Die etwas andere Verkupplungsplattform

Einsamkeit im Alter Die etwas andere Verkupplungsplattform

Sie bringt Generationen mit der Kraft von Kunst und Kultur zusammen – die Initiative KulturistenHoch2. Für ihren Einsatz gegen Einsamkeit im Alter zeichnete Bundesseniorenministerin Giffey die Hamburger Initiative jüngst aus.

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Rentnerin Ingrid Rieper und die Schülerin Julia Bielecki beim gemeinsamen Theaterbesuch

Rentnerin Ingrid Rieper und die Schülerin Julia Bielecki beim gemeinsamen Theaterbesuch.

Foto: Jan Ehlers

"Ich war in einer Situation, in der ich nicht mehr leben wollte", erzählt Ingrid Rieper. Die Rentnerin bezieht Grundsicherung und musste innerhalb eines halben Jahres elf Todesfälle in ihrem Umfeld verkraften. Schließlich blieben ihr nur noch ihre Papageien.

"Das geht irgendwann an die Substanz", so die 77-Jährige. Doch dann lernte sie über die Initiative KulturistenHoch2 die 18-jährige Schülerin Julia Bielecki kennen. Rieper entkam der Einsamkeit – und auch ein Lebenstraum sollte ihr erfüllt werden.

Zusammenhalt durch Austausch

Insbesondere Menschen mit kleiner Rente vereinsamen, erklärt die Leiterin der Initiative, Christine Worch. "Diese Menschen haben kein Geld, um sich Kultur oder auch nur das gemeinsame Kaffeetrinken im Café zu leisten."

Deswegen stellt die Initiative KulturistenHoch2 einkommensschwachen Seniorinnen und Senioren die Eintrittskarten und die Fahrtkosten für eine Kulturveranstaltung. Damit sie diese nicht alleine besuchen müssen, vermittelt die Initiative ihnen zudem den Kontakt zu Oberstufenschülerinnen und -schülern.

"Wir nutzen die Kraft von Kunst und Kultur, um die von Einsamkeit bedrohten Menschen mit Schülerinnen und Schülern zu verbinden", fasst Worch zusammen. So werde Einsamkeit verhindert und der Zusammenhalt zwischen den Generationen gestärkt.

Im Koalitionsvertrag sind Maßnahmen gegen Vereinsamung vorgesehen. Die Gemeinschaft wird als Grundlage für eine funktionierende Gesellschaft und Demokratie betrachtet. Angesichts einer zunehmend individualisierten und digitalisierten Gesellschaft sollen Konzepte entwickelt werden, die Einsamkeit in allen Altersgruppen vorbeugen und Vereinsamung bekämpfen.

An ihr erstes Treffen im Jahr 2017 erinnern sich beide noch gut. Bielecki war zunächst sehr aufgeregt. "Ich habe am Anfang mit mir gerungen, weil ich mich eigentlich schwertue, auf fremde Leute zuzugehen", erzählt sie.

Doch mit ihren leckeren Apfelpfannkuchen konnte Rieper die junge Frau direkt begeistern. Dann ging es los ins Theater. "Das erste Mal mit den 'Kulturisten' zu einer Veranstaltung zu gehen, mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen, war einfach ein wunderschönes Erlebnis", schwärmt Rieper von dem Abend.

Jung und Alt profitieren

Immer wieder entstehen dabei Freundschaften. So auch zwischen Rieper und Bielecki. Die Rentnerin freut sich: "Sie kommt gerne zu mir und ich habe sie gerne bei mir. Und was Schöneres gibt es nicht."

Sie sei durch die "Kulturisten" wieder motiviert worden, am Leben teilzunehmen. Eines Tages wurde Rieper sogar ihr Lebenstraum erfüllt: ein Besuch der Hamburger Staatsoper. Auf dem Programm stand Schwanensee.

Auch die Jugendlichen profitieren: Schülerinnen und Schüler erleben Kulturveranstaltungen, an denen sie sonst kaum teilnehmen würden. Im Mittelpunkt steht dabei stets das Miteinander. "Wir verbringen nur einen Nachmittag unserer Freizeit mit einer älteren Person und sie bekommt dadurch so viel geschenkt", berichtet Bielecki begeistert. Und weiter: "Ihr Gesicht zu sehen, wie sehr sie sich freut, das hat mich unglaublich glücklich gemacht."

Nachmachen erwünscht

Die Initiative KulturistenHoch2 kann auf eine erfolgreiche Bilanz zurückblicken: Seit Herbst 2016 vermittelt sie sogenannte Tandems aus älteren Menschen und jungen Leuten. Kürzlich hat sie das 500. Tandem zusammengebracht.

Beim Fachkongress "Einsamkeit im Alter vorbeugen – aktive Teilhabe an der Gesellschaft ermöglichen" hat die Initiative den ersten Platz in der Kategorie "Bildung und Kultur" errungen. Bundesseniorenministerin Franziska Giffey appellierte mit Blick auf die Gewinner: "Nachmachen ausdrücklich erwünscht!"

Im März 2019 hat Bundesseniorenministerin Giffey die Studie "Deutscher Alterssurvey 2017" vorgestellt. Demnach sind insgesamt weniger Seniorinnen und Senioren von Einsamkeit betroffen als bisher befürchtet. Dazu tragen auch erfolgreiche Initiativen wie die KulturistenHoch2 bei.