Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und der dänischen Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)

 

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, die Ministerpräsidentin von Dänemark hier begrüßen zu dürfen. Sie ist die erste Frau in diesem Amt in Dänemark, und ich bin sehr froh, dass wir uns heute treffen konnten ‑ einmal wegen der guten Nachbarschaft, aber natürlich auch, weil wir jetzt auch gemeinsam die politischen Vorhaben diskutieren konnten.

 

Wir haben über unsere bilateralen Beziehungen gesprochen und festgestellt, dass sie freundschaftlich, intensiv und eng sind und auch bleiben werden. Das ist heute fast schon selbstverständlich, aber wir wissen aus der Vergangenheit, dass es das nicht immer war; deshalb werden wir alles tun, um diese Freundschaft fortzusetzen.

 

Zum Zweiten haben wir über die dänische Präsidentschaft gesprochen. Dänemark wird ab dem ersten Januar die Präsidentschaft in der Europäischen Union übernehmen. Ich habe für die Bundesregierung erklärt, dass wir alles tun werden, um Dänemark bei der Erreichung seiner Ziele zu unterstützen. Wir haben hier viele gemeinsame Angänge, zum Beispiel was die Wettbewerbsfähigkeit Europas und was die Energieeffizienz anbelangt. Angesichts der Wirtschaftsfragen, die wir jetzt täglich zu besprechen haben, sind die Fragen von Klimaschutz und Energie etwas in den Hintergrund getreten, aber sie bleiben natürlich auf der Tagesordnung und ein drängendes Problem.

 

Wir haben auch gemeinsame Ansichten, was den Schutz unserer Außengrenzen anbelangt, und sind auch sehr dankbar, dass Dänemark jetzt wieder die Grenzhäuschen abgebaut hat und wir wieder einen freien Verkehr der Menschen zwischen unseren Ländern haben können.

 

Wir haben uns auch über die außenpolitischen Themen ausgetauscht und sind natürlich in der Verurteilung der Gewalt in Syrien komplett einer Meinung.

 

Natürlich haben wir auch über die Probleme innerhalb der Eurozone gesprochen. Ich habe für Deutschland noch einmal klar gemacht, dass wir eine Europäische Union der 27 Mitgliedstaaten sind und dass darin auch unsere Kraft liegt. Auch wenn die Euro-Mitgliedstaaten durchaus einige Probleme innerhalb ihrer 17 Mitgliedstaaten lösen müssen, werden wir nie vergessen, dass die 27 zusammengehören und dass der Binnenmarkt das Fundament ist, auf dem der Euro funktionieren kann.

 

Zur Überwindung der Schuldenkrise im Euroraum brauchen wir entschlossene politische Maßnahmen. Hier muss jedes Land seine Hausaufgaben machen. Der verbesserte neue Stabilitäts- und Wachstumspakt, der ja für alle 27 gilt, ist dafür ein gutes Fundament. Ich habe aber auch noch einmal meine und unsere Gedanken deutlich gemacht, dass wir seitens der Euro-Mitgliedstaaten ein stärkeres Maß an Integration brauchen, an Verbindlichkeit brauchen, weil wir durch unsere gemeinsame Währung natürlich enger aufeinander angewiesen sind und deshalb die Haushaltsdisziplin noch wesentlicher für die Stabilität des Euro als Ganzes ist. Das beinhaltet auch begrenzte Veränderungen der Verträge. Hierüber werden wir beim Rat am 9. Dezember natürlich noch einmal sprechen.

 

Ich bedanke mich. Es war ein gutes, schönes Gespräch. Ich glaube, wir werden gut zusammenarbeiten ‑ wenn ich das von meiner Seite sagen darf. Deutschland wird alles tun, um der dänischen Präsidentschaft zu einem Erfolg zu verhelfen.

 

MP’in Thorning-Schmidt: Herzlichen Dank. Ich möchte sagen, dass ich sehr dankbar dafür bin, dass ich die Gelegenheit bekommen habe, hierher zu kommen und mit der Bundeskanzlerin zu sprechen. Ich danke der Bundeskanzlerin, dass sie die Verantwortung übernommen hat, sich der Krise ‑ die ja eine sehr große ist ‑ entgegenzustellen.

