Pressestatements der Bundeskanzlerin und des afghanischen Präsidenten Karsai

- Hinweis: Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung -

BK´in Merkel: Guten Morgen, meine Damen und Herren, ich freue mich, dass der afghanische Staatspräsident auf seinem Weg nach London Berlin einen Besuch abstattet. Wir hatten gestern Abend ein gemeinsames Abendessen mit den Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Fraktionen. Heute haben der Bundesaußenminister und ich ein Frühstück mit dem Präsidenten gehabt, bei dem wir noch einmal die Londoner Konferenz vorbreitet haben.

Ich möchte mich für sehr gute Gespräche bedanken. Präsident Karsai hat die Idee von Gordon Brown, Nicolas Sarkozy und mir, eine internationale Afghanistan-Konferenz einzuberufen, von Anfang an unterstützt. Er hat allerdings auch dafür geworben, dass nach der Londoner Konferenz eine Konferenz stattfindet, was im Frühling passieren wird.

Wir wollen mit dieser Konferenz erreichen, dass eine neue Phase in dem internationalen Einsatz für Afghanistan eingeleitet wird. Es soll, wie wir es sagen, eine Phase der Übergabe in Verantwortung sein. Das heißt, die internationalen Kräfte werden Afghanistan so lange helfen, solange das notwendig ist, aber mit dem Ziel, möglichst schnell eine eigene Stabilisierung und eine Sicherheit Afghanistans aus eigenen Kräften zu erreichen.

Dieses Ziel wird von Präsident Karsai geteilt. Er hat das im November in seiner Inaugurationsansprache sehr deutlich gemacht. Die neue Qualität besteht darin, dass die internationale Gemeinschaft stärker mit Afghanistan zusammenarbeitet, um genau dieses gemeinsame Anliegen möglichst schnell umzusetzen.

Wir haben unsere Vorbereitungen für eine Strategie in Afghanistan für die nächsten Jahre abgeschlossen, wie wir Ihnen das gestern auch dargestellt haben. Wir fahren mit einem Ansatz nach London, der sagt: Wir brauchen ein Konzept der vernetzten Sicherheit. Wir brauchen zivile Hilfe. Wir brauchen natürlich militärische Unterstützung, vor allen Dingen aber auch die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte.

Wir haben heute über den Umfang afghanischer Sicherheitskräfte gesprochen. Der Präsident hat eines deutlich gemacht ‑ ich glaube, dazu muss sich die internationale Staatengemeinschaft bekennen ‑, nämlich dass wir, wenn wir eines Tages die Sicherheitsübergabe schaffen können, Afghanistan nicht vergessen, sondern ein nachhaltiges und stabiles Afghanistan weiter unterstützen müssen. Das kann auch finanzielle Zusagen für eine Zeit einschließen, in der direkt keine Sicherheitskräfte mehr in Afghanistan sind.

Jetzt aber geht es erst einmal darum, die nächsten Schritte zu planen. Hier sind wir auf eine besonders enge Kooperation in Bezug auf die Frage der Versöhnung und der Reintegration angewiesen. Deutschland wird sich an einem Fonds beteiligen, der sich mit der Reintegration von talibanischen Kräften befasst. Dies geht mit Sicherheit nur in engster Abstimmung mit der afghanischen Regierung. Darüber haben wir gesprochen und dazu sind der Präsident und die gesamte afghanische Regierung natürlich bereit.

Ich bin sehr dankbar, dass der afghanische Präsident bereit ist, auch im Parlament zu den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses und des Auswärtigen Ausschusses zu sprechen. Denn unser Engagement in Afghanistan kann nur fortgesetzt werden, wenn wir die parlamentarische Unterstützung haben. Dies setzt einen sehr engen Austausch voraus.

Wir haben natürlich in den Gesprächen auch deutlich gemacht, dass wir uns eine transparente Regierung wünschen und dass der Frage der Korruptionsbekämpfung ein großer Raum eingeräumt wird. Das ist von der afghanischen Seite vom Präsidenten, aber auch von den Regierungsmitgliedern zugesagt worden. Ich glaube, unsere Freundschaft ist stark genug, dass wir gegenseitig kritische Anmerkungen machen können; wenn die afghanische Regierung den Eindruck hat, dass unsere Arbeit nicht effektiv ist ‑ wir haben zum Beispiel über EUPOL gesprochen und dass wir hier manches noch verbessern müssen ‑, aber auch genauso, wenn wir auf der anderen Seite Kritik üben und der Meinung sind, dass die afghanische Regierung an einigen Stellen noch Aufgaben vor sich hat.

