Drei Fragen an die Gesellschaft für deutsche Sprache
Am 21. Februar ist Internationaler Tag der Muttersprache. Mit dem Aktionstag macht die UNESCO auf die Bedeutung der sprachlichen Vielfalt aufmerksam. Ein Gespräch mit Andrea-Eva Ewels, Geschäftsführerin der Gesellschaft für deutsche Sprache, über Identität, Deutsch lernen und die zweitschwierigste Sprache der Welt.
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Andrea-Eva Ewels ist Deutsch-Ungarin und selbst mehrsprachig aufgewachsen. Neben Deutsch und Ungarisch spricht sie außerdem Rumänisch, Hebräisch, Englisch, Schwedisch, Finnisch und Japanisch. Seit neuneinhalb Jahren leitet die 49-Jährige die Gesellschaft für deutsche Sprache.
Frau Ewels, wieviele Muttersprachen gibt es in Deutschland?
Andrea-Eva Ewels: Neben dem Deutschen, Friesischen und Sorbischen gibt es bestimmt hunderte, wenn nicht tausende von Muttersprachen, die Sie heute auf deutschen Straßen hören können. Muttersprache, das ist die sogenannte Erstsprache, die ein Kind im ersten Lebensjahr - in der Regel von den eigenen Eltern - lernt. Weil meist der Kontakt zur eigenen Mutter am engsten ist, heißt es Muttersprache.
Zu den meistgesprochenen Sprachen in Deutschland zählen, neben natürlich dem Deutschen, Russisch mit bis zu drei Millionen Muttersprachlern, Türkisch mit mehr als zwei Millionen Muttersprachlern, Polnisch, Kurdisch, Italienisch, Griechisch, Arabisch, Niederländisch, Serbisch, Kroatisch, Spanisch und Englisch.
Nun wird oft behauptet, Deutsch sei schwer zu lernen - aufgrund der komplexen Grammatik. Was ist dran an dieser Aussage?
Ewels: Also, nachdem ich hebräisch gelernt habe - meine Eltern haben eine Zeit lang in Israel gearbeitet und ich habe dort mein Abitur gemacht - fand ich die deutsche Grammatik unwahrscheinlich einfach. Im Hebräischen setzt sich jedes Wort oder Verb immer aus drei Konsonanten zusammen. Zwischen diese drei Konsonanten kommen dann unterschiedliche Vokale. Und nur diese Variation der Vokale führt dazu, dass neue Wörter entstehen. Bis ich manchmal überhaupt herausgefunden habe, welche Bedeutung diese drei Buchstaben jetzt nun haben sollten – weil man Vokale meist nicht schreibt – da habe ich wirklich graue Haare bekommen!
Dagegen ist das Deutsche unheimlich einfach. Es ist so logisch, so strukturiert. Die deutsche Sprache ist schon ziemlich gut erlernbar, finde ich!
Sie selbst sind zweisprachig aufgewachsen. Ihr Vater ist Deutscher, Ihre Mutter Ungarin. Was bedeutet Sprache für Sie? Könnten Sie sich vorstellen, Ihre Muttersprache aufzugeben?
Ewels: Bei uns gibt es tatsächlich zwei Sprachen: eine Muttersprache und eine Vatersprache. Mit meiner Mutter - oder, wenn die ganze Familie zusammen war - habe ich ungarisch gesprochen. Wenn ich mit meinem Vater alleine war, deutsch.
Ungarisch ist übrigens die zweitschwierigste Sprache der Welt, nach dem Chinesischen. So unterscheidet man im Ungarischen beispielsweise zwischen 18 bis 27 Fällen - im Deutschen haben wir nur vier: Nominativ, Genetiv, Dativ und Akkusativ.
Deutsch oder Ungarisch aufzugeben, das kann ich mir nicht vorstellen. Damit würde ich ein Stück meiner Identität verlieren. Denn Sprache macht mich letztlich ja auch aus, sie ist immer ein Stück Kultur. Nehmen Sie die Eskimo-Sprachen: Hier gibt es 30 bis 40 unterschiedliche Wörter für Schnee. Das ist einfach etwas, das ihr Leben extrem beeinflusst. Wie das Wetter ist, oder wie viel Schnee liegt oder eben die Konstitution des Schnees. Das ist für sie etwas ganz Wichtiges. Während es in den polynesischen Sprachen unzählige Wörter für Liebe gibt.
Sprache spiegelt letzten Endes die Denkweise, die Mentalität der Menschen, wider.
Seit über 70 Jahren berät die Gesellschaft für deutsche Sprache Sprachinteressierte. Wichtige Aufgaben sind neben der allgemeinen Sprachberatung die Gesetzesredaktion im Bundestag sowie die Vornamenberatung: 15 Vornamen bestätigt der gemeinnützige Verein in der Woche, mittlerweile sind über 3.000 Bücher über Vornamen erschienen. Finanziell unterstützt wird der Verein von der Bundesregierung, den Bundesländern und dem Förderkreis der Gesellschaft für deutsche Sprache.