Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss des G8-Gipfels

BK'IN DR. MERKEL: Das G8-Treffen hier in Muskoka hatte vier Schwerpunkte. Der erste Schwerpunkt war die Bewältigung der Weltwirtschaftslage. Ich habe für die Bundesrepublik Deutschland deutlich gemacht, dass wir glauben: Zu einem nachhaltigen, dauerhaften Wachstum kommen wir dann, wenn wir unsere Finanzen konsolidieren und gleichzeitig Strukturreformen durchführen. Dies ist hier auf breite Unterstützung getroffen.

Zum Zweiten haben wir uns mit den Fragen der Entwicklungspolitik beschäftigt, insbesondere mit den Kontakten und Beziehungen zu den afrikanischen Ländern. Die kanadische Präsidentschaft hat hier einen Schwerpunkt bei der Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele im Bereich der Kindergesundheit und der Müttergesundheit gesetzt. Diese Ziele sind bis jetzt nicht gut erfüllt worden; deshalb haben wir diese Schwerpunktsetzung ausgesprochen unterstützt. Es ist so, dass sich Deutschland mit 500 Millionen US-Dollar in den nächsten fünf Jahren an einem Programm beteiligen wird, das insgesamt 5 Milliarden US-Dollar umfasst. Ich glaube, das ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit der Kinder und der Verringerung der Kindersterblichkeit.

Wir haben uns drittens mit den Fragen der Außenpolitik befasst, hier insbesondere mit dem iranischen Nuklearprogramm. Es war klar, dass die Gruppe der 5+1 weiter versuchen wird, den Iran im Gespräch auf einen vernünftigen Weg zu bringen, und dass es jetzt unser gemeinsames Ziel ist, die vereinbarten Sanktionen auch durchzusetzen.

Der vierte Schwerpunkt befasste sich mit der internationalen Kooperation. Die Rolle der G8 als ein wichtiges Diskussionsforum wird erhalten bleiben, auch im nächsten Jahr unter der französischen Präsidentschaft. G20 wird das Format sein, in dem wir die Wirtschaftsprobleme der Welt diskutieren, von der Finanzmarktarchitektur bis zum Wirtschaftswachstum, das nachhaltig gestaltet werden muss.

Wir haben auch über die UN-Reformen gesprochen; denn wir wissen: Wir haben viele Themen ‑ zum Beispiel den Klimaschutz ‑, die wir nur im UN-Format voranbringen können. Deshalb waren wir uns auch hierüber einig.

Insgesamt war es ein wertvolles Treffen, weil wir viele, viele Punkte sehr dicht, sehr offen und auch sehr intensiv miteinander besprechen konnten. Ich glaube daher, dass das G8-Treffen hier in Kanada ein gutes Treffen war.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, eine Frage zur Muskoka-Initiative: Was macht Sie denn zuversichtlich, dass die Vorgaben diesmal eingehalten werden? Auch Deutschland war in der Vergangenheit ja nicht gerade besonders vorbildlich.

BK'IN DR. MERKEL: Es gibt nach der italienischen Präsidentschaft sozusagen einen Rechenschaftsbericht, um zu schauen: Was haben wir unternommen? Wer sich das anschaut, der sieht, dass doch vieles auf die Beine gestellt wurde, dass vieles unternommen wurde. Was man vielleicht bei all den Programmen, die vordergründig mit Geld verbunden sind, vergisst, ist, dass wir mit den afrikanischen Ländern, mit der Afrikanischen Union und den NEPAD-Ländern in einen Dialog gekommen sind, in dem es nicht nur um die Frage ging, was wir gemacht haben ‑ und das ist eine Menge ‑, sondern in dem die afrikanischen Länder gestern auch deutlich gemacht haben, welche Selbstverpflichtungen sie selbst übernehmen wollen. Sie werden jetzt auch im Juli auf dem Treffen der Afrikanischen Union einen Bericht verfassen und verabschieden, in dem sie uns sagen, was aus den vielen Initiativen geworden ist. Ich glaube, das ist eine völlig neue Qualität der Kooperation zwischen den G8 und den afrikanischen Staaten. Der Präsident der Afrikanischen Union, der malawische Präsident, hat das gestern noch einmal als Paradigmenwechsel in der Kooperation bezeichnet. Insofern sind wir da gut vorangekommen.

