Prävention und Hilfe weiter verstärken

Kindesmissbrauch - Fragen und Antworten Prävention und Hilfe weiter verstärken

Der Missbrauchsfall in Münster sorgt bundesweit für Entsetzen. Wie reagiert die Bundesregierung auf die Tat? Was tut sie, um Kinder und Jugendliche besser zu schützen? Und ist angesichts teils geschlossener Schulen und Kitas ein Anstieg der Missbrauchszahlen zu erwarten? Wichtige Fragen und Antworten.

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Ein Kind malt mit Wachsmalern auf ein Blatt Papier ein kleines trauriges Mädchen im Kleid und einen großen Mann, der seine Hand ins Gesicht des Kindes schlägt.

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen hat für die Bundesregierung höchste Priorität.

Foto: Getty Images/iStockphoto

In einem neuen schweren Fall von Kindesmissbrauch hat die Polizei in Münster elf Verdächtige festgenommen. Sieben Beschuldigte befinden sich in Untersuchungshaft. Drei Kinder im Alter von fünf, zehn und zwölf Jahren sind bisher als Opfer identifiziert.  

Wie reagiert die Bundesregierung auf den Missbrauchsfall in Münster?

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey fand klare Worte für den Missbrauchsfall in Münster, der am vergangenen Wochenende ans Licht kam. Sie sprach von "abscheulichen Taten" und wies auf das "furchtbare Leid" hin, das die Kinder erfahren haben. Es sei wichtig, "dass wir als Gesellschaft noch wachsamer sind, um frühzeitig Missbrauch zu erkennen und wirksam dagegen vorgehen zu können". Zum Schutz von Kindern brauche es ein aufmerksames Umfeld, das hinschaue und Hilfe organisiere, so Giffey weiter. Die Ministerin geht davon aus, dass in jeder Schulklasse im Schnitt ein bis zwei Kinder von Missbrauch betroffen sind. Das könne nicht akzeptiert werden.

Der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig , drängt auf eine konkrete Aufklärung im Missbrauchsfall von Münster. Missbrauchstäter seien "Meister der Täuschung, deren perfide Strategien voll darauf ausgerichtet sind, ihr Umfeld zu verwirren, um unentdeckt zu bleiben", erklärte Rörig.

Täuscht der Eindruck, oder nimmt Kindesmissbrauch tatsächlich zu?


Nicht nur subjektiv stimmt diese Wahrnehmung. Wie die Polizeiliche Kriminalstatistik 2019 zeigt, nehmen Fälle von sexueller Gewalt an Kindern sowie Kinderpornografie zu. Im vergangenen Jahr verzeichnete die Statistik knapp 16.000 Fälle von sexueller Gewalt an Kindern - das waren etwa 1.300 mehr als 2018.

Einen noch stärkeren Zuwachs der Delikte gibt es bei Kinderpornografie: Die Zahl der polizeilich erfassten Fälle stieg um rund 65 Prozent auf mehr als 12.200.   

Erhöhen die coronabedingten Einschränkungen die Gefahr für Kinder?

Zuletzt lagen der Polizei noch keine konkreten Zahlen vor, die auf vermehrte Missbrauchsfälle aufgrund der Corona-Pandemie schließen lassen. Allerdings rät das Bundeskriminalamt (BKA) zu äußerster Vorsicht bei der Interpretation. Mitte Mai erklärte BKA-Präsident Holger Münch, dass das Dunkelfeld sehr groß sei. Viele Familien lebten momentan in einer Ausnahmesituation und hätten mitunter existenzielle Sorgen. Zugleich seien Kinder derzeit weniger in Kontakt mit Erziehern, Lehrkräften und Kinderärzten, dadurch sinke die Sozialkontrolle. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Rörig, befürchtet eine weitere Zunahme der Gewalt. Weil viele Kontakte von Kindern zu Vertrauenspersonen fehlten, seien die Gefahren für Kinder größer.   

Die Zahl der Anrufe bei der "Nummer gegen Kummer" hat während der Corona-Pandemie im März und April 2020 im Vergleich zu den Vormonaten etwa um die Hälfte zugenommen.

Was unternimmt die Bundesregierung, um Kindesmissbrauch zu begegnen?

Die Bundesregierung ist seit Jahren stark engagiert, um Kinder und Jugendliche besser vor sexueller Gewalt jeglicher Art zu schützen. Dabei sind die Empfehlungen des Runden Tischs "Sexueller Kindesmissbrauch" und der Aktionsplan der Bundesregierung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung weiterhin eine wichtige Grundlage.

Unter anderem hat die Bundesregierung das Amt des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs dauerhaft eingerichtet. Auch die Arbeit des Betroffenenrates ist verstetigt worden, die Mitglieder des Betroffenenrates wurden vor wenigen Tagen neu berufen. Zudem wurde die Tätigkeit der Unabhängigen Aufarbeitungskommission verlängert.

Darüber hinaus hat die Bundesfamilienministerin gemeinsam mit dem Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten im Dezember 2019 einen neuen "Nationalen Rat" eingerichtet. Die Mitglieder wollen bis Sommer 2021 Vorschläge erarbeiten, wie Prävention und Hilfen bei Missbrauch spürbar verbessert werden können.          

Welche Rolle spielt das Internet?

Dem Internet kommt bei Fällen von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie eine immer entscheidendere Bedeutung zu. Die Bundesregierung ist sich dessen bewusst und legt in Anbetracht neuer Entwicklungen im Cyber-Crime-Bereich immer wieder neue Maßnahmen vor.

So ist im März dieses Jahres ein Gesetz in Kraft getreten, das den Versuch der Kontaktanbahnung, das sogenannte Cybergrooming, unter Strafe stellt. Dadurch können Täter intensiver verfolgt werden, die im Netz den Kontakt mit Kindern suchen und dabei das Ziel verfolgen, sie sexuell zu missbrauchen oder Kinderpornografie herzustellen.

Darüber hinaus plant die Bundesregierung eine Reform des Kinder- und Jugendmedienschutzes. Ziel ist insbesondere, Kinder wirksam vor gefährdenden Inhalten im Netz zu schützen.         

Welche konkreten Hilfs- und Beratungsangebote gibt es?

Ein wichtiges Angebot ist das "Hilfetelefon Sexueller Missbrauch" ; es handelt sich um einen kostenlosen und anonymen Service. Unter der Nummer 0800 22 55 530 wird Hilfe für von sexueller Gewalt Betroffene sowie für Angehörige angeboten.

Ein weiteres Angebot ist die "Nummer gegen Kummer" : Kinder und Jugendliche erhalten unter der Nummer 116111 kostenlos und anonym Hilfe. Eltern können bei Sorgen um ihr Kind die Hotline 0800 111 0 550 anrufen.

Die Internetseite www.kein-kind-alleine-lassen.de bündelt Informationen zu Beratungsangeboten. Die Homepage geht auf eine Initiative des Unabhängigen Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung zurück.