I. Mehr Chancen für Innovation und Arbeit, Wohlstand und Teilhabe

1. Wirtschaft und Technologie

1.1 Wirtschaftspolitische Strategie: Neues Wachstum, mehr Beschäftigung

Deutschland braucht einen Dreiklang aus Sanieren, Reformieren und Investieren. Eine Sanierung des Haushalts und das Erreichen des Maastricht-Defizitkriteriums bis zum Jahr 2007 sind unerlässlich. Weitere Reformen der sozialen Sicherungssysteme sind erforderlich. Sanieren und Reformieren alleine reichen aber nicht. Deutschland braucht eine Wachstumsstrategie mit deutlich höheren Investitionen. Ein zentrales Ziel der Koalition ist neues Wachstum und mehr Beschäftigung für Deutschland.

Deutschland muss sich dem rasanten, weltweiten Strukturwandel offensiv stellen. Die Zeit drängt, die internationale Konkurrenz steht nicht still. Es muss schnell gehandelt werden. Die Stärkung der Fundamente der Sozialen Marktwirtschaft ist Voraussetzung für neues Wachstum und mehr Beschäftigung in Deutschland.

Seit rund 10 Jahren ist die deutsche Wirtschaft durch eine ausgesprochene Wachstumsschwäche gekennzeichnet. Das schwache Wachstum ist die wesentliche Ursache für den spürbaren Rückgang der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung.

Deshalb müssen neues Wachstum generiert und mehr Beschäftigungschancen eröffnet werden. Ohne deutlich mehr Wachstum ist eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte und der Sozialversicherungen nicht möglich. Ein halbes Prozent mehr Wachstum würde rund 2,5 Mrd. Euro mehr Steuereinnahmen und etwa 2,3 Mrd. Euro Mehreinnahmen bei den Sozialversicherungen erbringen. Notwendig ist ein neuer Wachstumsschub durch die Belebung von Investitionen und Innovationen; durch eine Stärkung des Verbrauchervertrauens wollen wir die private Konsumnachfrage beleben. Dies hat wirtschaftspolitisch Vorrang.

Im Übrigen gelten die ersten inhaltlichen Vereinbarungen zwischen CDU, CSU und SPD vom 10.10.2005, die im Vorgriff auf die angestrebten Verhandlungen zur Bildung einer großen Koalition getroffen wurden (Anlage 1).

1.2 Wiederbelebung der Investitionstätigkeit

Wenn die anhaltende Investitionsschwäche nicht überwunden wird, kann die deutsche Wirtschaft nicht gesunden. Die Wiederbelebung der Investitionstätigkeit ist der Schlüssel für neues Wirtschaftswachstum. Die Senkung der Steuersätze der letzten Jahre hat zwar die Erträge mancher Unternehmen und deren Investitionsfähigkeit gesteigert. Die höhere Ertragskraft hat allerdings noch nicht zu ausreichenden Inlandsinvestitionen geführt. Die größere Investitionsfähigkeit muss auch zu einer verbesserten Investitionstätigkeit führen. Im internationalen Vergleich brauchen wir deutlich bessere Abschreibungsbedingungen. Bis zum Inkrafttreten einer Unternehmensteuerreform werden in einem ersten Schritt durch günstigere Abschreibungsbedingungen gezielt Anreize für eine verstärkte Investitionstätigkeit gegeben. Zur schnellen Belebung der Investitionstätigkeit sind jetzt höhere Abschreibungen dringlicher als niedrigere Steuersätze.

Öffentlich Private Partnerschaften sind ein Erfolg versprechender Weg, um Defizite bei der Bereitstellung öffentlicher Leistungen zu schließen. Mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften wurden in der 15. Legislaturperiode die gesetzlichen Rahmenbedingungen bereits verbessert. Mit einer Novellierung des Gesetzes sollen dieser Weg nun fortgesetzt und weitere Hemmnisse abgebaut werden.

Vordringlich sind die Beseitigung der Diskriminierung von Public Private Partnerships (PPP; zum Beispiel im Krankenhausfinanzierungs- und Sozialhilfegesetz, im Investmentgesetz und im Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz) und neue gesetzliche Bestimmungen die sicherstellen, dass insbesondere auch der Mittelstand von PPP profitieren kann.

1.3 Verbesserte Mittelstandsfinanzierung

Höhere Investitionen im Mittelstand sind besonders wichtig, weil der Mittelstand rund 70% der Arbeitsplätze stellt. Ohne Überwindung der Investitionsschwäche kann er seine traditionelle Rolle als Wachstums- und Beschäftigungsmotor nicht wieder übernehmen. Die Finanzierung von Investitionen im Mittelstand darf nicht länger der Engpass für die deutsche Wirtschaft sein.

Deshalb werden wir eine Mittelstandsoffensive auf den Weg bringen. Dazu schlagen wir vor:

  • Verbesserte Abschreibungsbedingungen,
  • die Förderung des ERP-Sondervermögens vollständig zu erhalten,
  • eine mittelstandsfreundliche Umsetzung von Basel II und
  • den verstärkten Einsatz neuer Finanzierungsinstrumente. 

Im Rahmen von Kreditentscheidungen und der Festlegung der Finanzierungskosten nimmt die Eigenkapitalquote mittelständischer Unternehmen einen immer höheren Stellenwert ein. Daher werden wir das Angebot an Beteiligungskapital und eigenkapitalnahem mezzaninen Kapital für den breiten Mittelstand weiter ausbauen. Die bestehenden Programme der KfW-Mittelstandsbank sind an die Eigenkapitalbedürfnisse kleiner und mittelständischer Unternehmen weiter anzupassen und gegebenenfalls neue Programme zu entwickeln. Die Rahmenbedingungen für die private Beteiligungs- und Risikokapitalfinanzierung werden nochmals verbessert.

Zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten mittelständischer Unternehmen wollen wir die Risikoentlastung für durchleitende Banken ausweiten, in dem wir das System der Bürgschaftsbanken weiter stärken und indem wir die Risikoaufteilung bei KfW-Förderdarlehen so verändern, dass sie dem höheren Risiko kleiner Unternehmen verstärkt Rechnung trägt.

Zur Erleichterung der Kreditvergabe durch die Banken werden wir auch die Regulierung der Finanzaufsicht auf das notwendige Maß zurückführen. Die Aufsicht der Kreditwirtschaft durch die BAFin ist zeitnah in 2006 anhand eines Erfahrungsberichtes zu bewerten. In diesem Bericht soll eine Bewertung seitens der Marktteilnehmer sowie des Überganges zur 100%igen Kostenübernahme durch die Kreditinstitute erfolgen. Auf der Grundlage dieses Berichtes wird die Rechts- und Fachaufsicht des BMF verstärkt und gegebenenfalls eine Selbstbeteiligung der BAFin an den Prüfkosten zur Hebung von Effizienzreserven eingeführt. Die Mindestanforderungen der BAFin an das Risikomanagement der Banken (MARisk und MAK) sollen schlank ausgestaltet werden.

Zur Verbesserung der Liquidität von kleinen und mittleren Unternehmen soll die Umsatzgrenze für die Ist-Besteuerung angehoben werden. Mit einer Änderung der Erbschafts- und Schenkungssteuer werden wir die Unternehmensnachfolge erleichtern.

1.4 Existenzgründungsoffensive: Mehr Mut zur Selbständigkeit

Was an Beschäftigung durch Betriebsaufgaben, Insolvenzen und Verlagerung ins Ausland weg bricht, muss durch neue Beschäftigung ersetzt werden. Die Grundlagen dafür sind die Gründung neuer Betriebe sowie Innovationsschübe für die Entwicklung neuer Produkte und die Erschließung neuer Märkte.

Mit Hilfe einer Gründeroffensive müssen der Strukturwandel ohne Brüche gestaltet und neue Beschäftigungsmöglichkeiten erschlossen werden. Unternehmensgründer wollen wir ermutigen, gesetzliche Hemmnisse für Neugründungen sollen beseitigt werden. Das gilt sowohl für innovative als auch für konventionelle Unternehmensgründungen. Wir brauchen wieder mehr Mut zur Selbständigkeit. Die Selbständigenquote muss wieder auf deutlich mehr als 10% steigen.

Für Existenzgründer werden wir One-Stop-Anlaufstellen schaffen, sie von Statistikpflichten befreien und die Buchführungsgrenze von 350.000 Euro auf 500.000 Euro Umsatz erhöhen.

1.5 Mehr Mittel für Forschung und Entwicklung

Wir müssen in Deutschland vor allem durch permanente Innovationen Wettbewerbsvorsprünge erzielen, damit wir umso viel besser werden, wie wir teurer sind. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Volkswirtschaft bis zum Jahr 2010 3% des BIP für FuE zur Verfügung stellen.

1.6 Mobilisierung von Wagniskapital für Innovationen

High-Tech-Gründer und junge Technologieunternehmen benötigen vor allem Wagniskapital, um ihr Wachstum zu finanzieren. Der Wagniskapitalmarkt für die Finanzierung von Innovationen ist in Deutschland deutlich unterentwickelt. Deshalb müssen wir vor allem steuerlich attraktive Rahmenbedingungen für die Anlage von Vermögen in Wagniskapital schaffen. Nachteilig wirken sich insbesondere steuerliche Verlustverrechnungsbeschränkungen für mittelständische Technologieunternehmen aus sowie die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze bei Beteiligungen auf 1%.

Wir werden die Kapitalausstattung insbesondere kleiner und mittlerer Unternehmen verbessern und international attraktive Rahmenbedingungen für Wagniskapital schaffen.

Die KfW-Förderbank wird verstärkt preseed- und seed-Finanzierungen anbieten. Die Fonds für Gründer und junge Technologieunternehmen (insbesondere High-Tech-Gründerfonds, ERP-Startfonds, EIF/ERP-Dachfonds) werden wir mit den Partnern aus der Wirtschaft ausbauen und neue Instrumente zur Schließung von strategischen Lücken in der Forschungsförderung prüfen.

1.7 Clusterbildung und hochinnovative Leuchtturmprojekte

Mit der verstärkten Vernetzung von anwendungsbezogener Forschung mit innovativer Entwicklung für neue Produkte und Verfahren, unterfüttert mit ausreichend Chancenkapital, werden wir dafür sorgen, dass aus den hervorragenden wissenschaftlichen Potentialen in Deutschland neue Unternehmen, neue Produkte und neue gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Die räumliche Nähe fördert den im Sinne einer Clusterbildung optimierten Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Zur Unterstützung von besonders profilierten Clustern werden wir im Rahmen von wettbewerblichen Ausschreibungen Fördermittel vergeben. Die Verzahnung von Grundlagenforschung mit der anwendungsbezogenen Forschung und Entwicklung wird durch eine enge Kooperation des BMBF mit dem BMWi erreicht. Die anwendungsorientierten Forschungseinrichtungen werden ermuntert, ihr Wissen möglichst wirtschaftlich zu verwerten. Die Initiative "Partner für Innovation" wird fortgesetzt.

In einem Aktionsplan "High-Tech-Strategie-Deutschland" werden wir unter anderem die Stärkung von Spitzen- und Querschnittstechnologien wie Biotechnologie/Lebenswissenschaften, Materialforschung, Nanotechnologie, Mikrosystemtechnik, optische Technologien, IuK, Mechatronik, Luft- und Raumfahrt oder Energie- und Umwelttechnik forcieren sowie Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums und zur besseren Nutzung von Normen und Standards durch Wissenschaft und Wirtschaft bündeln.

Besonderer Wert wird auf die Stärkung der Rolle des Staates als Nachfrager von Innovationen gelegt. Hochinnovative mittelständische Unternehmen werden wir bei ihrer Internationalisierungsstrategie unterstützen. Die Arbeit der Koordinatoren für Luft- und Raumfahrt sowie für die maritime Wirtschaft wird fortgeführt. Wir werden die Förderung des Luftfahrtindustriestandortes im Bereich von Forschung, Entwicklung und Technologie in angemessenem Umfang fortsetzen, um den deutschen Unternehmen eine faire Chance im internationalen Wettbewerb zu sichern. Angesichts der Bedeutung der maritimen Wirtschaft bekennt sich die Koalition dazu, durch Förderung von Innovationen im Schiffbau die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Der Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des Technologiestandorts Deutschland dienen ausgewählte innovative Leuchtturmprojekte, wie zum Beispiel

  • das europäische Satellitennavigationssystem Galileo mit führenden Missionskontroll- und Technologiezentren in Deutschland,
  • die Entwicklung von konventionellen hocheffizienten Kraftwerken mit dem Ziel Nullemission,
  • die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte,
  • die Weiterentwicklung der Brennstoffzellentechnologie,
  • der Ausbau von Bahnschnellsystemen, unter anderem mindestens einer Transrapid-Referenzstrecke in Deutschland. 

Die Koalitionsparteien werden zur Sicherung der Zukunft des Industrie- und Forschungsstandorts Deutschland Anreize für den Aufbau bzw. Ausbau moderner und breitbandiger Telekommunikationsnetze schaffen. Dazu sind die durch entsprechende Investitionen entstehenden neuen Märkte für einen gewissen Zeitraum von Regulierungseingriffen freizustellen, um für den Investor die notwendige Planungssicherheit herzustellen. Eine gesetzliche Absicherung ist in die zu verabschiedende Novelle des Telekommunikationsgesetzes aufzunehmen.

1.8 Günstigere Bedingungen für Handwerk und Mittelstand

Um Handwerk und Mittelstand zu stärken und Schwarzarbeit zu bekämpfen, sollen private Aufwendungen für Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Haushalt von der zu zahlenden Einkommensteuer begrenzt abziehbar sein.

Eine Evaluierung der seit Jahresbeginn 2004 in Kraft getretenen Novelle der Handwerksordnung wird zeigen, ob und welche Korrekturen vorgenommen werden müssen. Bei der Evaluierung ist auch die Einführung einer Mindestqualifikation für meisterfrei gewordene Berufe einzubeziehen. Der Meisterbrief darf nicht durch EU-Vorgaben zur Dienstleistungsrichtlinie und der Richtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen ausgehöhlt werden. Missbräuche der rechtlich beschränkten Arbeitsmöglichkeiten von in Deutschland beschäftigten Handwerkern aus Osteuropa müssen durch verstärkte internationale Kooperation bei Kontrollen besser bekämpft werden.

Der "Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland" hat sich bewährt und wird deshalb fortentwickelt. Das Angebotsspektrum der Berufsausbildung wird durch gestufte Ausbildungsordnungen erweitert, um auch den Leistungsunterschieden der Jugendlichen besser entsprechen zu können. Es ist verabredet, bei jeder Aktualisierung und bei der Neuentwicklung von Ausbildungsberufen zu prüfen, ob eine Stufung sinnvoll und möglich ist. Im Rahmen des Paktes appellieren wir an die Tarifvertragsparteien zu prüfen, welche zusätzlichen Beiträge sie zur Schaffung von mehr Ausbildungsplätzen leisten können.

Wir werden das komplexe und unübersichtliche deutsche Vergaberecht vereinfachen und modernisieren. Dabei werden wir auf die mittelstandgerechte Ausgestaltung, wie zum Beispiel die Aufteilung in Lose, besonders achten.

Die mittelständisch geprägte Tourismuswirtschaft muss weiter gestärkt und international besser positioniert werden. Die Wirksamkeit der Deutschen Zentrale für Tourismus muss verbessert und ihre Förderung auf hohem Niveau fortgesetzt werden.

Wir wollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Handwerk und Mittelstand dort verbessern, wo es erkennbare Nachteile gibt. Um die Vielfalt in der deutschen Zeitungslandschaft trotz tief greifender struktureller Veränderungen zu erhalten, wird geprüft, ob mit einer Modernisierung des Pressekartellrechts den Verlagen Möglichkeiten eröffnet werden können, ihre wirtschaftliche Basis zu sichern und im Wettbewerb auch mit anderen Medien zu bestehen.

1.9 Aktive Außenwirtschaftspolitik

Offene internationale Märkte und freier Handel sind von zentraler Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Durch eine aktive Außenwirtschaftspolitik sollen deutsche Unternehmen dabei unterstützt werden, den Weltmarkt zu erschließen. International tätige Unternehmen sichern und schaffen zukunftssichere Arbeitsplätze auch in Deutschland. Deshalb setzen wir uns für offene Märkte und fairen Wettbewerb in Europa und weltweit ein. Ein erfolgreicher Abschluss der Doha-Welthandelsrunde liegt im deutschen Interesse.

Wir werden uns daher gemeinsam mit der EU für die Fortentwicklung der multilateralen Welthandelsregeln einsetzen. Internationale Arbeits- und Sozialstandards, wie die ILO-Kernarbeitsnormen, sollen dabei angemessen berücksichtigt werden.

Globalisierung und zunehmende internationale wirtschaftliche Verflechtungen erfordern neben dem Regelwerk der WTO auch eine gezielte Außenwirtschaftspolitik des Bundes. Dabei müssen Außenwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit besser verzahnt werden. Ziel ist eine weitere Beschleunigung der Zusammenarbeit von Auswärtigem Amt, BMWi und BMZ.

Vor allem der Mittelstand muss verstärkt bei der Erschließung ausländischer Märkte unterstützt werden. Das Außenwirtschaftsinstrumentarium wird stärker auf mittelständische Unternehmen ausgerichtet, zum Beispiel durch spezielle Messeförderung von kleinen und mittleren Unternehmen im europäischen Ausland.

Für deutsche Unternehmen als Anbieter wissensbasierter Produkte stellen Verletzungen des Schutzes geistigen Eigentums eine zunehmende Bedrohung dar. Die Bundesregierung erarbeitet in enger Abstimmung mit der Wirtschaft und mit Partnerländern eine Strategie mit konkreten Maßnahmen zur weltweit verbesserten Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte. Dem Trend zur Abschottung von Märkten, u. a. auch mit Hilfe des Patentrechts, wollen wir mit internationalen Vereinbarungen begegnen.

Ein bewährtes Instrument der Außenwirtschaftspolitik sind die Hermes-Bürgschaften. Diese Garantien müssen weiter fortgeführt werden, um vor allem die technologieorientierte Exportwirtschaft bei der Erschließung schwieriger Märkte in Entwicklungs- und Schwellenländern zu unterstützen. Exportkreditgarantien und Investitionsgarantien werden an der Sicherung des Standortes Deutschland und der Förderung von Wirtschaft und Beschäftigung im Inland ausgerichtet. Die internationalen Leitlinien bilden die Grundlage für die staatliche Außenwirtschaftsfinanzierung. In der Exportkontrolle werden die Genehmigungsverfahren weiter beschleunigt und entbürokratisiert, unter Beachtung der eingegangenen internationalen Verpflichtungen.

