Kampfschwimmer und Minentaucher haben sicher einen der schwierigsten, gefährlichsten und körperlich anstrengendsten Berufe überhaupt. Für ihre Gesundheit forscht das Schifffahrtmedizinische Institut der Marine (SMIM) und kommt zu Ergebnissen, die auch für Zivilisten segensreich sind.
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Eine ganz besonders intensiv betreute Gruppe in der Unterwassermedizin sind Taucher, die jährlich ärztlich und psychologisch im Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine (SMIM) untersucht werden. Für diesen Zweck besitzt das Institut Druckkammern, die in dieser Form in Deutschland einmalig sind. Hier lässt sich der Druck simulieren, wie er in einer Meerestiefe von bis zu 200 Metern besteht.
Eine der Kammern ist sogar mit Wasser gefüllt, sodass hier ein Taucher mit seinem Gerät in eine Situation versetzt werden kann, wie sie weit unter der Wasseroberfläche besteht. Hat man etwa den Verdacht, dass das Tauchgerät defekt oder für eine bestimmte Tiefe nicht mehr geeignet ist, so kann dies hier gefahrlos geprüft werden. Bei einem derartigen Check im Meer geriete der Taucher bei einem tatsächlichen Defekt in Lebensgefahr.
In diesen Druckkammern werden alle Taucher daraufhin untersucht, wie gut sie mit dem Druckausgleich zurechtkommen. Eine weitere Erkenntnis der systematischen Untersuchungen zur Verbesserung der medizinischen Tauchsicherheit ist, dass der Sauerstoff beim Tauchen die Erbinformation, die DNS, in einigen Zellen angreift. Der Körper passt sich allerdings an diese Belastung an, sodass dieser Effekt nach einigen Tagen deutlich abnimmt. Nach einem Urlaub beginnt der Anpassungsprozess von vorne. Forschungsergebnisse des SMIM helfen, den Arbeitsplan so aufzustellen, dass dies berücksichtigt wird.
Gleichzeitig bietet der Sauerstoff unter Überdruck die Möglichkeit, bestimmte Krankheiten zu behandeln. So wird unter Überdruck sehr viel mehr Sauerstoff im Blut gelöst als unter Normaldruck. So lassen sich zusätzlich zur bewährten Behandlung von Tauchunfällen durch hyperbaren Sauerstoff beispielweise auch Heilungsprozesse in nicht mehr ausreichend durchblutetem Gewebe unterstützen.
Derzeit gibt es die Vermutung, dass die Zufuhr von Sauerstoff in der Druckkammer einen günstigen Einfluss auf bestimmte rheumatische Erkrankungen haben könnte. Auch das Edelgas Radon zeigt hier positive Wirkungen. In der Forschung, die das SMIM zusammen mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, durchführt, überprüfen die Forscher die vermutete Wirkung von unter Druck stehendem Sauerstoff auf Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises. So kann eine in erster Linie militärische Einrichtung zu segensreichen medizinischen Erkenntnissen für uns alle kommen.
Das Beispiel zeigt, dass es tatsächlich Forschungsthemen gibt, die die besondere Kompetenz von Fachleuten erfordert, die auf die Schifffahrt spezialisiert sind. Somit wird es im Schifffahrtmedizinischen Institut der Marine (SMIM) bearbeitet, dessen Forschungsabteilung zugleich Teil der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist.
Professor Andreas Koch, der wissenschaftliche Leiter der Einrichtung, macht deutlich, dass das SMIM von seinen Aufgaben her in weiten Teilen vergleichbar mit einer Berufsgenossenschaft ist. Es erfolgt hier eine arbeitsmedizinische Betreuung der Marinesoldaten einschließlich Eignungsfeststellung sowie die Überwachung der Sicherheit bis hin zur Erstellung spezieller Tätigkeitsvorschriften sowie der Behandlung bei tauchmedizinischen Zwischenfällen. Auch wird medizinisches Bordpersonal hier speziell geschult.
Für die Forschung stehen dem SMIM verschiedene Bundeswehreinrichtungen zur Verfügung. Vor allem besteht natürlich die Möglichkeit, bei Bedarf auch direkt auf See und unter Realbedingungen Untersuchungen durchzuführen.
Die Rettungsinsel treibt auf und ab bei riesigen Wellen. Einigen Passagieren geht es sehr schlecht, andere trotzen der Seekrankheit. Auch das ist ein Beispiel aus einem Forschungsprojekt des SMIM. Zum Glück treibt die Rettungsinsel nicht auf hoher See sondern in einer Marine-Trainingsschwimmhalle in Neustadt/Holstein. Für den Passagier eines Kreuzfahrtschiffes ist es unangenehm, aber nicht gefährlich, wenn er seekrank wird oder durch Medikamente Übelkeit verhindert, jedoch durch die Nebenwirkungen der Reisetabletten sehr müde wird. Für die Besatzung eines Kriegsschiffes oder U-Bootes wäre beides sehr problematisch. Gerade bei einem Einsatz bei Sturm müssen alle Besatzungsmitglieder voll einsatzfähig sein.
Die Forscher müssen daher zunächst verstehen, wie es zum Ausbruch von Übelkeit, Schwindel oder Kopfschmerz bei der Seekrankheit oder anderen sogenannten Kinetosen kommt. Einfach ausgedrückt entsteht Stress, wenn der Körper durch Fahr-, Flug- oder Schiffsbewegung bewegt wird, dies aber das Auge nicht aktiv wahrnimmt, etwa, weil der Arbeitsplatz unter Deck ist oder der Betroffene hinter dem Fahrer sitzt. Bemerkenswert ist, dass der Fahrer des Fahrzeugs selten erkrankt.
Der Stress wirkt unter anderem darauf, dass Histamin ausgeschüttet wird, ein Hormon, das den Magen zum Erbrechen reizt. Die Histaminausschüttung lässt sich medikamentös hemmen durch Mittel, die ansonsten als Antiallergika oder Schlafmittel im Einsatz sind. Die Frage an die Forscher ist also, wie die Besatzung beim Einsatz handlungsfähig bleiben kann.
Inzwischen gibt es Vermutungen, dass das ansonsten weitgehend unschädliche Vitamin C Histamin hemmen könnte. Dies zeigen die Experimente in der Schwimmhalle. Ob allerdings Vitamin C als Medikament für diesen Zweck zugelassen würde, müssten aufwändige klinische Studien zeigen, die wegen der hohen Kosten für die Pharmaindustrie nicht attraktiv und für eine Forschungseinrichtung des Bundes nicht zu finanzieren sind. Vielleicht kommen die Forschungen aber zu einem Ergebnis, das der Marine wie jedem zivilen Reisenden hilft.
Das SMIM ist die zentrale medizinische Einrichtung der Marine und stellt seine schifffahrtmedizinische Kompetenz in erster Linie der Flotte und der Marine insgesamt zur Verfügung. In der Tauchmedizin werden darüber hinaus Leistungen für die gesamte Bundeswehr erbracht. Schwerpunkte der Forschung sind die Tauch- und Überdruckmedizin, sowie spezielle Aspekte der Schifffahrtmedizin. Als Sektion Maritime Medizin kooperiert das SMIM eng mit der Universität Kiel.