Digitaler Bürgerdialog der Kanzlerin
Bundeskanzlerin Merkel hat die besondere Bedeutung der Familien in der Corona-Pandemie hervorgehoben. Der Staat könne nicht ersetzen, "was in den Familien gelebt wird", sagte Merkel bei ihrem digitalen Dialog mit Familien mit Kindern, darunter auch Alleinerziehende. Sobald es die Fallzahlen zuließen, würden Kitas und Schulen als erstes wieder geöffnet.
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Direkt zu Beginn ihres virtuellen Austauschs mit 14 Müttern und Vätern betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel, wie sehr Familien von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen seien. "Der Alltag hat sich doch dramatisch verändert". Die Familien hätten in der Krise eine Menge auszuhalten, so die Kanzlerin. Umso wichtiger sei es für sie gewesen, sich bei ihrem ersten digitalen Bürgerdialog "Die Bundeskanzlerin im Gespräch" in diesem Jahr direkt von Eltern über die derzeitigen Probleme und Erfahrungen informieren zu lassen.
"Unglaubliche Hochachtung" für Familien
Gerade in der Pandemie werde deutlich, dass alle auf die "Familien als Kern unserer Gesellschaft" zurückgeworfen würden. Kein Staat könne das ersetzen, was dort gelebt werde. Und wo dies nicht funktioniere, könne der Staat nur versuchen zu helfen, sagte die Kanzlerin beim Dialog. Es wäre schön, wenn auch nach der Krise bestimmte Strukturen wie die Familie diese "unglaubliche Hochachtung" erfahren würden. Nur dort gebe es den besonderen Zusammenhalt, Wärme und Liebe.
Merkel machte mehrfach deutlich, wie schwer ihr die notwendigen Beschlüsse beispielsweise zu Kontaktbeschränkungen gefallen seien. "Ich hätte mir das niemals gewünscht, dass ich solche Entscheidungen treffen muss". Hoffnungen machte die Kanzlerin den Müttern und Vätern mit der Zusicherung, dass Kitas und Schulen als erstes wieder geöffnet würden, sobald dies die Fallzahlen erlaubten. Das sei "Licht am Ende des Tunnels".
Jetzt aber gelte es noch, geduldig zu sein, weil man den Eltern auch kein Hin und Her bei Kita- und Schulöffnungen zumuten wolle. Gerade mit Blick auf die Gefahr der Virus-Mutationen sei es von großer Bedeutung, dass die Fallzahlen verlässlich sänken.
Leben im Hamsterrad
Die Belastung der Eltern aufgrund der ausgesetzten Präsenzpflicht in den Schulen sowie die Beschränkung des Kita-Betriebes auf eine Notbetreuung war ein inhaltlicher Schwerpunkt des Dialogs. Lars Jacobs, alleinerziehender Vater zweier Kinder aus Karlsruhe, verglich die Corona-Zeit mit einem "Hamsterrad", das immer kleiner werde und sich immer schneller drehe. Mit Homeschooling und Arbeit im Homeoffice bleibe kaum Zeit, schon gar nicht für einen selbst. So komme er seit Langem kaum noch zum Sport und fühle sich mangels Bewegung "wie eine Dampfnudel".Katharina Bertram aus Frankfurt hob hervor, sie sei "emotional am Limit". Ihre siebenjährige Tochter sei als Erstklässlerin mit dem Homeschooling überfordert und weine deshalb manchmal. "Meine Tochter will mich nicht als Lehrerin, sondern als Mama haben", so die 43-Jährige zu ihrer Doppelrolle in der aktuellen Zeit als Lehrkraft und Mutter.
Ein anderer Vater von vier Kindern schilderte die Schwierigkeiten, sich lange Zeit als Familie mit sechs Personen in einer kleinen Wohnung aufhalten zu müssen. Zudem habe sein jüngstes Kind noch kein Tablet, was für den digitalen Unterricht aber nötig sei.
Viele Familien mit finanziellen Problemen
Viele Eltern hoben finanzielle Sorgen hervor. Durch den Lockdown würden sich oft die Ausgaben erhöhen, so durch die Anschaffung von digitalen Geräten. Auch die Energiekosten stiegen, beispielsweise weil zuhause mehr gekocht werden müsse, da das Essen für die Kinder in Kitas und Schulen ausfalle. Kanzlerin Merkel verwies in dem Zusammenhang auf finanzielle Leistungen der Bundesregierung, insbesondere auf einen geplanten weiteren Kinderbonus in diesem Jahr.
Die besondere Situation von Alleinerziehenden war ein weiterer Schwerpunkt. Die in Mainz arbeitende Eva-Maria Vogt betonte, dass sich Alleinerziehende Aufgaben wie die Kinderbetreuung nicht teilen könnten. Und von finanziellen Unterstützungen bliebe aufgrund der besonderen familiären Konstellation häufig nur die Hälfte. Die Kanzlerin kündigte an, dieses Thema einmal besonders in den Blick zu nehmen.
Soziale Isolation macht zu schaffen
Die soziale Isolation und ihre Auswirkungen beschäftigten fast alle Mütter und Väter beim Dialog. Eine Teilnehmerin aus Zwickau sagte, dass sie sich vor allem um die älteren Kinder und Jugendlichen Gedanken mache. Fehlende Möglichkeiten, Kontakte zu pflegen, Sport und Hobbys nachzugehen, deprimiere. Viele junge Leute seien bei den Schulnoten abgerutscht, andere machten sich Sorgen darum, wie es jetzt nach der Schule weitergehen solle.
Jihan Khodr machte auf einen anderen Aspekt aufmerksam. Die Mutter von vier Kindern betreut in Bochum als Patin Flüchtlings- und Migrantenfamilien. Diese hätten es gerade sehr schwer, vor allem wenn es sich um Analphabeten oder Eltern mit geringen Deutschkenntnissen handele, die ihre Kinder kaum beim Homeschooling unterstützen könnten. Die Kanzlerin sagte, in solchen Fällen sei die Situation für die Kinder sicher besonders schlimm. Möglicherweise sei es eine Lösung, wenn noch mehr ehrenamtliche Helferinnen und Helfer diese Familien unterstützen könnten.
Noch lange keine Normalität
Merkel ging auch auf den Vorschlag eines Vaters ein, einen Familiengipfel zum Umgang mit den Corona-Folgen abzuhalten. Ein solcher Gipfel wäre richtig. Selbst wenn Schulen und Kitas wieder geöffnet würden, werde noch nichts normal sein, weil alle noch ihr Päckchen zu tragen hätten. Zur weiteren Unterstützung von Schulkindern hält Merkel zudem Nachhilfegutscheine für vorstellbar.
Zum Ende des eineinhalbstündigen Dialogs dankte die Kanzlerin ausdrücklich allen Müttern und Vätern für ihr großes Engagement und ihre Mithilfe bei der Eindämmung der Pandemie. "Das hat mich jetzt wirklich beeindruckt", so Merkel. Die momentane Zeit werde allen im Gedächtnis bleiben.
Der digitale Bügerdialog mit Eltern von Kindern im Kita- und Schulalter war bereits der fünte Termin im Format "Die Bundeskanzlerin im Gespräch". Es folgen Dialoge mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Hilfs- und Krisentelefonen (10. März), Kunst- und Kulturschaffenden (30. März) sowie Beschäftigten von ehrenamtlichen Hilfsorganistionen (27. April). Dabei soll es darum gehen, wie die Corona-Pandemie die Situation für die Menschen in ihrem jeweiligen (beruflichen) Umfeld und Alltag verändert hat.