"Retten, löschen, bergen, schützen"

Feuerwehrmann Jörg Zipoll im Interview "Retten, löschen, bergen, schützen"

Sie retten Menschen bei Unfällen oder Hausbränden, helfen aber auch bei der Integration: Die von Kanzlerin Merkel beim Abend der deutschen Feuerwehren gewürdigten Freiwilligen Feuerwehren in Deutschland leisten viel. Im Interview spricht Ortsbrandmeister Jörg Zipoll auch über die Nachwuchsförderung der Feuerwehr.

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Das Interview im Wortlaut:

Herr Zipoll, seit 30 Jahren engagieren Sie sich in der Freiwilligen Ortsfeuerwehr. Was hält Sie schon so lange dabei?

Bei uns im Dorf ist es so: Die Feuerwehr ist hier in den ländlichen Regionen noch ein starker Mittelpunkt. Wir haben weder einen Sportverein noch einen Schützenverein. Der zentrale Anlaufpunkt ist bei uns die Freiwillige Feuerwehr. Das ist die Motivation, auch für die Jugendlichen. Da gibt es Aktivitäten, da gibt es mal eine Fahrt und es werden Feste ausgerichtet. Das Dorfleben hat bei uns immer um die Freiwillige Feuerwehr stattgefunden. Das war für mich als Jugendlicher das Eine.

Und das Andere?

Das Andere ist natürlich, dass die Senioren auch alle in der Feuerwehr waren. Die haben hier alle Wohn- und Grundbesitz, der geschützt werden muss. Daher sage ich den Leuten als Wehrleiter auch heute noch, dass sie sich engagieren müssen. Je älter man wird, desto mehr geht die Motivation natürlich auch in diese Richtung. Es geht hier nicht ums Feiern, sondern wirklich auch um die Feuerwehr. Retten, löschen, bergen, schützen, wie es so schön heißt. Wir sind hier direkt an einer Landesstraße und haben daher auch viel mit Verkehrsunfällen zu tun. Da muss man schon ein paar Leute haben, die da mit Leib und Seele dabei sind. In den letzten Jahren hatten wir auch sehr viel mit Sturmschäden zu tun, ob das nun mit dem Klimawandel zusammenhängt oder nicht. Da ist es auch wichtig, dass sich handwerklich geschickte Leute engagieren. Dafür sind wir Landwirte hier natürlich prädestiniert.

Zur Person: Jörg Zipoll
Jörg Zipoll, 45, ist mit 15 Jahren in die Freiwillige Feuerwehr der Samtgemeinde Elbtalaue (Niedersachsen) eingetreten. In seiner Ortswehr Laase war er zudem 20 Jahre lang Ortsbrandmeister. Hauptberuflich ist Zipoll Landwirt und Betreiber einer Biogasanlage.

Warum sind Freiwillige Feuerwehren so wichtig in Deutschland?

Ich glaube, Berufsfeuerwehren wären einfach nicht bezahlbar. Die Kommunen könnten sich das nicht leisten. Bei der Feuerwehr geht es ja immer auch um Rettungszeiten. Es gibt Vorgaben über bestimmte Zeiten, wann wer am Einsatzort sein muss. Eine Berufsfeuerwehr wäre in einem Landkreis wie unserem, der eine riesige Fläche aber nur wenige Einwohner hat, gar nicht bezahlbar. Das Ehrenamt ist für die Feuerwehr eine Grundvoraussetzung. Für die täglichen Einsätze, aber auch für die Großschadenslagen. Die diversen Jahrhunderthochwasser in den letzten zehn Jahren haben gezeigt, wie wichtig Freiwilligkeit ist. Ohne die tausend freiwilligen Helfer hätten wir das gar nicht geschafft. In unserer Samtgemeinde Elbtalaue haben wir um die tausend aktive Mitglieder in der Freiwilligen Feuerwehr und das bei rund 20.000 Einwohnern. Das Ehrenamt ist exorbitant wichtig, um den Brandschutz und die anderen Aufgaben der Feuerwehr in Deutschland aufrechtzuerhalten.

Gibt es heutzutage noch genügend junge Menschen, die sich in der Freiwilligen Feuerwehr engagieren?

Das ist ein ganz wichtiges Thema für uns. Wir beobachten seit Jahren, dass die Zahl der Einsatzkräfte in unserer Gemeinde rückläufig ist. Wir haben natürlich versucht, dagegen zu steuern. Vor einigen Jahren haben wir mit als die Ersten in Deutschland begonnen, schon Kinder ab sechs Jahren spielerisch an die Feuerwehr heranzuführen. Mit zehn oder elf Jahren können sie dann in die Jugendfeuerwehr und mit 16 Jahren in die richtige Feuerwehr. Wir betreiben viel Nachwuchsförderung, aber gerade in unserem Landkreis ist das sehr schwer. Viele Jugendliche ziehen für die Ausbildung weg oder gehen studieren. Daher müssen wir auch versuchen, die älteren Leute länger in der Feuerwehr zu halten. Zum Beispiel, indem man die Altersgrenze für Feuerwehrleute etwas nach hinten verschiebt und sie so länger als nur bis 63 in der Feuerwehr tätig sein dürfen.

Wie haben sich die Freiwilligen Feuerwehren in den letzten Jahren verändert?

Die Nachwuchssorgen sind auch ein bisschen aus der Geschichte geboren. Als ich damals in die Feuerwehr eingetreten bin, waren wir eine reine Männerfeuerwehr. Es stand damals tatsächlich in den Statuten, dass Frauen nicht in der Feuerwehr sein dürfen. Vor gut 20 Jahren haben wir das dann geändert und auch Frauen in die Feuerwehr aufgenommen. Heute sind unter unseren 42 aktiven Mitgliedern ungefähr ein Drittel Frauen. Die übernehmen alle Aufgaben, machen die schweren Abschlusslehrgänge und haben auch Führungsaufgaben. Da hat der Wandel wirklich stattgefunden.

Es wird in letzter Zeit viel darüber gesprochen, dass Feuerwehren und Rettungskräfte an ihren Einsätzen gehindert oder bei ihrer Arbeit selbst gefährdet werden. Konnten Sie das in den letzten Jahren auch verstärkt beobachten?

Ja, das hat in den letzten Jahren eindeutig zugenommen. Ein Problem ist, dass die Leute unsere Einsätze fotografieren und die Bilder dann ins Netz hochladen. Da tauchen dann urplötzlich Bilder auf Facebook auf, das finde ich ganz schlimm. Oder auch, dass die Leute sich einmischen und uns sagen wollen, was wir zu tun haben, wenn wir zum Beispiel einen Verletzten bergen. Ich weiß nicht, wo die Leute sich das Recht dafür hernehmen.

Die Bundesregierung hat ein Gesetz auf den Weg gebracht, das Polizisten und Rettungskräfte im Einsatz besser vor Angriffen und Behinderungen schützen soll. Der Bundestag hatte das Gesetz bereits im April beschlossen, am 12. Mai hat auch der Bundesrat das Gesetz gebilligt.

Wie können Freiwillige Feuerwehren bei der Integration helfen?

Ich würde sagen, dass gerade die dörflichen Feuerwehren dazu prädestiniert sind, Menschen zu integrieren. Sie sind die zentrale Anlaufstelle im Dorf, und da ist es auch egal, ob das Menschen aus dem Ausland sind oder fremde Zugezogene aus der Stadt. Die Feuerwehren freuen sich, wenn jemand kommt und mitmachen will. Als Wehrleiter ist es mir auch ganz persönlich wichtig, den Zusammenhalt hier im Dorf zu fördern.

Das Interview führte Franca Schreiber.