Dankeschön für den Besuch und herzlich willkommen!

P Karsai: Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin! ‑ Sie waren wie immer sehr freundlich zu mir und gestern Abend beim Abendesen und heute Morgen beim Frühstück eine hervorragende Gastgeberin.

Ich muss sagen, dass ich vor allen Dingen das Treffen gestern Abend sehr, sehr gut fand. Dort waren die Vertreter der verschiedenen Parteien in Deutschland anwesend. Heute Morgen hatten wir ein Frühstück mit Vertretern der Regierung.

Frau Bundeskanzlerin, Sie haben sehr klar und deutlich darüber gesprochen, worüber wir gestern Abend und heute Morgen gesprochen haben. Ich glaube, ich kann dem gar nicht mehr so viel hinzufügen, denn Sie haben voll und ganz das ausgedrückt, was in Afghanistan unsere Ansicht ist.

Frau Bundeskanzlerin, ich möchte Ihnen im Namen des afghanischen Volkes herzlich für die Hilfe und Unterstützung danken, die es vom deutschen Volk erfahren hat. Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie sich um das Wachstum und das Wohlergehen Afghanistans kümmern. Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie sich um den Wiederaufbau bei uns im Land kümmern, aber auch für die Hilfe, die Sie uns gegeben haben, um ein stabileres und friedlicheres Afghanistan zu schaffen. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie bei der Verfolgung dieses sehr edlen Zieles an der Seite des afghanischen Volkes stehen, den Extremismus, Terrorismus und die Sicherheitsbedrohung für Afghanistan zu bekämpfen, die allerdings auch eine Sicherheitsbedrohung für die Welt insgesamt darstellt.

Ich möchte meine Worte auf das beschränken und danke Ihnen noch einmal.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident, eine große Diskussion ist diejenige um ein konkretes Abzugsdatum, also wann ein Abzug deutscher Streitkräfte beginnen könnte und wann er abgeschlossen sein könnte. Haben Sie darüber auch gesprochen?

BK´in Merkel: Ich habe von meiner Seite aus deutlich gemacht, dass wir kein Abzugsdatum nennen. Ich habe aber dem Präsidenten gesagt, dass wir seine Zielsetzung unterstützen, dass er möchte, dass 2014 alle Operationen von afghanischen Sicherheitskräften geführt werden und Afghanistan sozusagen so weit ist, die Sicherheit im Wesentlichen selbst zu garantieren. Trotzdem fände ich es falsch, wenn wir jetzt ein konkretes Abzugsdatum nennen würden, weil wir die Entwicklungen nicht voraussehen können und für die Taliban keine Entschuldigung geben wollen, jetzt sozusagen in eine Ruhestellung zu gehen, um dann zu einer größeren Attacke anzusetzen. Ich glaube, dass wir hierin übereinstimmen.

Nichtsdestotrotz müssen wir alles daran setzen, die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte für die Polizei und die Armee in einem schnelleren Zeitraum abzuschließen. Deshalb sprechen wir auch darüber, wie die endgültigen Zahlen aussehen und was man braucht. Es ist noch einmal zu betonen, dass der afghanische Präsident gesagt hat ‑ und das ist ganz, ganz wichtig ‑, dass ein Signal an die Taliban sein muss: Selbst dann, wenn alle afghanischen Sicherheitskräfte ausgebildet sind, wird die internationale Staatengemeinschaft dafür Sorge tragen, dass diese Armee und diese Polizei auch überlebensfähig ist. Ansonsten könnte die Hoffnung der Taliban sein, dass man sofort zuschlagen kann, wenn Polizisten und Soldaten nicht mehr vernünftig bezahlt werden und nicht mehr motiviert sind. Darin liegt eine länger andauernde Verantwortung, die wir für Afghanistan haben. Wir nennen also kein konkretes Abzugsdatum, aber es gibt schon ambitionierte Ziele hinsichtlich der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte.

