Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Präsidenten der Republik Angola, José Eduardo dos Santos

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Konsekutivübersetzung)

P DOS SANTOS: Sehr geehrte Journalisten, ich heiße Sie herzlich willkommen! Der heutige Tag wird mit goldenen Lettern in das Buch der bilateralen Beziehungen zwischen Angola und der Bundesrepublik Deutschland geschrieben werden, denn es ist das erste Mal, dass eine deutsche Regierungschefin unser Land besucht.

Es ist mir eine große Ehre und Freude, dass ich hier heute dieses Arbeitstreffen mit der Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel durchführen konnte. Ich kann sagen, dass das Resultat dieses Arbeitstreffens sehr, sehr positiv ist. Es ist ein wichtiger Beitrag für die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Angola.

Wir haben über verschiedene Fragen gesprochen und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine umfassende politische Partnerschaft zwischen beiden Ländern ins Leben gerufen werden soll. Das soll zunächst einmal durch eine bilaterale Kommission geschehen, die diese Partnerschaft in der Zukunft noch weiter ausfüllen wird. Im Rahmen dieser Partnerschaft werden sowohl politische als auch wirtschaftliche und soziale Fragen behandelt werden. Wissenschaft, Bildung, Kultur, Diplomatie usw. sind ebenfalls darin enthalten.

Nach meinem Besuch in der Bundesrepublik Deutschland, bei dem ebenfalls schon Fragen der bilateralen Kooperation mit der Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, erörtert wurden und im Rahmen dessen ich auch Treffen mit deutschen Unternehmern hatte, denke ich, dass diese heutige Zusammenkunft einen sehr wichtigen Impuls für die weiteren wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen Angola und der Bundesrepublik Deutschland leisten wird.

Zur allgemeinen politischen Lage möchte ich sagen, dass die politische Lage in Angola stabil ist. Wir planen für das Jahr 2012 allgemeine Wahlen, die bereits vorbereitet werden. Auch in makroökonomischer Hinsicht ist die Lage des Landes stabil; es wächst sehr gut. Es gab einen leichten Wachstumsrückgang während der allgemeinen internationalen Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009, aber dieses Wachstum, das sich zu der Zeit etwas abgeschwächt hat, ist jetzt wieder im Begriff, stärker zu werden. Für das Jahr 2011 rechnen wir mit einem guten Wachstum, und für das kommende Jahr erwarten wir sogar ein Wachstum im zweistelligen Bereich.

Ein umfangreiches Wiederaufbauprogramm ist hier im Lande unternommen worden, vor allem zum Wiederaufbau der Infrastruktur, aber auch zum Neubau von Infrastrukturmaßnahmen ‑ seien es Straßen, Brücken, Eisenbahnen, Wohnungen, Schulen oder Krankenhäuser. Das alles erfordert umfangreiche finanzielle Mittel, die wir sowohl im Binnenmarkt als auch im internationalen zu bekommen versuchen. Hier gibt es sehr gute und sehr große Investitionsmöglichkeiten für ausländische Unternehmen. Das alles soll in einer transparenten Form vonstattengehen.

Es ist geplant, in den nächsten Jahren drei große Wasserkraftwerke und Staudämme zu bauen. Einer davon ist bereits im Wiederaufbau befindlich. Für diese Projekte sind umfangreiche Maschinen vonnöten. Wir möchten gerne Maschinen deutscher Herkunft ins Land holen. Das Ganze hat ein Auftragsvolumen von ca. einer Milliarde Euro. Das alles bietet gute Gelegenheiten für deutsche Unternehmen, sich hier zu engagieren. Wir haben unseren Unternehmen auch schon geraten, sich an die deutschen Unternehmer zu wenden.

Wichtig sind für uns in diesen Zusammenhang auch der Know-how-Transfer und die Ausbildung von Fachkräften. Die Vorschläge und Anregungen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel uns in diesem Zusammenhang gegeben hat, sind von uns sehr freudig aufgenommen worden.

Es gibt jetzt auch ein neues Investitionsgesetz in Angola, dessen Ziel es ist, die unter dem alten Gesetz bestehenden bürokratischen Hindernisse und Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen und den Investitionen hier im Lande so auch einen größeren Schutz zu gewähren.

Was die politische Lage und die Situation in Afrika betrifft, so habe ich der Kanzlerin mitgeteilt, dass sich die angolanische Regierung für Frieden und Stabilität sowie für Verhandlungen mit dem Ziel, politische Lösungen für Konflikte zu finden, einsetzt. Die angolanische Regierung tritt für Demokratieförderung, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit sowie für die Abhaltung freier Wahlen ein.

