Merkel: Europa muss Stabilitätsunion werden

Regierungserklärung Merkel: Europa muss Stabilitätsunion werden

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einer Regierungserklärung eindringlich für die Euro-Rettung und notwendige Maßnahmen für die Lösung der Schuldenkrise geworben. "Europa muss zu einer Stabilitätsunion werden", forderte sie. Am Abend reist Merkel mit breiter Rückendeckung des Parlaments zum Europäischen Rat nach Brüssel. Dort stehen wichtige Beratungen an.

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Merkel im Bundestag bei ihrer Regierungserklärung zum Eurogipfel

Breite Unterstützung im Bundestag für Euro-Politik

Foto: REGIERUNGonline/Steins

"Die Welt schaut auf Europa", so die Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag. Europa müsse gestärkt aus der Schuldenkrise hervorgehen, wie das auch Deutschland gelungen sei. "Scheitert der Euro, scheitert Europa", warnte sie.

Merkel erinnerte an die Finanzkrise vor drei Jahren. Damals hätten Bundestag und Regierung gemeinsam verhindert, dass es eine tiefe Rezession in Deutschland gegeben habe. Den Bürgern sei viel abverlangt worden. Aber Deutschland sei gestärkt aus der Krise hervorgegangen. Die Arbeitslosigkeit sei so niedrig wie seit zwanzig Jahren nicht mehr.

Ursachen an der Wurzel packen

Heute gilt es, Vorsorge für die Zukunft zu treffen. Dazu müssten die Ursachen der aktuellen Probleme, entschlossen an der Wurzel gepackt werden. Als Probleme nannte die Kanzlerin die übermäßige Staatsverschuldung und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit einzelner Staaten.

Die Wirtschafts- und Währungsunion erlebe gegenwärtig ihre größte Belastungsprobe, urteilte Merkel. Die Beratungen auf europäischer Ebene seien ein gutes Stück vorangekommen. Dennoch dämpfte die Kanzlerin all zu hohe Erwartungen an den heutigen EU-Gipfel: Der Reformstau der letzten Jahre ließe sich aber nicht über Nacht auflösen.

Griechenland auf die Beine helfen

Merkel lobt die Anstrengungen in Irland, Portugal und Griechenland. Die Menschen verdienten Respekt dafür. Deutschland wolle Griechenland beim Ausweg aus der Schuldenkrise helfen. Die Kanzlerin betonte: "Wir wollen, dass Griechenland schnell wieder auf die Beine kommt."

Merkel forderte über die Vereinbarungen vom Juli hinaus einen größeren Anteil der Privatgläubiger an einem zweiten Rettungspaket für Griechenland. Ziel müsse sein, dass Griechenland im Jahr 2020 seinen Schuldenstand auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung senke. Dies gehe nicht, wenn sich die privaten Gläubiger nicht in erheblich größerem Umfang beteiligten.

Man müsse zugleich aufpassen, dass andere Länder von der Schuldenkrise nicht weiter angesteckt würden. Daher sei ein "Schutzwall" gegen die Ansteckungsgefahren notwendig, die von Griechenland ausgehen könnten.

Europäische Verträge ändern

Die Bundeskanzlerin dringt auch auf Änderungen an den europäischen Verträgen zur mittel- und langfristigen Stabilisierung der Euro-Zone. EU-Ratspräsident Herman von Rompuy solle bis Dezember Vorschläge machen, wie die Stabilitätskultur besser verankert werden könne. So müsse es möglich werden, in Ländern einzugreifen, die immer wieder gegen den Stabilitätspakt verstießen. 

Merkel bekräftigte zudem, sie werde sich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf Börsengeschäfte einsetzen. Das werde zunächst beim Gipfel der G-20-Staaten in Cannes Anfang November der Fall sein. 

Maximierung des Euro-Rettungsfonds

Eine Beteiligung der Europäischen Zentralbank an Konzepten zur Lösung der Euro-Schulden- und Bankenkrise wird es mit Deutschland nicht geben. Alle Modelle in dieser Richtung seien vom Tisch, betonte die Kanzlerin.

Merkel sagte weiter, das Risiko bei der "Maximierung" des Euro-Rettungsfonds EFSF sei vertretbar. Es wäre sogar nicht vertretbar, das Risiko nicht einzugehen. Nach intensiver Prüfung aller Vorschläge liege ihr keine bessere Alternative vor. Der deutsche Anteil am Kreditvolumen der EFSF bleibe mit 211 Milliarden Euro unverändert. Der Rettungsfonds umfasst insgesamt 440 Milliarden Euro. Für diese Kredite bürgen die Euroländer.

Merkel dankt Abgeordneten für Unterstützung

Die Regierungschefin dankte den Abgeordneten für ihre Unterstützung. Die Fraktionen von Union, FDP, SPD und Grünen haben sich auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag für die Bundestagsdebatte verständigt. Darin wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, für einen möglichst effizienten Einsatz der EFSF-Mittel zu sorgen. Außerdem muss die Regierung das vorgegebene Garantievolumen der EFSF gewährleisten.  

Merkel stellte klar, dass die Euro-Länder beim Gipfel in Brüssel zunächst einen politischen Grundsatzbeschluss fassen würden. Sollten dann die entsprechenden Leitlinien mit dem Modell für eine höhere Effizienz des Fonds vorliegen, würden diese selbstverständlich im Bundestag beraten.   

Der Bundestag billigte mit großer Mehrheit von 503 der 596 abgegebenen Stimmen ein Mandat für die Kanzlerin, mit der sie über die Stärkung des Euro-Rettungsfonds EFSF verhandeln kann.

Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Europäischen Rat und zum Eurogipfel

Heute Abend treffen sich in Brüssel zunächst die Staats- und Regierungschefs aller 27 EU-Mitgliedsländer. Anschließend beraten die 17 Euro-Länder über Maßnahmen zur Eurostabilisierung und dem Kampf gegen die Staatsschuldenkrise.

Dabei geht es im Wesentlichen um die Themen: Neue Finanzhilfen für Griechenland, die Beteiligung der Banken an den Rettungskosten und eine Stärkung des EFSF-Krisenfonds für angeschlagene Euro-Länder.

Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone beabsichtigen, eine Konkretisierung von Optimierungsmodellen für den Euro-Rettungsfonds EFSF zu beauftragen. Ein Modell zielt darauf ab, ein unter Druck stehendes Land der Eurozone am Markt zu halten und hierfür eine Teilabsicherung neuer Staatsanleihen zu übernehmen. Unter Einsatz einer Zweckgesellschaft zielt ein weiteres Modell auf eine Risikoteilung zwischen öffentlichen Mitteln des Euro-Rettungsfonds EFSF und Drittmitteln insbesondere von privaten Investoren. Beide Modelle schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Modelle sollen im weiteren Verfahren mit Beteiligten besprochen und dann konkretisiert werden.