In Deutschland angekommen

Asylbewerber und Flüchtlinge In Deutschland angekommen

Gut qualifizierte Asylbewerber sollen schnell wieder im erlernten Beruf arbeiten können. Das Modellprojekt der Bundesagentur für Arbeit "Early Intervention" vermittelt Flüchtlinge in Sprachkurse und Arbeit.

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Frau und Mann blicken auf einen Computerbildschirm.

Fuad Ayo informiert sich mithilfe von Angela Touré von der Bundesagentur für Arbeit in Bremen über Stellenangebote.

Foto: Toma Babovi

Krieg im Heimatland, politische, rassistische oder religiöse Verfolgung: Die Flüchtlinge aus Syrien, Afrika, Afghanistan und Pakistan, die nach Deutschland kommen, wollen nur eines - das eigene Leben und das von engen Familienangehörigen retten. 

In Sicherheit

Als der 38-jährige Fuad Ayo aus Syrien im Februar 2014 in Deutschland ankam, hatte er seine Apotheke, sein Haus und seine Existenz verloren. Er konnte zwar drei Sprachen – Arabisch, Kurdisch und Russisch – aber kein Wort Deutsch. Mit seiner Familie lebt er nun in einer kleinen Wohnung in Bremen.

Ähnlich ging es Muhammad Imran Qasim aus Pakistan. Er kam 2014 mit einem abgeschlossenen Informatik-Bachelor nach Deutschland. Weil der 25-Jährige fließend Englisch sprach, klappte die Verständigung meist ohne Dolmetscher. Qasim lebt mit drei weiteren Flüchtlingen in einer Wohngemeinschaft in Dresden. Die deutschen Nachbarn sind freundlich. Qasim ist froh, endlich ohne Angst sein zu können. 

2014 wurden knapp 203.000 Asylanträge gestellt. Mit rund 40.000 stammten die meisten von syrischen Flüchtlingen. Rund 13.200 Erstanträge wurden von Flüchtlingen aus Eritrea und rund 9.100 von Flüchtlingen aus Afghanistan und Pakistan gestellt.

"Ich möchte wieder arbeiten"

Beide Männer hatten Glück: Sie kamen genau richtig zum Start des Projekts "Early Intervention". Das bedeutet "frühzeitige Unterstützung". Die Arbeitsagenturen, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und die kommunalen Bleiberechtsnetzwerke arbeiten hier zusammen. Das Projekt vermittelt Flüchtlinge in Sprachkurse und in Arbeit. Das hilft ihnen, sich in Deutschland schneller zu integrieren. 

Das Modellprojekt "Early Intervention" erprobt an neun Standorten zunächst mit gut qualifizierten Flüchtlingen neue Wege, die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern und zu beschleunigen. Die Bundesregierung hat im November 2014  das Arbeitsverbot für Flüchtlinge und Asylbewerber von mindestens neun Monaten auf drei Monate verkürzt.

Vor allem möchten Flüchtlinge einen Job: "Ich habe zehn Jahre gearbeitet. Nun ist es schwer für mich, dass ich nicht arbeite. Ich möchte wieder arbeiten. Ich will für meine Familie selbst sorgen", wünscht sich Ayo. 

Seit Frühjahr 2014 fragt das BAMF Asylbewerber aus verschiedenen Staaten, ob sie am Projekt "Early Intervention"  teilnehmen möchten. Auch die Bleiberechtsnetzwerke vor Ort können interessierte Bewerber vorschlagen. Die Arbeitsagenturen prüfen die Qualifikation der Bewerberinnen und Bewerber und entscheiden über die Aufnahme ins Projekt. 

Lange Wartelisten

"Zunächst ist es gar nicht so einfach, mit unserem Angebot an die Flüchtlinge heranzutreten", erklärt Andreas Babuke, der in der Arbeitsagentur Dresden für das Projekt zuständig ist. "Viele haben in ihren Heimatländern schlechte Erfahrungen mit Behörden gemacht. Wir sind mit Dolmetschern in die Flüchtlingsunterkünfte gegangen. Doch das Interesse ist sehr groß. Die Menschen wollen arbeiten, sie wollen Deutsch lernen. Sie wollen nicht nutzlos herumsitzen", schildert Babuke seine Erfahrungen. 