1.10 Wettbewerbsfähiges Europa, fairer Wettbewerb in Europa

Wir unterstützen nachdrücklich die im März 2005 reformierte Lissabon-Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung durch Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Der Erfolg der Wettbewerbs-Strategie hängt in erster Linie von den Mitgliedstaaten und ihrer Reformbereitschaft ab. Wir sehen aber in der Initiative zur Deregulierung des bestehenden Gemeinschaftsrechts und zur verbesserten Gesetzesfolgenabschätzung im Gemeinschaftsrecht einen zentralen Beitrag der EU zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Wir werden uns mit weiteren eigenen Deregulierungsvorschlägen und Beiträgen zur Gesetzesfolgenabschätzung in die Arbeit an einer besseren EU-Rechtsetzung einbringen.

Die künftige Gestaltung der EU-Chemikalienpolitik ist ein zentraler Prüfstein für die Glaubwürdigkeit der Wettbewerbs-Strategie. Die chemische Industrie spielt eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Wertschöpfung in Deutschland. Der Chemiestandort Deutschland muss deshalb erhalten und gestärkt werden. Der REACH-Verordnungsvorschlag muss mit dem Ziel grundlegend verändert werden, die Chemikaliensicherheit und den Schutz der Gesundheit der Menschen zu verbessern, ohne dabei die Herstellung von Chemikalien zu verteuern oder ihre Anwendung bürokratisch zu behindern.

Wir treten ein für die weitere Vollendung des Binnenmarktes als wichtigem Beitrag für mehr Wachstum und Beschäftigung. Ein funktionierender EU-Binnenmarkt auch im Bereich der Dienstleistungen ist für Deutschland von herausragendem volkswirtschaftlichen Interesse. Hieran werden wir uns bei der weiteren Beratung der EU-Dienstleistungsrichtlinie orientieren. Die Mitgliedstaaten müssen die Möglichkeit bewahren, im Rahmen der allgemeinen Grundsätze des EG-Vertrages auch weiterhin hohe Standards für die Sicherheit und Qualität von Dienstleistungen (zum Beispiel zum Schutz der Gesundheit, der Umwelt und der öffentlichen Sicherheit) durchzusetzen. Das Herkunftslandprinzip in der bisherigen Ausgestaltung führt uns nicht in geeigneter Weise zu diesem Ziel. Deshalb muss die Dienstleistungsrichtlinie überarbeitet werden. Wir werden ihr auf europäischer Ebene nur zustimmen, wenn sie sozial ausgewogen ist, jedem Bürger den Zugang zu öffentlichen Gütern hoher Qualität zu angemessenen Preisen sichert und Verstöße gegen die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt nicht zulässt.

Steuerdumping in der EU, mit dem Anreize zu Verlagerungsinvestitionen aus Deutschland hinaus gesetzt werden, darf nicht zugelassen werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Den Mitgliedstaaten, die gemessen an ihrer Wirtschaftskraft bei den Unternehmenssteuern eine Mindeststeuerquote unterschreiten, sollen die EU-Regionalfördermittel gekürzt werden. Dies lässt - im Gegensatz zu Mindeststeuersätzen - den Beitrittstaaten die Freiheit, ihr Steuerrecht nach nationalen Bedürfnissen zu gestalten, wenn sie bereit sind, auf die volle Höhe der EU-Strukturfondsmittel zu verzichten.

Um den Mitnahmeeffekt von Subventionen zu Lasten von deutschen Arbeitsplätzen und öffentlichen Haushalten zu beschränken, streben wir ferner innerhalb der EU eine Einvernehmensregel zum Abbau von Subventionen bei Betriebsverlagerungen (analog der Einvernehmensregel im Rahmen der deutschen Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur") an. Dies soll dazu beitragen, die Wirkung enormer Fördergefälle zu mildern und die Absiedlung von Arbeitsplätzen ohne volkwirtschaftlichen Mehrwert innerhalb der EU in Gebiete mit hohen Förderintensitäten zu verringern. Insgesamt muss das Fördergefälle von Ziel-1-Gebieten in EU-Beitrittsländern zu benachbarten Nicht-Ziel-1-Gebieten auf maximal 20 Prozentpunkte begrenzt werden.

Mit den 2004 beigetretenen neuen Mitgliedstaaten sowie mit Rumänien und Bulgarien wurden Übergangsfristen von bis zu 7 Jahren zur Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbart. Nach Ablauf der ersten zweijährigen Übergangsfrist 2006 werden wir von der Möglichkeit der Verlängerung um weitere 3 Jahre Gebrauch machen und uns anschließend in Absprache mit der EU-Kommission für eine weitere Verlängerung um 2 Jahre einsetzen.

2. Arbeitsmarkt

2.1 Senkung von Lohnzusatzkosten

CDU, CSU und SPD stellen sicher, dass die Lohnzusatzkosten (Sozialversicherungsbeiträge) dauerhaft unter 40% gesenkt werden.

Dazu wird der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung zum 1.1.2007 von 6,5% auf 4,5% reduziert. Einen Prozentpunkt davon finanziert die Bundesagentur für Arbeit durch Effizienzgewinne und Effektivitätssteigerung, ein weiterer Prozentpunkt wird durch den Einsatz eines vollen Punktes Mehrwertsteuer finanziert.

Gleichzeitig steigt der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung von 19,5% auf 19,9%. Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung wird in 2006 ein umfassendes Zukunftskonzept entwickelt, dass auch darauf angelegt ist, die Beiträge zu gesetzlichen Krankenversicherung mindestens stabil zu halten und möglichst zu senken.

2.2 Vorfahrt für junge Menschen

Wir brauchen - dringender denn je - gut ausgebildete, hoch motivierte, kreative junge Menschen, damit wir unser Land auch im 21. Jahrhundert erfolgreich gestalten können. Unsere besonderen Anstrengungen gelten daher jungen Menschen. Unser Ziel ist es, die Ausbildungs- und Beschäftigungschancen von Jugendlichen deutlich zu verbessern und die Jugendarbeitslosigkeit nachhaltig zu senken. Wir wollen, dass in Zukunft kein Jugendlicher länger als drei Monate arbeitslos ist.

Im Einzelnen bedeutet das:

  • Wir werden den "Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs in Deutschland" fortführen, in dem sich Politik und Arbeitgeber verpflichtet haben, allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen ein Angebot auf Ausbildung oder eine angemessene Qualifizierung zu unterbreiten. Konkret bedeutet dies die Bereitstellung von jährlich 30.000 neuen Ausbildungsplätzen, 25.000 betrieblichen Einstiegsqualifizierungen durch Wirtschaft und Handwerk und passgenaue Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit zur Förderung von Ausbildung.
  • Gleichzeitig laden wir die Gewerkschaften ein, sich aktiv an dem Ausbildungspakt zu beteiligen und gemeinsam mit Politik und Wirtschaft die Voraussetzungen am Arbeitsmarkt für junge Menschen zu verbessern.
  • Wir werden den Beitrag der Arbeitsmarktpolitik fortsetzen und so wirksam wie möglich ausgestalten. Die Vermittlung und Qualifizierung junger Menschen, die eine Arbeit oder Lehrstelle suchen, wird auch in Zukunft eine zentrale Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit darstellen. Hierzu zählen vor allem die Förderung junger Menschen beim Einstieg in die Berufsausbildung, ausbildungsbegleitende Hilfen, die Finanzierung der Berufsausbildung Benachteiligter sowie spezifische Hilfen für junge Menschen mit Behinderungen. Daneben stellen wir ein breites Spektrum vermittlungsunterstützender Leistungen für arbeitslose junge Menschen zur Verfügung.
  • Die Länder stehen in einer besonderen Verantwortung für die schulische Erstausbildung.
  • Wir werden die Förderung junger Menschen durch die Arbeitsgemeinschaften und optierenden Kommunen stärken. Das neue System der Grundsicherung für Arbeitsuchende sieht eine konsequente Aktivierung insbesondere junger hilfebedürftiger erwerbsfähiger Menschen vor. Diesen Jugendlichen wird ein persönlicher Ansprechpartner und Arbeitsvermittler zur Seite gestellt. Dieser soll künftig flächendeckend höchstens 75 Jugendliche betreuen und kann so im direkten Kontakt ihre Integration gezielt verbessern. Der persönliche Arbeitsvermittler hat Hilfen anzubieten - einschließlich der Schuldner- und der Suchtberatung. Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass durch eine solche intensive Betreuung über persönliche Ansprechpartner die Arbeitslosigkeit deutlich verringert werden kann.
  • Nach dem Grundsatz des "Förderns und Forderns" steht dieser intensiven Betreuung aber auch die Pflicht der jungen Menschen gegenüber, die in einer Eingliederungsvereinbarung verabredeten Verpflichtungen auch einzuhalten. Jugendliche, die dieser Pflicht nicht nachkommen, müssen mit Sanktionen rechnen. 

Beides, Fördern und Fordern, gehören unzertrennlich zusammen.

2.3 Impulse für mehr Beschäftigung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

CDU, CSU und SPD sind sich einig, dass die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbessert werden muss. Internationale Erfahrungen belegen, dass hierzu ein ganzes Bündel abgestimmter Maßnahmen in den Bereichen Arbeit, Bildung und Gesundheit notwendig ist, und dass sowohl Anreize zur Frühverrentung beseitigt als auch Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und zur Wiedereingliederung älterer Arbeitsloser erforderlich sind. Für einen Erfolg in Deutschland sind dabei gemeinsame Impulse der Wirtschaft, der Sozialpartner, der Ländern und der Regionen entscheidend.

Beschäftigungsimpulse für und durch die Wirtschaft

Wir werden mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften die folgenden Themen erörtern, um verbindliche Absprachen zu treffen:

  • Qualifizierung und Weiterbildung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
  • Möglichkeiten einer dem Alter entsprechenden Arbeitszeitgestaltung.
  • Gestaltung altersgerechter Arbeitsbedingungen sowie Erhalt und Förderung der Beschäftigungsfähigkeit Älterer.
  • Überprüfung der Arbeitsförderinstrumente im Hinblick auf ihre Wirksamkeit für Ältere. 

Zur Förderung der Qualifizierung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besteht Einigkeit, dass für den Erhalt ihrer Beschäftigungsfähigkeit - gegebenenfalls auch auf der Grundlage tariflicher und betrieblicher Vereinbarungen - Qualifizierungsmaßnahmen unerlässlich sind. Arbeitsplatzbezogene Qualifizierungsmaßnahmen sollen durch die Betriebe und nicht durch die Beitragszahler finanziert werden. Übergangsweise wird die bis zum Jahresende 2005 befristete Sonderregelung zur Übernahme der beruflichen Weiterbildungskosten bei älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern um ein Jahr verlängert und im Hinblick auf ihre Wirkung evaluiert.

Zur Förderung der Beschäftigung Älterer müssen auf tariflicher und betrieblicher Ebene präventive Elemente, insbesondere eine altersgerechte Arbeitszeitgestaltung und gleitende Übergänge in den Ruhestand (Zeitsouveränität) stärker ausgebaut werden.

Der Verbesserung der gesetzlichen Rahmenbedingungen bei der Verwendung und beim Schutz von Langzeitarbeitszeitkonten wird besonderes Gewicht beigemessen. Langzeitarbeitszeitkonten werden gesetzlich gesichert. Dabei werden wir eine Regelung nach dem Vorbild der Insolvenzsicherung bei der Altersteilzeit prüfen.

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) wird fortgesetzt. Es ist ein Anliegen der Initiative, die Beschäftigungsfähigkeit älterer Mitarbeiter zu fördern und die Betriebe bei der Nutzung und Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten Älterer zu unterstützen.

Um arbeitslos gewordene ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder besser in den Arbeitsmarkt integrieren zu können, werden auch die allgemeinen Instrumente der Arbeitsförderung, insbesondere die Weiterbildungsförderung gemeinsam mit der Wirtschaft auf ihre Wirksamkeit hin überprüft. CDU, CSU und SPD sprechen sich dafür aus, die für Neueintritte bis zum Jahresende 2005 befristeten Instrumente der Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 421j SGB III und der Tragung der Beiträge zur Arbeitsförderung bei Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach § 421k SGB III zunächst um zwei Jahre zu verlängern und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu evaluieren. Sie müssen an konkrete quantitative Zielvorgaben gebunden werden.

Gemeinsame Maßnahmen von Bund und Ländern

CDU, CSU und SPD gehen davon aus, dass die zu ergreifenden Maßnahmen schon mittelfristig wirken werden. In vielen Regionen Deutschlands ist es daher unerlässlich, gemeinsame Maßnahmen mit den Ländern zur Förderung gesellschaftlich sinnvoller gemeinnütziger Arbeiten für arbeitsmarktlich nicht mehr integrierbare ältere Langzeitarbeitslose in der letzten Phase ihres Erwerbslebens zu ergreifen. Dabei sollen zunächst die vom Bund zur Verfügung gestellten 30.000 Beschäftigungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose ab 58 Jahre in dreijährigen Zusatzjobs genutzt werden. Soweit diese gemeinnützigen Beschäftigungsmöglichkeiten nicht bis zum Jahresende genutzt werden können, wird die Laufzeit verlängert; regionale Ungleichgewichte in der Inanspruchnahme werden durch Umverteilung der Mittel berücksichtigt.

Soweit die 30.000 Fördermöglichkeiten ausgeschöpft sind, schlagen wir den Ländern vor, weitere bis zu 20.000 gemeinnützige Beschäftigungen gemeinsam zu finanzieren.

Mehr Beschäftigung in den Regionen

Zur Verbesserung der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden die Regionen durch besonders innovative Einzelprojekte gefördert. Hierzu werden für 62 Regionen bis zu 250 Mio. Euro bereitgestellt (Initiative "Perspektive 50 Plus - Beschäftigungspakte in den Regionen"). Gleichzeitig sollen weitere Regionen in ein dichtes und tragfähiges Netzwerk zugunsten Älterer eingebunden werden und ein übergreifender Austausch- und Lernprozess sichergestellt werden.

Ende 2007 wird auf Grundlage der Ergebnisse eine Entscheidung über eine Fortführung getroffen.

Europarechtskonforme Befristungsregelungen

Die bis Ende 2006 geltenden erleichterten Befristungsregelungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 52. Lebensjahr werden entfristet und europarechtskonform gestaltet. Die dauerhafte Geltung dieser Altersgrenze schafft für die Unternehmen größere Rechts- und Planungssicherheit. Die Neuregelung wird europarechtliche Vorgaben beachten. Die Unternehmen werden so ermutigt, mehr Ältere einzustellen.

2.4 Mehr Beschäftigung für gering qualifizierte Menschen - Einführung eines Kombi-Lohn-Modells prüfen

Fast 2 Millionen oder 39% der Arbeitslosen in unserem Land sind gering qualifiziert oder haben keinen Berufsabschluss. Die Chancen dieser Mitbürgerinnen und Mitbürger auf dem Arbeitsmarkt sind zu gering. Dieser Personenkreis braucht einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, der neben Qualifizierungsangeboten oft nur über niedrig entlohnte Tätigkeiten möglich ist. Diese Tätigkeiten werden über unterschiedliche Formen der Lohnergänzung vom ergänzenden Arbeitslosengeld II über das Einstiegsgeld bis hin zum Kinderzuschlag gefördert. Diese einzelnen Regelungen greifen oft nicht ineinander und erzielen so keine umfassende Wirkung.

Die Koalitionsparteien sind sich darüber einig, dass der so genannte Niedriglohnsektor an sich und seine Zusammenhänge mit der Gesamthöhe von Sozialtransfers an Bedarfsgemeinschaften einer Neuregelung bedürfen. Wir wollen einerseits sicher stellen, dass Löhne nicht in den Bereich der Sittenwidrigkeit heruntergedrückt werden können, aber andererseits Menschen mehr als bisher die Möglichkeit auch zur Beschäftigung mit niedrigen Einkommen anbieten. Trotz der sehr unterschiedlichen Programme der Parteien besteht Einigkeit, dass die große Koalition diese Fehlentwicklung beenden muss.

Wir werden deshalb die Einführung eines Kombi-Lohn-Modells prüfen, das sowohl die Aufnahme einfacher Arbeiten durch eine ausgewogene Kombination aus Arbeitslohn und Sozialleistung lohnend macht, als auch die Möglichkeit für zusätzliche Arbeitsplätze für einfache Tätigkeiten neu schafft. Klar ist dabei allerdings schon jetzt, dass CDU, CSU und SPD weder eine dauerhafte Subvention von Unternehmen noch ein zusätzliches Arbeitsmarktinstrument einführen wollen.

Ziel ist es, die bestehenden Programme und die bestehenden Maßnahmen zur Lohnergänzung (vom ergänzenden Arbeitslosengeld II über das Einstiegsgeld bis hin zum Kinderzuschlag) zu bündeln und in einem erfolgreichen Förderansatz zusammenzufassen. Dazu werden wir eine Arbeitsgruppe einrichten, die die bestehenden Regelungen systematisch darstellt, die notwendige Transparenz herstellt und sie hinsichtlich ihrer Wirkung bewertet. Die Arbeitsgruppe wird die Wechselwirkungen mit dem Steuer- und Abgabensystem und der verringerten Beitragsbelastung bei Mini- und Midi-Jobs in die Analyse einbeziehen. Das berührt auch die Themen Entsendegesetz und Mindestlohn und die Auswirkungen der EU-Dienstleistungsrichtlinie.

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Arbeitsgruppe wird die Bundesregierung im Verlauf des Jahres 2006 Lösungen herbeiführen. Gleichzeitig wird sie gemeinsam mit den Tarifvertragsparteien nach Wegen suchen, marktgerechte und transparente Regelungen für den Niedriglohnsektor zu finden.

2.5 Aktive Arbeitsmarktpolitik

Die aktive Arbeitsmarktpolitik leistet einen wichtigen Beitrag zur Integration und zur Verbesserung der Beschäftigungschancen von Arbeitssuchenden. CDU, CSU und SPD werden die aktive Arbeitsmarktpolitik in Zukunft fortsetzen und weiterentwickeln.

Die Vielzahl unterschiedlicher Förder-Instrumente ist für die Menschen kaum noch überschaubar. Vieles deutet darauf hin, dass einzelne Maßnahmen und die damit verbundenen teilweise umfangreichen Mittel der Arbeitslosenversicherung zielgenauer, sparsamer und effizienter eingesetzt werden können.

CDU, CSU und SPD werden daher alle arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf den Prüfstand stellen. Das, was sich als wirksam erweist und zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit oder zu Beschäftigung führt, wird fortgesetzt. Das, was unwirksam und ineffizient ist, wird abgeschafft. Diese Überprüfung soll bis Ende kommenden Jahres abgeschlossen sein.

Auf der Grundlage dieser Wirksamkeitsanalyse wird dann spätestens im Jahr 2007 die aktive Arbeitsmarktpolitik insgesamt grundlegend neu ausgerichtet und sichergestellt, dass die Mittel der Beitrags- und Steuerzahler künftig so effektiv und effizient wie möglich eingesetzt werden.

