Für Kriegszwecke entwickelte Haut- und Nervengifte führen zu einem schrecklichen Tod oder schwersten Folgeschäden. Wie aktuelle Konflikte zeigen, ist dies trotz aller Bemühungen zur Ächtung dieser Stoffe ein Thema, dem sich das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr weiterhin widmen muss.
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Das Bundesverteidigungsministerium meldete, dass am 30. April 2015 die Vernichtung des syrischen Senfgases, eines grausamen Giftgases, und anderer Kampfstoffe abgeschlossen werden konnte. Damit sollten heute eigentlich keine größeren Mengen an chemischen Waffen mehr existieren, denn sie sind verboten. Bestände sollten bis 2012 vernichtet werden.
Das ergibt sich aus dem am 29. April 1997 in Kraft getretenen Chemiewaffenübereinkommen (CWÜ), einem internationalen Übereinkommen von Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen. Es verbietet Entwicklung, Herstellung, Besitz, Weitergabe und Einsatz chemischer Waffen. Inzwischen haben sich alle Staaten der Welt außer Ägypten, Nordkorea und Südsudan dem Übereinkommen angeschlossen.
Syrien hatte erst nach internationalem Druck 2013 die Konvention unterzeichnet und dann die Vernichtung der Stoffe unterstützt. Mit der Überwachung zur Einhaltung der Konvention ist die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) mit Sitz in Den Haag beauftragt. Sie wurde 2013 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Diese Einrichtung auf nationale Forschungseinrichtungen zu, wenn der Verdacht besteht, dass eine Person mit chemischen Kampfstoffen in Berührung gekommen ist. Diese Einrichtung prüft dann den Fall und bestätigt oder widerlegt den Verdacht. In Deutschland ist das mit dem Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr die einzige Einrichtung, die im medizinischen Bereich auf diesem Gebiet in Deutschland forschen darf. Ihre langjährige Forschung gestattet einen genauen Nachweis, ob jemand mit den gefährlichen Stoffen in Berührung gekommen ist.
Ist mit Vernichtung der Stoffe die Welt nun frei von Chemiewaffen? Zweifel sind angebracht, denn die Herstellung ist für einen Chemiker recht einfach. Terroristen könnten durchaus solche Stoffe entwickeln und einsetzen. Auch gibt es sicher Staaten, bei denen man nicht sicher sein kann, dass sie wirklich keine Chemiewaffen mehr produzieren und vorhandene vernichtet haben.
"Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie ist das wissenschaftliche Kompetenzzentrum der Bundeswehr in allen Fragen des medizinischen Schutzes vor chemischen Kampfstoffen und vergleichbaren Giften", erklärt der Leiter der Einrichtung, Oberstarzt Prof. Dr. Horst Thiermann. Das Institut berät militärische und politische Entscheidungsträger. Es verfügt über eine in mobile und stationäre Komponenten gegliederte Einsatzgruppe und kann Anfragen zu möglichen Vergiftungsfällen beantworten.
Dazu führen die Ärzte, Apotheker, Chemiker und Biologen der weltweit vernetzten Einrichtung eigene experimentelle medizinisch-toxikologische Forschungen durch. Sie arbeiten aber nicht nur an diagnostischen Methoden sondern auch an neuen Medikamenten und Therapieformen. Einige der Forschungsergebnisse gehören heute zum Standard der Therapie von Vergiftungen im militärischen und zivilen Bereich.
Die Diagnostik einer Vergiftung muss sehr schnell gehen, denn die Zeit ist oftmals entscheidend für das Überleben des Patienten. Dazu bedarf es dann geeigneter Medikamente und Gegengifte. Einige Pflanzenschutzmittel, wie das E605, sind bei uns verboten, jedoch in Südostasien noch zugelassen und weit verbreitet im Einsatz. Solche Gifte werden dort häufig zum Suizid verwendet.
Die Behandlung von Vergiftungen des E605-Typs, deren Wirkung sich analog zu Nervenkampfstoffen darstellt, sind daher ein Forschungsthema des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie.
Das Tückische an dem Stoff ist, dass er drei tödliche Wirkungen hat, von denen zwei heute relativ gut behandelt werden können. So wird der Atemantrieb unterbunden und Drüsen in der Lunge produzieren Wasser, mit dem sich die Lunge füllt. Beides kann man bekämpfen und den Patienten am Leben erhalten, wenn gleichzeitig versucht wird, das Gift aus dem Körper zu bekommen.
Keine ausreichend wirksame Therapie ist für den Ausfall der Atemmuskulatur, des Zwerchfells, vorhanden. Neuartige Verbindungen zur Verbesserung der Atmung werden derzeit an Zellen und Gewebe geforscht. Das Beispiel zeigt, dass die Kompetenz des Bundeswehrinstituts auch für zivile Aufgaben dringend benötigt wird. Hoffen wir, dass es im militärischen Bereich nie mehr tätig werden muss.
Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie ist deutschlandweit die einzige Einrichtung, die zum Zwecke des medizinischen Chemiewaffenschutzes die Genehmigung zum Umgang mit chemischen Kampfstoffen besitzt. Im Fokus der Forschungsaktivitäten stehen die Entdeckung neuer therapeutischer Wirkstoffe, die Optimierung therapeutischer Behandlungsverfahren, die Aufklärung von Krankheits- oder Vergiftungsbildern und –verläufen sowie die Entwicklung forensischer Methoden zur Verifikation von Vergiftungen.