Pressestatements von Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Ministerpräsidenten von Bulgarien Boyko Borisov

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich außerordentlich, dass der bulgarische Ministerpräsident, Herr Borisov, heute in Deutschland zu Gast ist. Das ist sein erster offizieller Besuch in Berlin. Wir haben uns bei den verschiedensten internationalen Treffen und vor allen Dingen in der Kooperation in der Europäischen Union allerdings schon häufig getroffen und miteinander gesprochen.

 

Ich darf sagen, dass wir heute bilaterale Fragen, aber natürlich auch Fragen der europäischen Kooperation angesprochen haben. Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Bulgarien sind eng, freundschaftlich und vertrauensvoll, aber sie können im täglichen Leben durchaus noch intensiviert werden.

 

Wir wollen, dass Bulgarien als Mitglied der Europäischen Union seinen Weg zur Rechtsstaatlichkeit sowie zur Bekämpfung von Korruption und anderen Erscheinungen konsequent fortsetzt. Wir sehen, mit welcher Intensität die neue bulgarische Regierung dies auf den Weg gebracht hat und dass einige Monate nach der Regierungsübernahme bereits viele Maßnahmen in der parlamentarischen Beratung sind. Wir wollen vor allen Dingen - darüber haben wir heute sehr ausführlich gesprochen - diesen Weg unterstützen, sei es durch deutsche Berater oder eben auch dadurch, dass wir intensiver zusammenarbeiten.

 

Was die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wirtschaft anbelangt, so können wir diese sicherlich noch intensivieren. Hier gibt es immer wieder Berührungspunkte im Zusammenhang mit der europäischen Energiepolitik - in allen Formen der Energieerzeugung, aber genauso auch bei den verschiedenen Ausschreibungen. Bulgarien wird in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Investitionen vornehmen. Dabei wollen wir Bulgarien gerne begleiten.

 

Wir wissen um die Wünsche Bulgariens, insbesondere auch um den Wunsch, dem Schengen-Raum beizutreten. Auch was dies betrifft, habe ich gesagt, dass die Kriterien, die dafür gelten, natürlich erfüllt werden müssen, dass wir Bulgarien aber auch eine faire Behandlung zusagen. Manchmal ist es ja so, dass eine gewisse Unkenntnis einzelner Mitgliedstaaten über die spezifischen Bedingungen dazu führt, dass man verschiedene Gruppen von Staaten einfach zusammen betrachtet. Das wäre nicht fair. Die bulgarische Regierung soll aber eine faire Chance bekommen, vernünftig behandelt zu werden.

 

Ansonsten arbeiten wir natürlich sehr eng in der Europäischen Union zusammen. Das betrifft vor allen Dingen auch die Wirtschaftsstrategie in Zeiten der internationalen Wirtschaftskrise. Wir werden schon am 11. Februar sicherlich wieder an einem Strang ziehen, wenn es um die neue Strategie für die wirtschaftliche Entwicklung der Europäischen Union bis zum Jahr 2020 geht.

 

Ich möchte Danke dafür sagen, dass die bulgarische Regierung einen konsequent europäischen Kurs fährt und dass wir auch gebeten werden, sehr eng mit Bulgarien zusammenzuarbeiten. Ich glaube, der heutige Besuch ist ein Beitrag dazu, dass sich unsere bilaterale Kooperation im Geiste der Entwicklung der Europäischen Union noch weiter festigen wird.

 

MP Borisov: Vielen Dank, Frau Merkel. Im Namen unserer Delegation möchte ich Ihnen dafür danken, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Ich unterstütze alles, was Sie gesagt haben, auch was die Bewertung Ihrer Unterstützung für Bulgarien und die Anstrengungen, die Sie für die bessere Zusammenarbeit zwischen Bulgarien und Deutschland unternehmen, betrifft.

 

Wir haben über unterschiedliche Themen gesprochen und dabei auch ein Abkommen zur Vermeidung der doppelten Besteuerung besprochen, das heute unterzeichnet wurde. Das ist sehr gut für die Investoren in Bulgarien. In den nächsten Wochen werden auch Treffen unserer Minister mit den großen Energieunternehmen Deutschlands stattfinden. Wir werden auch weiterhin Infrastrukturprojekte entwickeln.

