Um eine Stabilisierung der unbeständigen Lage in der Ukraine zu erreichen, setzt Kanzlerin Merkel weiter auf Gespräche und das geschlossene Auftreten der EU. Zugleich müsse es eine Sicherheitspolitik mit und nicht gegen Russland geben. Auch im Umgang mit der Eurasischen Wirtschaftsunion gehe es nicht um ein Entweder-Oder.
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Das Minsker Maßnahmenpaket sei "ein wichtiger Meilenstein, um eine friedliche Entwicklung möglich zu machen", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem Treffen mit dem kirgisischen Staatspräsidenten Almasbek Atambajew am Mittwoch in Berlin. Dieses Paket müsse auch wirklich implementiert werden. Alle Seiten seien dazu aufgerufen, hier die notwendigen Schritte tatsächlich auch zu gehen.
Merkel betonte, sie sei sich mit Atambajew einig gewesen, dass Konflikte friedlich und diplomatisch gelöst werden müssten. Zu den Sanktionen gegen Russland sagte Merkel, "um die negativen Tendenzen der wirtschaftlichen Sanktionen aufzufangen, werde es Gespräche zwischen der Europäischen Union, der Eurasischen Wirtschaftsunion und Russland geben - wenn die politische Lösung gefunden ist".
Die Kanzlerin Merkel ergänzte: "Wir haben ja nur politisch agiert und mussten agieren in Form von Sanktionen, weil wir eine Verletzung des Völkerrechts gesehen haben - sowohl durch die Annexion der Krim, aber auch durch das, was in Donezk und Lugansk vor sich gegangen ist." Jetzt arbeite die ganze Europäische Union für eine diplomatische Lösung. Deutschland vertrete eine Philosophie, die besage: "Beides muss möglich sein, gute Beziehungen zur Europäischen Union, und gleichzeitig gute Handelsbeziehungen auch zu Russland", bekräftigte die Kanzlerin.
Auch am Montag, beim Besuch der Kanzlerin in Helsinki, war die Lage in der Ukraine eines der Themen. Wie können wir einen Beitrag leisten, um die Gespräche wieder in Gang zu bringen, um einen Waffenstillstand in der Ukraine hinzubekommen und um eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen? Über diese Fragen tauschte sich Bundeskanzlerin Merkel mit dem finnischen Ministerpräsidenten Alexander Stubb aus.
Einigkeit innerhalb der EU spielt nach Einschätzung der Kanzlerin dabei eine zentrale Rolle. Ein geschlossenes Europa werde seine Wirkung auf Russland nicht verfehlen, so Merkel in Helsinki. Sie sei "sicher, dass wir uns auch vor Bedrohungen schützen können." Dies gelte für Länder wie die unmittelbar betroffene Ukraine, aber auch für Moldawien.
In Helsinki erinnerte Merkel an die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte vor vierzig Jahren. Diese habe einen großen Anteil daran, dass sie heute hier stehen könne. Die deutsche Einigung sei "durch eine gute Mischung aus Härte gegenüber der Sowjetunion einerseits, und andererseits aus immer wieder dem Versuch politischer Lösungen entstanden", so das Fazit der Kanzlerin.
Dass heute die Nachfolgeeinrichtung OSZE mit ihren Beobachtern den Waffenstillstand in der Ukraine überwache, sei ein Zeichen dafür, dass man immer wieder solche politischen Lösungen und Institutionen brauche. "Aber die KSZE-Akte hat damals auch gesagt: Jedes Land kann frei entscheiden, welchen Weg es geht. Diese freie Entscheidung ist heute in Frage gestellt", kritisierte Merkel.
Deshalb seien sie und der finnische Regierungschef der Meinung, "dass wir eine Sicherheitspolitik nicht gegen Russland haben wollen, sondern mit Russland. Aber eine Sicherheitspolitik, die auf Grundwerten aufbaut, wie sie vor vierzig Jahren in der KSZE-Akte - damals auch unterschrieben von der Sowjetunion - niedergelegt wurden." Diese Grundwerte hätten für das wiedervereinigte Deutschland noch heute Gültigkeit.
Russland hingegen habe über Jahre mühsam aufgebautes Vertrauen massiv beschädigt. In ihrer Rede an der Universität Helsinki wies Merkel auf die Folgen hin: "Für viele europäische Nachbarländer geht dieser Vertrauensverlust mit einem Gefühl der Bedrohung einher." Deshalb sei es für diese Staaten wichtig zu wissen, dass sie auf die Solidarität im transatlantischen Verteidigungsbündnis der NATO bauen können. "Unser Hauptaugenmerk gilt unverändert der kollektiven Verteidigung der Allianz", sagte die Kanzlerin.
Sie betonte zugleich: "Wir wollen die Ukraine-Krise überwinden – allerdings auf politischem Weg." Um Fortschritte in der Ukraine zu erreichen, sei es daher um so dringender, "für mehr Transparenz und Kontrolle zu sorgen, um überprüfen zu können, inwieweit den Minsker Beschlüssen Folge geleistet wird." Hier komme die OSZE als erfahrene unabhängige Instanz ins Spiel. Es gelte nun, "unter strenger Beachtung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine einen nationalen Dialog über die künftige Verwaltung der in Frage stehenden Gebiete im Donbass zu führen", forderte Merkel.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte sich am Wochenende besorgt über jüngste Kampfhandlungen in der Ostukraine gezeigt. "Wir müssen aufpassen, dass die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen jetzt nicht ins Stocken gerät", sagte er im schweizerischen Lausanne. Separatisten und ukrainische Sicherheitskräfte müssten den Beschuss der gegnerischen Seite einstellen.
Außenamtssprecher Sebastian Fischer ergänzte in der Regierungspressekonferenz am Montag, es sei jetzt wichtig, beim politischen Prozess am Ball zu bleiben. "Wir müssen verhindern, dass jetzt ein Stillstand entsteht und darauf dann eine erneute militärische Eskalation", erläuterte der Sprecher und führte weiter aus: "Das heißt, es muss jetzt gelingen, den Einstieg in den sogenannten politischen Prozess zu schaffen."
Am heutigen Mittwoch trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel den ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk im Bundeskanzleramt zu Gesprächen. Dabei geht es um die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Ukraine sowie die Reformvorhaben der ukrainischen Regierung. An diesem Gespräch nimmt auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble teil.
Während eines Abendessens werden die Gespräche fortgesetzt. Themen sind dann, neben der Lage in der Ostukraine und europapolitischen Fragen, auch die Unterstützung für die Ukraine sowie weitere bilaterale Fragen. An diesem Gespräch werden Außenminister Steinmeier und Entwicklungsminister Gerd Müller teilnehmen.