Die EU-Staaten wollen auf freiwilliger Basis die Verteilung von 60.000 Flüchtlingen organisieren: Das ist ein Ergebnis des EU-Rats in Brüssel. Kanzlerin Merkel bezeichnete das Flüchtlingsproblem als eine der größten Herausforderungen der EU.
"Wir haben uns entschieden, dass wir für 60.000 Menschen Hilfe geben wollen", sagte Merkel beim Gipfel in Brüssel. Diese setzen sich aus 40.000 Menschen zusammen, die bereits in der EU angekommen sind - zum Beispiel in Italien und Griechenland - und nun innerhalb der EU umverteilt werden sollen. Weitere 20.000 Flüchtlinge, die aus Bürgerkriegsgebieten kommen, sollen neu in die EU aufgenommen werden.
Die Um- und Neuverteilungen würden auf freiwilliger Basis geschehen, "an der sich aber alle Mitgliedstaaten beteiligen wollen", so Merkel.
"Ich bin der festen Überzeugung, dass wir hier vor einer der größten Herausforderungen stehen, vor der die Europäische Union stand", erklärte Merkel zum Flüchtlingsproblem. Die Bundeskanzlerin sprach von einer "sehr wichtigen und auch notwendigen Diskussion", die die Staats- und Regierungschefs über die Verteilung der Flüchtlinge geführt hatten.
Die jetzt getroffene Übereinkunft auf freiwilliger Basis sei "ein kleiner Schritt voran, aber es werden noch weitere Schritte folgen müssen." Auch wenn die Diskussion kompliziert gewesen sei, sei doch "der gemeinsame politische Wille spürbar, dass man eine Lösung findet, dass ausreichend Angebote auch auf freiwilliger Basis da sind." Auch hier gelte das Prinzip, dass Solidarität und eigene Anstrengungen zusammengehörten, so Merkel.
Der Europäische Rat einigte sich auf eine Rückkehrpolitik für Migranten. Dabei geht es um Menschen, die keinen rechtlichen Anspruch auf Einreise in die EU haben.
Auch über die Bekämpfung der Fluchtursachen habe man diskutiert. Der Gipfel habe sich damit befasst, wie man die Kooperation mit den afrikanischen Partner verbessern und auch die Entwicklungshilfe besser einsetzen könne.
Merkel wies darauf hin, dass die Bundesregierung 8,3 Milliarden Euro mehr für Entwicklungshilfe ausgeben werde. Schwerpunkt dabei sei auch die Bekämpfung von Fluchtursachen.
Dem für Herbst geplanten Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs mit den afrikanischen Staaten auf Malta messe man "entscheidende Bedeutung" bei.
Bereits im April hatte sich der Europäische Rat auf einem Sonder-Gipfel mit dem Thema Flüchtlinge befasst. Danach hatte die EU-Kommission eine umfassende "Europäische Migrationsagenda" vorgelegt. Seitdem wurden Tausende Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet. Die EU hat die Mittel für die Seenotrettung im Mittelmeer verdreifacht. Deutschland hat sich unter anderem mit zwei Marineschiffen beteiligt. Sie haben in den vergangenen Wochen mehrere Tausend Menschen aus akuter Seenot gerettet.
Thema der Beratungen war auch die Schuldenkrise Griechenlands. Am zweiten Gipfeltag hat die Bundeskanzlerin noch einmal mit dem griechischen Ministerpräsidenten Tsipras gesprochen. Gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Hollande habe sie Tsipras "sehr ermuntert, das außergewöhnlich großzügige Angebot der drei Institutionen jetzt auch anzunehmen", und zwar "im Sinne einer guten Lösung für Griechenland". Die Sitzung des Rats der Eurogruppe am Samstag habe "entscheidenden Charakter", so Merkel.
Die Staats- und Regierungschefs hätten ihren politischen Willen bekundet, "dass die Finanzminister in der Eurogruppe zusammen mit den drei Institutionen und Griechenland eine Lösung finden." Dies sei sehr klar artikuliert worden, berichtete die Bundeskanzlerin schon nach dem ersten Gipfeltag.
Die Staats- und Regierungschefs der 28 EU-Mitgliedstaaten trafen sich zu ihrem planmäßigen Gipfel am 25. und 26. Juni 2015 in Brüssel. Im Mittelpunkt dieses Europäischen Rates standen die Themen Migration und Griechenland. Auf der Tagesordnung standen auch die Sicherheitspolitik, die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion, die Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) und der Europäischen Fonds für strategische Investitionen. Auch die Digitale Agenda und der Abschluss des Europäischen Semesters 2015 war Gegenstand der Verhandlungen.
Der britische Premierminister David Cameron stellte am ersten Gipfeltag sein Vorhaben für ein EU-Referendum in Großbritannien vor. Es soll spätestens 2017 stattfinden. Im Vorfeld möchte Großbritannien bessere Bedingungen für sein Land aushandeln. Im Dezember wird sich der Europäische Rat dann inhaltlich mit den Reformwünschen befassen.
Die Bundeskanzlerin betonte, dass man diesen Prozess konstruktiv begleiten wolle und ein großes Interesse daran habe, Großbritannien als wichtiges EU-Mitglied zu halten.
Am zweiten Gipfeltag beschäftigte sich der Europäische Rat mit Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg war zu Gast - ein Zeichen dafür, "dass wir die Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Nato und die der Europäischen Union in sehr enger Koordinierung sehen", wie Merkel betonte. Die EU arbeite in bewusster, klarer Ergänzung zu dem, was die Nato tue.
Man hat sich im Kreis der Staats- und Regierungschefs darauf festgelegt, dass die EU bis Juni 2016 eine neue Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik erarbeiten werde. Kanzlerin Merkel: "Wir wissen, dass diese Strategie überzeugende Antworten geben muss auf die völlig veränderte Sicherheitslage." Die bisherige Sicherheitsstrategie datiert aus dem Jahre 2003.
Merkel ging in der Pressekonferenz am Freitagnachmittag auch auf den am Morgen verübten Anschlag auf eine Gasfabrik in der Nähe von Lyon ein und sprach den Opfern ihr Beileid aus. Der Anschlag habe den Gipfelteilnehmern noch einmal klargemacht, welche Herausforderung der Kampf gegen den Terrorismus sei.
Gerade mit Blick auf den islamistischen Terror sei es "sehr sehr wichtig, dass wir unsere Sicherheit verteidigen können." Auch mit Blick auf die Migrationspolitik müsse aufgepasst werden, dass islamistische Kämpfer nicht in die Europäische Union eindringen könnten. Deshalb sei auch die "Registrierung und Einhaltung von Standards bei der Aufnahme von Flüchtlingen von äußerster Wichtigkeit", so Merkel.
Die Staats- und Regierungschef haben Jacques Delors den Titel "Ehrenbürger von Europa" verliehen. Sie würdigen damit Delors Einsatz für die Integration Europas. Der Franzose Jacques Delors war von 1985 bis 1995 Präsident der Europäischen Kommission. Unter seiner Führung machte die europäische Integration große Fortschritte. Durch den Vertrag von Maastricht 1992 wurde aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft die Europäische Union. Sie basiert auf den Säulen Europäischen Gemeinschaften, der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit. Außerdem wurde für 500 Millionen Europäer die Unionsbürgerschaft eingeführt, die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt und eine Wirtschafts- und Währungsunion eingeführt.