Grußwort von Kulturstaatsministerin Monika Grütters zur Eröffnung des 58. Theatertreffens

Wie die Zeiten sich ändern …: Vor kurzem noch ärgerten sich Schauspieler über den Gebrauch von Mobiltelefonen während der Vorstellung. Ich zitiere die Äußerung eines Betroffenen: „Meine Figur geht an den Bühnenrand und spricht direkt ins Publikum, gleichzeitig wechselt die Lichtstimmung und der Zuschauerraum ist schlagartig fast komplett dunkel. Da seht ihr im Schein eurer Displays aus wie Bergfeuer nachts im Gebirge. Könnt ihr euch vorstellen, wie irritierend das ist, wenn ich auf der Bühne stehe und euch gerade eine Geschichte erzählen will?“ Während der Vorstellung auf ein Display starren – das war beim Theaterbesuch zu Recht verpönt. Seit einem Jahr ist es genau dafür die Voraussetzung. Wer eine Theateraufführung erleben möchte, schaut aufs Display eines Handys, eines Tablets, eines Computers oder eines Fernsehers. Sind aus den ehemals irritierenden „Bergfeuern“ also Zeichen der Hoffnung geworden?

Ein bisschen, ja. Denn immerhin kann das Theatertreffen 2021 auf diese Weise wenigstens digital stattfinden. So bleibt der Bühnenstoff Gesprächsstoff. So bleibt die Verbindung zwischen Künstlerinnen, Künstlern und ihrem Publikum erhalten. So kommt über das analoge Stammpublikum hinaus vielleicht auch so mancher Online-Zufallsbesucher auf den Geschmack. Damit ist das digitale Theatertreffen ein Lichtblick nach einem für die Branche niederschmetternden Pandemie-Jahr – zumal die Notlösung „Theater im Netz“ vielen Ensembles ganz offensichtlich auch Inspiration in Form neuer Ästhetiken und Erzählweisen beschert hat. Die diesjährige 10er Auswahl des Theatertreffens jedenfalls zeigt eindrucksvoll, wie Theater von digitalen Technologien künstlerisch profitieren kann. Allen Beteiligten und Verantwortlichen danke ich für ihr Engagement und die gerade unter den aktuellen Umständen notwendige Beharrlichkeit und Kreativität.

Doch kann Theater als Bildschirmerlebnis das Gemeinschaftserlebnis natürlich nicht ersetzen. Die entscheidende Frage – gewissermaßen die Gretchenfrage der Corona-Pandemie – ist und bleibt deshalb: Wann kann es endlich wieder richtig losgehen? Mit dem Hilfsprogramm NEUSTART KULTUR des Bundes unterstützen wir Kultureinrichtungen wie Theater dabei, die Wiedereröffnung unter Infektionsschutzauflagen bestmöglich vorzubereiten. Ich werbe vehement dafür, dass sie bei Öffnungsschritten für Geimpfte, Getestete und Genesene mitgedacht und nicht schlechter behandelt werden als zum Beispiel der Sport. Das ist eine Frage der Wertschätzung – nicht nur der materiellen Leistungen, sondern auch der Bedeutung der Theater für unser Gemeinwesen. 

Künstlerinnen und Künstler wollen raus auf die Bühne und dem Publikum von Angesicht zu Angesicht Geschichten erzählen. Theaterliebhaber wollen sich in den Bann dieser Geschichten ziehen lassen und Eindrücke und Emotionen mit anderen teilen. Und unsere Demokratie braucht die analoge Bühnenkunst als Medium gesellschaftlicher Selbstreflexion und als treibende Kraft demokratischer Streit- und Verständigungskultur. Freuen wir uns also auf die Zeit, in der die elektronischen Geräte (hoffentlich) wieder ausgeschaltet in den Taschen verschwinden, sobald der Vorhang sich öffnet. Das digitale Theatertreffen 2021 wird die Vorfreude darauf sicherlich noch steigern. Ich wünsche allen Mitwirkenden viel Erfolg und dem Publikum unvergessliche Theatererlebnisse.

Weitere Informationen zur digitalen Ausgabe des Theatertreffens finden Sie auf der Internetseite der Berliner Festspiele .