Hilfe für Flüchtlinge ausweiten

Im Wortlaut: Müller Hilfe für Flüchtlinge ausweiten

Die Haushaltsberatungen des Bundestags will Entwicklungsminister Müller nutzen, um die Hilfe für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak zu verstärken. Es handelt sich um voraussichtlich weitere 50 Millionen Euro, so der Minister in einem Zeitungsinterview.

  • Interview mit Gerd Müller
  • Welt

Das Interview im Wortlaut:

DIE WELT: Herr Minister, Sie sind soeben aus Moldau zurückgekehrt. Wie groß ist in der früheren Sowjetrepublik die Furcht vor Putin?

Gerd Müller: Man spürt schon eine Unsicherheit, was da kommt. Die Menschen in Moldau schauen mit großer Sorge auf die Entwicklung im Nachbarland Ukraine.

DIE WELT: Kann es in Moldau genauso kommen?

Müller: Moldau wird in der nächsten Woche das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnen. Die Annäherung an Europa ist innenpolitisch umstritten. Wahlen stehen an, und es ist nicht sicher, ob das Abkommen im Parlament eine Mehrheit findet. Es gibt eine starke russische Orientierung, insbesondere in den Regionen Transnistrien und Gagausien. Moldau steht vor einer entscheidenden Weichenstellung. Es kann passieren, dass sich große Bevölkerungsteile nach Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit Russland solidarisieren. Wir müssen abwarten, ob Moskau den Weg der Republik Moldau akzeptiert oder Druckinstrumente einsetzt.

DIE WELT: Wünschen Sie sich Moldau denn in der EU?

Müller: Ministerpräsident Leanca hat sich klar für einen proeuropäischen Kurs ausgesprochen. Gerade die jungen Leute in seinem Land bauen auf Europa und insbesondere auf Deutschland. Die Assoziierung wird von der Bundesregierung voll unterstützt. Wir werden die Zusammenarbeit auf vielen Ebenen verstärken und Moldaus Entwicklung sensibel begleiten. Die Frage einer Vollmitgliedschaft in der EU steht derzeit nicht auf der Tagesordnung.

DIE WELT: Die Lage in der Ukraine hat sich in der vergangenen Woche weiter zugespitzt. Welche Chancen hat der Friedensplan des ukrainischen Präsidenten Poroschenko?

Müller: Poroschenkos 14-Punkte-Plan und das Angebot eines Waffenstillstands sind ein wichtiges Signal. Russland hält den Schlüssel zum Frieden in der Hand. Putin sollte Poroschenkos Angebot nutzen und auf Frieden in der Region setzen statt auf Eskalation.

DIE WELT: Welcher Konflikt bereitet Ihnen größere Sorgen: Ukraine oder Irak?

Müller: Auch die Lage im Mittleren Osten ist dramatisch: Wir haben in Syrien 160.000 Tote und Millionen Vertriebene. Dazu kommt die Zuspitzung im Irak. Das verschärft die Flüchtlingssituation. Deutschland wird seine Hilfe daher ausweiten.

DIE WELT: Und zwar wie?

Müller: In den vergangenen zwei Jahren haben wir über 500 Millionen Euro für die Flüchtlingshilfe in der Region eingesetzt. Deutschland steht damit an der Spitze der Geber. Angesichts der aktuellen Dramatik will ich in der kommenden Woche im Rahmen der Haushaltsberatungen die Sondermaßnahmen für Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak verstärken - und dafür voraussichtlich weitere 50 Millionen Euro bereitstellen. Darüber hinaus ist ein europäisches Sonderprogramm notwendig, finanziert aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds.

DIE WELT: In welchem Umfang?

Müller: Wir können in den europäischen Programmen nicht weitermachen, als sei nichts geschehen. Es ist jetzt entscheidend, konkret und schnell zu handeln. Wir sollten Mittel umschichten und eine Sondermilliarde der EU für Frieden und Entwicklung investieren. Die EU muss ihre Hilfe verstärken, konkret handeln und koordiniert vorgehen. Deshalb ist es in der neuen Kommission notwendig, die Aufgaben zu bündeln und einen eigenen EU -Flüchtlingskommissar zu benennen. Dem Flüchtlingsthema muss Priorität eingeräumt werden im Rahmen der europäischen Entwicklungszusammenarbeit.

DIE WELT: Kann Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen?

Müller: Wir nehmen schon das Gros der Flüchtlinge auf. Auch die übrigen 27 müssen ihren Teil der Verantwortung übernehmen. Das allein löst das Problem aber nicht. Millionen Flüchtlinge haben in ihren Nachbarstaaten Zuflucht gefunden und müssen dort versorgt werden. In erster Linie wollen sie wieder zurück in ihre Heimat.

DIE WELT: Reicht es, wenn Deutschland humanitär zur Stabilisierung der Region beiträgt?

Müller: Ein militärischer Einsatz steht nicht zur Debatte.

DIE WELT: Kann die Bundeswehr, die Entwicklung im Irak vor Augen, wie geplant aus Afghanistan abziehen?

Müller: Die Entwicklung im Irak zeigt: Wo Militär rausgeht, darf kein Vakuum entstehen. Der Aufbau staatlicher Strukturen muss vorangetrieben werden. Da ist auch in Afghanistan erheblicher Bedarf Nach dem Abzug der Bundeswehr ist es notwendig, die Entwicklungszusammenarbeit zu verstärken. Ein Teil der Friedensdividende muss in die Stabilisierung Afghanistans investiert werden. Dabei sind die nächsten fünf Jahre entscheidend, um eine Situation wie jetzt im Irak und ein Wiedererstarken radikaler Kräfte zu verhindern.

DIE WELT: Die Weltregion, für die sich gerade die meisten Deutschen interessieren, ist Südamerika - wegen der Fußball- WM. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zum Auftaktspiel der deutschen Nationalelf nach Brasilien gereist, während Sie das Turnier bewusst boykottieren.

Müller: Ich boykottiere das Turnier doch nicht. Die bisherigen Spiele gefallen mir außerordentlich gut.

DIE WELT: Sie fahren nicht nach Brasilien - aus Protest gegen die Missachtung von Sozial- und Umweltstandards.

Müller: Dazu ist das Notwendige gesagt von meiner Seite. Was den Sport angeht, bin ich ein leidenschaftlicher Fußballfan, und da meine Frau Niederländerin ist, können Sie sich vorstellen, welches Finale bei uns zu Hause Favorit ist.

DIE WELT: Und wer gewinnt?

Müller: Müller gegen Robben - mehr Spannung geht nicht. Und Müller macht das Ding.

Das Interview führten Jochen Gaugele und Silke Mülherr für die

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