Die Diskussionen waren sehr fruchtbar, das Klima sehr herzlich. Wir bedanken uns sehr für den wertvollen Beitrag, den Kanzlerin Angela Merkel uns geliefert hat. Ich denke, wir können uns gegenseitig für das gute Resultat dieses Gesprächs beglückwünschen.

Noch einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie nach Angola gekommen sind. Es ist uns eine große Freude, festzustellen, mit welcher Souveränität Sie die Geschicke Ihres Landes führen.

BK'IN MERKEL: Recht herzlichen Dank, Herr Präsident. Ich und unsere ganze Delegation sind sehr gerne nach Angola gekommen. Dadurch, dass zum ersten Mal ein deutscher Bundeskanzler Angola besucht, können wir, glaube ich, ein neues Kapitel in unseren bilateralen Beziehungen aufschlagen. Das wollen wir in Form einer politischen Partnerschaft tun, in die viele Elemente einfließen ‑ Sie haben die Stichworte dazu bereits genannt.

Wir verfolgen mit Respekt, was Angola in den Jahren nach dem Bürgerkrieg bereits geschafft hat. Die neue Verfassung war ein wichtiger Schritt; sie muss jetzt mit Leben erfüllt werden. Die Wahlen 2012 werden noch einmal deutlich machen, welche Strecke Angola auf dem Weg zu Demokratie und Meinungsfreiheit schon zurückgelegt hat.

Wir waren uns einig, dass es gelingen muss ‑ auch wenn das nicht so einfach ist ‑, durch Bildung und durch Industrialisierung möglichst viele Menschen am Wohlstand teilhaben zu lassen, um die politische Stabilität, für die Sie so lange gekämpft haben, auch wirklich dauerhaft zu garantieren. Deutschland ist bereit, im Bereich der Energiepolitik durch eine Energiepartnerschaft ‑ auch eine Rohstoffpartnerschaft ‑ auf diesem Weg zu helfen. Wir sind interessiert an Investitionen in die Infrastruktur, in die Industrialisierung, in die Bildung und in weitere Bereiche, um Angola auf dem Weg zu mehr Wohlstand zur Seite zu stehen.

In meiner Delegation ist auch die Landwirtschaftsministerin. Wir haben darüber gesprochen, wie wichtig es ist, gerade die ländlichen Räume zu entwickeln. Bei der Landwirtschaft kann Deutschland helfen, und zwar sowohl, was effiziente Bewirtschaftung anbelangt, als auch, was die Ausbildung von jungen Fachkräften anbelangt.

Wir wünschen Angola bei der SADC-Präsidentschaft einen guten Start und eine glückliche Hand. Wir glauben, dass gerade die regionale Zusammenarbeit in Afrika und der Kampf für mehr Stabilität und Frieden ein wichtiger Teil der Arbeit der Regierungen Afrikas ist ‑ sei es in der Afrikanischen Union oder aber in den regionalen Bündnissen, in diesem Falle in SADC.

Herzlichen Dank noch einmal für den freundschaftlichen Empfang!

FRAGE: In Angola haben wir jetzt seit neun Jahren Frieden. Deutschland hat auch Erfahrungen auf dem Gebiet des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkriegt. Wie beurteilen Sie das, was in unserem Land in dieser Hinsicht passiert?

BK'IN MERKEL: Ich glaube, dass auf dem Weg aus dem Bürgerkriegt heraus schon viel geschafft ist. Ich finde es auch richtig, dass gerade auch auf die Aussöhnungsprozesse großer Wert gelegt wird. Ich glaube, man kann sagen, dass der Schlüssel zum Erfolg in Deutschland aus mehreren Teilen bestand.

Der erste Teil ist, dass wir sehr schnell einen Rechtsstaat implementiert haben und ihn auch mit Leben erfüllt haben. Das ist, glaube ich, die Aufgabe, die jetzt nach der Verabschiedung der Verfassung auch für Angola wichtig ist. Es geht dabei um Transparenz, den Kampf gegen Korruption und auch absolute Freiheit der Meinungsäußerung.

Der zweite Teil ist die Regionalisierung der Entscheidungsfindung. Wir haben darüber gesprochen: Das ist nicht so einfach, wenn man auch noch die Fachkräfte ausbilden muss, aber vor Ort können Entscheidungen gerade für den wirtschaftlichen Aufbau im Allgemeinen besser getroffen werden. Es war in Deutschland ganz wichtig, dass wir diesen Weg gegangen sind, der allerdings auch historisch schon eingeübt war.

Drittens: Bildung, Bildung, Bildung. Ich glaube aber, das ist hier im Land auch erkannt worden.

