Das Neunfache ihres Körpergewichts müssen Piloten in Kampfjets aushalten können. Die riesige Zentrifuge des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe in Königsbrück simuliert diese gewaltigen Kräfte und hilft zu erforschen, wie mit dieser Belastung umgegangen werden kann.
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Beim Kurvenflug eines Kampfjets treten Kräfte auf, die ohne Hilfsmittel und Training den Piloten handlungsunfähig machen können. Durch die Vervielfachung des Körpergewichts in Richtung der Füße wird das Blut in den unteren Körperteil gedrückt. Das kann zuerst zu Seheinschränkungen bis zum Blackout und dann zur Bewusstlosigkeit führen. Training hilft, dem Effekt kurzzeitig entgegenzuwirken und so handlungsfähig zu bleiben.
Das reicht allerdings nicht aus, so dass auch technische Hilfsmittel notwendig sind, mit denen sich Forscherinnen und Forscher des Zentrums für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe (ZentrLuRMedLw) befassen. Das sind in erster Linie Anti-G-Anzüge. G steht für Gravitation. Ein G ist die normale Erdbeschleunigung, also die Kraft, mit der alle Gegenstände von der Erde angezogen werden. Durch Beschleunigung kann sich diese Kraft vervielfachen.
Das Prinzip dieser Anzüge klingt einfach: Je nach Belastung pressen sie Beine und Unterbauch zusammen und sorgen so für einen Gegendruck gegen das in die unteren Körperregionen strebende Blut. Es liegt auf der Hand, dass das Tragen dieser Anzüge nicht sehr bequem ist. Auch kann die Wirksamkeit je nach Konstruktion unterschiedlich sein. Der Gegendruck kann durch Luft- oder Füllung mit Flüssigkeit erfolgen, was ganz unterschiedliche Auswirkungen auf Tragekomfort und Wirkung hat. Auch können die Kammern mehr oder weniger gut der Muskelstruktur angepasst sein.
Fachleute testen die Anti-G-Anzüge in der institutseigenen Humanzentrifuge, mit der diese Beschleunigungskräfte in einer dem Eurofighter-Cockpit nachgebildeten Kapsel simuliert werden. In dem Gerät – einem der weltweit größten – werden zudem künftige Piloten auf ihre Belastbarkeit hin getestet und trainiert. Die Ergebnisse der Forschung führen zu Empfehlungen für die Beschaffung ebenso als Hinweis an die Hersteller, wie sich die Anzüge verbessern lassen.
"Das Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin bündelt die fachlichen Zuständigkeiten auf dem Gebiet der militärischen Flugmedizin. Es nimmt die Fachaufgaben 'Fliegerärztlicher Dienst' und 'Luft- und Raumfahrtmedizin' für die gesamte Bundeswehr wahr", erläutert Generalarzt Professor Dr. Raphael Schick, Leiter der Einrichtung.
Das Zentrum mit Hauptsitz in Köln ist auch zuständig für die flugpsychologische Auswahl und Eignungsfeststellung von Pilotenanwärterinnen und -anwärtern, für flugmedizinische Untersuchungen und interdisziplinäre Begutachtung bis zur langfristigen Betreuung des militärischen Luftfahrtpersonals. Eingeschlossen ist hierbei die Krisenintervention in Belastungssituationen sowie die anlassbezogene Begutachtung von militärischen wie auch zivilen Piloten. Hier werden Flugdienst- und Schutzausrüstungen, Flugbekleidung und Rettungssysteme erprobt. Darüber hinaus dienen psychologische und rechtsmedizinische Flugunfalluntersuchungen einschließlich toxikologischer und DNA-Analysen der Flugsicherheit.
In Königsbrück gibt es auch weitere Großgeräte, in denen die besonderen Anforderungen der Luftfahrt simuliert werden können – so eine Höhen-Simulationsanlage, in der sich die Klima- und Sauerstoffsituation bis zu einer Höhe von 25.000 Metern simulieren lässt. Weiterhin ermöglicht ein Desorientierungstrainer im Rahmen eines simulierten Fluges deutlich zu machen, wie die Wahrnehmung im Flug mit einem Kampfjet getäuscht wird. Piloten lernen hier, lieber den Instrumenten als ihrem eigenen Gefühl zu trauen.
Die extremen Belastungen auf Piloten können natürlich auch negative gesundheitliche Auswirkungen haben. Die starken Andruckkräfte belasten vor allem die Halswirbelsäule. In einem weiteren Forschungsprojekt wird deshalb untersucht, ob sich durch ein gezieltes sportliches Training der Hals- und Schultermuskulatur gegen solche Gesundheitsschäden vorbeugen lässt. Das Training kann jeder allein mit wenigen Hilfsmitteln durchführen.
Insgesamt 18 vor allem angehende Pilotinnen und Piloten mussten zu Beginn des Projekts in der Zentrifuge bei starkem Druck bestimmte Kopfbewegungen ausführen. Sensoren an den entscheidenden Muskeln erfassten die Aktivität. Gleichzeitig beobachteten die Wissenschaftlerinnen genau den Gesichtsausdruck und verschiedene medizinische Messwerte. Nach der Zentrifugenfahrt füllten die Probanden einen ausführlichen Fragebogen aus. Danach erfolgte die Phase, in der die Probanden drei Monate lang das vorgegebene Training absolvierten. Nach dieser Phase wird nun der Test in der Zentrifuge wiederholt und erneut befragt. Sollte sich der erhoffte positive Effekt einstellen, dürfte das Trainingsprogramm künftig in die Pilotenausbildung aufgenommen werden.