FRAGE: Frau Bundeskanzlerin, der G20-Gipfel beginnt erst, aber Sie haben sich vorgestellt, dass Sie an diesem Wochenende Klarheit ‑ vielleicht auch eine negative Klarheit ‑ über eine Finanzmarktsteuer erlangen. Haben Sie diese Klarheit jetzt schon gewonnen?

BK'IN DR. MERKEL: Nach dem, was ich von den Vorbesprechungen der Sherpas höre, muss man davon ausgehen, dass es leider eine negative Klarheit sein wird. Wir werden das morgen noch einmal ansprechen; ich werde das tun, und ich glaube, das wird vor allem auch der französische Präsident tun. Wir haben leider weder zur Bankengabe unter allen G20-Mitgliedstaaten eine einheitliche Meinung, noch bei der Finanzmarkttransaktionssteuer. Ich bin froh, dass wir mit den Vereinigten Staaten von Amerika eine gemeinsame Meinung dazu haben, dass die Banken mit an den Kosten beteiligt werden sollten. In Amerika macht man das mit einer höher ausgestalteten Bankenabgabe über etliche Jahre. Aber was die Finanzmarkttransaktionssteuer anbelangt, die wir auch als ein neues Finanzierungsinstrument brauchen könnten, ist das Brett noch weiter zu bohren.

FRAGE: Wie schwierig ist es überhaupt, zu gemeinsamen Vereinbarungen zu kommen ‑ die G20 ist noch heterogener als die G8 ‑, überhaupt zu einem Erfolg zu kommen, der sich am Montag auch den Börsen präsentieren lässt?

BK'IN DR. MERKEL: Die Börsen in allen Ehren, aber ich glaube, der politische Erfolg ist noch wichtiger. Ich glaube, dass wir in vielen Fragen erst zusammenkommen müssen. Die Tatsache, dass 20 wichtige Industrieländer samt den Schwellenländern und vor allen Dingen auch den internationalen Organisationen miteinander sprechen, wichtige Themen bearbeiten und sich in Wirtschafts- und Währungsfragen auf eine gemeinsame Verantwortung für die Welt einstellen, halte ich schon für einen Fortschritt. Dass das nicht von einem Tag auf den anderen zu einer totalen Gedankengleichheit führt, dürfte niemanden verwundern. Es ist aber ein handhabbares Gremium, ein Gremium, in dem man die Dinge besprechen kann. Es ist kleiner, als es die Vereinten Nationen sind, und kann somit auch operativer agieren. Wenn man einmal schaut, was wir in London vereinbart haben und was jetzt an Finanzmarktregulierung auf den Weg gebracht worden ist, dann sieht man, dass wir zwar nicht am Ziel, aber in der Mitte der Strecke sind. Man hat durchaus schon einige Erfolge erzielt.

FRAGE: Noch eine Frage zum Thema Sparen: Die gegensätzlichen Positionen zwischen Washington und Berlin scheinen sich hier eher noch verfestigt zu haben. Gibt es da irgendeine Kompromissformel?

BK'IN DR. MERKEL: Das sehe ich nicht so. Ich glaube, dass wir uns verständigt haben, dass jeder möchte, dass wir nachhaltiges Wachstum haben und nicht wieder in solche Krisensituationen hineingeraten. Für uns gehörten dazu unabdingbar solide Finanzierung und Abbau der Defizite. Ich sage es noch einmal: Dafür gab es hier viel Unterstützung. Insgesamt gibt es auch die gemeinsame Meinung, dass die Zeit der großen Konjunkturprogramme vorbei ist und dass wir jetzt alle in den Ausstieg hineingehen müssen. Über die Geschwindigkeiten gibt es vielleicht unterschiedliche Meinungen, aber Deutschland hat sich hier für einen Kurs entschieden, den ich für vernünftig halte.