In Dresden und in Bremen sind die Wartelisten bei den Arbeitsagenturen lang. Von den beiden Arbeitsagenturen werden insgesamt rund 200 Flüchtlinge betreut. Deutsch lernen hat oberste Priorität, denn die Verständigung mit Arbeitgebern und im Alltag muss klappen. Doch weil es nicht genügend Angebote gibt, können nicht alle Bewerber einen Deutsch-Intensivkurs besuchen. 

Deutsch auf B2-Niveau für Fachkraft notwendig

Ayo in Bremen und Qasim in Dresden hatten aufgrund ihrer Fremdsprachenkenntnisse gute Voraussetzungen um rasch Deutsch zu lernen. Sie bekamen einen Platz im Sprachkurs. Binnen eines guten halben Jahres haben sie das B1- Niveau erreicht. Damit kann man schon in einfache Tätigkeiten vermittelt werden. Wenn der Kurs im Sommer 2015 endet, werden sie das B2-Niveau beherrschen. 

"Das ist die Voraussetzung, um eine Beschäftigung als Fachkraft aufzunehmen", erklärt Angela Touré, Projektvermittlerin bei der Arbeitsagentur Bremen. "Herr Ayo könnte dann die Anerkennung seiner ausländischen Zertifikate und die Berufserlaubnis als Apotheker beantragen. Damit dürfte er zwei Jahre unter Aufsicht in einer Apotheke arbeiten. Für die Approbation, das heißt die staatliche Zulassung als Apotheker, muss er das Deutsch-Niveau C1 erreichen und noch eine Prüfung ablegen." 

Schnell in Arbeit

Qasim hat bereits eine Arbeitsstelle in Aussicht. Er hat unter www.jobboerse.de bei der Arbeitsagentur Dresden sein Profil eingestellt und sich beworben. Daraufhin wurde ihm eine Teilzeitbeschäftigung als Druckereihelfer angeboten. Zu dem Bewerbungsgespräch hat Babuke ihn begleitet. 

"Ich bin sehr froh, dass ich eine solche Chance bekomme. Ich habe von Herrn Babuke so viel Unterstützung bekommen. Überhaupt haben mir so viele Menschen geholfen, darüber bin ich sehr dankbar und glücklich", sagt Qasim. 

Qasim möchte neu durchstarten. Vor allem will er sich im Job bei der Druckerei bewähren. Den Sprachkurs führt er fort. Und wenn er seine B-2-Sprach-Prüfung bestanden hat, will er beim Arbeitgeber eine Berufsausbildung beginnen.

Ein normales Leben führen

Ayos Asylantrag ist bereits entschieden: Er, seine Frau und die beiden Söhne dürfen dauerhaft in Deutschland bleiben. Nun kann ein normales Leben beginnen. Die Kinder können in Sicherheit aufwachsen und wieder zur Schule gehen. Doch oft denkt er an Syrien, wo Krieg herrscht: "Alles ist zerstört: Mein Haus, meine Apotheke in Aleppo, mein Auto - ich habe alles verloren." 

Für Qasim ist noch offen, wie das Asylverfahren ausgehen wird: Aufenthalt, Duldung oder Abschiebung? Er wartet auf die Entscheidung. Das ist schwer. Dennoch ist er optimistisch. Warum sollte er nicht hier bleiben können, wenn er in Deutschland gut Fuß gefasst hat und den eigenen Lebensunterhalt verdient? Auch für seinen Arbeitgeber wäre es wichtig, dass Quasim einen gesicherten Aufenthaltsstatus hat, wenn er eine Berufsausbildung beginnt.

Deutschland braucht Zuwanderung

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) setzt sich dafür ein, Asylbewerber intensiv zu fördern: "Gerade vor dem Hintergrund des hohen Fachkräftebedarfs müssen wir die Potenziale und Talente dieser Menschen viel besser erschließen und entwickeln", so Peter Clever, der Vorsitzende des Verwaltungsrates der Bundesagentur für Arbeit. Insbesondere für unbegleitete Minderjährige und andere junge Erwachsene müsse sehr frühzeitig der Beginn und die Beendigung einer Ausbildung rechtlich abgesichert werden. "Asylverfahren dürfen nicht Lebensstillstand bedeuten."