 

Was den bilateralen Bereich betrifft, möchte ich sagen, dass ich mich sehr freue, dass die Deutschen die dänischsprachigen Schulen in Deutschland auch weiterhin unterstützen. Dies wissen wir sehr zu schätzen. Die bilateralen Beziehungen zwischen unseren beiden Staaten sind von langer Tradition, sind von freundschaftlicher Natur. Wir sind enge Nachbarn und haben jeweils Minderheiten. So ist es jetzt und so wird es auch in Zukunft sein.

 

Wir haben natürlich auch über die Krise in Europa gesprochen, die eine sehr schwerwiegende ist. Ich habe ein bisschen etwas über die Prioritäten für unsere dänische Präsidentschaft erzählt. Eine unserer Prioritäten ist natürlich, ein verantwortungsbewusstes Europa zu schaffen, in dem jeder einzelne Mitgliedstaaten die Verantwortung übernimmt, vernünftige, stabile Haushaltsführung zu pflegen und die Wirtschaft vernünftig zu führen. Ich denke, das ist in der schwerwiegenden Krise, in der wir uns befinden, sehr wichtig.

 

Wir wollen also ein verantwortungsbewusstes Europa hervorbringen, aber auch ein dynamischeres Europa. Ich denke, es ist auch ganz wichtig, dass wir wieder so etwas wie Optimismus in Europa schaffen können und dass klar ist, dass wir auch weiterhin mit dem Binnenmarkt voranschreiten sowie ein grüneres Europa schaffen wollen. Da gibt es noch viel zu tun, und das wollen wir gemeinsam tun.

 

Wir haben natürlich auch über die Vertragsveränderungen gesprochen, die die deutsche Bundeskanzlerin aus den unterschiedlichsten Gründen sehr stark beschäftigt. Darüber haben wir im Detail gesprochen.

 

Wir haben natürlich auch über die Welt außerhalb Europas gesprochen, über Syrien und Libyen. Wir haben im Moment das Gefühl, dass die Situation in Syrien eine Situation ist, die ganz offensichtlich sehr, sehr schwer zu lösen ist. Die internationale Gemeinschaft muss ihr Möglichstes tun, um dabei zu helfen, diese Krise beizulegen. Wir haben auch über die Situation in Libyen gesprochen, wie ich bereits gesagt habe.

 

Jeder stimmt natürlich darin überein, dass wir in Europa eine sehr schwierige Situation haben und dass es ganz klare Entscheidungen geben muss, um diesen Problemen zu begegnen, die sich uns in den Weg stellen. Wir haben aber auch darüber gesprochen, dass es in einer solchen Krise, wie wir sie jetzt haben, wahrscheinlich sogar noch wichtiger ist, dass die 27 Mitgliedstaaten zueinander stehen und zusammenbleiben. Gerade dann, wenn sich eine solche Krise vollzieht, ist es umso wichtiger, dass wir als 27 zusammenstehen, unsere Gemeinschaftsmethode anwenden und die Institutionen auf europäischer Ebene einsetzen. Das ist eine dänische Priorität, aber auch eine Priorität, die wir in die Präsidentschaft einbringen wollen.

 

Danke, Frau Bundeskanzlerin! Das war ein sehr gutes Treffen, eine offene und freundschaftliche Diskussion, die die guten Beziehungen zwischen unseren Ländern noch unterstrichen hat.

 

Frage: Frau Merkel, was erwarten Sie, welche Rolle die dänische Ratspräsidentschaft in der Krise spielen wird? Ist es in diesem Zusammenhang ein Problem, dass Dänemark nicht Teil der Eurozone ist?

 

BK’in Merkel: Nein, ich sehe kein Problem darin, um das gleich vorneweg zu sagen. Dänemark ist ein Land, das sich dem Stabilitäts- und Wachstumspakt zutiefst verpflichtet fühlt. Dänemark ist ein wettbewerbsfähiges Land. Dänemark wird mit seiner Präsidentschaft genau die Brücke zwischen den 27 und manchmal auch den Aufgaben der Eurozone schlagen. Ich bin nach diesem Gespräch überzeugter als sowieso schon, dass es vielleicht sogar gerade gut ist, dass nicht jemand aus der Eurogruppe die Präsidentschaft innehat, sondern dass es die dänische Präsidentschaft ist, die deutlich machen kann, dass wir als 27 zusammengehören, die auf der anderen Seite aber auch Verständnis für die Aufgaben hat, die vor der Eurogruppe liegen.

