Forschen für die Umwelt
Plastik in der Umwelt ist ein globales Problem. Es kommt in den Ozeanen vor, findet sich in den Mägen von Fischen und Seevögeln. Die Bundesregierung will den Müll reduzieren und erreichen, dass Plastik möglichst vollständig wiederverwertet werden kann. Das Bundesforschungsministerium verfolgt dieses Ziel mit einem eigenen Forschungsschwerpunkt.
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Leere Plastikflaschen in eimem Sammelbehälter: Forscher arbeiten daran, PET künftig recyceln zu können.
Foto: picture alliance/SvenSimon
"Kunststoffe haben einen extrem langen Lebenszyklus in der Umwelt. Das geht von der Herstellung über Handel und Endverbraucher bis zur Entsorgung", sagt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Michael Meister, in einem Interview. Deshalb müsse es Ziel sein, Plastik nahezu vollständig wiederzuverwerten. "Wir wollen beim Plastik einen geschlossenen Kreislauf hinbekommen", so Meister. Momentan könnten Kunststoffe nur zum Teil wiederverwertet werden und dies meistens nicht in gleich hoher Qualität.
Ein sehr vielversprechender Forschungsansatz ist hier die sogenannte Depolymerisierung – ein Verfahren, genutzte Kunststoffe in die Ausgangspolymere zurückzuführen, um diese dann wieder weiterverarbeiten zu können.
Forschungsschwerpunkt beteiligt Wissenschaft, Wirtschaft, Praxis
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat 2017 den Forschungsschwerpunkt "Plastik in der Umwelt" aufgelegt. Das Ziel: Den Eintrag, die Verbreitung und die Wirkungen von Plastik in der Umwelt zu untersuchen und Lösungsansätze zu finden, wie (Mikro-)Plastik reduziert, vermieden und aus der Umwelt entfernt werden kann. Insgesamt sind Forschungsprojekte mit mehr als 100 Institutionen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Praxis beteiligt. Sie befassen sich dabei mit ganz unterschiedlichen Aspekten des Plastikmülls. Hier drei Beispiele:
Für hochwertige, leistungsfähige Verpackungen oder technische Anwendungen werden häufig Mischmaterialien aus verschiedenen Kunststoffen eingesetzt. Dazu zählen insbesondere Verbunde mit dem als PET bekannten Polyethylenterephthalat. Bislang können solche Misch-PET-Abfälle lediglich durch Verbrennung verwertet werden und gehen so dem Wertstoffkreislauf verloren.
Das Verbundprojekt "solvoPET" möchte dies ändern. Mit einem neuartigen Verfahren sollen PET-Kunststoffe recycelt werden. Die gewonnenen Rohstoffe besitzen die Qualität von Neuware und können überall zum Einsatz kommen. Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ist es gelungen, das Solvolyseverfahren weiterzuentwickeln.
Dabei wird der Kunststoff PET mithilfe chemischer Lösungsmittel in seine molekularen Grundbausteine zerlegt. Diese können wieder weiterverarbeitet werden. Bislang funktionierte das nur bei reinem PET, inzwischen auch bei Mischabfällen. Das Verfahren ist zwar noch nicht marktreif, es wird aber experimentell erprobt. Zwischenergebnisse sind so ermutigend, dass das Land Niedersachsen dem Projekt im vergangenen Jahr ein Innovationspreis verliehen hat.
Neben dem Recycling von Kunststoffen will die Bundesregierung auch verhindern, dass Mikroplastik in die Umwelt und so auch in den Nahrungsmittelkreislauf gelangt. Zu erfahren, wo überhaupt und wie viel Mikroplastik entsteht und in die Umwelt gelangt oder auch wie es sich dort verhält und welche Folgen davon ausgehen können, sind weitere Schwerpunkte der Forschung.
Zunächst müssen die Messmethoden für Mikroplastik verbessert werden, denn abgestimmte Analyseverfahren sind zentrale Voraussetzung für die Identifizierung und Bewertung möglicher Beeinträchtigungen oder Gefährdungen, die von Mikroplastik ausgehen können. In einem zweiten Schritt könne dann daran gearbeitet werden, dass weniger Mikroplastik erzeugt wird und in die Umwelt gelangt.
