Altmaier: Tun, was in der Situation nötig ist

Im Wortlaut: Altmaier Altmaier: Tun, was in der Situation nötig ist

Kein Mensch, der wirklich verfolgt ist werde an der Grenze zurückgeschickt, so Kanzleramtsminister Altmaier im Interview. Doch Deutschland wäre überfordert, wenn die Flüchtlingszahlen nicht zurückgingen. Sein Ziel für die kommenden Monate: Zuzug so ordnen und reduzieren, dass man sich auf die Integration konzentrieren könne.

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Das Interview im Wortlaut:

Die Welt: Herr Altmaier, werden Sie in Ihrem Wahlkreis im Saarland mit der aktuellen Flüchtlingsproblematik konfrontiert?

Peter Altmaier: Alle 20 Gemeinden in meinem Wahlkreis haben Flüchtlinge aufgenommen und sind damit beschäftigt, sie unterzubringen und freiwillige Deutschkurse zu organisieren.

Die Welt: Haben Sie dort auch eine Notunterkunft besucht?

Altmaier: Ich habe Unterkünfte und Aufnahmeeinrichtungen in der bayerischen Grenzregion besucht, als dort die Situation besonders schwierig war. Unterkünfte im Saarland werde ich in der nächsten Zeit auch besuchen.

Die Welt: Was haben Sie gesehen?

Altmaier: In Passau waren Flüchtlinge mit kleinen Kindern. Flüchtlinge, die außer einem Sack voll Kleider nichts mitnehmen konnten und die trotzdem mit großer Zuversicht nach Europa kommen. Sie haben Schlimmes mitgemacht und hoffen, dass sie hier einen Platz finden, wo sie mit ihren Kindern in Frieden leben können. Das hat mich sehr bewegt.

Die Welt: Was würden Sie Syrern sagen, die mit dem Gedanken spielen, nach Deutschland zu fliehen?

Altmaier: Ich würde jedem raten, sich genau zu überlegen, welche Alternativen er hat. Der Start in Europa wird schwer für jemanden sein, der kein Deutsch, Englisch oder Französisch spricht. Ich sage allen Flüchtlingen: Wenn ihr nach Europa und Deutschland kommt, wird das kein Selbstläufer. Es wird nicht einfach. Das müssen sie wissen, um am Ende nicht enttäuscht zu werden.

Die Welt: Und wenn die Menschen gezwungen sind, ihr Land zu verlassen?

Altmaier: Wir weisen an der Grenze keinen Flüchtling zurück, der wirklich verfolgt ist und vor Krieg, Terrorismus und Diktatur fliehen musste.

Die Welt: Wir begleiten in unserem Projekt eine zweifache Mutter, die mit einem Kind aus Syrien geflohen ist. Das zweite Kind und ihr Ehemann sind noch in der Heimat. Was können wir der Mutter zum Familiennachzug sagen?

Altmaier: Sie muss anerkannter Flüchtling sein, einen Antrag gestellt und einen positiven Bescheid erhalten haben. Es dauert leider im Schnitt etwa fünf Monate bis entschieden werden kann. Wenn sie dann anerkannt wird, hat sie das Recht auf Familiennachzug. Weitere Wartezeiten sind aufgrund der vielen Anträge nicht auszuschließen. Jeder Fall muss geprüft und bewilligt werden. Das dauert.

Die Welt: Sie haben gesagt „Unsere Schultern sind stark, aber auf Dauer wären wir überfordert."

Altmaier: Wir wären überfordert, wenn wir alle Flüchtlinge alleine aufnehmen müssten und wenn die Zahlen nicht dauerhaft weiter zurückgingen. Deshalb arbeiten wir daran, dass weniger Menschen ihre Heimat verlassen. Wir wollen die Zahl der Flüchtlinge insgesamt reduzieren.

Die Welt: Wie soll das aussehen?

Altmaier: Diejenigen, die über ein Kontingent legal nach Europa kommen, wollen wir gerecht über die EU verteilen. Deutschland kann zwar wegen seiner Größe und seiner ökonomischen und sozialen Leistungsfähigkeit mehr Flüchtlinge aufnehmen als andere Länder, es ist aber unabdingbar, dass alle EU-Staaten mitmachen und einen Beitrag leisten, je nach Stärke und Vermögen.

Die Welt: Viele reden von Krise, einige von Herausforderung. Wann ist diese Flüchtlingsaufgabe für Sie geschafft?

Altmaier: Dieses Thema wird uns noch einige Zeit beschäftigen. Meine Vorstellung ist, dass wir es in den nächsten Monaten schaffen, den Zuzug so zu ordnen und zu reduzieren, dass wir uns gemeinsam voll auf das Thema Integration konzentrieren können.

Die Welt: Wie lange wird das dauern?

Altmaier: Ich halte nichts von Ankündigungen, deren Realisierung man selbst nicht garantieren kann. Wir haben in den letzten drei Monaten mehr erreicht, als die allermeisten uns zugetraut hätten. Das gibt mir Kraft, auch für die nächsten drei Monate. Dann können wir eine Zwischenbilanz ziehen.

Die Welt: Viele sagen, die Bundesregierung sei mit offenen Augen in die Flüchtlingskrise gelaufen.

Altmaier: Nein. Wir konnten vor zwei Jahren nicht wissen, dass sich die Lage in Syrien für die Menschen so dramatisch zuspitzt, dass Hunderttausende gezwungen sein würden, ihre Heimat zu verlassen. Das alles konnte niemand vorhersehen. Deshalb haben wir immer das gemacht, was in der jeweiligen Situation notwendig war. Das wird auch in Zukunft so sein.

Das Interview führten Danica Bensmail und Johannes Malinowski für Die Welt .