 

Wir haben Frau Merkel die Schritte, die unsere Ministerien im Zusammenhang mit dem Schengen-Beitritt und auch im Zusammenhang mit unserem Beitritt zum ERM-II-Mechanismus unternehmen, erläutert. Wir haben die Maßnahmen präsentiert, die wir zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität getroffen haben. Wir haben in gemeinsamen Arbeitsgruppen mit Staatsanwälten und Polizeibeamten spezialisierte Gerichte vorbereitet. Wir kämpfen kompromisslos gegen die Korruption - es gibt viele Gerichtsverfahren in diesen Zusammenhang.

 

Ich danke Frau Merkel noch einmal für die Unterstützung, die ihre Partei, die Konrad-Adenauer-Stiftung und auch die Hanns-Seidel-Stiftung für uns leisten. Sie helfen uns bei der Entwicklung unserer Partei sehr stark. Noch einmal, Frau Merkel: Vielen herzlichen Dank, auch dafür, dass Sie sich Zeit für uns genommen haben. Ich möchte Ihnen versichern, dass die neue bulgarische Regierung so arbeiten wird, dass Sie sich nicht schämen müssen, uns unterstützt zu haben.

 

Frage: Gestern Abend wurde das Thema Afghanistan ins Zentrum der bulgarischen Öffentlichkeit gerückt. In der Nähe des bulgarischen Kontingents in Afghanistan ist ein Angriff passiert und vier Soldaten wurden schwer verletzt. Deswegen die Frage: Haben Sie das Thema Afghanistan heute zusammen besprochen? Sie empfangen morgen den afghanischen Präsidenten hier in Berlin. Bulgarien und Deutschland sind nicht nur in der EU, sondern auch im Nordatlantischen Bündnis Partner. In diesem Sinne möchte auch fragen, ob Sie eventuell neue Strategien besprochen haben.

 

Eine Frage an Sie, Herr Ministerpräsident: Welche Informationen haben Sie über den Zustand der verletzten bulgarischen Soldaten? Wir haben gehört, dass Sie die Soldaten im Krankenhaus besuchen möchten.

 

MP Borisov: Frau Merkel hat mir erlaubt, sie ein bisschen bei der Beantwortung dieser Frage zu unterstützen. Der jetzige Verteidigungsminister und zukünftige Außenminister, Herr Mladenow, ist nicht weit entfernt gewesen, als der Angriff passierte. Er hat die Soldaten schon im Krankenhaus besucht. Es geht ihnen besser, ihr Zustand ist stabilisiert. Mit einem speziellen Flugzeug werden sie nach Deutschland gebracht. Das ist es, was wir momentan wissen. Unser Verteidigungsminister ist dort und informiert mich ständig. Wir hoffen, dass die deutschen Ärzte alles Mögliche für unsere Soldaten tun werden, insbesondere für den am schwersten verletzten. Ich hoffe, alles wird gutgehen.

 

BK'in Merkel: Am Donnerstag wird die Afghanistan-Konferenz stattfinden. Wir arbeiten natürlich innerhalb der Nato sehr eng in der Frage von Afghanistan zusammen. Wir teilen gemeinsam die Einschätzung, dass ein Ansatz gewählt werden muss, in dessen Zentrum auf der einen Seite der militärische Schutz der Bevölkerung und auf der anderen Seite natürlich auch der zivile Wiederaufbau steht. Diese Strategie wird von den Nato-Partnern einhellig geteilt, natürlich von Bulgarien ebenso wie von Deutschland. Wir hier in Deutschland entwickeln gerade in diesen Stunden, in der Vorbereitung auf die Afghanistan-Konferenz, unsere Konzepte, und ich habe gar keinen Zweifel, dass die Konzepte sehr ähnlich sind.

 

Es bleibt dennoch dabei, dass der Einsatz gefährlich ist. Das zeigt sich an den verwundeten bulgarischen Soldaten genauso wie daran, dass auch in Deutschland schon Opfer zu beklagen waren. Deshalb werden wir mit dem afghanischen Präsidenten Karsai, der vor der Londoner Konferenz noch nach Deutschland kommt, darüber sprechen, wie auch die afghanische Seite alles tun kann, um in Afghanistan eine vernünftige Korruptionsbekämpfung und eine bessere Regierungsführung umzusetzen, damit wir miteinander arbeiten. Denn wir können nicht gegen die afghanische Regierung, sondern nur mit der afghanischen Regierung gemeinsam gewinnen und dann auch Schritt für Schritt die Verantwortung an die afghanische Regierung übergeben.