P Karsai: Völlig richtig, Frau Bundeskanzlerin. Afghanistan möchte anderen nicht zur Last fallen ‑ weder unseren Verbündeten noch unseren Freunden. Wir möchten so bald wie möglich in die Lage versetzt werden, unser Staatsgebiet und unsere Bevölkerung alleine verteidigen zu können, und zwar mit afghanischen Mitteln.

Hier gibt es noch einen gewissen Weg zu beschreiten. Das werden wir gemeinsam tun. Die afghanischen Sicherheitskräfte müssen in die Lage versetzt werden, die Sicherheit für das afghanische Volk zu gewährleisten. Ich freue mich sehr, dass die Bundeskanzlerin gesagt hat, dass das ein Ziel sein muss, das auch erfolgsorientiert ist und nicht etwa nur an einen bestimmten Zeitpunkt gebunden ist, also sozusagen auf ein bestimmtes Datum fixiert ist. Aber Afghanistan ‑ das habe ich vorher schon gesagt ‑ möchte bald in der Lage sein, Ihnen diese Last abzunehmen, jedenfalls die Last zu reduzieren, die auf unseren internationalen Partnern liegt.

Ich habe das schon bei meiner Amtseinführungsrede gesagt. Wir arbeiten sehr hart daran, über die nächsten zwei bis drei Jahre in immer größeren Teilen des Landes mehr Sicherheit selbst gewährleisten zu können. Wir arbeiten auch sehr hart daran, Sicherheitsoperationen überall im Land selbst zu führen. Die Ausbildung der afghanischen Kräfte ‑ das gilt sowohl für die Polizei als auch für das Militär ‑ ist etwas, was die Bundeskanzlerin und ich bei den zwei Treffen sehr eingehend erörtert haben. Hier wollen wir uns vor allen Dingen auf die afghanischen Bemühungen und auch auf die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft konzentrieren.

Ich habe auch heute Morgen wieder die Versicherung erhalten, dass die Deutschen weiterhin an Ausbildungsmaßnahmen teilnehmen werden und freue mich sehr, dass der politischen Führung hier im Land ganz klar bewusst ist, dass es natürlich notwendig ist, diese Ausbildungsmaßnahmen weiterzuführen und auch dafür zu sorgen, dass die Afghanen selber Ressourcen bekommen ‑ in dem Maße, in dem unsere Wirtschaft anspringt ‑, um die Sicherheitskräfte auch selber bezahlen und finanzieren zu können.

Frage: Herr Präsident, wenn Sie erlauben, werde ich eine Frage auf Paschtu stellen. (Frage wurde nicht übersetzt)

P Karsai: Die Frage, Frau Bundeskanzlerin, ist die, ob die internationale Gemeinschaft auch weiterhin den afghanischen Streitkräften nach dem Abzug der ausländischen Truppen helfen wird. Das bedeutet aber, glaube ich, auch finanzielle Hilfe.

BK´in Merkel: In etwas unbestimmteren Worten hatte ich das ja schon angedeutet. Ich hatte gesagt, dass unsere Verantwortung sicherlich länger dauern wird, als unsere Sicherheitskräfte in Afghanistan sind, weil wir sonst unser eigenes Werk zerstören und weil wir in der Vergangenheit ‑ das zeigt die Geschichte Afghanistans ‑ immer wieder erlebt haben, dass ein zu schneller Rückzug und ein Alleinlassen von Afghanistan jeden Aufbauerfolg zerstören kann. Deshalb werden wir eine langfristige Verantwortlichkeit für Afghanistan zeigen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, gestern haben Sie eine neue Strategie für Afghanistan bekanntgegeben, die einen etwas defensiveren Ansatz verfolgt. Bedeutet das, dass Deutschland von jetzt an praktisch sämtliche Kampfhandlungen den NATO-Partnern überlässt?

Eine Frage an Präsident Karsai: Was würden Sie zu einer skeptischen deutschen Öffentlichkeit sagen? Warum ist es notwendig, dass deutsche Truppen immer noch in Afghanistan präsent sind?

