- Pressemitteilung 338
- Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA)
Frankreich und Deutschland, im Einklang mit ihren Beschlüssen beim Deutsch-Französischen Ministerrat im Juli 2017, in Meseberg im Juni 2018 sowie im Vertrag von Aachen vom 22. Januar 2019, bekräftigen ihre gemeinsame Entschlossenheit, zu einem Zeitpunkt wachsender geopolitischer Herausforderungen eine handlungsfähigere und effektivere Europäische Union zu fördern. In diesem Kontext unterstützen Frankreich und Deutschland vollumfänglich die vom Europäischen Rat im Juni 2019 beschlossene Strategische Agenda und die von Ursula von der Leyen vorgestellten Prioritäten der Politischen Leitlinien für die nächste Europäische Kommission.
• Frankreich und Deutschland sprechen sich für eine rasche Annahme des „European Green Deal“ aus, den die gewählte zukünftige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorlegen wird.
Beide Länder wollen, dass die Europäische Union bis zum Jahr 2050 CO2-Neutralität erreicht. Frankreich und Deutschland werden Wege ausloten, um eine WTO-konforme EU-Grenzausgleichssteuer einzuführen. Frankreich und Deutschland unterstützen die Einführung einer Mindest-CO2-Bepreisung im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems (EU ETS) In enger Zusammenarbeit mit der europäischen Kommission wollen wir an der künftigen Einführung eines sektorenübergreifenden europäischen Emissionshandelssystems arbeiten. Um den Übergang zu erleichtern, ist es auch entscheidend, Finanzströme umzuleiten: Frankreich und Deutschland unterstützen die Idee, die Rolle der Europäischen Investitionsbank im Bereich Klimafinanzierung zu stärken, um öffentliche und private Investitionen in grüne Projekte auszubauen, und die EIB zur EU „Klimabank“ zu machen.
Zur Biodiversität werden Frankreich und Deutschland mit Blick auf COP15 eng zusammenarbeiten, um ein konsequentes Mainstreaming von Biodiversität in allen relevanten Politikbereichen zu erreichen. Sie werden die Führung bei gemeinsamen Maßnahmen übernehmen, um den Abschluss eines VN-Vertrags zur Bewahrung und nachhaltigen Nutzung der Biodiversität der Ozeane bis 2020 voranzubringen. Beide Länder werden die Kommission bitten,
WTO-konforme legislative und nicht-legislative EU-Initiativen vorzuschlagen, um Importe von Herstellern, die sich an Entwaldung beteiligen, zu vermeiden.
• Deutschland und Frankreich verfolgen gemeinsam das Ziel einer starken europäischen Wirtschaft, die den aktuellen globalen Herausforderungen gewachsen ist.
Spannungen im Handelsbereich sollten angegangen werden und beide Länder bekräftigen ihr Engagement, innerhalb der Europäischen Union zusammenzuarbeiten, um das multilaterale Handelssystem mit einer reformierten WTO im Mittelpunkt zu schützen und zu stärken, auf verbesserte Regeln hinzuarbeiten (Technologietransfers, intellektuelles Eigentum, Überkapazitäten etc.), Kontroll- und Implementierungsmechanismen zu stärken und ein robustes und effizientes zwei-stufiges System der Streitschlichtung zu sichern. Insbesondere sollte die EU weiterhin fest entschlossen sein, mit den USA und anderen Partnern in dieser Frage zusammenzuarbeiten, aber auch bereit sein, ihre legitimen Interessen zu verteidigen. Die EU sollte ihre Unterstützung für das multilaterale Handelssystem ergänzen, indem sie an einer ambitionierten Handelsagenda festhält. Frankreich und Deutschland unterstützen die nächste Kommission dabei, eine aktualisierte Handelsagenda zu schaffen, die weltweit faire Wettbewerbsbedingungen sowie eine bessere Überwachung von Handelsregeln und Abkommen begünstigt. Ferner unterstützen beide Länder, dass unsere Handelspolitik mit der EU-Klimapolitik und deren sozialer und umweltpolitischer Dimension kompatibel ist.