Im Einzelnen bedeutet das:

  • Um eine zielgenaue und seriöse Evaluation zu ermöglichen, werden wir einzelne, zeitlich befristete Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik bis Ende des kommenden Jahres verlängern. Dies gilt beispielsweise für die Beauftragung von Trägern mit Eingliederungsmaßnahmen.
  • Bei anderen Maßnahmen werden wir bereits im kommenden Jahr Korrekturen vornehmen:
    • So wird die Zahl der Personal-Service-Agenturen deutlich reduziert und die Verpflichtung zum flächendeckenden Einsatz abgeschafft. Nur dort, wo PSA erfolgreich arbeiten, sollen sie mit Mitteln der Bundesagentur fortgesetzt werden.
    • Daneben werden wir den Existenzgründungszuschuss (Ich-AG) bis zum 30.6. 2006 befristet verlängern. Danach wird unter Einbeziehung des Überbrückungsgelds ein neues Instrument der Existenzgründung aus Arbeitslosigkeit erarbeitet und der Existenzgründungszuschuss eingestellt. Dabei wird geprüft werden, ob das neue Förderinstrument als Pflicht- oder als Ermessensleistung der Bundesagentur ausgestaltet werden wird.
      CDU, CSU und SPD bekennen sich damit ausdrücklich zur Förderung von Unternehmensgründungen durch Arbeitslose. Dieser Weg kann für viele Menschen die Chance bieten, den Lebensunterhalt erfolgreich selbst zu erarbeiten. 

Die Bundesregierung soll mit der Bundesagentur für Arbeit eine Zielvereinbarung abschließen, um zu gewährleisten, dass die Bundesagentur für Arbeit ihren arbeitsmarktpolitischen Auftrag der Arbeitsförderung umsetzt.

  • CDU, CSU und SPD sind sich einig, dass der jährlich wiederkehrende Anstieg der Arbeitslosigkeit in den Wintermonaten wirksam bekämpft werden muss. Dazu haben die Tarifvertragsparteien im Baugewerbe wichtige Grundlagen geschaffen. Durch die kostenneutrale Einführung eines aus Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung finanzierten Saisonkurzarbeitergeldes sollen daher - wenn möglich - bereits ab diesem Winter witterungs- und auftragsbedingte Entlassungen und zugleich entsprechende Ausgaben für Arbeitslosengeld während der Monate Dezember bis März vermieden werden.
  • Gleichzeitig gilt es, unseren internationalen Pflichten bei der Erfassung der Arbeitslosigkeit nachzukommen und eine seriöse länderübergreifend vergleichbare Statistik zu erstellen. Wir werden daher auch in Zukunft diese Verpflichtungen erfüllen und die angelaufenen Erhebungen nach dem ILO-Standard fortsetzen. Wir werden die Ergebnisse dieser neuen Statistiken auswerten und prüfen. 

2.6 Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV)

CDU, CSU und SPD bekennen sich nachdrücklich zur Zusammenführung der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV). Die Betreuung der arbeitsfähigen ehemaligen Bezieher der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe aus einer Hand war und bleibt der richtige Weg.

Ein so komplexes und umfangreiches Reformvorhaben erfordert allerdings flexible Anpassungen und Verbesserungen. Wir werden daher durch detaillierte und passgenaue Veränderungen auf die Erfahrungen dieses Jahres reagieren und den gesamten Hartz IV Prozess optimieren.

  • Wir haben uns darauf verständigt, den Empfehlungen des Ombudsrates zu folgen und vereinheitlichen die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Ost- und Westdeutschland. Die Regelleistung in den neuen Ländern steigt um 14 Euro monatlich.
  • CDU, CSU und SPD sind sich einig, dass durch gesetzliche und untergesetzliche Änderungen die praktische Umsetzung der Hartz IV-Reform bereits kurzfristig optimiert werden muss. Durch organisatorische Maßnahmen innerhalb der Bundesagentur für Arbeit wird sichergestellt, dass die Interessen des Bundes an der Umsetzung der Grundsicherung für Arbeitssuchende gewahrt werden. Neben technischen Änderungen wird es auch im Leistungsrecht Veränderungen geben.
  • Vertrauensklausel für optierende Kommunen: Sollte es bei der in 2008 anstehenden Evaluation zu keiner gemeinsamen Bewertung und Schlussfolgerung der Koalitionspartner kommen, wird die derzeit geltende gesetzliche Regelung für Kommunen zu optieren im bisherigen Umfang nach dem 31.12.2010 um weitere drei Jahre verlängert.
  • Wir werden eine Präzisierung bei der Definition der Bedarfsgemeinschaft vornehmen. Künftig sollen unverheiratete, volljährige, unter 25jährige Kinder grundsätzlich in die Bedarfsgemeinschaft der Eltern einbezogen werden.
  • Wir werden bei der Ausgestaltung des Schonvermögens neue Akzente zugunsten der Alterssicherung setzen. Dazu könnten künftig die Schonbeträge zur Alterssicherung angehoben und die bisherigen Freibeträge entsprechend abgesenkt werden.
  • Unter 25jährige, die erstmals eine eigene Wohnung beziehen wollen, können künftig nur noch Leistungen erhalten, wenn sie vorher die Zustimmung des Leistungsträgers einholen. Damit wollen wir verhindern, dass Bedarfsgemeinschaften nur zu dem Zweck gegründet werden, um höhere Arbeitslosengeld-II-Ansprüche geltend zu machen.
  • Wir werden die Definition eheähnlicher Partnerschaften und die Beweislastumkehr prüfen.
  • Daneben werden wir prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit finanzielle Anreize für die Träger der Grundsicherung verbessert werden können, wenn sie die Erwerbstätigkeit der Leistungsbeziehenden erfolgreich fördern.
  • Personen, deren Erwerbsfähigkeit eingeschränkt ist, und die keine Arbeit auf dem regulären Arbeitsmarkt finden können, müssen eine Perspektive bekommen. Wir werden prüfen, ob und wie die Rahmenbedingungen so gestaltet werden können, dass auch für diese Menschen Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, die eine sinnvolle und den individuellen Möglichkeiten entsprechende Entfaltung zulassen.
  • EU-Ausländer, die sich nur zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten und vorher in Deutschland nicht gearbeitet haben, sollen künftig keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II mehr haben.
  • Junge Menschen, die BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe beziehen, sollen künftig aus diesen Systemen bedarfsdeckende Leistungen erhalten, so dass aufstockendes Arbeitslosengeld II nicht mehr erforderlich ist.
  • Die Zuständigkeiten der Arbeitsgemeinschaften und zugelassenen kommunalen Träger hinsichtlich Berufsberatung, Ausbildungsstellen- und Arbeitsvermittlung und Aufstockern, die sowohl Leistungen nach dem SGB II als auch dem SGB III beziehen, werden gesetzlich klargestellt.
  • Wir werden prüfen, ob beim Kinderzuschlag den Betroffenen ein Wahlrecht zwischen befristetem Zuschlag im Übergang vom Arbeitslosengeld zum Arbeitslosengeld II und dem Kinderzuschlag eingeräumt werden kann.
  • Wir werden dem Leistungsmissbrauch energisch und konsequent entgegentreten. Das trägt dazu bei, die Bereitschaft zum solidarischen Ausgleich in unserer Gesellschaft für die wirklich Bedürftigen auf eine verlässliche Basis zu stellen.

    Hierzu zählt v.a.:
    • CDU, CSU und SPD haben sich darauf verständigt, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass Leistungsempfänger zur Teilnahme an einer Telephonabfrage verpflichtet werden, in der die aktuellen Lebenssituationen überprüft werden.

    • Die schon jetzt bestehenden Möglichkeiten zum Datenabgleich sollen noch konsequenter genutzt werden. Wir werden daher die gesetzliche Grundlage für eine Erweiterung des Datenabgleichs schaffen, um auch im Ausland existierende Konten und Depots von Leistungsbeziehern aufzudecken.

    • Gemeinsam mit den Ländern werden wir prüfen, ob die Einrichtung eines Außendienstes bei den Arbeitsgemeinschaften und den zugelassenen kommunalen Trägern vorgesehen werden soll.

    • Jedem Antragsteller soll verdeutlicht werden, dass in der Grundsicherung für Arbeitsuchende das Prinzip "Fördern und Fordern" vom Beginn der Antragsstellung an systematisch umgesetzt wird. Personen, die erstmals einen Antrag auf Leistungen stellen, sollen daher nach Prüfung der individuellen Situation Sofortangebote zur Aufnahme einer Beschäftigung oder Qualifizierung erhalten. Diese Maßnahmen können auch der Überprüfung der Arbeitswilligkeit dienen.

    • Die Praxis hat gezeigt, dass die bisherigen Regelungen zu Sanktionen zu starr sind und eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene, angemessene Anwendung erschweren. Deshalb haben wir uns darauf verständigt, hier eine gesetzliche Änderung herbeizuführen.

    • Gegenwärtig beziehen zahlreiche Personen Arbeitslosengeld II, obwohl sie nicht erwerbsfähig sind. Die Folge sind Mehrausgaben für den Bund und die Krankenkassen. Wir werden daher den Krankenkassen ein Beantragungsrecht bei der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit einräumen.
       
  • Schließlich sind wir gefordert, ein Bewusstsein in unserer Bevölkerung zu verankern, das auf Eigenverantwortung, Teilhabe an der Erwerbsarbeit und solidarische Unterstützung der Hilfebedürftigen setzt. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess hat seit Einführung der Grundsicherung der Ombudsrat wahrgenommen. Wir haben daher beschlossen, seine Tätigkeit um ein halbes Jahr zu verlängern. Der Ombudsrat wird seine Empfehlungen in einem Schlussbericht zum 30. Juni 2006 vorlegen.
  • CDU, CSU und SPD sind sich einig, dass die zum 1.10.2005 eingeleitete Revision, mit der die Höhe der Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft festgelegt wird, zügig weitergeführt werden muss. An dem Ziel, die Kommunen im Zuge des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt bundesweit um 2,5 Mrd. Euro zu entlasten, wird festgehalten. Unmittelbar nach Bildung der neuen Bundesregierung wird die notwendige Abstimmung mit den Ländern und kommunalen Spitzenverbänden herbeigeführt. Auf dieser Basis soll - im Zuge des bereits eingeleiteten Gesetzgebungsverfahrens - die Höhe der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft und Heizung sowohl für das Jahr 2006 als auch das Jahr 2007 festgelegt werden. Eine weitere - abschließende - Revision soll zum 1.10.2007 durchgeführt werden.

Insgesamt werden wir durch die vorgeschlagenen Maßnahmen und Verbesserungen bei Hartz IV 3,8 Mrd. Euro einsparen. Wir erreichen dies im Einzelnen durch folgende Veränderungen:

  • Einführung eines grundsätzlichen Rückgriffsrechts für bis zu 25-jährige (0,5 Mrd. Euro).
  • Einschränkung der Finanzierung des Erstwohnungsbezugs von Jugendlichen (0,1 Mrd. Euro).
  • Verbesserung der Verwaltungsabläufe und Organisationsstruktur von Hartz IV (1,2 Mrd. Euro).
  • Reduzierung des Zahlbetrages für die gesetzliche Rentenversicherung von 78 Euro auf 40 Euro monatlich (2 Mrd. Euro). 

2.7 Reformen im Arbeitsrecht

2.7.1 Kündigungsschutz weiterentwickeln

CDU, CSU und SPD werden das Kündigungsschutzrecht mit dem Ziel weiterentwickeln, zum einen mehr Beschäftigung zu ermöglichen und zum anderen die Schutzfunktion des Kündigungsschutzes für bestehende Arbeitsverhältnisse nachhaltig zu sichern. Zugleich wollen wir mehr Transparenz und mehr Rechtssicherheit für Beschäftigte und Arbeitgeber schaffen.

Wir werden daher auf der einen Seite die Möglichkeit streichen, Arbeitsverträge in den ersten 24 Monaten sachgrundlos zu befristen. Gleichzeitig geben wir den Arbeitgebern bei der Neueinstellung die Option an die Hand, anstelle der gesetzlichen Regelwartezeit von 6 Monaten bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses mit dem Einzustellenden eine Wartezeit von bis zu 24 Monaten zu vereinbaren. Die Option entsteht auch bei einer erneuten Einstellung bei dem selben Arbeitgeber, wenn seit dem Ende des vorhergehenden Arbeitsvertrages mindestens sechs Monate vergangen sind. Für Existenzgründer bleibt die Möglichkeit erhalten, in den ersten vier Jahren nach ihrer Gründung die sachgrundlosen Befristungen bis zu 48 Monten abzuschließen. CDU, CSU und SPD sind sich allerdings auch einig, dass eine Addition der Sonderregelung für Existenzgründer mit der Möglichkeit zur Verlängerung der Befreiung vom Kündigungsschutz nicht gestattet wird.

Damit gestalten wir den Kündigungsschutz einfacher, leisten einen Beitrag, um die Zahl der arbeitsgerichtlichen Verfahren und das Prozessrisiko der Arbeitgeber zu verringern und schaffen zugleich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine verlässliche Vertragsgrundlage. Vor allem aber stärken wir mit dieser Weiterentwicklung des Kündigungsschutzes die unbefristete Einstellung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber zeitlich befristeten Beschäftigungsverhältnissen.

2.7.2 Entsendegesetz erweitern

CDU, CSU und SPD werden das Arbeitnehmerentsendegesetz auf der Grundlage der EU-Entsenderichtlinie auf die allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge der Gebäudereiniger erstrecken. Für den Bereich der Bauwirtschaft soll das bestehende Entsendegesetz unverändert bleiben. Eine weitere Ausdehnung auf weitere Branchen wird die Koalition prüfen, wenn entsprechende unerwünschte soziale Verwerfungen durch Entsendearbeitnehmer nachgewiesen werden und in diesen Branchen Tarifverträge gelten, die zuvor nach den Regeln des Tarifvertragsgesetzes für allgemeinverbindlich erklärt worden sind. Da für das Gebäudereinigerhandwerk ein entsprechender allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag vorliegt, wird für diese Branche unverzüglich die Erweiterung des Entsendegesetzes von der Koalition vorgenommen.

2.7.3 Umsetzung der EU-Arbeitszeitrichtlinie

Die zum 1.1.2006 auslaufende Übergangsregelung des Arbeitszeitgesetzes, die den Tarifpartnern Zeit für die Anpassung ihrer Vereinbarungen an die Vorgaben des EuGH zur Bereitschaftszeit einräumt, wird um ein Jahr verlängert. Es wird gesetzlich festgelegt, dass Einzelhandelsgeschäfte höchstens an vier Sonntagen im Jahr geöffnet haben.

2.7.4 Unternehmensmitbestimmung sichern und gestalten

Grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten und Strukturveränderungen von Unternehmen prägen das Bild in einem zusammenwachsenden Europa. Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf europäischer Ebene zu sichern und zu gestalten war in der Vergangenheit und bleibt daher auch für die Zukunft eine wichtige Aufgabe.

Wir werden uns dafür einsetzen, dass das europäische Gesellschaftsrecht durch eine zügige Verabschiedung der Richtlinie über die grenzüberschreitenden Sitzverlegungen von Kapitalgesellschaften weiterentwickelt wird. Dabei sind die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer auf der Grundlage der bisher für die Europäische Aktiengesellschaft und der Verschmelzungsrichtlinie gefundenen Lösungen zu sichern.

Das Erfolgsmodell der deutschen Mitbestimmung muss mit globalen und europäischen Herausforderungen Schritt halten. Aufgabe der eingesetzten Regierungskommission unter dem Vorsitz von Professor Dr. Biedenkopf ist es, ausgehend vom geltenden Recht bis Ende 2006 Vorschläge für eine moderne und europataugliche Weiterentwicklung der deutschen Unternehmensmitbestimmung zu erarbeiten. Wir werden die - einvernehmlich erzielten - Ergebnisse der Kommission aufgreifen und, soweit erforderlich und geboten, Anpassungen der nationalen Unternehmensmitbestimmung vornehmen.

2.8 Maßnahmen gegen illegale Beschäftigung, Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft

Schwarzarbeit, illegale Beschäftigung und Schattenwirtschaft sind keine Kavaliersdelikte, sondern schaden unserem Land. CDU, CSU und SPD sind sich einig, dass diese Rechtsverstöße konsequent und mit Nachdruck geahndet werden müssen. Der Ehrliche darf in unserem Land nicht der Dumme sein.

Unser Ziel ist es daher, den gesamten Bereich der Schattenwirtschaft zurückzudrängen Hier liegt ein erhebliches Potential, das sowohl zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte als auch zur Senkung der Lohnzusatzkosten beitragen kann. Dieses Potential wollen wir nutzen.

  • Wir werden die Arbeiten der Taskforce Dienstleistungsmissbrauch unter gemeinsamer Federführung von BMF und BMA fortgesetzten. Der Zoll (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) wird seine Kontrollen verstärken.
  • Wir werden einen partnerschaftlichen Dialog mit allen neuen Mitgliedstaaten fortführen, um aufgekommene Probleme und Meinungsverschiedenheiten auszuräumen. Unser Ziel ist insbesondere der Abschluss von Verwaltungsvereinbarungen mit den betroffenen Mitgliedstaaten, um grenzüberschreitende Kontrollen und die Zusammenarbeit der Behörden zu verbessern.
  • CDU, CSU und SPD stimmen überein, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern bei der Bekämpfung des Missbrauchs der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit intensiviert werden muss.
  • Da vermutet wird, dass Schwarzarbeit besonders häufig auf Baustellen, im Taxigewerbe und in der Gastronomie auftritt, wird die Bundesregierung die Ergebnisse des geplanten Pilotprojektes der Region Berlin-Brandenburg, bei dem Arbeitnehmer in diesen Branchen verpflichtet werden, Chipkarten sichtbar zu tragen, die sie als regulär Beschäftigte ausweisen, prüfen und die Chipkarten gegebenenfalls bundesweit einführen. 

2.9 Saisonarbeit

Bei der Zulassung von Saisonkräften aus dem Ausland wird die Bundesregierung die Ende dieses Jahres auslaufenden Eckpunkteregelung modifiziert verlängern. Dabei muss sicher gestellt bleiben, dass die Landwirtschaft ihren saisonalen Arbeitskräftebedarf ausreichend decken kann. Angesichts der unverändert hohen Arbeitslosigkeit ist es aber unser Ziel, vor allem arbeitlose Leistungsbezieher verstärkt auch in kurzfristige Saisonbeschäftigungen zu vermitteln. Dazu ist es zum Einen erforderlich, die Vermittlungsbemühungen durch die Agenturen für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende in den Branchen mit Saisonbeschäftigung zu intensivieren. Zum Anderen ist es notwendig, die Eckpunkte über eine betriebliche Begrenzung der Zulassungen so zu modifizieren, dass der Arbeitskräftezugang aus dem Ausland steuerbar bleibt. Der in den letzten Jahren erreichte Umfang der mittel- und osteuropäischen Saisonkräfte muss deutlich reduziert und soweit wie möglich durch Vermittlung inländischer Arbeitskräfte ersetzt werden.