 

Frage: Eine Frage an die dänische Ministerpräsidentin. Sie haben die Vertragsänderung angesprochen. Ich hätte gerne gewusst, wie die dänische Position ist, ob Sie also zu einer begrenzten Vertragsänderung bereit sind.

 

Fürchten Sie eigentlich, dass Ihr Land außerhalb der Eurozone ähnliche Probleme wie die Schweiz bekommen könnte, was die Wechselkurse angeht?

 

MP’in Thorning-Schmidt: Zu den Vertragsänderungen: Wir sind der Ansicht, dass wir im Moment in einer sehr schwierigen Situation sind. Ich glaube, es ist auch richtig, dass wir uns jetzt gerade darauf konzentrieren, was es erfordert, um diese Krise zu lösen. Ich höre natürlich auch der Bundeskanzlerin sehr aufmerksam zu. Sie sagt: Es gibt bestimmte Gründe, warum diese Vertragsänderungen notwendig sind. Es muss auch mehr Disziplin im Haushaltsbereich geben.

 

Diese Diskussionen werden wir im Dezember beginnen. Wir haben beim letzten Europäischen Rat darüber gesprochen, dass wir das tun wollen. Es ist meine Hoffnung, dass es dann, wenn wir diese Vertragsänderungen diskutiert haben, ein sehr eng begrenzter Prozess sein wird. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir uns auf diese Krise, die wir erleben, konzentrieren, dass wir vernünftige, gesunde Wirtschaftssysteme in Europa schaffen. Darauf werden wir uns konzentrieren. Jetzt müssen wir, wie ich vorher schon gesagt habe, den ersten Punkt zuerst angehen, nämlich erst einmal die Krise angehen, lösen und uns dann überlegen, wie wir in der Zukunft eine bessere Haushaltsdisziplin schaffen können.

 

Frage: Eine Frage an die dänische Ministerpräsidentin. Wie werden Sie die dänische EU-Präsidentschaft angesichts der Vertragsänderungen nutzen, die vielleicht vorgenommen werden, damit auch die kleineren Staaten in der Europäischen Union weiterhin ihren Einfluss geltend machen können?

 

MP’in Thorning-Schmidt: Ich glaube, das ist nicht eine Frage, die etwas mit kleineren Staaten zu tun hat. Dänemark ist nun schon lange Mitglied der EU. Wir haben nie Probleme gehabt, unseren Einfluss in der EU geltend zu machen. Das ist nicht das Thema. Es ist sicherlich sinnvoll, zu diskutieren. Es gibt einerseits 17 Euro-Mitgliedstaaten und auch noch 10 Staaten, die sich nicht innerhalb dieser Eurozone befinden. Die 17 müssen natürlich bestimmte Beschlüsse fassen. Aber es ist auch wichtig, dass man immer wieder unterstreicht, dass die 27 Mitgliedstaaten auf jeden Fall zusammenstehen sollten ‑ nicht, weil es einen Unterschied zwischen kleinen oder großen Mitgliedstaaten gibt, sondern weil wir am stärksten sind, die stärkste Union haben können, wenn wir zusammenstehen. Das ist besonders wichtig.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, sind Sie eigentlich froh, dass es jetzt in Dänemark eine sozialdemokratische Regierung und eine sozialdemokratische Ministerpräsidentin gibt, nachdem die liberal-konservative Regierung unter anderem die von Ihnen kritisierten Grenzkontrolle eingebracht hat?

 

BK’in Merkel: Ich bin froh, dass es eine sympathische Ministerpräsidentin in Dänemark gibt, die die deutsch-dänischen Beziehungen weiter pflegen wird und mit der wir gut zusammenarbeiten werden ‑ so mein Eindruck nach diesem Mal. Ich glaube, dass wir es in Europa sehr gewohnt sind, mit verschiedenen Parteiherkünften zu leben, weil wir alle überzeugt sind, dass die europäische Idee als solche vorangebracht werden muss und wird. Deshalb habe ich nur gute Gefühle für die Zukunft, was das anbelangt.