Die Konjunkturaussichten sind abhängig von strukturellen Entwicklungen, insbesondere von der digitalen Transformation,
der Energiewende sowie globaler und europäischer Wettbewerbsfähigkeit. Frankreich und Deutschland unterstreichen die Bedeutung einer starken und nachhaltigen wirtschaftlichen, technologischen sowie industriellen Basis in Europa. Diese erfordert einen besser funktionierenden Binnenmarkt (insb. in seiner digitaler Dimension), aktualisierte Regulierung (ohne unnötige Hindernisse und unter Berücksichtigung des neuen internationalen Wettbewerbsrahmens und der Marktmacht digitaler Plattformen), einen EU-Haushalt, der Innovation und Investitionen fördert, die schnelle Umsetzung des Haushaltsinstruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit in der Eurozone sowie eine verbesserte bilaterale wirtschaftspolitische Abstimmung.
• Frankreich und Deutschland setzen sich für ein höheres Ambitionsniveau bei Innovationen in disruptiven Technologien und im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) ein, unter Berücksichtigung ethischer Richtlinien für neue Technologien.
Auf bilateraler Ebene werden Frankreich und Deutschland den „Innovationsrat“ („Grand Défis“) und die „Agentur für Sprunginnovationen“ ermutigen, 2020 gemeinsame Projekte zu entwickeln und zu unterstützen. Zu diesem Zweck haben beide Regierungen einen Strategieplan für ein Deutsch-Französisches Forschungs- und Innovationsnetzwerk zu KI unterzeichnet.
Auf EU-Ebene werden sich beide Länder im Rahmen des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens für eine ehrgeizige „Agenda für Entwicklung und Innovation“ einsetzen, unter Einbeziehung des Europäischen Forschungsrates (ERC) und dem neu geschaffenen Europäischen Innovationsrat.
Beide Länder werden zusammenarbeiten, um Europa in der Entwicklung und Anwendung von Spitzentechnologien zu stärken, insbesondere auf dem Gebiet der KI. Zu diesem Zweck werden Möglichkeiten für zusätzliche bilaterale und europäische Initiativen bis 2020 eruiert.
• Deutschland und Frankreich setzen sich für eine stärkere Europäische Weltraumpolitik ein.
Beide Staaten unterstreichen die strategische Dimension eines unabhängigen europäischen Zugangs zum Weltraum. In dieser Hinsicht unterstützen sie das europäische Präferenzprinzip bei Trägerraketen
(Ariane 6) und erkennen die Inanspruchnahme von Ariane 6-Leistungen durch institutionelle Auftraggeber als einen der entscheidenden Beiträge zur Konsolidierung ihrer Nutzung an. Gemeinsame Arbeit ist auch erforderlich hinsichtlich der Zukunft dieses Programms. Die Regierungen von Deutschland und Frankreich rufen industrielle Stakeholder auf, Konsolidierungsmaßnahmen zu entwickeln, um die Kosteneffizienz sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und den europäischen Trägerraketensektor zu stärken – in enger Zusammenarbeit mit ihren europäischen Partnern, insbesondere Italien. Deutschland und Frankreich unterstützen die Einrichtung der neuen Generaldirektion der Europäischen Kommission, die unter anderem für Weltraumfragen zuständig ist, unter Berücksichtigung der zivilen Natur des EU-Raumfahrtprogramms.
• Frankreich und Deutschland intensivieren ihre Zusammenarbeit für die europäische Sicherheit und Verteidigung.
Beim deutsch-französischen Sicherheits- und Verteidigungsrat,
der heute in Toulouse getagt hat, haben beide Regierungen ihr uneingeschränktes Engagement zum schrittweisen Aufbau von Europas Leistungsfähigkeit, Kohärenz und Glaubwürdigkeit im Bereich der Sicherheit und Verteidigung bekräftigt, auch um den europäischen Pfeiler in der NATO zu stärken und die europäische Interventionsinitiative zur Förderung einer gemeinsamen strategischen Kultur in vollem Umfang zu nutzen. In diesem Verständnis haben sie ihre Unterstützung zur Verbesserung der europäischen militärischen Fähigkeiten bekräftigt, sowohl durch PESCO-Projekte und weitere EU-Verteidigungsinitiativen als auch durch Industriekooperationen, insbesondere in den Programmen NGWS/FCAS (Next Generation Weapons System/Future Combat Air System) und MGCS (Main Ground Combat System). Eine solche Kooperation erfordert gegenseitiges Vertrauen und gemeinsame Regeln: Die Bundesregierung und die französische Regierung haben im Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration (Vertrag von Aachen) vereinbart, einen gemeinsamen Ansatz für Rüstungsexporte zu entwickeln. Beide Seiten haben heute ihre Verhandlungen zu einem rechtlich bindenden Abkommen abgeschlossen, dessen letzte Schritte so bald wie möglich umgesetzt werden.