Nach dem europäischen Recht unterliegen Saisonkräfte aus den neuen EU-Mitgliedsstaaten seit deren Beitritt dem Sozialversicherungsrecht ihres Heimatlandes. Die Anmeldung der Saisonarbeitnehmer und die Übermittlung der Beiträge durch deutsche Arbeitgeber an die dortigen Sozialversicherungsträger ist gegenwärtig noch mit erheblichem Aufwand behaftet. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass hierfür möglichst unbürokratische Verfahren entwickelt werden.

2.10 Europäische Sozialpolitik

Das Europäische Sozialmodell als Bestandteil der Lissabon-Strategie muss weiterentwickelt werden. Dabei wird es für die Bürgerinnen und Bürger ganz entscheidend darauf ankommen, dass es gelingt, die notwendige Flexibilität mit sozialem Schutz und sozialer Sicherheit zu verbinden ("Flexicurity").

Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint vor dem Hintergrund der arbeitsmarktpolitischen und wirtschaftspolitischen Entwicklung in Deutschland die Beibehaltung der Übergangsfristen bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit für die neuen zehn Beitrittsländer notwendig. Die Übergangsfristen haben den deutschen Arbeitsmarkt vor einer verstärkten Migration geschützt. Hinsichtlich einer möglichen Richtlinie zum Zugang von Drittstaatsangehörigen zur selbstständigen und unselbstständigen Erwerbstätigkeit sollte darauf geachtet werden, dass die Regelungen flexibel sind und die nationale Beschäftigungspolitik nicht eingeschränkt wird.

Bei den anstehenden Richtlinienvorhaben im Arbeitsrecht (Mitbestimmung bei Sitzverlegung, Arbeitszeit, Leiharbeit, Gleichstellung, optische Strahlen) sollten die Regelungen die nötige Flexibilität aufweisen und gleichzeitig die berechtigten Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Blick haben. Bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene wird die Bundesregierung sich für faire und tragfähige Kompromisse zwischen allen Mitgliedstaaten einsetzen.

3. Bildung und Ausbildung

3.1 Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft

Bildung ist der Schlüssel für individuelle Lebenschancen und kulturelle Teilhabe, für Entwicklung und Innovation. Die Teilhabe aller an Bildung und Ausbildung ist die zwingende Voraussetzung dafür, dass keine Begabung ungenutzt bleibt. Dazu muss unser Bildungssystem insgesamt transparenter und durchlässiger sein und eine bessere individuelle Förderung gewährleisten.

Der Zusammenhalt und die soziale Entwicklung unserer Gesellschaft, unser Wohlstand und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft hängen immer stärker davon ab, welchen Stellenwert Bildung erhält. Bildung ist der entscheidende Zukunftsfaktor für unser Land, aber auch für die Chancen jedes einzelnen Menschen.

In Deutschland soll sich wieder mehr Wohlstand durch Wachstum und Innovation entwickeln können. Dieses Ziel erreichen wir nur, wenn alle ihre Leistungskraft und Talente entfalten können. Deutschland braucht die Bildung von Verantwortungseliten, unabhängig von sozialer Herkunft. Ein erfolgreiches Bildungswesen muss Begabungen fördern, Lernschwache stärken und den engen Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg aufbrechen.

3.2 Chancengleichheit in der Bildung: bessere Betreuung, frühe und individuelle Förderung

Bildung und Betreuung für alle von Anfang an: Die entscheidenden Weichen für die Entwicklung eines Kindes werden am Anfang gestellt. Deshalb machen wir uns dafür stark, alle Kleinkinder besser und individuell zu fördern. Wir halten das Erlernen der deutschen Sprache schon vor der Grundschule für notwendig.

Ganztägige Bildung und Erziehung schaffen erweiterte Möglichkeiten, alle Talente zu fördern und die Schwächen auszugleichen. Zudem wird es Eltern durch ganztägige Angebote leichter gemacht, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.

Deshalb setzen wir uns für den weiteren Ausbau von Ganztagsschulen ein. Die für das Investitionsprogramm "Zukunft, Bildung und Betreuung" zum Bau von Ganztagsschulen geplanten Haushaltsmittel des Bundes in Höhe von rund 4 Mrd. Euro sollen bis zum Ende der Legislaturperiode abrufbar bleiben.

Wir werden auch in Zukunft unseren Beitrag leisten, damit sich Deutschland an internationalen Vergleichsstudien wie etwa PISA beteiligen kann. Wer sich verbessern will, muss wissen, wo er steht.

Wir streben an, die Bildungsberichterstattung weiter zu entwickeln und als Konstante der Bildungspolitik im Zusammenwirken von Bund und Ländern zu etablieren. Flankierend werden wir die empirische Bildungsforschung im Rahmen der Allgemeinen Forschungsförderung stärken, um Erkenntnisse zu gewinnen, die Bund und Ländern bei der Weiterentwicklung ihrer jeweiligen Aufgaben im Bildungsbereich dienen können.

3.3 Die duale Berufsausbildung stärken - Ausbildungschancen für jeden jungen Menschen

Das deutsche System der dualen Berufsausbildung ist für unser Land ein internationaler Wettbewerbsvorteil. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die wir fortsetzen wollen. Für den Einzelnen bietet es nach wie vor einen guten Einstieg in eine erfolgreiche berufliche und persönliche Entwicklung und stellt immer noch den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit dar. Für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gewinnt die berufliche Bildung zunehmend an Bedeutung. Es bleibt unser Ziel, dass jeder ausbildungswillige und -fähige Jugendliche ein Ausbildungsangebot erhält.

155.000 bzw. 17,1% der 25-Jährigen haben keinen Abschluss der Sekundarstufe II, d.h. sie haben weder eine Berufsausbildung abgeschlossen noch Abitur. Die Jugendarbeitslosigkeit bleibt ein dringend zu lösendes Problem der Arbeitsmarkt-, aber auch der Bildungspolitik in Deutschland.

Die Bundesregierung wird alle ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreifen, um das Ziel, dass kein Jugendlicher unter 25 Jahre länger als drei Monate arbeitslos ist, zu erreichen. Sie setzt dabei auch auf die gesellschaftliche Verantwortung der Wirtschaft und deren Interesse an qualifiziertem Nachwuchs.

Wir begrüßen deshalb das Engagement der Unternehmen zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze. Den Nationalen Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs werden wir unter Einbeziehung von Wirtschaft und Gewerkschaften weiterentwickeln. Dabei sollen auch Fragen der Ausbildungsfähigkeit und Möglichkeiten der tariflichen Vereinbarungen (wie branchenbezogene Umlagefinanzierung, Steigerung von Ausbildungsplatzangeboten) berücksichtigt werden.

Wir haben einvernehmlich in Bundestag und Bundesrat die im April diesen Jahres in Kraft getretene Reform des Berufsbildungsgesetzes verabschiedet. Ihre Wirkung wollen wir gemeinsam mit den Partnern im Laufe der Legislaturperiode überprüfen.

Das Angebotsspektrum der Berufsausbildung wird durch gestufte Ausbildungsordnungen erweitert, um den Leistungsunterschieden der Jugendlichen besser entsprechen zu können. Es ist verabredet, bei jeder Aktualisierung und bei jeder Neuentwicklung von Ausbildungsberufen zu prüfen, ob eine Stufung sinnvoll und möglich ist.

Wir werden die Modernisierung der Ausbildungsberufe praxisgerecht fortsetzen und die Ausbildungsstrukturen in den Regionen, wie im Ausbildungspakt vereinbart, verbessern. Weiterhin werden wir das Bewusstsein von Mädchen und jungen Frauen für das breite Berufswahlspektrum insbesondere in den technischen Berufen erweitern.

Jugendliche und Unternehmer mit Migrationshintergrund sollen gezielt für die Beteiligung an der beruflichen Bildung gewonnen werden.

Jugendliche und Erwachsene ohne Abschluss sollen eine "Zweite Chance" erhalten, um einen Schulabschluss nachholen oder eine Ausbildung erfolgreich durchlaufen zu können.

Bewährte Maßnahmen zur Einstiegsqualifizierung und zur Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit und -reife werden wir fortsetzen. Für Jugendliche mit schlechteren Startchancen werden wir die Maßnahmen zur Berufsausbildungsvorbereitung, zur Verbesserung ihrer Ausbildungsfähigkeit und -reife und die ausbildungsbegleitenden Hilfen fortsetzen. Die strukturelle Neuausrichtung der Berufsvorbereitung wird den individuellen Förderbedarf Jugendlicher zum entscheidenden Kriterium machen.

Damit das deutsche System der dualen Berufsausbildung innerhalb der Europäischen Union angemessen berücksichtigt wird und international wettbewerbsfähig bleibt, werden wir die europäische Zusammenarbeit in der Berufsbildung aktiv mitgestalten, die europäische Entwicklung zur Verbesserung von Transparenz und Vergleichbarkeit in der Berufsbildung vorantreiben. Damit unterstützen wir die im "Kopenhagen-Prozess" verabredete Entwicklung eines Europäischen Qualifikationsrahmens (EQF), eines Leistungspunktesystems (ECVET) und die Einführung des Europasses.

3.4 Mehr Durchlässigkeit zwischen den Bildungswegen

Wir wollen das Bildungssystem durchlässiger machen. Die Zulassung zu Fachhochschulen und Universitäten auf der Grundlage einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung soll im Hochschulrecht grundsätzlich geöffnet werden.

Aus- und Weiterbildung sollen umfassend und systematisch miteinander verzahnt werden.

3.5 Lebenslanges Lernen: Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung - Wachstumspotential der Weiterbildung nutzen

Der schnelle technologische Fortschritt in der Wissensgesellschaft erfordert es, berufliche Fähigkeiten und berufliches Wissen auch nach der Erstausbildung zu erhalten, anzupassen und zu erweitern. Weiterbildung ist mehr als ein Bildungsprinzip. Lebensbegleitende Weiterbildung sichert Qualifikation und schützt damit vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Der demographische Wandel erfordert zudem, dass auch ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beruflich aktiv und auf dem aktuellen Wissensstand bleiben. Um Offenheit, Lernbereitschaft und Lernfähigkeit generationenübergreifend zu verbessern, muss die Weiterbildungsbeteiligung deutlich erhöht werden.

Wir wollen mittelfristig die Weiterbildung zur 4. Säule des Bildungssystems machen und mit bundeseinheitlichen Rahmenbedingungen eine Weiterbildung mit System etablieren.

Das erfolgreiche "Meister-BAföG" wird weitergeführt.

Wir werden die Vielzahl der bestehenden Weiterbildungsangebote durch die Optimierung der Bildungsberatung transparenter machen. Wir werden die Qualitätssicherung von Weiterbildungsangeboten ausweiten.

An der Finanzierung von Weiterbildung müssen sich die Allgemeinheit, die Wirtschaft und der Einzelne in angemessener Weise beteiligen. Durch Bildungssparen wollen wir ein neues Finanzierungsinstrument entwickeln und dazu das Vermögensbildungsgesetz novellieren. Dies geschieht haushaltsneutral.

Wir wollen insbesondere sozial Benachteiligte fördern, um deren Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen.

Die Tarifvertragsparteien ermuntern wir, die Einrichtung von Bildungszeitkonten zu vereinbaren, auf dem Arbeitnehmer Überstunden und Urlaubstage langfristig sammeln können. Der Staat hat dabei für angemessene Rahmenbedingungen zu sorgen, zu denen etwa die Insolvenzsicherung von Arbeitszeit- und Lernzeitkonten gehört.

3.6 Hochschulen international wettbewerbsfähig machen

Hochschulen sind das Fundament unseres Wissenschaftssystems. Sie qualifizieren in wachsendem Umfang den Nachwuchs der Wissensgesellschaft. Ihre Forschungsergebnisse schaffen Grundlagen für Innovationen. Als Schnittstellen zwischen Bildung, Forschung und Innovation entscheiden sie maßgeblich über die Arbeitsplätze von morgen, über gesellschaftlichen Fortschritt und soziale Sicherheit.

Autonomie, Exzellenz, Verantwortung, Freiheit und Wettbewerb sollen Leitbilder für das Hochschulwesen der Zukunft sein.

Wir wollen den Wettbewerb der Hochschulen verstärken. Wir stellen uns der Aufgabe, gemeinsam mit den Ländern das deutsche Hochschulsystem nicht nur in der Spitze auf Weltniveau zu bringen. Wir wollen auch in der Breite eine Qualität sichern, die eine exzellente und bedarfsgerechte Ausbildung mit Blick auf die zu erwartenden stark steigenden Studierendenzahlen garantiert.

Wir wollen bis zum Jahr 2010 einen europäischen Hochschulraum schaffen. Der "Bologna-Prozess" ist ein richtiger Schritt, damit Europa im Hochschulbereich zusammenwächst. Wir wollen die Mobilität im Hochschulraum Europa fördern und die Kompatibilität der Studiengänge voranbringen.

Die Exzellenzinitiative zur Förderung der Hochschulen und den Pakt für Forschung und Innovation wollen wir gemeinsam mit Ländern, Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen zum Erfolg führen.

Wir halten fest am Ziel, mindestens 40% eines Altersjahrgangs für ein Hochschulstudium zu gewinnen. Deutschland braucht mehr Hochqualifizierte, um den wirtschaftlichen Anforderungen der Zukunft Rechnung zu tragen.

Die Koalitionspartner sind in der Frage von Studiengebühren unterschiedlicher Auffassung.

Das BAföG als Sozialleistung wird in seiner jetzigen Struktur zur Finanzierung des Lebensunterhalts erhalten (keine Reduzierung des Zuschusses).

Wir werden die Begabtenförderung ausbauen.

Wir wollen junge Talente und Nachwuchswissenschaftler fördern und ihnen Karriereperspektiven eröffnen. Die Besten aus aller Welt müssen in Deutschland attraktive Studien- und Arbeitsbedingungen vorfinden. Wir werden die Möglichkeiten eigenständiger Forschung und früher wissenschaftlicher Selbständigkeit stärken und wir werden mit den Ländern nach Wegen suchen, um den Nachwuchswissenschaftlern verlässliche Karrierewege zu eröffnen. Damit wollen wir deutsche Nachwuchswissenschaftler für unser Land zurückgewinnen und erfolgreich um ausländische Wissenschaftler werben. Für Nachwuchswissenschaftler aller Disziplinen werden wir darüber hinaus die exzellenzorientierten Förderprogramme stärken.

Die Vereinbarkeit von Familie und einer Karriere in Forschung und Lehre muss verbessert werden. Es bleibt ein zentrales Anliegen dieser Bundesregierung, Frauen in Lehre und Forschung bessere Karrierechancen zu eröffnen.

3.7 Sonstige forschungs- und bildungsrelevante Rahmenbedingungen

Wir werden uns auch weiter dafür einsetzen, dass es im Rahmen der GATS-Verhandlungen und der weiteren Verhandlung zur EU-Dienstleistungsrichtlinie bei einer klaren Abgrenzung von öffentlichem und privatem Bereich im Bildungswesen bleibt, Rechtsansprüche ausländischer Bildungsanbieter unterbunden werden, Verbraucherschutzregelungen und Qualitätssicherung gewährleistet sind sowie nationale Prioritäten der Bildungspolitik erhalten bleiben.

Wir wollen ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht.  

4. Forschung und Hochschule

Wir müssen Antworten auf die zentralen Herausforderungen der Zukunft finden. Neben einer älter werdenden Bevölkerung und der Globalisierung gehört dazu auch der Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Deutschland als hoch industrialisiertes Land mit wenigen Rohstoffen muss seine Kraft dort konzentrieren, wo es wettbewerbsfähig ist. In innovativen Bereichen mit hoher Wertschöpfung entwickeln wir neue Produkte, Ideen für Ressourcen schonende Verfahren und zukunftsweisende Dienstleistungen. Aus Forschung für Mensch und Umwelt entstehen Innovationen, die Arbeitsplätze sichern und die Lebensqualität verbessern. Voraussetzung dafür ist ein hoher Leistungsstand bei Forschung und Entwicklung sowie bei der Anwendung und Weiterentwicklung moderner Technologien.

Deutschland hat gute Voraussetzungen, um Spitzenleistungen in Wissenschaft und Forschung zu erbringen. Wir haben eine breite gute, teils exzellente Hochschul- und Forschungslandschaft und innovative Unternehmen.

Forschung braucht Freiheit. Dies ist ein hohes Gut. Grundlagenforschung ist die Basis für Innovation. Wir wollen Freiraum für junge Talente, neue Ideen und Experimente. Wir stehen für den Wettbewerb um die besten Köpfe.

Wir wollen eine Innovationspolitik, die die gesamte Wertschöpfungskette von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung im Blick hat. Wir setzen uns für die Internationalisierung der Wissenschaft als Beitrag zur Gestaltung von Globalisierungsprozessen ein.

4.1 FuE-Ausgaben: In die Zukunft investieren

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich das Ziel gesetzt, bis 2010 der stärkste wissensbasierte Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Dazu soll der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf mindestens 3% des Bruttoinlandsproduktes steigen. Deutschland hat bereits einen Anteil von 2,5% erreicht. Die Investitionen in Bildung und Forschung sind für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands von zentraler Bedeutung.

Deshalb stehen wir zum 3%-Ziel und wollen dies in kontinuierlichen Schritten erreichen. Dazu sind erhebliche gemeinsame Anstrengungen von Staat und Wirtschaft erforderlich.

4.2 Innovationspolitik aus einem Guss - innovationsfreundliche Rahmenbedingungen gewährleisten

Wir verpflichten uns zu innovationspolitischem Handeln. Dazu tragen alle Ressorts bei. Ähnlich wie heute Umweltschutz und Nachhaltigkeit bereits wichtige Entscheidungsfaktoren sind, so werden wir auch die Stimulierung von Innovationen zu einem Entscheidungskriterium von staatlichem Handeln machen. Neben der Förderung von Forschung und Technologie wird die Bundesregierung auch die Rahmenbedingungen, insbesondere in den Bereichen Bio- und Gentechnik, Informations- und Kommunikationstechnologien, Chemie, Medizin/Pharma, Energie und Verkehr innovationsfreundlich ausgestalten.

Ethische Prinzipien und wissenschaftlichen Forschritt werden wir weiterhin miteinander in Einklang bringen.