 

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, Sie unterstützen Bulgariens Wunsch nach Zugehörigkeit zur Schengen-Zone und möchten, dass das Land eine faire Chance erhält. Die Mitgliedschaft in der Euro-Zone ist eine der obersten Prioritäten dieser Regierung. Darf sich, kann sich Bulgarien in diesem Sinne auf deutsche Hilfe verlassen, und sind Sie angesichts der gegenwärtigen Probleme von Ländern wie Griechenland der Meinung, dass eine Mitgliedschaft Bulgariens in der Euro-Zone in den nächsten zwei Jahren realistisch ist?

 

BK'in Merkel: Ich bin dafür, dass wir, wenn wir über Bulgarien sprechen, über Bulgarien und nicht über Griechenland sprechen. Wenn wir über Griechenland sprechen, sprechen wir über Griechenland.

 

Was die deutsche Regierung tun kann, habe ich benannt. Sie kann faire Chancen geben und nicht über eine ganze Region, sondern über jedes Land und seine Anstrengungen sprechen.

 

Wo Bulgarien steht, beurteilt nicht die deutsche Bundesregierung, sondern beurteilen die Europäische Zentralbank und die Europäische Kommission. Die Kriterien müssen eingehalten werden, und die Europäische Zentralbank wird entscheiden, für wie verlässlich sie die Erfüllung der Kriterien hält und welche Prognosen sie gibt. Darüber muss wiederum die bulgarische Regierung einen Dialog mit der Europäischen Zentralbank führen. Da mischen sich die nationalen Regierungen nicht ein. Aber was ich zusagen kann, ist, dass wir eben, wenn wir über Bulgarien sprechen, über Bulgarien und über nichts anderes sprechen.

 

MP Borisov: Ich danke Ihnen, weil das nicht gerecht ist. Sie sehen, unsere Regierung unternimmt viele Anstrengungen. Wir haben ein Haushaltsdefizit von nur drei Prozent. Wir sparen, und sie vergleichen uns mit Griechenland und mit Rumänien. Das ist doch nicht gerecht. Deshalb danke ich Frau Merkel herzlich dafür, dass sie diesen Unterschied macht. Wir haben sie gebeten, dass man, wenn es um Bulgarien geht, nur über Bulgarien spricht - über unsere Schwächen und über unsere Stärken.

 

Frage : Frau Bundeskanzlerin, Deutschland steht an fünfter Stelle der Investitionspartner Bulgariens; aber in den ersten Jahren nach der Wende stand Deutschland an erster Stelle, und diese hatte Deutschland lange inne. Wie kommt Deutschland wieder an die erste Stelle? Welche Bedingungen stellen die deutschen Unternehmen? Woran liegt es, dass Deutschland heute - hinter den Niederlanden, Österreich, Griechenland - nur an fünfter Stelle steht?

 

BK'in Merkel: Ich kann jetzt die Statistiken nicht bewerten. Ich habe ja ausdrücklich gesagt: Die bilaterale wirtschaftliche Kooperation könnte wieder gestärkt werden. Dazu wird es auch während des Besuchs des Ministerpräsidenten Anstrengungen geben. Nicht umsonst ist der Wirtschaftsminister mitgekommen und wird auch mit unserem Wirtschaftsminister sprechen.

 

Das Wichtigste für die Ausweitung der Kooperation ist Vertrauen in die Verlässlichkeit von Genehmigungsverfahren und in die Justiz. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass die Regierung von Herrn Borisov so viele Anstrengungen unternimmt. Dann, glaube ich, kann Deutschland auch wieder einen besseren Platz einnehmen. Manchmal hängt das ja von ein oder von zwei großen Projekten ab. Wir werden uns schon beteiligen, wenn es um große Investitionsprojekte in Bulgarien geht.

 

Frage : Noch eine Afghanistan-Frage. Deutschland sucht ja heute Abend nach seinem Standpunkt. Im Gespräch sind Erhöhungen der Truppenstärke, und es wird gefragt, wie man mit gemäßigten Taliban umgeht, ob es eine Ausstiegsstrategie geben soll. Wie ist denn Ihre Haltung dazu?

 

BK'in Merkel: Wir beenden in der Tat heute unsere Diskussion, die wir ja schon über etliche Wochen über die Frage führen, mit welchen Vorstellungen wir nach London gehen und was wir von der Londoner Konferenz erwarten. Wichtig ist, dass man das Ganze in einem Gesamtzusammenhang sieht. Den zivilen Aufbau, die Ausbildung von Polizisten und Soldaten, den Schutz der Bevölkerung und notwendige militärische Aktivitäten werden wir heute zu einem Gesamtpaket verbinden, und dazu werden die einzelnen Ministerien ihren Beitrag leisten. Nach unserer Beschlussfassung wird ausführlich darüber berichtet werden.