• Deutschland und Frankreich werden europäische Reformen im Bereich Migration und Asyl neu anstoßen.
In Malta wurde eine Einigung zur Ausschiffung von im Mittelmeer geretteten Personen erzielt; die gewählte Präsidentin der Europäischen Kommission hat einen Neubeginn im gesamten Themenbereich zugesagt. Deutschland und Frankreich unterstützen gemeinsam die rasche Vorlage und Annahme eines neuen Legislativpakets zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (einschließlich der Dublin- und Schengen-Regeln) auf der Grundlage von angemessener Verantwortung und pragmatischer Solidarität. Beide Länder ermutigen zudem die Europäische Kommission, eine vollwertige Europäische Asylbehörde vorzuschlagen, die die Asylregeln und -praktiken in der gesamten Europäischen Union harmonisiert. Außerdem sollte die Europäische Kommission ein Europäisches Asylverfahrensregister vorschlagen, das ein umfassendes Bild aller Asylfälle liefert sowie der Art und Weise, wie sie sich auf die einzelnen Mitgliedstaaten auswirken.
• Frankreich und Deutschland verteidigen europäische Kultur und schöpferische Leistung.
Frankreich und Deutschland bekräftigen ihre Entschlossenheit, die neue EU-Gesetzgebung zum Urheberschutz umzusetzen und für ihre vollständige Einhaltung Sorge zu tragen.
• Deutschland und Frankreich befürworten einen neuen Vorstoß für Europäische Demokratie.
Deutschland und Frankreich unterstützen auch die Konferenz zur Zukunft Europas, die 2020 beginnen soll. Sie werden gemeinsame Vorschläge einreichen, um sicherzustellen, dass die Initiative sowohl EU-Bürgerinnen und Bürger einbezieht und ihre aktive Teilnahme ermöglicht als auch die Schlüsselrolle von EU-Mitgliedstaaten widerspiegelt.
• Frankreich und Deutschland gestalten eine gemeinsame Zukunft durch die Stärkung ihrer Kooperation und Integration (Vertrag von Aachen).
Frankreich und Deutschland haben bereits konkrete Schritte unternommen, um die Vision des Vertrags von Aachen zu erfüllen. Besondere Aufmerksamkeit genießt die Förderung von Kontakten zwischen unseren Bürgerinnen und Bürgern. So wird der Bürgerfonds deutsch-französische Projekte ab Anfang des Jahres 2020 fördern. Der Fonds wird Bürger und Vereine für gemeinsame Begegnungs- und Austauschprogramme sowie für sonstige gemeinsame Projekte unterstützen. Mobilitätsprogramme für junge Menschen werden im kommenden Jahr ausgebaut. Das Deutsch-Französische Jugendwerk hat sich zum Ziel gesetzt, mit seinen Programmen 2020 einen Anteil von 20% an jungen Menschen mit besonderem Förderbedarf zu erreichen.
Darüber hinaus werden Frankreich und Deutschland die gegenseitige Anerkennung von Berufsabschlüssen und Bildungswegen sowie neue integrierte französisch-deutsche Programme für doppelte Abschlüsse fördern. Des Weiteren werden Frankreich und Deutschland Strategien für Zweisprachigkeit im grenznahen Raum entwickeln und das Lernen von Sprachen unterstützen.
Der Ausschuss für grenzüberschreitende Zusammenarbeit wurde eingerichtet und wird nun seine Arbeit aufnehmen, um Lösungen für tägliche Herausforderungen im grenzüberschreitenden Raum zu finden.
Wir haben ein Konzept für das deutsch-französische Zukunftswerk verabschiedet, das sich den Transformationsprozessen in unseren Gesellschaften widmen wird und sich dabei unter anderem von der VN-Nachhaltigkeitsagenda 2030 leiten lassen wird. Erste Projekte werden im Jahr 2020 beginnen. Das Forum wird Experten, Interessensvertretern sowie Bürgerinnen und Bürgern als Plattform für den Austausch zu grundlegenden Fragen rund um die Themen Soziales, Umwelt, Technologie und Wirtschaft dienen.
Im gleichen Geist der besseren Verständigung und politischen Koordinierung wurde der Deutsch-Französische Rat der Wirtschaftsexperten eingerichtet, der seine Arbeit aufgenommen hat.