4.3 Schwerpunkte bei den Spitzentechnologien und der Projektförderung

Wir werden gemeinsam mit Wissenschaft und Wirtschaft Innovationsstrategien für Spitzentechnologien entwickeln, um Technologie- und Marktführerschaften für Deutschland auszubauen oder zu erobern. Dazu gehören Bio- und Gentechnologie, Informations- und Kommunikationstechnik, Nanotechnologie und Mikrosystemtechnik, optische Technologien, Energietechnologie, Umwelttechnik und Raumfahrttechnik.

Die Projektförderung schweißt Wissenschaft und Wirtschaft zusammen und hat sich als effektiver Transmissionsriemen zwischen Forschung und Praxis erwiesen. Sie befördert die Entstehung von Netzwerken und Clustern, in denen sich exzellente Wissenschaft und innovative Unternehmen gegenseitig befruchten.

Die Projektförderung des Bundes ist ein wichtiger Hebel zur Erreichung des 3%-Ziels, weil jeder öffentliche Euro mehr als einen weiteren Euro aus der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung mobilisiert. Deswegen wollen wir die Mittel für die Projektförderung innerhalb des 3%-Ziels überproportional steigern.

Wir werden prüfen, ob ein eigenes Forschungsförderungsgesetz als rechtliche Grundlage der Projektförderung des Bundes sinnvoll ist.

Wir wollen sicherstellen, dass wir auch in Deutschland die Chancen nutzen, die neue wissenschaftliche Durchbrüche bieten, etwa die Erkenntnisse der Lebenswissenschaften über die Ursachen und Bekämpfungsmöglichkeiten von Volkskrankheiten oder neuartigen Infektionserkrankungen. Wir werden deshalb die Klinische Forschung in Deutschland stärken. Gesundheitsforschung trägt dazu bei, mit Innovationen die Lebensqualität von Jüngeren wie auch Älteren zu erhöhen und gleichzeitig die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems zu sichern. Zur Entwicklung des Potentials der regenerativen Medizin bei gleichzeitiger Beachtung ethischer Grenzen werden wir der Förderung adulter Stammzellforschung weiterhin eine besondere Bedeutung beimessen.

Wir werden die Forschungsförderung für Nachhaltigkeit weiter stärken. Deutschland leistet entscheidende Beiträge zum Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen, zur Sicherung und Erschließung von Energieressourcen, zur Katastrophenvorsorge, zum Klimaschutz, zur Konfliktlösung und Friedenssicherung.

Ein Beispiel für erfolgreiche Entwicklungen ist das Tsunami-Frühwarnsystem, das von Indonesien inzwischen eingesetzt wird. Die Bundesregierung fördert deshalb Umweltschutztechnik, Erdbeobachtung und regenerative Energietechnologien sowie Sicherheits- und Fusionsforschung.

Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften sind in einer Welt des beschleunigten sozialen und technischen Wandels von hoher Bedeutung. Sie arbeiten an der Reflexion von Veränderung, an der Vergewisserung von Tradition und kulturellem Gedächtnis. Sie leisten auf dieser Grundlage einen entscheidenden Beitrag zu einem kritischen Selbstverständnis der Gegenwart und unserer zukünftigen Handlungsmöglichkeiten. Deshalb werden wir sie stärken.

4.4 Stärkung des Forschungsstandortes Deutschland

Wir wollen ein leistungsfähiges Wissenschafts- und Forschungssystem, das international wettbewerbsfähig ist. Dazu wird universitäre und außeruniversitäre Forschung besser vernetzt und der Technologietransfer mit moderner Clusterpolitik gemanagt.

Wir werden die zwischen Bund und Ländern vereinbarte Exzellenzinitiative zur Stärkung der Hochschulforschung sowie den Pakt für Forschung und Innovation umsetzen sowie den Einstieg in die Vollkostenfinanzierung vornehmen.

Den Bau der beschlossenen Großgeräte werden wir auf eine sichere finanzielle Basis stellen.

4.5 Technologische Leistungsfähigkeit stärken, Technologietransfer verbessern und Forschung in der Wirtschaft anregen

Deutschlands technologische Leistungsfähigkeit beruht zu großen Teilen auf seinem Mittelstand. Damit dieser im globalen Wettbewerb bestehen kann, muss seine Innovationskraft weiter gestärkt werden. Wir werden deshalb spezifische Maßnahmen ergreifen, um bisher nicht innovierende kleine und mittlere Unternehmen gezielt an Forschung und Entwicklung heranzuführen. Wir werden den Zugang zu den bestehenden Förderprogrammen für den Mittelstand weiter vereinfachen und transparenter gestalten.

Wir werden die Bedingungen für wachstumsorientierte Unternehmensgründungen durch eine Gründerinitiative weiter verbessern, insbesondere für Ausgründungen aus der Wissenschaft.

Wir werden neue Instrumente für eine verbesserte Umsetzung wissenschaftlicher Ergebnisse in Produkte und Dienstleistungen schaffen.

Die Bedingungen für Wagniskapital werden wir im internationalen Vergleich wettbewerbsfähig gestalten.

Wir werden die Initiative "Partner für Innovation" unter besonderer Berücksichtigung innovativer mittelständischer Unternehmen weiterentwickeln.

4.6 Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit in den neuen Ländern

Wir werden die Förderpolitik für die neuen Länder konsequent auf Cluster ausrichten, die ihre Stärken damit für die Generierung nachhaltigen Wirtschaftswachstums in ihrer Region nutzen können. Solche Wachstumspole haben überregionale Ausstrahlung und tragen damit zu einer positiven Entwicklung in den neuen Ländern bei. Bestehende Programme werden wir auf ihre Wirksamkeit überprüfen und fortentwickeln. Gerade für die Neuen Länder brauchen wir wirksame Förderstrategien, wie zum Beispiel das international anerkannte Dachprogramm "Unternehmen Region", die das Innovationspotential in den Regionen heben.

4.7 Ressortforschung des Bundes evaluieren

Nach der erfolgreichen Evaluation der institutionellen Forschungsförderung in den 90er Jahren untersucht der Wissenschaftsrat aktuell die Forschungseinrichtungen des Bundes - die so genannte Ressortforschung - übergreifend. Im Jahr 2006 wird der Wissenschaftsrat Empfehlungen zur Ressortforschung des Bundes abgeben. Auf dieser Grundlage werden wir das System weiterentwickeln und verbessern.

4.8 Deutsche Wissenschaft mit weltweiter Strahlkraft

Wir wollen weiter dazu beitragen, den europäischen Wissensraum zu bauen und zu vertiefen. Dabei streben wir die Übernahme einer zentralen Rolle bei der Gestaltung der europäischen Forschungspolitik an, insbesondere durch eine effiziente Beteiligung am 7. Forschungsrahmenprogramm (FRP). Wir setzen uns dafür ein, Prioritäten aus nationaler Sicht auf europäischer Ebene zu verankern. Die deutsche Präsidentschaft 2007 wollen wir nutzen, um die Bedeutung von Bildung, Forschung und Innovation als Schlüssel für Wachstum und Wohlstand in Deutschland und Europa herauszustellen.

4.9 Freude am Können vermitteln - eine neue Innovationskultur entwickeln

Wir wollen mehr junge Menschen in Deutschland für Wissenschaft und Technik begeistern. Als Industrienation müssen wir das Interesse an naturwissenschaftlich-technischen Ausbildungs- und Studiengängen sowie das Bewusstsein für die elementare Bedeutung von Forschung und Innovation für Gesellschaft und Wirtschaft fördern. Wir wollen den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft, wie er mit den Wissenschaftsjahren begonnen wurde, weiter ausbauen.

5. Energie

5.1 Energiepreisanstieg begrenzen, Wettbewerb entfachen

Energiepolitik ist grundlegende Wirtschafts-, Struktur- und Klimapolitik. Eine sichere, kostengünstige und umweltgerechte Versorgung mit Energie ist elementare Voraussetzung einer modernen und leistungsfähigen Volkswirtschaft. Sie ist eng verzahnt mit Industrie-, Technologie-, Mittelstands- und Außenwirtschaftspolitik. Deutschland braucht daher ein energiepolitisches Gesamtkonzept, das eine Vorsorgestrategie im Hinblick auf weltweit knapper werdende fossile Ressourcen beinhaltet.

Ein tragfähiges energiepolitisches Gesamtkonzept muss einen ausgewogenen Energiemix zugrunde legen.

Zwischen CDU, CSU und SPD bestehen hinsichtlich der Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung unterschiedliche Auffassungen. Deshalb kann die am 14. Juni 2000 zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen geschlossene Vereinbarung und können die darin enthaltenen Verfahren sowie für die dazu in der Novelle des Atomgesetzes getroffene Regelung nicht geändert werden. Der sichere Betrieb der Kernkraftwerke hat für CDU, CSU und SPD höchste Priorität. In diesem Zusammenhang werden wir die Forschung zum sicheren Betrieb von Kernkraftwerken fortsetzen und ausbauen.

CDU, CSU und SPD bekennen sich zur nationalen Verantwortung für die sichere Endlagerung radioaktiver Abfälle und gehen die Lösung dieser Frage zügig und ergebnisorientiert an. Wir beabsichtigen in dieser Legislaturperiode zu einer Lösung zu kommen.

In der Atomaufsicht wirken Bund und Länder vertrauensvoll zusammen.

Wichtiger Baustein einer schlüssigen Energiepolitik ist die Intensivierung und Ausweitung der Energieforschung bei erweiterter Mittelausstattung. Wir wollen Innovation und technologische Entwicklung im Energiesektor vorantreiben, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft zu stärken, moderne Energietechnologien schneller auf den Markt zu bringen, und Beiträge zum Klimaschutz zu leisten.

Mit dem deutschen Steinkohlebergbau, dem Land Nordrhein-Westfalen und dem Saarland werden wir die Zukunft des subventionierten Bergbaus abstimmen. Die bis 2008 erteilten Zuwendungsbescheide an die RAG AG sind rechtsverbindlich. Für die Zeit danach gibt es keine Rechtsansprüche. Es müssen weitere Einsparungen gegenüber den bisherigen Verabredungen geprüft werden, ohne den Weg der sozialverträglichen Anpassung zu verlassen. Freisetzungen in die Arbeitslosigkeit sollen vermieden werden. Mit den gegebenenfalls eingesparten Mitteln soll der Strukturwandel in den Bergbauregionen vorangetrieben werden. Der Börsengang der RAG ist eine gute Möglichkeit, die Chancen für die weitere Entwicklung des RAG-Konzerns eröffnen kann. Um zu einer kalkulierbaren und fairen Verteilung der Chancen und Risiken zu kommen, muss als erster Schritt eine belastbare Erhebung der Altlasten stattfinden, da diese nicht als Haushaltsrisiken verbleiben dürfen. Wir werden mit den Beteiligten Anfang 2006 Verhandlungen aufnehmen.

5.2 Erneuerbare Energien

Ein wichtiges Element unserer Klimaschutz- und Energiepolitik ist der ökologisch und ökonomisch vernünftige Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir werden daher:

  • ambitionierte Ziele für den weiteren Ausbau in Deutschland verfolgen, unter anderem

    • den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2010 auf mindestens 12,5% und bis 2020 auf mindestens 20% steigern,

    • den Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergieverbrauch bis 2010 auf 4,2%, bis 2020 auf 10% und danach kontinuierlich entsprechend der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu steigern,

    • den Biomasseanteil am Primärenergieverbrauch mittelfristig deutlich steigern;
       
  • das EEG in seiner Grundstruktur fortführen, zugleich aber die wirtschaftliche Effizienz der einzelnen Vergütungen bis 2007 überprüfen. Dabei werden wir die Vergütungssätze, Degressionsschritte und Förderzeiträume an die Entwicklungsschritte der einzelnen erneuerbaren Energien anpassen und gegebenenfalls neue Schwerpunkte setzen;
  • uns auf die Erneuerung alter Windanlagen (Repowering) und die Offshore-Windstromerzeugung konzentrieren und dafür die Rahmenbedingungen (zum Beispiel Ausbau der Stromnetze) verbessern;
  • die Marktpotentiale erneuerbarer Energien im Wärmebereich durch die Fortführung des Marktanreizprogramms im bisherigen Umfang sowie durch weitere Instrumente, wie zum Beispiel ein regeneratives Wärmenutzungsgesetz, besser erschließen;
  • die EEG-Härtefallregelung unverzüglich so umgestalten, dass die stromintensive Industrie eine verlässlich kalkulierbare Grundlage (Aufhebung des 10%-Deckels) erhält und ihre wirtschaftliche Belastung auf 0,05 Cent pro kWh begrenzt wird;
  • die Berechnungsmethode zur EEG-Umlage transparent und verbindlich so gestalten, dass die Energieverbraucher nur mit den tatsächlichen Kosten der EEG-Stromeinspeisung belastet werden;
  • die internationalen Aktivitäten zum Ausbau der erneuerbaren Energien fortführen und die Gründung einer Internationalen Agentur für erneuerbare Energien (IRENA) initiieren;
  • die Exportinitiative für erneuerbare Energien intensivieren. 

5.3 Biokraftstoffe und nachwachsende Rohstoffe

Kraftstoffe und Rohstoffe aus Biomasse können einen wichtigen Beitrag zur Energie- und Rohstoffversorgung und zum Klimaschutz leisten. Wir werden daher:

  • die Kraftstoffstrategie mit dem Ziel weiterentwickeln, den Anteil von Biokraftstoffen am gesamten Kraftstoffverbrauch bis zum Jahr 2010 auf 5,75% zu steigern;
  • die Mineralölsteuerbefreiung für Biokraftstoffe wird ersetzt durch eine Beimischungspflicht;
  • die Markteinführung der synthetischen Biokraftstoffe (BTL) mit der Wirtschaft durch Errichtung und Betrieb von Anlagen im industriellen Maßstab vorantreiben;
  • Forschung, Entwicklung und Markteinführung nachwachsender Rohstoffe mit der Wirtschaft voranbringen. 

5.4 Energieeffizienz

In der Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden, Geräten, Fahrzeugen, Kraftwerken und Industrieanlagen steckt ein riesiges Potenzial zur wirtschaftlichen Einsparung von Energie. Wir werden daher:

  • die Energieeffizienz der Volkswirtschaft konsequent mit dem Ziel steigern, bis 2020 eine Verdopplung der Energieproduktivität gegenüber 1990 zu erreichen;
  • das CO2-Gebäudesanierungsprogramm auf ein Fördervolumen von mind. 1,5 Mrd. Euro pro Jahr erhöhen, seine Wirksamkeit und Attraktivität entscheidend verbessern (zum Beispiel durch Umstellung auf Investitionszuschüsse, steuerliche Erleichterungen sowie Einbeziehung des Mietwohnungsbaus) und zusätzlich einen Gebäudeenergiepass einführen. Unser Ziel ist es, dass dadurch jedes Jahr 5% des Gebäudebestands vor Baujahr 1978 energetisch saniert werden;
  • die Modernisierung des Kraftwerksparks vorantreiben und den Ausbau von dezentralen Kraftwerken und hocheffizienten KWK-Anlagen fördern; · Wir werden die Fördersystematik des KWK-Gesetzes auf der Grundlage des kurzfristig vorzulegenden Monitoringberichtes überprüfen.
  • die europäischen Initiativen zur Verbesserung der Energieeffizienz unterstützen und auf ein europäisches Top-Runner-Programm hinwirken;
  • die dena-Initiativen zur Energieeinsparung in den Bereichen Gebäude, Stromverbrauch (zum Beispiel stand-by) und Verkehr fortführen und verstärken. 

5.5 Innovationsoffensive "Energie für Deutschland"

Mit einer Innovationsinitiative "Energie für Deutschland" wollen wir bei modernen Energietechnologien Weltspitze bleiben. Deshalb brauchen wir eine Energieforschung, die der Dimension der Aufgabe gerecht wird. Wir werden daher:

  • die Ausgaben für die Energieforschung schrittweise zu verstärken. Davon sollen erneuerbare Energien und Biomasse, Effizienztechnologien bei der Nachfrage (Industrie, Produkte, Verkehr, Gebäude), zentrale und dezentrale Effizienztechnologien bei der Energieerzeugung (einschließlich Speichertechnologien) und ein nationales Innovationsprogramm zu Wasserstofftechnologien (einschließlich Brennstoffzellen) gefördert werden;
  • mit der Wirtschaft vereinbaren, dass sie ebenfalls zusätzliche Mittel in Forschung und Markteinführung von Energietechnologien investiert. 

Mehr Wettbewerb bei der Versorgung mit Strom und Gas ist unser Ziel. Dafür werden wir die Auswirkungen der Anreizregulierung aufmerksam begleiten und die zuständigen Behörden darin unterstützen, ihre kartellrechtlichen Möglichkeiten vollständig auszuschöpfen. Die Instrumente des neuen Energiewirtschaftsrechts (im Hinblick auf Kontrolle, Preisfestlegung der Netzentgelte und Entflechtung der Netze durch die Regulierungsbehörden) werden bei der Bemessung von Durchleitungsgebühren für die Nutzung von Strom- und Gasleitungen konsequent angewendet. Den Oligopolen im deutschen Strom- und Gasmarkt soll unter anderem durch eine Intensivierung des grenzüberschreitenden Wettbewerbs entgegengewirkt werden. Dazu ist auf einen bedarfsgerechten Ausbau der Transitkapazitäten sowie für den deutschen Gasmarkt auf den Aufbau von Flüssig-Erdgasstrukturen hinzuwirken.

Im Interesse einer preisgünstigen Energieversorgung wird die Ökosteuer nicht weiter erhöht. Die geltenden Entlastungsregelungen bei der Ökosteuer für die Industrie werden beibehalten. Wir wollen die internationale Wettbewerbsfähigkeit des produzierenden Gewerbes und insbesondere der energieintensiven Industrie verbessern. Deshalb werden wir bei der Umsetzung der EU-Energiesteuer-Richtlinie Möglichkeiten zur Entlastung ausschöpfen und Wege zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit prüfen.

Wesentliche energiepolitische und energiewirtschaftliche Weichenstellungen werden zunehmend international getroffen. Wir werden daher insbesondere auf die Formulierung energiepolitischer Rahmenbedingungen in der EU und in internationalen Gremien aktiv einwirken und dabei die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft in den Mittelpunkt stellen. Wir setzen uns für europäische Strategien zur nachhaltigen und preisgünstigen Energie- und Rohstoffversorgung ein.

6. Infrastruktur - Verkehr, Bau, Wohnen

Unsere Verkehrspolitik ist sich ihrer Verantwortung für Wirtschaft, Beschäftigung und Umwelt in Deutschland bewusst. Wir wollen mit einer integrierten und nachhaltigen Verkehrspolitik gute Voraussetzungen für die erforderliche Mobilität von Menschen und Gütern, für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze schaffen. Dazu gehören vor allem Erhalt, Modernisierung, Ausbau, bessere Nutzung, Anpassung und Vernetzung der Verkehrsinfrastruktur.