FRAGE: Herr Präsident, Ihr Land ist reich an Öl und Diamanten, trotzdem ist ein großer Teil der Bevölkerung sehr arm. Was halten Sie dem Vorwurf der schlechten Regierungsführung Angolas entgegen?

Eine Frage an Sie beide: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben heute Morgen gesagt, Sie würden gerne die angolanische Marine ertüchtigen. Um welches Rüstungsgeschäft handelt es sich da? Herr Präsident, welches militärische Gerät wünschen Sie sich aus Deutschland?

P DOS SANTOS: Um auf die erste Frage hinsichtlich der Armutsbekämpfung und der schlechten Regierungsführung zu antworten: Man kann zu diesem Schluss natürlich kommen, aber das kann man eigentlich nur, wenn man Angola nicht vor der Unabhängigkeit kannte. Angola ist immer ein armes Land gewesen ‑ zwar mit sehr großem Potenzial, auch aufgrund der reichen Bodenschätze, aber es hat in Angola nie die Fachkräfte gegeben, um dieses Potenzial auch ausnutzen und ausschöpfen zu können.

Um nur ein paar Zahlen zu nennen: Vor der Unabhängigkeit betrug die Analphabetenquote in Angola 98 Prozent, das heißt, von 100 Angolanern konnten gerade einmal zwei Angolaner lesen und schreiben, und es gab im ganzen Land vielleicht 40 Menschen mit einem akademischen Abschluss. Das ist also die Ausgangssituation gewesen. Natürlich ist das nicht in kurzer Zeit grundlegend zu ändern.

Wir bemühen uns und es gibt auch schon eine zu verzeichnende Verbesserung. Es gibt sehr viel mehr Fachkräfte und wir haben inzwischen Erfahrung in der Verwaltung und in der Regierung des Landes gewinnen können. Die Regierung hat Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und zur Entwicklung der ländlichen Räume aufgelegt. Das sind die Hauptprioritäten der angolanischen Regierung.

Der Armutsindex ist von 60 Prozent im Jahre 2002, als der Krieg beendet wurde, auf circa 20 bis 30 Prozent gesunken. Insofern kann man zwar die Behauptung aufstellen, dass Angola eine schlechte Regierungsführung habe, aber wenn Sie das mit in Ihre Betrachtungen einbeziehen, dann sehen Sie auch, dass wir durchaus einen Sinn für die Probleme des Landes haben und dass wir viel tun, um diesen Problemen begegnen und sie zu beseitigen.

Die Analphabetenquote beträgt jetzt noch zwischen 40 und 50 Prozent. Es ist ein spezielles Alphabetisierungsprogramm im Gange, dessen Ziel es ist, diese Quote jetzt noch möglichst im Laufe der nächsten zehn Jahre auf null zu senken.

Was die Frage nach dem Militärequipment betrifft, so kann ich sagen, dass das angolanische Militär dabei ist, sich zu modernisieren und umzustrukturieren, seit im Jahr 2002 der Krieg zu Ende gegangen ist. Die angolanischen Streitkräfte benötigen neue Ausstattung. In diesem Zusammenhang laufen internationale Ausschreibungen. Wir haben jetzt dieses deutsche Angebot für die Kriegsmarine erhalten. Ich denke, dass die zuständigen Stellen und Organe hier sich dessen annehmen werden.

Wir brauchen sowohl für das Heer, für die Marine als auch für die Luftwaffe Ausrüstung und haben da unsere traditionellen Partner, denen gegenüber wir uns auch nicht verschließen möchten und mit denen die Liefermodalitäten entsprechend ausgehandelt werden.

BK'IN MERKEL: Von meiner Seite kann ich sagen: In diesem Falle handelt es sich um Patrouillenschiffe, die für die Grenzsicherung sind. Das ist der Hintergrund. Da gibt es ein deutsches Angebot.

Vielleicht noch zur Frage insgesamt: Angola gehört zu den Ländern in der Afrikanischen Union, die sich sehr für Stabilität einsetzen. Unser Ziel ist ja, dass regionale Konflikte auch durch regionale Truppen befriedet werden können. Ich denke da zum Beispiel an Somalia oder an den Sudan, wo wir jetzt einen Schritt vorangekommen sind. Wir haben von deutscher Seite schon ein Interesse daran, dass die Ausbildung genau in diese Richtung erfolgt und dass Afrika auch über Streitkräfte verfügt, die selbst die Befriedung der Konflikte hier vornehmen können. Da hilft Deutschland auch, wenn es gewünscht wird, zum Beispiel bei der Ausbildung von Soldaten in bestimmten Bereichen.