Um die Umsetzung des Vertrags von Aachen zu fördern und zu überwachen, werden beide Regierungen die Mehrjährige Vorhabenplanung gemäß Artikel 23 des Vertrags von Aachen kontinuierlich weiterentwickeln und anpassen.
• Deutschland und Frankreich arbeiten zusammen für Frieden und Stabilität, geeint in der Überzeugung, dass Diplomatie und internationales Recht vorrangig sind für nachhaltige Lösungen komplexer Krisen, welche sich auf die europäische Sicherheit auswirken.
Wir begrüßen die jüngsten positiven Entwicklungen in der Umsetzung der Minsker Abkommen und sehen dem nächsten Treffen im Normandie-Format in Paris entgegen, welches Fortschritte bei der Beilegung des Konfliktes im Osten der Ukraine erreichen soll. Wir unterstreichen unsere Position, dass die Annektierung der Krim durch Russland illegal ist. Ebenso bekräftigen wir unser Bekenntnis zur Fortsetzung des Dialogs mit Russland auf Grundlage der gemeinsamen Prinzipien der Europäischen Union, einschließlich der Bereiche Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung.
Im Mittleren Osten verurteilen wir die gegenwärtigen türkischen militärischen Aktivitäten im Nordosten Syriens und rufen die Türkei zur Abkehr von ihrem Kurs auf; dabei unterstreichen wir die Verpflichtungen der Türkei nach internationalem Recht, einschließlich des humanitären Völkerrechts. Die neuerlichen bewaffneten Feindseligkeiten im Nordosten haben das Potenzial, die Stabilität der ganzen Region zu untergraben, das Leid der Zivilbevölkerung zu verschlimmern und weitere Vertreibungen hervorzurufen. Unilaterales militärisches Vorgehen im Nordosten Syriens untergräbt ernsthaft die Fortschritte der „Internationalen Koalition gegen den Islamischen Staat“, zu der auch Frankreich, Deutschland und die Türkei gehören. Die vom UNHCR definierten internationalen Kriterien für die Rückkehr von Flüchtlingen – freiwillig, sicher und in Würde – müssen aufrechterhalten werden. Das Ende der militärischen Handlungen und der Beginn eines von den Vereinten Nationen gestützten politischen Prozesses sind dringend erforderlich.
Wir sind weiterhin sehr besorgt über die angestiegene Spannung in der Golf-Region, die eine Folge der Angriffe auf saudische Infrastruktur und auf die Freiheit der Seefahrt in der Straße von Hormuz ist. Deutschland und Frankreich sind entschlossen, gemeinsam mit Großbritannien, unsere diplomatischen Bemühungen fortzusetzen, um Bedingungen für einen Dialog mit allen relevanten Partnern mit Interesse an einer Reduzierung von Spannungen im Mittleren Osten zu schaffen Wir bekennen uns mit Nachdruck zum Erhalt und zur Umsetzung des JCPoA. In diesem Zusammenhang rufen wir Iran dringend dazu auf, zur vollständigen Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen aus dem Nuklearabkommen zurückzukehren. Wir sind überzeugt von der Notwendigkeit, auf der Grundlage des JCPoA Verhandlungen mit Iran bezüglich eines langfristigen Rahmens für sein Nuklearprogramm zu beginnen; diese müssen auch regionale Sicherheitsaspekte umfassen, einschließlich des Raketenprogramms sowie weiterer Trägersysteme des Iran.
Deutschland und Frankreich sind der Überzeugung, dass Stabilität in Libyen nur durch eine politische Lösung erreicht werden kann. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit Partnern einen Waffenstillstand und die Rückkehr zu einem von den Vereinten Nationen gestützten politischen Prozess zu erreichen, insbesondere durch den Berlin-Prozess.
Deutschland und Frankreich sind ihrem Engagement in der Sahel Region verpflichtet, wie unsere jüngste gemeinsame Initiative „Partnerschaft für Sicherheit und Stabilität im Sahel“ verdeutlicht, die auf die Stärkung und Resilienz von lokalen Sicherheits- und Verteidigungskräften durch erhöhte und bessere Koordinierung internationaler Unterstützung zielt. Wir sehen in diesem Zusammenhang der hochrangigen Konferenz, welche später in diesem Jahr stattfinden soll, entgegen.