Die Leistungsfähigkeit des gesamten Verkehrssystems muss gesteigert werden. Dabei helfen Lösungen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, deren Entwicklung wir fördern. Um Innovationen, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des Verkehrs zu stärken, nutzen wir steuerpolitische Gestaltungsmöglichkeiten. Im Zuge der europäischen Integration ist die Verbesserung der grenzüberschreitenden Verkehrswege von besonderer Bedeutung.

Logistikstandort Deutschland

Die führende Position Deutschlands als Logistikstandort mit derzeit bereits ca. 2,7 Mio. Arbeitsplätzen als Resultat neuer Logistikketten im Rahmen der zunehmenden Globalisierung werden wir weiter ausbauen. Wir werden international wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für den Logistikstandort Deutschland fördern und seine aktive Vermarktung im In- und Ausland vorantreiben.

Wir werden in Zusammenarbeit mit der Verkehrswirtschaft, der verladenden Wirtschaft und mit wissenschaftlicher Unterstützung einen Masterplan Güterverkehr und Logistik erarbeiten, um insbesondere die Effizienz des Gesamtverkehrssystems für den Güterverkehr zu steigern und die bessere Nutzung der Verkehrswege zu ermöglichen.

Wir werden die Unternehmen in Deutschland bei der Entwicklung von nutzerorientierten Dienstleistungen für GALILEO durch geeignete Rahmenbedingungen unterstützen. Auch werden wir uns für einen diskriminierungsfreien europäischen Markt für Verkehrsmittel und deren Komponenten einsetzen.

Eine Optimierung unseres Verkehrssystems setzt weitere Anstrengungen in verkehrsspezifischer Forschung und Entwicklung voraus.

6.1 Verkehrsinfrastruktur leistungsfähig ausbauen, Investitionen verstetigen

Die Verkehrsprognosen des Bundesverkehrswegeplanes gehen im Vergleichszeitraum 1997 bis 2015 von massiven Steigerungen der Verkehrsleistungen aus. So werden die Verkehrsleistungen im Personenverkehr in diesem Zeitraum um 20% und im Güterverkehr um 64% steigen.

Wir erhöhen die Verkehrsinvestitionen. Der bedarfsgerechte Erhalt und Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserstraßen wird gewährleistet. Zur Gewährleistung eines Mindestbedarfs für die Erhaltung und den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur werden wir im Zeitraum der 16. Legislaturperiode die Investitionslinie der Bundesverkehrswege deutlich erhöhen und verstetigen. Investitionsmittel des Bundes in die Verkehrsinfrastruktur sind nicht als Subventionen zu werten.

Der Schienenverkehr ist unverzichtbar, um das Verkehrswachstum der Zukunft ökonomisch effizient und ökologisch verträglich zu bewältigen. Wir werden Wettbewerbsfähigkeit und Leistungsvermögen der Schiene weiter stärken.

Für den Erhalt und Ausbau der Schienenwege sowie für die Planungssicherheit des Netzbetreibers müssen die Mittel für die Eisenbahninfrastruktur deutlich erhöht und dauerhaft auf dem erhöhten Niveau verstetigt werden.

Neue Finanzierungsinstrumente

Für die Koalition steht grundsätzlich die Gleichwertigkeit aller Verkehrsträger fest. Die Mittel müssen dorthin fließen, wo akuter Handlungsbedarf und Engpässe bestehen. Bei den Zuweisungen von Mitteln an Straße, Schiene und Wasserstraße muss die notwendige Flexibilität gewährleistet sein.

Wir wollen Verkehrsinvestitionen verstetigen und damit langfristige Planungssicherheit schaffen.

Unser Ziel ist es, mehr privates Kapital für den Verkehrswegebau zu mobilisieren. Ergänzend zur Finanzierung der Infrastruktur aus öffentlichen Haushalten eröffnen wir innovative Wege der Finanzierung durch Public-Private-Partnership (PPP). Mit dem Einstieg in die LKW-Maut, der Einrichtung der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) und dem Einsatz von Betreibermodellen wurde in Deutschland erstmals die Möglichkeit geschaffen, die Infrastrukturfinanzierung im Verkehrsbereich auf eine breitere Basis zu stellen. Das soll unter anderem auch durch die Erweiterung der Aufgabenstellung der VIFG erreicht werden. Wir prüfen die Kreditfähigkeit der VIFG.

Die Kosten für die Mobilität müssen sozial verträglich bleiben.

Wachstumsbranche Luftverkehr

Wir unterstützen die Initiative der Luftverkehrswirtschaft "Luftverkehr für Deutschland". Der Masterplan zur Entwicklung der Flughafeninfrastruktur bleibt dabei Grundlage für die weitere Arbeit von Bund, Ländern und Luftverkehrswirtschaft.

Ebenso wird der Bund das "Flughafenkonzept 2000" in Abstimmung mit den Ländern weiterentwickeln.

Wir betrachten es als unsere Aufgabe, die deutsche Flughafeninfrastruktur im Hinblick auf die Funktion Deutschlands als internationalem Luftverkehrsstandort wettbewerbsfähig weiterzuentwickeln. Der Luftverkehrsstandort Deutschland darf im globalen Wettbewerb nicht geschwächt werden.

Die begonnene Privatisierung der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH soll zügig umgesetzt werden.

Faire Wettbewerbsbedingungen im Straßengüterverkehr

Zur Unterstützung eines fairen Wettbewerbs werden wir das Straßengüterverkehrsgewerbe diskriminierungsfrei bei der LKW-Maut entlasten. Dazu werden wir die Genehmigung des Mauterstattungsverfahrens konsequent gegenüber der EU-Kommission voran bringen und gegebenenfalls alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Im Übrigen gilt der Mautkompromiss.

Verkehrswegeplanung

Die im Bundesverkehrswegeplan 2003 und in den Ausbaugesetzen festgeschriebenen Projekte bringen wir zügig voran. Weitere Priorisierungen erfolgen bei der Aufstellung der Fünfjahresplanung.

Wir werden unverzüglich ein Bundeswasserstraßenausbaugesetz erarbeiten.

Wir werden die Realisierung der Verkehrsprojekte des Transeuropäischen Verkehrsnetzes, die einen besonderen Beitrag zum Zusammenwachsen Europas leisten, vorantreiben.

Innovative Vorhaben von besonderem europäischen und Bundesinteresse werden wir fördern.

Wir wollen PPP voran bringen und uns deswegen für die Realisierung der Fehmarn-Belt-Querung als internationales PPP-Referenzvorhaben einsetzen.

Radverkehr

Der Fahrradverkehr wird gemeinsam mit den Ländern und Gemeinden durch die Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans gefördert.

Förderung des ÖPNV

Ein guter Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) sichert die Funktionsfähigkeit und Lebensqualität unserer Städte und ist der Kern eines sozial angemessenen und ökologisch verträglichen Mobilitätsangebotes. Wir werden auch weiterhin den ÖPNV mit einem ausreichenden Finanzierungsbeitrag auf hohem Niveau fördern.

Die Regionalisierungsmittel dienen der Finanzierung und Aufgabenwahrnehmung des ÖPNV.

Mit dem GVFG fördern wir bedeutende Investitionen zum Ausbau des ÖPNV und unterstützen die Kommunen bei notwendigen Infrastrukturinvestitionen. Diese Förderung ist unverzichtbar und leistet einen wichtigen Beitrag für sozial angemessene Ticketpreise im ÖPNV und für mehr Attraktivität des Öffentlichen Verkehrs.

Der mittelständischen Existenzsicherung muss hierbei besondere Beachtung geschenkt werden.

Faire Wettbewerbsbedingungen und Harmonisierung

Die Koalition wird sich in der EU nachhaltig für eine umfassende Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen und eine weitere Öffnung der Verkehrsmärkte in Europa einsetzen. Dazu gehört:

  • die in Deutschland bestehenden Harmonisierungsspielräume zur Entlastung der Verkehrswirtschaft auszuschöpfen,
  • die Harmonisierung der Abgabensysteme und Regelwerke konsequent voranzutreiben und
  • intermodale und intramodale Wettbewerbsverzerrungen, vor allem hinsichtlich Beihilfen und Ausnahmeregelungen, abzubauen. 

Die Koalition wird die Zielsetzungen der EU-Kommission im Weißbuch über die künftige Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik unterstützen. Sie wird dabei aber auch auf eine konsequente Anwendung des Subsidiaritätsprinzips bei der Erstellung und Anwendung europäischer Regelungen hinwirken.

In allen Bereichen des Verkehrssektors werden wir die Intermodalität vorantreiben und Systemgrenzen beseitigen, ohne die Unternehmen in unzumutbarer Weise zu belasten.

6.2 Verkehrswegeplanung vereinfachen und beschleunigen

Planung und Bau von Infrastruktur wollen wir erleichtern und beschleunigen. Mit einem Planungsbeschleunigungsgesetz werden wir die Voraussetzung für eine bundesweit einheitliche Straffung, Vereinfachung und Verkürzung der Planungsprozesse schaffen. Wir streben eine weitere Beschleunigung der Planungsverfahren an und wollen in diesem Zusammenhang Sonderverfahren beseitigen und zu einheitlichen Verfahren und Entscheidungen kommen.

Die guten Erfahrungen mit der Planungsbeschleunigung in den neuen Ländern werden wir für ganz Deutschland nutzen. Diese Erfahrungen zeigen, dass Planungsvereinfachung nicht zu Lasten von Umweltschutz und Bürgerbeteiligung geht. Wir wollen Anregungen der Länder einbeziehen.

Die Planfeststellungsbeschlüsse werden 10 Jahre mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit um fünf Jahre gelten. Wir wollen die Eininstanzlichkeit beim Bundesverwaltungsgericht für Bundesvorrangprojekte auf Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung.

Das neue Planungsrecht soll Anfang 2006 in Kraft treten.

6.3 Bahnreform fortführen

Deutschland braucht eine leistungsfähige, moderne Schieneninfrastruktur und leistungsstarke Schienenverkehrsunternehmen, damit der Verkehrsträger Schiene seiner wichtigen Funktion in einer integrierten Verkehrspolitik gerecht werden kann.

Der Bund unterstützt die Deutsche Bahn AG bei der Fortsetzung ihres Konsolidierungskurses, um deren Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit sowie deren Kundenfreundlichkeit stärken zu helfen. Dabei geht es besonders um Wachstum im Schienenverkehr. Der diskriminierungsfreie Netzzugang für die Wettbewerber der Bahn wird gewährleistet.

Die Bahnreform wird fortgeführt. Die weiteren Schritte der Bahnreform und die Gestaltung des Börsengangs werden in Auswertung des dem Bundestag vorzulegenden Gutachtens unter Beteiligung der zuständigen Parlamentsausschüsse entschieden. Neben Kapitalmarktgesichtspunkten müssen in die Betrachtung verkehrs-, finanz-, haushaltspolitische, volkswirtschaftliche und auch ordnungspolitische Gesichtspunkte mit einfließen. Dabei sind auch europarechtliche Aspekte und der Infrastrukturauftrag des Bundes zu berücksichtigen.

Mit einer Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für das jeweilige Bestandsnetz wird dessen betriebsbereite und qualitativ hochwertige Vorhaltung sichergestellt und gewährleistet. Der Netzzustandsbericht ist dafür die Basis.

Die Umsetzung des Infrastrukturauftrages des Bundes beim Neubau und der Erweiterung des Netzes wird verbindlicher als bisher mit der Bahn vereinbart. Dazu gehören ein verlässliches und transparentes Monitoring sowie verbindliche Durchsetzungsmechanismen.

Wir werden uns in der Europäischen Union für eine rasche Überwindung der nationalen Grenzen des Schienenverkehrs und einen grenzüberschreitenden Wettbewerb einsetzen.

Die Entschädigungsansprüche der Reisenden bei Verspätungen, Ausfällen etc. bei allen öffentlichen Verkehrsträgern werden nach Auswertung des vorliegenden Gutachtens zum Verbraucherschutz verbindlich festgeschrieben.

6.4 Maritimen Standort und Binnenschifffahrt stärken

Die maritime Wirtschaft ist ein wesentlicher Garant für die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland auf den wachsenden globalen Märkten. Wir wollen gemeinsam mit den Küstenländern, der Wirtschaft und Gewerkschaften den auf den Maritimen Konferenzen eingeschlagenen Weg zur Stärkung des maritimen Standortes fortsetzen. Dabei müssen internationale Wettbewerbsverzerrungen und Harmonisierungsdefizite auf europäischer Ebene abgebaut werden - unter Ausnutzung aller nationalen Handlungsspielräume.

Der Wettbewerb zwischen den europäischen Häfen ist ein wichtiger Schritt zu möglichst effizienten Lösungen und darf nicht durch staatliche Beihilfen verzerrt werden. Unser Ziel ist es, die notwendigen seewärtigen und landseitigen Anbindungen der deutschen Seehäfen gezielt und koordiniert auszubauen.

Den deutschen Reedereistandort werden wir weiter stärken. Die erfolgreichen Instrumente wie Tonnagesteuer und Lohnsteuereinbehalt erhalten wir.

Die Leistungsfähigkeit des Maritimen Sicherheitszentrums wird nach drei Jahren evaluiert. Es ist dabei dann auch zu prüfen, ob das bestehende Konzept vorteilhaft ist oder die Einrichtung einer "Nationalen Küstenwache" angestrebt werden sollte.

Die Sicherung und Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Binnenschifffahrt ist für die Koalition ein zentrales Anliegen. Die deutsche Binnenschifffahrt als unbestritten sicherer und umweltfreundlicher Verkehrsträger muss in den kommenden Jahren im Gesamtverkehrssystem deutlich an Bedeutung gewinnen.

Für die Binnenschifffahrt sind gut erhaltene Wasserstraßen in einem integrierten Verkehrssystem ebenso unverzichtbar wie für die Effizienz von Logistikketten.

Das Handlungskonzept des Forums Binnenschifffahrt werden wir bei der weiteren Arbeit berücksichtigen.

Die im 15. Bundestag bereits verabschiedete steuerliche Förderung über den § 6b EStG soll endgültig gesetzlich verankert werden.

6.5 Alternative Kraftstoffe und Antriebe fördern, Lärmschutz und Luftqualität verbessern

Zum Schutz von Mensch und Umwelt und zur Sicherung der Energiebasis des Verkehrs werden wir Initiativen ergreifen, um Kraftstoffe und Antriebe der Zukunft zu entwickeln, unsere internationalen Verpflichtungen im Klimaschutz zu erfüllen sowie Luftqualität und Lärmschutz weiter zu verbessern.

Da fossile Treibstoffe endlich sind, wird von uns die Kraftstoffstrategie - die Entwicklung alternativer Kraftstoffe und innovativer Antriebstechnologien mit dem Ziel "weg vom Öl" - konsequent vorangetrieben. Wir setzen auf den Dialog und die Zusammenarbeit mit der Industrie, um so die Innovationskräfte noch stärker zu mobilisieren. Dazu wird die laufende Forschung zu einem Forschungsschwerpunkt ausgebaut.

Wir werden:

  • die Nachrüstung von Kraftfahrzeugen mit Partikelfiltern aufkommensneutral steuerlich fördern und ab 2008 neue Kraftfahrzeuge ohne diesen Standard mit einem steuerlichen Malus belegen;
  • mit einer möglichst einfachen Lösung die Fahrzeuge so kennzeichnen, dass Fahrzeuge mit geringem Schadstoffausstoß von Verkehrsbeschränkungen ausgenommen werden können und ein Anreiz zum Einsatz von Partikelfiltern gegeben wird;
  • die Maut für schwere Lkw mit hohen Emissionen erhöhen und mit niedrigen
    Emissionen senken.
  • Kleine Lkw sollen in geeigneter Weise in die Emissionsbetrachtung einbezogen und dabei Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Fahrzeugen vermieden werden. 

Wir werden unter Berücksichtung der Interessen der Anwohner und der Luftverkehrswirtschaft das Fluglärmgesetz novellieren. Dabei ist zur Schaffung von Rechtssicherheit für Flughafenausbauvorhaben und -neubauvorhaben eine gesetzliche Verankerung von Lärmgrenzwerten erforderlich.

Durch diese Politik wollen wir Städte und Regionen bei ihrer lebendigen Entwicklung unterstützen, Handel und Gewerbe fördern und die Lebensqualität in Wohngebieten erhalten.

6.6 Verkehrssicherheit

Die erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit muss engagiert fortgeführt werden. Verkehrssicherheitsarbeit kann und darf aber nicht nur Aufgabe des Staates sein, sondern lebt auch von Aktivitäten Dritter. Hier müssen wir ansetzen und persönliches Engagement fördern. Wir werden dabei insbesondere Menschen, die besonderen Risiken ausgesetzt sind, wie Kinder, jugendliche Fahranfänger und Ältere unterstützen.

Das Verkehrssicherheitsprogramm wollen wir in enger Zusammenarbeit mit allen Partnern der Verkehrssicherheitsarbeit fortsetzen, die Forschungsanstrengungen erhöhen und insgesamt die Prävention verbessern.

Verkehrserziehung und Verkehrsaufklärung - kurz Mobilitätserziehung - sind ein Teil des Maßnahmebündels, das die Verkehrssicherheit erhöht.

6.7 Stadtentwicklung als Zukunftsaufgabe

Stadtentwicklung ist moderne Struktur- und Wirtschaftspolitik. Urbanität, Nutzungsvielfalt und Lebendigkeit sind Markenzeichen deutscher Städte und Gemeinden. Wir werden die Städte und Gemeinden - auch des ländlichen Raums - bei der Bewältigung des demographischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels und dem Erhalt historischer Bausubstanz weiter unterstützen.

An der Städtebauförderung als gemeinsamer Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden wird festgehalten. Mit den Förderprogrammen schaffen und sichern wir Arbeitsplätze, da die von der öffentlichen Hand angestoßenen Investitionen in mehrfacher Höhe private Investitionen auslösen. Die Bürgerschaft und die Immobilienwirtschaft sollen stärker in die städtebaulichen Entscheidungen einbezogen werden. Dazu streben wir die Stärkung integrierter Stadtentwicklungskonzepte, vor allem deren Vernetzung mit anderen Planungen und Maßnahmen, an.

Um den Städten sowie der Wohnungs- und Versorgungswirtschaft der neuen Länder bei der Verminderung des Wohnungsleerstandes und der Anpassung der technischen und sozialen Infrastruktur zu helfen, werden wir das Förderprogramm Stadtumbau Ost fortsetzen und nach einer Zwischenevaluierung entscheiden, wie es über 2009 hinaus fortgesetzt werden soll.

Zur Wiedernutzung von Stadtbrachen des wirtschaftlichen und militärischen Strukturwandels werden wir die davon besonders betroffenen Städte im Rahmen des Förderprogramms Stadtumbau West unterstützen.