Ein Ursprung für Mikroplastik sind Textilien. Kleidung aus Synthesefasern können bei der Haushaltswäsche Mikropartikel verlieren, die in Flüsse, Seen und Meere gelangen. Diese Umweltbelastung zu reduzieren, ist das Ziel des Projekts "TextileMission".
Die Projektpartner aus der Sportartikelindustrie, der Forschung, der Waschmittel- und der Haushaltsgerätebranche sowie dem Umweltschutz verfolgen einen interdisziplinären Ansatz: Durch textiltechnische Forschung und die Optimierung von Produktionsprozessen sollen Sport- und Outdoor-Textilien mit einem im Vergleich zu heute deutlich geringeren Mikroplastikausstoß entwickelt werden.
Dabei testen die Textilforscher mit den beteiligten Sportbekleidungsherstellern auch biologisch abbaubare Fasern als umweltschonende Alternative. Die Projektpartner wollen mit ihrer Forschung auch zur Optimierung der Kläranlagentechnologie beitragen. Die Entwicklung technischer Lösungen zu Rückhalt und Elimination von Mikroplastik bei der Abwasserbehandlung ist entscheidend, um mögliche Einträge in die Umwelt zu reduzieren. Praxistaugliche Innovationen an dieser Stelle sind das Ziel verschiedener Projekte im Forschungsschwerpunkt (zum Beispiel EmiStop, Replawa und Plastrat).
Als Mikroplastik werden feste und lösliche synthetische Polymere (Kunststoffe) bezeichnet, die kleiner als fünf Millimeter sind. Diese entstehen durch Zerfall größerer Plastikgegenstände oder werden speziell in dieser Größe zur Anwendung in der Industrie gefertigt.
Auto fahren ist generell nicht gut für die Umwelt. Doch Schadstoffe kommen nicht nur aus dem Auspuff. Auch die Reifen verlieren mit jeder Fahrt Gummipartikel – also Mikroplastik. Im Durchschnitt hält ein Reifen rund 40.000 Kilometer. Das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen hat errechnet, dass ein Pkw-Reifen am Ende seines im Durchschnitt vierjährigen Lebens etwa 1 bis 1,5 Kilogramm weniger wiegt als zu Beginn.
Dieser Gummiabrieb bleibt nicht ohne Folgen. Einer Studie der TU Berlin zufolge werden rund 120.000 Tonnen Reifenabrieb pro Jahr in Deutschland in Umlauf gebracht. Der Abrieb gilt als Mitverursacher von Feinstaub in den Städten und soll laut der Weltnaturschutzunion (IUCN) auch ein wesentlicher Faktor für Mikroplastikpartikel in den Meeren sein. Zudem enthält der Reifenabrieb verschiedene umweltschädliche Stoffe wie Zink, Blei, Cadmium und diverse Weichmacher. Diese Abriebpartikel gelangen über den Wasserkreislauf in die Umwelt, lagern sich dort ab und können kaum abgebaut werden. Außerdem sind diese Mikropartikel auch für Organismen schädlich.
Hier setzt das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt "RAU - Reifenabrieb in der Umwelt" an. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen unter anderem, wie sich die Größe und Dichte der Partikel für bestimmte Standorte wie Kreisverkehr, Ampel, Gerade, Steigung und Autobahn verändert. Zu den konkreten Aufgaben der Forschenden gehört es, den Eintrag von Reifenmaterial in die Straßenabläufe und damit auch in Flüsse und Seen zu ermitteln, zu bilanzieren und zu bewerten.
Aus den Ergebnissen lassen sich dann zum Beispiel Optimierungsmöglichkeiten für die Straßenreinigung und die Regenwasserbehandlung ableiten. Auch werden genauere Erkenntnisse über den Einfluss von beispielsweise Straßenbelag, Fahrdynamik, Fahrzeuggewicht und Klima auf den Reifenverschleiß erwartet.
"Plastikeinträge in die Umwelt nachhaltig reduzieren" ist eine von zwölf Missionen der Hightech-Strategie 2025 (HTS). Als Leitfaden für die Zukunft bündelt die HTS Forschung und Innovationen mit dem Ziel, Wohlstand, eine nachhaltige Entwicklung und Lebensqualität in Deutschland zu mehren.