Die EU und die Türkei wollen gemeinsam den Zustrom von Flüchtlingen bewältigen - ein wichtiges Ergebnis des EU-Gipfels. Die Türkei gehe Verpflichtungen ein, was die Behandlung der Flüchtlinge betrifft. Im Gegenzug sei die EU bereit, auch eine Lastenteilung mit der Türkei vorzunehmen, sagte Merkel.
In kurzer Zeit sei eine sehr "substanzielle Migrationsagenda" abgearbeitet und behandelt worden. Diese lasse die Umrisse einer Kooperation mit der Türkei in Fragen der Flüchtlinge durchaus erkennen. Es habe hierzu eine "produktive Diskussion" gegeben, allerdings habe man noch ein großes Stück Arbeit vor sich. Das sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in Brüssel unmittelbar nach Beendigung des Europäischen Rates.
Die Türkei habe schon seit mehreren Jahren Verantwortung für mehr als zwei Millionen Flüchtlinge in unmittelbarer Nähe der Europäischen Union übernommen.
"Es ist im Sinne der Lastenteilung, der Solidarität zwischen benachbarten Staaten sicherlich richtig, dass auch die Europäische Union überlegt, wie sie sich daran beteiligt", so Merkel. Im Gegenzug habe die Türkei zugesagt, dass sie die Stellung der Flüchtlinge in der Türkei verbessere. Als Beispiel nannte Merkel soziale Leistungen für Flüchtlinge im Gesundheitsbereich.
Die Bundeskanzlerin wird den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan am Sonntag (18. Oktober) treffen. Ihr Besuch finde angesichts dieser Fortschritte zu einem "guten Zeitpunkt" statt. Sie werde bei den weiteren Gesprächen mit der Türkei sehr eng mit dem Europäischen Rat und der Kommission zusammenarbeiten.
Die Staats- und Regierungschefs berieten in Brüssel auch über den beschleunigten Aufbau und die konkrete Ausgestaltung der Hotspots in Italien und Griechenland. Die Bundeskanzlerin betonte, es gehe darum, an den EU-Außengrenzen Einrichtungen zu haben, in denen Flüchtlinge registriert und ihre Bleibeperspektive bewertet werde. Von dort aus sollen Rückführungen oder die Verteilung auf andere EU-Länder erfolgen.
Der Europäische Rat nahm auch weitere Maßnahmen in den Blick, die bereits beim Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs am 23. September beschlossen worden waren. So ist es für den Schutz der EU-Außengrenzen notwendig, dass die Mitgliedstaaten mehr Personal für Frontex und das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen EASO bereit stellen. Dies bekräftigte der Europäische Rat noch einmal.
Die Staats- und Regierungschefs diskutierten auch, wie das Mandat von Frontex verstärkt werden könne, um die Außengrenzen der Europäischen Union effektiver zu schützen.
Auch die Programme für humanitäre Hilfen in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer Syriens sollen unterstützt werden. Dazu zählen das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen und der regionale Treuhandfonds der Europäischen Union (Madad-Fonds).
In ihrer Regierungserklärung hatte die Kanzlerin am Donnerstag (15. Oktober) betont, dass Deutschland einen eigenen Betrag von 100 Millionen Euro für die Lager etwa in Jordanien und dem Libanon bereitgestellt habe. "Sollte sich herausstellen, dass diese Zusagen gerade auch mit Blick auf den anstehenden Winter nicht ausreichen, dann werden wir weitere Mittel einsetzen", sagte Merkel.
Darüber hinaus sollen dem neu eingerichteten EU-Treuhandfonds für Afrika finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden.
Eine Ursache der Flüchtlingskrise ist noch immer der Bürgerkrieg in Syrien. Die Bundeskanzlerin hat sich im Vorfeld des Europäischen Rates mit dem französischen Präsidenten und dem britischen Premierminister beraten, um die Haltung der drei Länder zur Lösung des Syrien-Konflikts abzustimmen.
"Um die Situation in dem von Terror und Gewalt so furchtbar gequälten Land zu stabilisieren und langfristig zu befrieden, brauchen wir natürlich einen Prozess des politischen Dialogs, der auch Russland und andere internationale Akteure, auch regionale Akteure, miteinbezieht", das hatte die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung (15. Oktober) gesagt.
Auch der Europäische Rat bekräftigte, dass sich Europa uneingeschränkt an einer politischen Lösung des Konflikts beteiligte. Ein dauerhaften Frieden könne es unter der derzeitigen syrischen Führung allerdings nicht geben. Der Rat äußerte sich auch besorgt über die russischen Angriffe auf die syrische Opposition und Zivilisten sowie die Gefahr einer weiteren militärischen Eskalation.
Gipfelthema waren am Rande zudem die gegenwärtigen Verhandlungen Großbritanniens mit der EU. Premierminister David Cameron wird seine Forderungen im November konkretisieren. Der Europäische Rat wird sich im Dezember erneut mit diesem Thema befassen.
Auch der Stand der Beratungen zur Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion wurde unter den Staats- und Regierungschefs bilanziert. Auch dieses Thema wird der Dezember-Rat wieder auf seine Tagesordnung setzen.