Wir prüfen, wie die Stadtumbauprogramme mittelfristig zusammengeführt werden können.

Das Programm Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die Soziale Stadt - wird von den Städten intensiv genutzt. Es wird auch weiterhin dazu beitragen, Stadtquartiere zu stabilisieren und die Eigeninitiative der dort lebenden Menschen durch ihre Beteiligung an Entscheidungen vor Ort zu stärken. Das Programm soll weiterentwickelt und auf die gesetzlichen Ziele konzentriert werden. Die Bündelung mit Fördermöglichkeiten anderer Ressorts soll verbessert werden.

Wir haben die historischen Innenstädte der neuen Länder mit dem Programm Städtebaulicher Denkmalschutz vor dem Verfall bewahrt und wieder mit Leben erfüllt. Wir werden dieses Programm fortsetzen und prüfen, wann wir die historischen Städte der alten Länder einbeziehen können.

Zur Verminderung der Flächeninanspruchnahme und zur Beschleunigung wichtiger Planungsvorhaben, vor allem in den Bereichen Arbeitsplätze, Wohnbedarf und Infrastrukturausstattung, werden wir das Bau- und Planungsrecht für entsprechende Vorhaben zur Stärkung der Innenentwicklung vereinfachen und beschleunigen.

Wir werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen erhalten und wenn nötig ausbauen, um die Innenstädte als Einzelhandelsstandorte zu erhalten, sowie um die lokale Ökonomie und die Nutzungsvielfalt zu stärken. Zusammen mit den Ländern, den kommunalen Spitzenverbänden und den Verbänden des Einzelhandels werden wir die Initiative "City 21" fortsetzen. Zur Bewältigung des demographischen Wandels und der Migration wollen wir mit Modellvorhaben Städte dabei unterstützen, Wohnquartiere kinder- und familienfreundlich zu gestalten und die Infrastruktur barrierefrei und altengerecht umzubauen.

Wir wollen den Städten und Gemeinden dabei helfen, in städtischen Wohnquartieren den Fußgänger-, Fahrrad-, ÖPNV- und Autoverkehr so zu vernetzen, dass sowohl ruhiges Wohnen als auch Mobilität möglich sind.

6.8 Bauwesen und Bauwirtschaft als Schlüsselbranche

Der Bausektor ist eine Schlüsselbranche für Wachstum und Beschäftigung. Das reale Bauvolumen beträgt 2005 rund 220 Mrd. Euro. Die Bauwirtschaft ist nach wie vor die bedeutendste Branche in Deutschland. Mehr als 50% aller Investitionen werden hier getätigt. Öffentliche und private Investitionen sollen erleichtert werden, um die Modernisierung der Infrastruktur in Deutschland zu beschleunigen.

Wir werden die gesetzlichen und weiteren Rahmenbedingungen für Public Private Partnership (PPP) im Hoch- und Tiefbau weiter verbessern. Die Zahl der Pilotprojekte soll steigen, die Arbeit der bestehenden PPP Task Force wird verstärkt. Damit erreichen wir die Entwicklung einheitlicher Vertragsstrukturen und die Einführung allgemein anerkannter Regeln für eine Wirtschaftlichkeitsanalyse im Rahmen der Vergabe.

Wir werden die Bauwirtschaft dabei begleiten, ein Leitbild Bauwirtschaft als Gesamtrahmen für eine moderne Baupolitik zu entwickeln, die mit Innovation und Qualität Investitionen und zukunftsfähige Arbeitsplätze sichert.

Die Bauforschung des Bundes wird verstärkt und besser mit europäischen Netzwerken verknüpft.

Wir wollen die Errichtung einer Stiftung Baukultur (Baustiftung des Bundes) voranbringen. Sie soll die Möglichkeiten guten Planen und Bauens als gesellschaftlichen Anspruch für lebendige Städte einer breiten Öffentlichkeit bewusst machen. Darüber hinaus gilt es auch, die hohe Leistungsfähigkeit von Architekten und Ingenieuren in Deutschland auf dem Weltmarkt noch besser darzustellen.

Wir werden die HOAI systemkonform vereinfachen, transparenter und flexibler gestalten, sowie noch stärkere Anreize zum kostengünstigen und qualitätsbewussten Bauen verankern.

Um öffentliche Investitionen zu beschleunigen, novellieren wir das Vergaberecht im Rahmen des bestehenden Systems. Die für große Projekte entwickelten EU-Vorschriften sollten nur für Großprojekte angewendet werden, um nicht die für den Mittelstand wichtige Vielzahl der kleineren Investitionen zu blockieren. VOB und VOL sichern der öffentlichen Hand eine wirtschaftliche und sparsame Beschaffung. Deshalb muss eine auf qualitative Aspekte abzielende und mittelstandsgerechte Vereinfachung des Vergaberechts unter Aufrechterhaltung der VOB erfolgen.

Die Reform der Bundesbauverwaltung wird weiter vorangetrieben. Ziel ist eine weitere Optimierung unter Wahrung der Einheit der Bauverwaltung für zivile und militärische Vorhaben. Wir erhalten die fachlichen Kernkompetenzen der Bauverwaltung und konzentrieren sie auf Baumanagementaufgaben.

6.9 Energetisches Bauen als Beitrag zum Klimaschutz

Wir wollen beim Bauen den Ressourcenverbrauch reduzieren und Betriebskosten mindern, um einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten und zugleich Impulse für mehr Beschäftigung zu geben. Ein Schwerpunkt ist die Substanzerhaltung und Modernisierung des Wohnungsbestandes, um ihn an die geänderten Wohnbedürfnisse anzupassen und den Energieverbrauch zu senken.

Die Durchführung von Contracting-Projekten in Bundesliegenschaften wird verstärkt. Wir beginnen ein Programm zur energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude des Bundes. Auch wollen wir die Einnahmen durch den Verkauf nicht mehr benötigter öffentlicher Liegenschaften stärker für die notwendige Modernisierung der verbleibenden Liegenschaften nutzen und so den Wert des Bundesimmobilienvermögens erhalten.

6.10 Wohnungswesen

Selbst genutztes Wohneigentum, Mietwohnungsbau und genossenschaftliches Wohnen bleiben die drei Säulen der Wohnraumversorgung.

Das Wohngeld wird weiterhin der sozialen Absicherung des Wohnens dienen. Wohngeld ist keine Subvention, sondern eine Fürsorgeleistung. Bund und Länder werden das Wohngeldrecht zügig mit dem Ziel einer deutlichen Vereinfachung überprüfen.

Unser politisches Ziel bleibt die Wohneigentumsbildung von Familien mit Kindern. Eine aktive Familienpolitik im Interesse der Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft muss die Realisierung von Kinderwünschen auch durch ein familiengerechtes Wohnraumangebot unterstützen. Dazu werden wir mit der KfW-Förderbank Wege aufzeigen, wie die Beleihung im nachrangigen Bereich verbessert und verbilligt werden kann. Damit kann auch die Privatisierung von Wohnungen an Mieter unterstützt werden.

Das Wohneigentum soll in die geförderte Altersvorsorge besser integriert werden.

Wir werden das genossenschaftliche Wohnen auf der Grundlage der Empfehlungen der Expertenkommission Wohnungsgenossenschaften weiterentwickeln.

Wir werden die Internationalisierung der Wohnungswirtschaft hinsichtlich der damit verbundenen sozialen, städtebaulichen und bauwirtschaftlichen Auswirkungen sorgfältig analysieren.

7. Umwelt

CDU, CSU und SPD orientieren sich am Leitbild der Nachhaltigen Entwicklung. Eine intakte Natur, reine Luft und saubere Gewässer sind Voraussetzung für hohe Lebensqualität. Wir betrachten den Umweltschutz als gemeinsame Aufgabe von Staat, Bürgern und Wirtschaft. Wir setzen auf Kooperation und auf eine Kombination von Eigenverantwortung der Wirtschaft und der Bürger, aus Markt und Wettbewerb sowie auf die notwendigen verbindlichen Rechtsnormen und ihre wirksame Kontrolle. Eine ambitionierte deutsche Umweltpolitik kann einen zentralen Beitrag zur Modernisierung unserer Gesellschaft leisten. Sie kann zum Motor werden für

  • die Entwicklung und die weltweite Vermarktung von Zukunftstechnologien,
  • die Erhöhung der Energie- und Ressourcenproduktivität und damit der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft,
  • die Schaffung neuer, qualifizierter und sicherer Arbeitsplätze. 

Wir stehen vor großen Herausforderungen, die sich insbesondere aus den Gefahren des Klimawandels und den absehbaren Preis- und Verteilungskonflikten bei Energie und Rohstoffen ergeben. Deutschland und Europa brauchen deshalb einen neuen Aufbruch, der die Ziele erfolgreicher wirtschaftlicher Entwicklung und wirksamen Klima- und Umweltschutzes mit den sozialen Anliegen der Menschen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens im 21. Jahrhundert zusammenführt.

Der wichtigste Schlüssel dazu ist eine Doppelstrategie zur Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz sowie zum Ausbau erneuerbarer Energien und nachwachsender Rohstoffe. Dies ist im Rahmen eines breiten Energiemix der erfolgversprechende Weg zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, zur Verringerung der Belastung von Verbrauchern und Unternehmen durch steigende Energie- und Rohstoffpreise und gleichzeitig zum Schutz der Erdatmosphäre und der Umwelt.

7.1 Klimaschutz und Energie - eine Strategie, ein Programm

Deutschland wird weiterhin seine führende Rolle im Klimaschutz wahrnehmen. Ziel ist, die weltweite Temperatursteigerung auf ein klimaverträgliches Niveau von 2 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Stand zu begrenzen. Wir werden daher:

  • das nationale Klimaschutzprogramm weiter entwickeln und zusätzliche Maßnahmen ergreifen, damit Deutschland sein Kyoto-Ziel für 2008 bis 2012 erreicht;
  • uns dafür einsetzen, dass bis 2009 ein internationales Klimaschutzabkommen für die Zeit nach 2012 geschaffen wird, das auf dem Kyoto-Protokoll aufbaut;
  • uns dafür einsetzen, dass andere Industriestaaten und wirtschaftlich fortgeschrittene Schwellenländer in ein neues Klimaschutzabkommen einbezogen werden und ihren Fähigkeiten entsprechende Verpflichtungen übernehmen;
  • vorschlagen, dass sich die EU im Rahmen der internationalen Klimaschutzverhandlungen verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2020 insgesamt um 30% gegenüber 1990 zu reduzieren. Unter dieser Voraussetzung wird Deutschland eine darüber hinaus gehende Reduktion seiner Emissionen anstreben;
  • die Klimaschutzvereinbarung mit der Wirtschaft aus dem Jahr 2000 evaluieren;
  • eine Partnerschaft für Klima und Innovation mit der deutschen Wirtschaft und gesellschaftlichen Gruppen anstoßen, die gerade auch für den Mittelstand weltweit Zukunftsmärkte erschließt;
  • basierend auf der Initiative der G8 eine neue Partnerschaft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern vorantreiben, die auf eine anspruchsvolle Modernisierung der Energieversorgung zur Steigerung der Energieeffizienz und auf den Ausbau erneuerbarer Energien gerichtet ist. Diese Partnerschaft soll ein verbindliches Klimaschutzabkommen ergänzen, keinesfalls aber ersetzen;
  • darüber hinaus ein internationales Aufforstungsprogramm anstreben, um die Fähigkeit von Wäldern zur Bindung von Kohlenstoff zu nutzen. 

7.2 Emissionshandel

Wir werden den Emissionshandel als wichtiges Instrument des Klimaschutzes ökologisch und ökonomisch effizienter gestalten und daher:

  • den Nationalen Allokationsplan für die Periode 2008 bis 2012 auf der Basis der im Zuteilungsgesetz 2005/2007 festgelegten Ziele aufstellen, Mitnahmeeffekte (windfall profits) vermeiden und die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieverbrauchenden Wirtschaft besonders berücksichtigen;
  • das Zuteilungssystem transparenter und unbürokratischer gestalten und soweit europarechtlich möglich Kleinanlagen herausnehmen;
  • durch eine erleichterte Nutzung internationaler Klimaschutzprojekte (zum Beispiel JI und CDM) nach dem Kyoto-Protokoll die Marktchancen der deutschen Industrie im Ausland stärken;
  • die EU-Kommission bei ihrer Prüfung unterstützen, den Flugverkehr in angemessener Weise in einen Emissionshandel einzubeziehen;
  • die Einbeziehung anderer Industrieländer und großer Schwellenländer in einen weltweiten Emissionshandel vorantreiben;
  • in der 2. Zuteilungsperiode darauf achten, dass Anreize zum Neubau von effizienten und umweltfreundlichen Kraftwerken gegeben werden. 

Wir wollen die Kostenbelastung der Wirtschaft durch den CO2-Emissionshandel senken. Dazu wollen wir gegebenenfalls eine Überarbeitung der EU-Emissionshandelsrichtlinie anstreben. Bei der Fortschreibung des Nationalen Allokationsplans 2 (2008 - 2012) werden wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit der energieverbrauchenden Wirtschaft besonders berücksichtigen. Das Zuteilungssystem ist transparenter und unbürokratischer zu gestalten, die Einbeziehung anderer Industrieländer und großer Schwellenländer in den Emissionszertifikate-Handel werden wir einfordern. Zur erhöhten Flexibilität des CO2-Emissionshandels ist die schnelle Umsetzung der flexiblen Kyoto-Mechanismen (zum Beispiel JI und CDM) notwendig.

7.3 Neuordnung des Umweltrechts

Im europäischen und im deutschen Umweltrecht achten wir darauf, ein hohes Schutzniveau für Gesundheit und Umwelt mit möglichst unbürokratischen und kostengünstigen Regelungen zu erreichen und so die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu stärken. Dies gilt auch für die laufenden Verhandlungen zur Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien (REACH).

Mit einem Planungsbeschleunigungsgesetz werden wir die Voraussetzungen für eine bundesweit einheitliche Straffung, Vereinfachung und Verkürzung der Planungsprozesse schaffen, ohne dass dies zu Lasten von Umweltschutz und Bürgerbeteiligung geht. Die guten Erfahrungen mit der Planungsbeschleunigung in den neuen Ländern, die wir nutzen wollen, zeigen, dass dies geht.

Das historisch gewachsene, zwischen verschiedenen Fachgebieten sowie zwischen Bund und Ländern stark zersplitterte Umweltrecht, entspricht nicht den Anforderungen an eine integrierte Umweltpolitik:

  • Das deutsche Umweltrecht soll vereinfacht und in einem Umweltgesetzbuch zusammengefasst werden.
  • Die verschiedenen Genehmigungsverfahren sind im Rahmen eines Umweltgesetzbuchs durch eine integrierte Vorhabengenehmigung zu ersetzen.
  • Die Bundesregierung wird in Brüssel eine Initiative für die notwendige innere Harmonisierung und Vereinfachung des europäischen Umweltrechts ergreifen.
  • Der WTO und anderen Handelsabkommen darf kein Vorrang vor den internationalen Abkommen zum Schutz der Umwelt eingeräumt werden. Für diese Neuorientierung des deutschen Umweltrechts werden im Rahmen der Reform des Grundgesetzes (Föderalismusreform) die Voraussetzungen geschaffen. 

7.4 Nationales Naturerbe

Unser Land verfügt über ein reichhaltiges Naturerbe. Dieses wollen wir für zukünftige Generationen bewahren. Es geht um eine neue Partnerschaft von Naturschutz, nachhaltiger Landwirtschaft und umweltverträglichem Tourismus. Wir werden daher:

  • gesamtstaatlich repräsentative Naturschutzflächen des Bundes (inkl. der Flächen des "Grünen Bandes") in einer Größenordnung von 80.000 bis 125.000 Hektar unentgeltlich in eine Bundesstiftung (vorzugsweise DBU) einbringen oder an die Länder übertragen. Zur kurzfristigen Sicherung des Naturerbes ist ein sofortiger Verkaufsstopp vorzusehen;
  • anstreben, den Flächenverbrauch gemäß der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf 30 ha/Tag bis 2020 zu reduzieren und für ein Flächenressourcenmanagement finanzielle Anreizinstrumente entwickeln;
  • mit einer nationalen Strategie den Schutz der Natur verbessern und mit einer naturverträglichen Nutzung kombinieren;
  • die Natura 2000-Richtlinie im Rahmen des europäischen Rechts mit Augenmaß umsetzen;
  • wo sinnvoll möglich, den Schutz naturnaher Lebensräume durch kooperative Lösungen, insbesondere den Vertragsnaturschutz, sicherstellen. Soweit notwendig, werden ordnungsrechtliche Maßnahmen eingesetzt;
  • unsere Flüsse und ihre Auen als Lebensadern der Landschaft und in ihrer Funktion für einen vorbeugenden Hochwasserschutz erhalten und entwickeln. 

7.5 Verkehr und Immissionsschutz

Zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs von Fahrzeugen und der Verminderung von CO2-Emissionen im gesamten Straßenverkehr werden wir

  • wirksame Anreize für die Einführung hocheffizienter Antriebe durch eine am CO2- und Schadstoffausstoß orientierte Kfz-Steuer schaffen;
  • die Selbstverpflichtung des europäischen Automobilverbands ACEA unterstützen, bis 2008 bei Neufahrzeugen eine durchschnittliche Emission von 140 g CO2 pro km nicht zu überschreiten. Wir schlagen vor, dass für die bis 2012 angestrebte weitergehende Absenkung auf 120 g CO2 pro km mit einem bestimmten Prozentsatz die Verwendung von Biokraftstoffen eingerechnet werden kann;
  • die Entwicklung alternativer Kraftstoffe und innovativer Antriebstechnologien mit dem Ziel "weg vom Öl" im Dialog mit der Industrie vorantreiben. Wir streben eine Trendwende bei der Lärmbelastung der Bevölkerung, insbesondere im Bereich Verkehrslärm, an. Dazu werden wir ein Lärmminderungsprogramm entlang von bestehenden Bundesfernstraßen und Schienen entwickeln. Auf nationaler Ebene ist die Novellierung des Fluglärmgesetzes vordringlich. 

7.6 Abfall, Wasser

CDU, CSU und SPD werden auf europäischer und nationaler Ebene der umweltverträglichen Kreislaufwirtschaft neue Impulse geben. Wir brauchen in Europa ein einheitlich hohes Umweltschutzniveau mit anspruchsvollen Standards für die Abfallentsorgung, um Umweltdumping durch Billigentsorgung Einhalt zu gebieten.

Wir werden die Abfallwirtschaft hin zu einer nachhaltigen ressourcenschonenden Stoffwirtschaft weiterentwickeln. Ausgangspunkt hierfür ist die im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz geregelte Produktverantwortung.