BK´in Merkel: Ich glaube, das, was Sie jetzt dargestellt haben ‑ dass andere NATO-Partner und wir jetzt völlig unterschiedliche Wege gehen würden ‑, ist ein Missverständnis. Das sehe ich nicht so. Vielmehr geht es um den Ansatz, der von ISAF insgesamt geteilt wird. Wir haben bis jetzt die Ausbildung und unsere Operationen in der Fläche sehr stark voneinander getrennt gehabt. Wir übernehmen jetzt einen Ansatz, der auch schon anderswo ‑ von den Amerikanern zum Beispiel ‑ fast noch intensiver praktiziert wird: das sogenannte „Partnering“. Dabei geht es darum, mit den Afghanen zusammen den Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Der Schutz der Bevölkerung kann natürlich nur gewährleistet werden, indem man auch agiert, wenn man zu feindlichen Attacken kommt. Wir wollen aber mehr in die Fläche gehen, wir wollen nicht nur Patrouillen vom Lager aus fahren. Wir wollen diese Operationen gemeinsam mit den afghanischen Auszubildenden durchführen. Das ist eine Strategie, die jetzt im gesamten ISAF-Bereich sehr viel stärker durchgesetzt wird.

Dass sich ein Strategiewechsel in der letzten Zeit zum Beispiel auch im amerikanischen Bereich durchgesetzt hat, ist ja sichtbar. Es gab früher sehr viel mehr zivile Opfer. Die ganze Strategie ist jetzt sehr viel stärker darauf ausgerichtet, mit der Bevölkerung zusammenzuarbeiten. Das ist nicht eine deutsche Spezialität, sondern das ist eine gemeinsame Strategie von ISAF, die auch gemeinsam diskutiert wurde. Das Neue ist: Wir haben bis jetzt sogenannte „Quick Reaction Forces“, die in bestimmten schwierigen Situationen eingeschritten sind, aber ansonsten haben wir sehr viel aus dem Lager heraus operiert. Das Neue ist, dass wir in die Fläche gehen und Ausbildung und Schutz miteinander verbinden. Das schließt natürlich ein, dass feindliche Attacken auch abgewehrt werden müssen ‑ sonst kann man die Bevölkerung nicht schützen.

P Karsai: Bevor ich die Gründe erkläre, warum die Deutschen auch weiterhin Afghanistan helfen sollten, möchte ich zunächst einmal der deutschen Bevölkerung ‑ und auch dem deutschen Steuerzahler ‑ dafür danken, dass sie uns eine sehr, sehr wertvolle Hilfe leistet. Wir sehen in Afghanistan, wie diese Hilfe auch tatsächlich ihre Wirkung zeitigt. Das ist in Deutschland und im Vereinigten Königreich leider Gottes offensichtlich nicht so deutlich zu sehen; in Afghanistan sehen wir das aber.

Vor fünf Jahren war ich im gleichen Gebäude zu Gast und vor fünf Jahren war es so, dass man von Kabul zum Nordosten Afghanistans, wo sich die deutschen Truppen ja im Wesentlichen konzentrieren, im Grunde genommen auf einer unbefestigten Piste reisen musste. Jetzt ist diese Straße befestigt und geteert. Damals war es so, dass viele Afghanen, wenn sie medizinisch behandelt werden mussten, entweder in die Nachbarländer oder noch weiter weg gehen mussten. Heute ist es so, dass Tausende von Afghanen in ihrem eigenen Land bleiben können ‑ in ihrer eigenen Provinz, in Kundus, in Masar-i-Scharif oder Badachschan, wo die Deutschen ja vor Ort sind ‑ und auch behandelt werden können. Es gibt Schulen, es gibt ein besseres Bildungssystem, wesentlich bessere Chancen, wesentlich mehr Handel, mehr Flughäfen. Die gesamte Infrastruktur, die eine Nation natürlich auch braucht, um ihre Zukunft besser zu gestalten und um Wirtschaft aufzubauen, ist durch diese Hilfe auch tatsächlich geschaffen worden.

Natürlich hat es Schwierigkeiten auf dem Weg dahin gegeben. Es hat auch viel Leid gegeben ‑ für die Deutschen, für die Afghanen, für andere Verbündete. Aber dass die Sache an sich eine gute Sache für Afghanistan und auch für die Welt insgesamt ist ‑ Freiheit vor Terrorismus und dieser Art von Übergriffen ‑, liegt für uns alle, finde ich, klar auf der Hand. Ich danke den Deutschen noch einmal für diese Bemühungen.

