"Man muss sich aufeinander verlassen können"

Sommerinterview "Man muss sich aufeinander verlassen können"

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat betont, dass sich US-Nachrichtendienste auf deutschem Boden an deutsches Recht halten müssen. Sie erwarte eine entsprechende Zusage der amerikanischen Regierung, sagte sie im ARD-Sommerinterview.

2 Min. Lesedauer

Bundeskanzlerin Angela Merkel während des ARD-Sommerinterviews

Bundeskanzlerin Angela Merkel während des ARD-Sommerinterviews

Foto: Bundesregierung/Denzel

Die Reise von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nach Washington sei ein "erster Schritt" zur Aufklärung über die Tätigkeit der US-Dienste gewesen, so Merkel. Es werde nun überprüft, ob diese in der Vergangenheit auf deutschem Boden deutsches Recht eingehalten hätten. Dazu habe Präsident Barack Obama die Anweisung gegeben, bestimmte Akten offen zu legen. Diese Zusage sei ein "wichtiges Zeichen".

"Ich erwarte eine klare Zusage der amerikanischen Regierung für die Zukunft, dass man sich auf deutschem Boden an deutsches Recht hält", so die Bundeskanzlerin. "Wir sind befreundete Partner, wir sind in einem Verteidigungsbündnis. Man muss sich aufeinander verlassen können." Der Innenminister werde dem Parlamentarischen Kontrollgremium über den weiteren Aufklärungsprozess Bericht erstatten.

Zweck heiligt nicht die Mittel

Es brauche eine einheitliche europäische Regelung zum Datenschutz, unterstrich Merkel. Es gebe zum Beispiel noch keine Einigung darüber, ob Internet-Unternehmen wie Google oder Facebook den europäischen Ländern Auskunft geben müssen, an wen sie Daten weiter geben. Deutschland strebt dies an und wird diesen Wunsch auf dem nächsten europäischen Justiz- und Innenrat noch einmal deutlich machen. "Das muss Teil eines solchen Datenschutzabkommens sein."

Bei internationalen Verhandlungen über die Arbeit der Geheimdienste und den Datenschutz werde man auf sehr unterschiedliche Philosophien stoßen, sagte die Kanzlerin. Man werde intensive Gespräche über Verhältnismäßigkeit führen. "Der Zweck heiligt nicht die Mittel", betonte die Kanzlerin. Das werde die deutsche Devise in diesen Verhandlungen sein.

Aufklärung im Internet vorantreiben

"Wir erleben eine unglaubliche technische Revolution und hier müssen wir auf neue Möglichkeiten auch neue Antworten finden", sagte Merkel. Das beschränke sich nicht nur auf die Tätigkeit der Geheimdienste, sondern betreffe auch den Umgang mit Daten überhaupt.

Die Bundeskanzlerin verwies auch auf die Initiative "Deutschland sicher im Netz", die unter Schirmherrschaft des Bundesinnenministeriums steht. Man werde sich mehr damit befassen müssen, wie sich die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten lasse. Sie werde die aktuellen Ereignisse zum Anlass nehmen, auch die Aufklärung im Bereich der Datenverschlüsselung voranzutreiben.

Hohe Steuereinnahmen durch Beschäftigung und Vertrauen

Erneut erteilte die Bundeskanzlerin Steuererhöhungen eine klare Absage. "Wir hatten noch nie so viele Steuereinnahmen wie im Augenblick." Gründe dafür seien die gute Beschäftigungslage und das Vertrauen der Wirtschaft. Deshalb sei es wichtig, die Menschen und die Unternehmen nicht durch Steuererhöhungen zu verunsichern.

Zur Energiewende sagte die Kanzlerin, dass diese den Kriterien Bezahlbarkeit, Umweltverträglichkeit und Versorgungssicherheit genügen müsse. Dringend nötig sei eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, besonders im Blick auf die Energiekosten.

Verwunderung über Ereignisse in der Türkei

Angesprochen auf die Entwicklungen in der Türkei und ihre Erwartungen an Ministerpräsident Erdogan, sagte Merkel: "Ich erwarte, dass die demokratischen Grundsätze eingehalten werde: Demonstrationsfreiheit, Meinungsfreiheit, ein verhältnismäßiger Umgang mit Demonstranten." Dort seien in den vergangenen Wochen Fragezeichen aufgetaucht. "Ich war ehrlich gesagt doch sehr verwundert, dass es zu solchem Umgang in der Türkei gekommen ist."

Die Entwicklung in Ägypten bezeichnete die Kanzlerin als "sehr schwierig". Sie teile die Auffassung des Bundesaußenministers, dass der vom Militär abgesetzte Präsident Mohammed Mursi wieder freigelassen werden sollte. Alle Bevölkerungsgruppen müssten in Ägypten in den politischen Prozess eingebunden werden.