieher/-in).
- MINT-Bereich:
In keinem anderen OECD-Land sind die MINT-Fächer (Mathe, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) so beliebt wie in Deutschland. Mehr als ein Drittel (35 Prozent) aller Absolventinnen und Absolventen des Teritärbereiches (Hochschulabschluss oder hochwertiger berufsorientierter Bildungsabschluss) erwarb 2018 einen Abschluss in einem MINT-Fach. Das ist der höchste Wert im OECD-Bereich (23 Prozent). MINT-Fachkräfte werden auf allen Qualifikationsebenen stark nachgefragt.
- Weiterbildung:
Die Bereitschaft zur Weiterbildung ist in Deutschland überdurchschnittlich ausgeprägt. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) aller erwerbstätigen Erwachsenen beteiligt sich an Aus- und Weiterbildungsprogrammen. Der OECD-Schnitt liegt bei 53,2 Prozent. Auch Beschäftigte von kleineren Unternehmen nehmen im überdurchschnittlichen Umfang an Angeboten zur beruflichen Weiterbildung teil.
- Frühkindliche Bildung
Immer mehr Kleinkinder in Deutschland werden in Kitas betreut. So ist die Quote bei den unter 3-Jährigen von 2010 bis 2018 von 27 auf 38 Prozent erheblich angestiegen. Im OECD-Mittel liegt die Beteiligungsquote bei 26 Prozent.
Die Betreuungsrelation ist in Deutschland deutlich günstiger als im internationalen Durchschnitt. Bei den unter 3-Jährigen kommen fünf Kinder auf einen Erzieher oder eine Erzieherin – OECD-weit sind dies sieben Kinder. Bei den 3- bis 6-Jährigen sind es neun Kinder je Erzieher, hier liegt der OECD-Wert bei 14 Kindern.
Das Qualifikationsniveau der pädagogischen Fachkräfte ist relativ hoch: 67 Prozent dieser Fachkräfte verfügen mindestens über einen Fachschul-oder Bachelorabschluss.
- Lehrerberuf:
Deutschland bietet gute Voraussetzungen für den Einstieg in den Beruf als Lehrerin oder Lehrer. Mit über 63.000 US-Dollar liegt das Anfangsgehalt im Grundschulbereich hinter Luxemburg auf Platz zwei der OECD-Länder. Der Gesamtdurchschnitt beträgt knapp 34.000 US-Dollar. Ähnliches gilt für den Einstieg in das Lehramt für die Sekundarstufe I. Die Gehälter für Lehrkräfte im Sekundarbereich II mit 15 Jahren Berufserfahrung liegen mit gut 91.000 US-Dollar international im Spitzenbereich.
Die Altersstruktur der Lehrerinnen und Lehrer hat sich leicht verbessert. Seit 2005 hat sich der Anteil der Lehrkräfte unter 30 Jahren im Sekundarbereich II von etwas mehr als 2 auf fast 6 Prozent nahezu verdreifacht. Er liegt aber immer noch unter dem OECD-Durchschnitt von 8 Prozent.
- Bildungsausgaben:
Der besondere Stellenwert der beruflichen Bildung zeigt sich auch im internationalen Vergleich der Bildungsinvestitionen. Hier liegen die Ausgaben in Deutschland weit über dem OECD-Durchschnitt.
Auch die Pro-Kopf-Investitionen für einen Bildungsteilnehmer lagen 2017 mit 13.529 US-Dollar weiter über dem OECD-Wert von 11.231 US-Dollar.
Was macht die Bundesregierung?
Gerade in der Pandemie zeigt sich die hohe Bedeutung der digitalen Bildung. Innerhalb des Digitalpakts Schule unterstützt der Bund die Länder mit sechs Milliarden Euro. Darin enthalten ist ein 500 Millionen-Sofortprogramm für digitale Endgeräte für bedürftige Schülerinnen und Schüler. Außerdem will sich der Bund mit 500 Millionen Euro an Ausbildung und Finanzierung von IT-Administratoren beteiligen.
Darüber hinaus sollen aus EU-Mitteln weitere 500 Millionen Euro für die Ausstattung von Lehrkräften mit digitalen Endgeräten finanziert werden.
Berufsbildungsgesetz und Aufstiegs-BAföG
Zur weiteren Stärkung der beruflichen Bildung hat die Bundesregierung das Berufsbildungsgesetz modernisiert. Seit Anfang des Jahres gelten eine Mindestvergütung für Auszubildende, transparente Abschlussbezeichnungen für den Fortbildungsbereich sowie verbesserte Teilzeit-Regelungen.
Mehr Aufstiegs- und Karrierechancen für Berufstätige - für dieses Ziel hat der Bund das Aufstiegs-BAföG reformiert. Wer sich beispielsweise zum staatlich geprüften Erzieher fortbilden will, wird seit August dieses Jahres noch besser unterstützt.
Ein weiteres wichtiges Vorhaben der Bundesregierung ist der Ausbau der Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder. Hierfür soll es ab 2025 einen Rechtsanspruch geben. Der Bund will hierfür insgesamt 3,5 Milliarden Euro investieren.