Die Kommunen sollen auch in Zukunft eigenständig über die Organisation der Wasserversorgung wie auch der Abfall- und Abwasserentsorgung entscheiden können. Das Steuerprivileg für die Abwasser- und Abfallentsorgung soll beibehalten werden.

Bund und Länder werden die europäische Wasserrahmenrichtlinie in enger Abstimmung umsetzen und sich gemeinsam auf europäischer Ebene für ein harmonisiertes Vorgehen einsetzen. Beim Bau und der Unterhaltung von Bundeswasserstraßen ist dem in der Richtlinie verankerten Schutz der Gewässer und der Erhaltung ihrer ökologische Funktionen Rechnung zu tragen.

7.7 Nachhaltige Entwicklung

Die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ist Ziel und Maßstab unseres Regierungshandelns, auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie greifen wir auf und entwickeln sie weiter. Bewährte Einrichtungen wie der im Bundeskanzleramt verankerte Staatssekretärsausschuss für Nachhaltige Entwicklung, der Rat für Nachhaltige Entwicklung sowie der Parlamentarische Beirat sollen weitergeführt werden.

8. Landwirtschaft

8.1 Den ländlichen Raum und den Agrarstandort Deutschland stärken

Wir wollen eine starke und wettbewerbsfähige Land-, Forst-, Fischerei- und Ernährungswirtschaft in Deutschland. Diese Wirtschaftsbereiche erbringen eine hohe Wertschöpfung, sichern Arbeitsplätze in vornehmlich ländlich geprägten Regionen und haben eine große Bedeutung: Für die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung, als Rohstoff- und Energielieferanten, für die Pflege und den Erhalt der Kulturlandschaft sowie die Stabilisierung des ländlichen Siedlungs- und Wirtschaftraumes.

Dieser großen Bedeutung ist mit einer Politik der Verlässlichkeit gerecht zu werden. Wir werden die Wettbewerbsfähigkeit dieser Bereiche stärken und die Bürokratie abbauen. Denn als mittelständisch strukturierte Wirtschaftszweige sichern die Landwirtschaft und die übrige Agrarwirtschaft rund 4 Mio. Arbeitsplätze und erbringen rund 7% des Bruttoinlandproduktes.

Alle landwirtschaftlichen Unternehmen sollen unabhängig von ihrer Betriebsgröße, ihrem Produktionsprofil und ihrer Rechtsform gleichberechtigt nebeneinander wirtschaften können. Größenbezogene Kappungsgrenzen lehnen wir ab.

Beim Thema Bürokratieabbau werden wir die EU-Kommission bei der für 2006 geplanten Aufstellung eines Aktionsplanes nachdrücklich unterstützen und durch einen nationalen Aktionsplan "Stärkung des Agrarstandortes Deutschland durch Innovationsförderung und Bürokratieabbau" begleiten. Dazu wird eine Arbeitsgruppe unter Federführung des BMELV mit Vertretern der Regierungsfraktionen des Bundestages und der Landesregierungen eingerichtet.

Bei allen budgetären und steuerlichen Maßnahmen ist die Wettbewerbssituation der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu berücksichtigen.

Wir wollen Wertschöpfung und Arbeitsplätze im ländlichen Raum sichern und ausbauen. Dazu ist ein sektorübergreifender Förderansatz am besten geeignet. Die Bundesregierung wird eine nationale Strategie zur ländlichen Entwicklung vorlegen und darüber einen umfassenden Dialog führen.

Die Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes ist zu erhalten. Ziel muss es sein, sowohl die konventionell als auch die ökologisch wirtschaftenden Betriebe zu stärken.

Bei der weiteren Verwaltung und Privatisierung der ehemals volkseigenen Flächen werden wir die agrarstrukturellen Belange der neuen Länder berücksichtigen.

Wir fordern die Telekommunikationsunternehmen auf, den Ausbau der Infrastruktur einer modernen Kommunikationstechnik im ländlichen Raum voranzutreiben.

8.2 Rahmenbedingungen der EU-Agrarpolitik verlässlich gestalten

In der Europäischen Union ist die Agrarpolitik im letzten Jahrzehnt grundlegend reformiert worden. Die Bundesregierung steht zu dieser Neuausrichtung.

Im Interesse der deutschen Landwirte und zum Schutz der Verbraucher treten wir für faire Wettbewerbsbedingungen in allen Regionen der Europäischen Union ein. Dazu gehören die EU-weite Harmonisierung von Verbraucher-, Umwelt- und Tierschutzstandards auf möglichst hohem Niveau. Sowohl bei Entscheidungen auf EU-Ebene als auch bei nationalen Umsetzungen muss die Wettbewerbssituation der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft berücksichtigt werden. Die von der deutschen Landwirtschaft erreichten Standortvorteile bei der Prozess- und Produktqualitiät werden nicht zur Disposition gestellt und sollen weiter ausgebaut werden.

Am einstimmigen Beschluss der Staats- und Regierungschefs vom Oktober 2002 über die Finanzierung der Ersten Säule der EU-Agrarpolitik hält die Bundesregierung aus Gründen der Planungssicherheit und Verlässlichkeit fest. Die Finanzierung der Zweiten Säule muss ausreichend abgesichert und die gleichgewichtige Entwicklung beider Säulen gewährleistet bleiben.

8.3 WTO-Verhandlungen auch im Agrarhandel zu einem erfolgreichen Abschluss bringen

Wir wollen einen erfolgreichen Abschluss der Doha-Entwicklungsrunde. Die EU hat mit der Agrarreform vom Juli 2003 und dem im Sommer 2004 beschlossenen Juli-Paket dafür wesentliche Vorleistungen erbracht und die Voraussetzungen für einen Erfolg verbessert.

Die WTO-Verhandlungen müssen in allen Bereichen gleichzeitig zu einem Erfolg geführt werden. Die Liberalisierung der Agrarmärkte darf nicht das einzige Verhandlungsergebnis sein. Ziel der Verhandlungen im Agrarbereich ist der weltweite Abbau von Verzerrungen im Agrarhandel, um den Entwicklungsländern einen größeren Anteil am weltweiten Handel zu ermöglichen. Hierzu soll es grundsätzlich einen vollständigen Abbau aller Subventionen für Exporte geben. Gleichzeitig werden wir den Marktzugang für Produkte der Entwicklungsländer unter anderem durch Zollsenkungen verbessern.

Wir wollen in dieser WTO-Runde eine Perspektive für das europäische Agrarmodell mit seinen hohen Anforderungen an die Landwirtschaft schaffen. Da viele dieser Leistungen auf den Märkten nicht entlohnt werden, treten wir dafür ein, die nichthandelsverzerrende "Green-Box" weiter beizubehalten. Ein ausreichender Außenschutz muss gewährleistet bleiben. Es ist unser Ziel, die hohen europäischen Standards im Tier-, Natur- und Umweltschutz sowie in der Lebensmittelsicherheit in den Verhandlungen zu verankern.

8.4 Agrarsoziale Sicherung zukunftsfest gestalten

Das eigenständige System der landwirtschaftlichen Sozialversicherung wird langfristig nur gewährleistet werden können und zukunftsfest bleiben, wenn die Systeme modernisiert, die Beiträge und Leistungen chancengleich an andere Sozialsysteme angepasst und schrittweise mit den allgemeinen sozialen Sicherungssystemen verzahnt werden.

Im Hinblick auf den sich beschleunigenden landwirtschaftlichen Strukturwandel und im Gesamtkontext der beabsichtigten Reform der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland verständigen sich die Koalitionsparteien auf folgendes Vorgehen:

  • Festhalten an dem Agrarsozialreformgesetz von 1995, mit dem gewährleistet ist, dass sich die Beiträge in der landwirtschaftlichen Alterssicherung an der Beitrags-/Leistungs-Relation in der gesetzlichen Rentenversicherung orientieren.
  • Weiterentwicklung und Reform des gegenwärtigen Rechts der landwirtschaftlichen Kranken- und Unfallversicherung mit den Zielen angemessene Beitragsbelastung und innerlandwirtschaftliche Beitragsgerechtigkeit. Die Bereitstellung von Bundesmitteln muss den strukturellen Besonderheiten der Landwirtschaft Rechnung tragen.
  • Bewertung der 2001 beschlossenen Organisationsreform und Modernisierung der Organisationsstrukturen. 

8.5 Nutzung der nachwachsenden Rohstoffe ausbauen

Wir sehen noch erhebliche Potenziale für die Landwirtschaft in der Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Mit dem EEG und anderen Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Forschung und Entwicklung sowie bei der Markteinführung erneuerbarer Energien wurde ein Handlungsrahmen gesetzt, der den Landwirten große Perspektiven bietet. Weitere Perspektiven bestehen bei der Einspeisung von Biogas in die Versorgungsnetze und vor allem auch bei der stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Die Bundesregierung wird dafür Sorge tragen, die industrielle, energetische und stoffliche Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen als wichtige Entwicklungsperspektive insbesondere der Landwirtschaft auszubauen und damit zukunftsfähige Wertschöpfungspotentiale in den ländlichen Räumen weiter zu entwickeln. Die Forschung in diesem Bereich wollen wir ressortübergreifend forcieren.

8.6 Aktive Tierschutzpolitik

Der Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz ist für uns Verpflichtung und Leitfaden für eine aktive Tierschutzpolitik.

Wir werden uns auf EU-Ebene für die Festlegung von hohen Tierschutzstandards einsetzen, die diesem Anspruch genügen, damit darüber hinaus gehende nationale Regelungen möglichst nicht erforderlich werden. Wir wollen erreichen, dass die Lebendtiertransporte zurückgeführt, die Transportdauer von Tieren reduziert und die Transportbedingungen verbessert werden.

Die Ersatzmethoden zum Tierversuch sind auf nationaler wie europäischer Ebene zügig weiter zu entwickeln. Wir setzen uns auch deshalb für Alternativmethoden ein, damit Tierversuche nicht mehr automatisch bei der Risikobewertung eines Stoffes erforderlich sind.

Mit einem praxisgerechten Prüf- und Zulassungsverfahren für serienmäßig hergestellte Stalleinrichtungen zur artgerechten Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren werden wir die Haltungsbedingungen grundlegend und nachhaltig weiter verbessern.

Am Verbot der Käfighaltung von Legehennen halten wir fest. Wir wollen den Tierhaltern artgerechte Haltungsformen parallel zur Boden- und Freilandhaltung ermöglichen. Der von der EU-Kommission Anfang 2006 vorzulegende Bericht zur Tierschutzbewertung unterschiedlicher Haltungssysteme wird dabei berücksichtigt.

Die Bundesregierung wird kurzfristig entsprechend dem Bundesratsbeschluss den Entwurf einer Schweinehaltungsverordnung vorlegen.

8.7 Eine nachhaltige Wald- und Fischereiwirtschaft

Das Bundeswaldgesetz hat sich grundsätzlich bewährt. Die Inhalte einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung sollen im Gesetz klarer gefasst und Maßnahmen ergriffen werden, um strukturelle Nachteile insbesondere nichtstaatlicher Forstbetriebe zu überwinden. Die Charta für Holz wird umgesetzt. Die Bundesregierung unterstützt die Zertifizierung nachhaltig bewirtschafteter Wälder und wird bei ihren Beschaffungsmaßnahmen auch künftig nur Holz aus zertifizierten Beständen nutzen. Sowohl das Bundeswald- als auch Bundesjagdgesetz sollen in der Kompetenz des Bundes bleiben.

Die Bundesregierung sieht in der Zukunftsbranche Fischerei weiteren Entwicklungsbedarf.

Im Kontext der Weiterentwicklung der Europäischen Fischereipolitik wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, eine dem Nachhaltigkeitsgrundsatz verpflichtete Bewirtschaftung natürlicher Fischbestände durchzusetzen, insbesondere die so genannte Industriefischerei in stärkerem Umfange und nachgeordnet zu den Bewirtschaftungsstrategien aller anderen Fischereien zu regulieren sowie die Fangtechnologien in Richtung höchstmöglicher Selektivität weiterzuentwickeln.

Wir setzen uns für den Fortbestand des kommerziellen Walfangverbotes ein.

8.8 Agrarforschung stärker vernetzen

Die deutsche Agrarwirtschaft ist auf eine leistungsfähige inländische Agrarforschung angewiesen. Wir wollen daher zusammen mit der Wissenschaft und den Ländern ein Gesamtkonzept erarbeiten und umsetzen, um die Agrar-, Ernährungs- und Verbraucherforschung langfristig zu sichern, die vorhandenen Ressourcen auf die neuen Herausforderungen auszurichten, effizienter zu gestalten und stärker zu vernetzen.

8.9 Grüne Gentechnik verantwortlich nutzen

Die Biotechnologie stellt eine wichtige Zukunftsbranche für Forschung und Wirtschaft dar, die bereits weltweit etabliert ist. Der Schutz von Mensch und Umwelt bleibt, entsprechend dem Vorsorgegrundsatz, oberstes Ziel des deutschen Gentechnikrechts. Die Wahlfreiheit der Landwirte und Verbraucher und die Koexistenz der unterschiedlichen Bewirtschaftungsformen müssen gewährleistet bleiben. Das Gentechnikrecht soll den Rahmen für die weitere Entwicklung und Nutzung der Gentechnik in allen Lebens- und Wirtschaftsbereichen setzen.

Die EU-Freisetzungsrichtlinie wird zeitnah umgesetzt und das Gentechnikgesetz novelliert. Die Regelungen sollen so ausgestaltet werden, dass sie Forschung und Anwendung in Deutschland befördern. Dazu ist es unverzichtbar, gesetzliche Definitionen (insbesondere Freisetzung, in Verkehr bringen) zu präzisieren. Die Bundesregierung wird darauf hinwirken, dass sich die beteiligten Wirtschaftszweige für Schäden, die trotz Einhaltung aller Vorsorgepflichten und der Grundsätze guter fachlicher Praxis eintreten, auf einen Ausgleichsfonds verständigen. Langfristig ist eine Versicherungslösung anzustreben.

9. Bürokratieabbau

9.1 Entlastung der Bürger und der Wirtschaft von Bürokratiekosten

Die Neuentlastung von Bürgern, Wirtschaft und Behörden von einem Übermaß an Vorschriften und der damit einhergehenden Belastung durch bürokratische Pflichten und Kosten ist ein wichtiges Anliegen der Koalition.

Die neue Bundesregierung wird deshalb als Sofortmaßnahme durch ein Artikelgesetz ("small-company-act") Unternehmen von besonders wachstumshemmender Überregulierung befreien und insbesondere dem Mittelstand sowie Existenzgründern mehr Luft zum Atmen verschaffen. Vordringlich sind dabei der Abbau von Statistik-, Nachweis-, Dokumentations- und Buchführungspflichten, die Vereinfachung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, der Abbau von Doppel- und Mehrfachprüfungen, die Vereinheitlichung von Schwellenwerten zum Beispiel im Bilanz- und Steuerrecht, die Begrenzung der Verpflichtung von Betrieben zur Bestellung von Beauftragten, die Vereinfachung der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung von Kleinbetrieben sowie die Entbürokratisierung der bestehenden Förderprogramme.

Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass eine auf Einzelmaßnahmen beschränkte Rechtsbereinigung nicht ausreicht, um die Bürokratie und die dadurch entstehenden finanziellen Lasten insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen zu beseitigen. Als wesentliches Hindernis hat sich dabei erwiesen, dass bis heute in Deutschland keine Methode existiert, bestehende Bürokratiekosten zuverlässig zu erfassen und für neue Gesetze sicher vorherzusagen.

Erfahrungen in anderen Ländern, insbesondere den Niederlanden, haben aber gezeigt, dass die Berechnung möglich ist. Erst auf der Grundlage dieser Info rmationen wird Bürokratiekostenabbau nachprüfbar. Die Bundesgierung wird die Empfehlungen der Europäischen Union und der OECD umsetzen und das in mehreren europäischen Ländern bewährte Standardkosten-Modell zur objektiven Messung der bürokratischen Belastungen von Unternehmen umgehend einführen. Die Bundesregierung wird sodann eine solche Messung der bestehenden bürokratischen Lasten veranlassen, die durch Bundesgesetze hervorgerufen worden sind. Auf dieser Grundlage wird die Bundesregierung anschließend ein konkretes Ziel der Rückführung der Bürokratiekosten bis zum Ende der Legislaturperiode festlegen.

Beim Bundeskanzleramt wird zur Begleitung dieses Prozesses ein unabhängiges Gremium von Fachleuten (Normenkontroll-Rat) eingesetzt, das unter anderem Gesetzesinitiativen der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen auf ihre Erforderlichkeit und die damit verbundenen bürokratischen Kosten hin überprüft. Der Rat hat darüber hinaus das Recht, Gesetze, die nach seiner Auffassung überflüssig sind oder gegen sonstige Prinzipien guter Gesetzgebung verstoßen, zu benennen und eine begründete Stellungnahme dazu gegenüber dem Kabinett abzugeben. Der Vorsitzende des Rates kann die Auffassungen seines Gremiums dem Bundeskanzler oder - stellvertretend - dem ChefBK unmittelbar vortragen.

Die Bundesregierung wird in Übereinstimmung mit den Empfehlungen des "Mandelkern-Berichts" der EU-Kommission die Rechtsetzung auf europäischer Ebene bereits in der Frühphase ebenso intensiv begleiten wie die Umsetzung europäischen Rechts in nationales Recht. Im Vorblatt zu jedem Gesetzentwurf, mit dem europäisches Recht umgesetzt werden soll, sind künftig das Verhältnis der einzelnen Regelungen zu Rechtsvorschriften der EU sowie der Umsetzungsstand in den anderen EU-Mitgliedsstaaten ausführlich darzustellen.

9.2 Planungsbeschleunigung und Entbürokratisierung

Planung und Bau von Infrastruktur wollen wir erleichtern und beschleunigen. Mit einem Planungsbeschleunigungsgesetz werden wir die Voraussetzung für eine bundesweit einheitliche Straffung, Vereinfachung und Verkürzung der Planungsprozesse schaffen. Die guten Erfahrungen mit der Planungsbeschleunigung in den neuen Ländern werden wir für ganz Deutschland nutzen. Diese Erfahrungen zeigen, dass Planungsvereinfachung nicht zu Lasten von Umweltschutz und Bürgerbeteiligung geht. Wir wollen Anregungen der Länder einbeziehen.

Die Planfeststellungsbeschlüsse werden 10 Jahre mit einer einmaligen Verlängerungsmöglichkeit um fünf Jahre gelten. Wir wollen die Ein-Instanzlichkeit beim Bundesverwaltungsgericht für Bundesvorrangprojekte auf Grundlage des vorliegenden Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Das neue Planungsrecht soll Anfang 2006 in Kraft treten. Um keine Regelungslücke im Hinblick auf das bestehende Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsrecht entstehen zu lassen, soll das gegenwärtige Gesetz parallel bis zum Inkrafttreten des Nachfolgegesetzes verlängert werden.