Frage: Herr Präsident es gab in den letzten Jahren Fortschritte in Afghanistan, aber die meisten Konferenzen, wie wir morgen wieder eine haben, blieben doch wirkungslos. Was sind die Haupthindernisse gewesen, die zu dieser Wirkungslosigkeit geführt haben, und warum könnte das dreistündige Treffen morgen anders verlaufen?

P Karsai: Ich denke schon, dass das auch ein bisschen davon abhängt, aus welchem Blickwinkel Sie das betrachten ‑ ob Sie das Glas sozusagen als halbleer oder als halbvoll betrachten. Blicken wir jetzt einmal auf die Petersberger Konferenz bei Bonn zurück, wo ja dieses gesamte Arrangement sozusagen geschaffen wurde: Wenn es diese Konferenz nicht gegeben hätte, hätten wir keine Struktur in Afghanistan, keine Verfassung, keine Regierung und keine wirklich funktionierende Behördenstruktur. Heute steht Afghanistan als Folge dieser Petersberger Konferenz aber so da, wie es dasteht, und Sie sehen es als wesentlich aktiver als damals. Es sind ja auch gewisse Leistungen, gewisse Fortschritte erzielt worden. Dann gab es die Geberkonferenz in Tokio, danach die Konferenz in London ‑ da haben wir noch mehr Hilfe erfahren ‑, dann die Konferenz in Paris ‑ da wurde noch deutlicher klargemacht, wofür die Gelder ausgegeben werden sollten ‑, und dann gab es, glaube ich, eine Konferenz in Holland. Morgen gibt es eine Konferenz London. Ich denke schon, dass es dabei um die Zukunft Afghanistans geht. Wir unterhalten uns über das, was wir erreicht haben, wir unterhalten uns auch über die Niederlagen, die wir leider erleben mussten, und wir unterhalten uns über die Zukunft. Natürlich werden wir nicht all das erzielen können, was wir möchten; aber diese Konferenzen erreichen schon Vieles von dem, was wir erreichen wollen. Sie sind also nützlich und sie führen zu etwas.

Frage: Herr Präsident, ich habe eine Frage zu dem Vorfall im September in Kundus. Sie haben bezüglich des Bombardements von zwei Tanklastern damals sehr deutliche Worte gefunden und es gab von der afghanischen Seite den Ruf nach Aufklärung. Mittlerweise gibt es ja sehr deutliche Ergebnisse, die der Bundeswehr auch sehr klare Fehler nachgewiesen haben. Was für Konsequenzen sind aus Ihrer Sicht und aus afghanischer Sicht nach diesem Vorfall nötig?

P Karsai: Ich freue mich, dass Sie diese Frage stellen. Deutschland hat da einer ganz besonderen Sorge Ausdruck gegeben und hat auch sehr viel Güte bei der Reaktion auf diese vielen zivilen Opfer gezeigt. Diese Reaktion hat sich nicht nur in Afghanistan, sondern auch hier in Deutschland deutlich gezeigt. Es wurden Maßnahmen ergriffen, man hat Reaktionen gezeigt. Der Minister ist zurückgetreten, der Oberbefehlshaber Ihrer Armee ist zurückgetreten, und die afghanischen Familien, die dort Opfer zu beklagen hatten, sind erheblich entschädigt worden. Das war ein sehr trauriger Zwischenfall, aber die deutsche Regierung hat alles getan, um darauf angemessen zu reagieren.

Ich denke, das war eine Sache, auf die wir so reagieren würden, dass wir sagen: Die Deutschen haben da mit großer Sympathie reagiert. Man hat den Familien geholfen und es hat eine Untersuchung innerhalb der deutschen Regierung gegeben. Das heißt, Sie haben sich als verantwortungsbewusst gezeigt, als ein Land und auch eine Regierung, die das sehr ernst genommen hat. Das war das erste Mal, dass einer unserer Verbündeten, was zivile Opfer anging, solche klaren Maßnahmen ergriffen hat, um das, was dort geschehen ist, wieder zu korrigieren und den Opfern zu helfen. Das war eine sehr edle Haltung seitens Ihrer Regierung. Das hat gezeigt ‑ das habe ich auch meinen Freunden schon gesagt ‑, dass die Deutschen eine bestimmte Qualität in ihrem Engagement haben. Daran glauben wir auch in Zukunft.