Europäisches Netzwerk gegen Desinformation

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Interview zum German-Austrian Digital Media Observatory (GADMO) Europäisches Netzwerk gegen Desinformation

Desinformation endet nicht an den nationalen Grenzen. Auch die EU setzt sich deshalb dagegen ein – zum Beispiel mit dem European Digital Media Observatory (EDMO). Die Vernetzungsstelle koordiniert und unterstützt regionale Faktenchecker. Auch im deutschsprachigen Raum gibt es seit kurzem einen Knotenpunkt im EDMO-Netzwerk. Faktenchecker Stefan Voß erklärt die Hintergründe und Zielsetzung.

5 Min. Lesedauer

Karte Observatorium, Sternwarte

EDMO und die nationalen oder multinationalen Hubs (Knotenpunkte) bilden ein Netzwerk, das darauf abzielt, Desinformation zu bekämpfen und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Demokratie sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene zu analysieren.

Foto: EDMO

Herr Voß, wer und was ist GADMO? 

Stefan Voß: GADMO steht für German-Austrian Digital Media Observatory und besteht aus Nachrichtenagenturen, Faktencheckern und Wissenschaftlern aus dem deutschsprachigen Raum. Wir sind Teil eines europaweiten Netzwerks, in dessen Zentrum das European Digital Media Observatory (EDMO) steht. Diese Organisation soll die Bemühungen im Kampf gegen Desinformationen bündeln. Gleichzeitig sind wir ein wichtiger Teil im europäischen Prozess der Plattformregulierung (Digital Services Act , Code of Practice, Media Freedom Act).

Dabei wird ein möglichst ganzheitlicher Ansatz verfolgt: Wir sammeln und untersuchen die kursierenden Desinformationen in Europa, liefern Einschätzungen, wie die Moderation der Plattformen funktioniert und bieten Medienkompetenzschulungen an. Und GADMO ist bewusst nicht exklusiv, sondern offen für die Vernetzung mit anderen Initiativen, die sich auf dem Gebiet engagieren.

Plattform für Faktenchecks
Seit Februar 2023 haben die Faktencheck-Teams und Forschenden, die sich als GADMO zusammengeschlossen haben, die neue Faktencheck-Plattform „Fakten gegen Fakes“ gestartet. Damit entsteht das größte freizugängliche Archiv von deutschsprachigen Faktenchecks. Künftig sollen auch Lernangebote zur Förderung der Medienkompetenz auf der Seite angeboten werden.

Was ist das langfristige Ziel des Projektes?

Voß: Wir wollen unsere Kräfte vereinen und das größte deutschsprachige Faktencheck-Archiv aufbauen. Wir als Gesellschaft müssen zur Bewahrung der Demokratien die faktenbasierte Gegenrede erhalten. Sie ist die Grundlage im Kampf gegen Desinformationsstrategien und von dort können weitere Maßnahmen folgen: etwa analysieren, wie die Plattformen ihre Inhalte moderieren und pre- oder debunken ; also falsche Informationen nachträglich korrigieren oder im Voraus auf mögliche Desinformation hinzuweisen. Das ist aber erst der zweite Schritt, da im öffentlichen Diskurs derzeit noch so viele Falschbehauptungen kursieren, dass wir diese erst einmal abarbeiten müssen. Perspektivisch wollen wir mit einem Newsletter über aktuelle Faktenchecks informieren und die breite Bevölkerung zu einer kritischeren Mediennutzung anleiten.

Porträt Stefan Voß von der dpa. 

Stefan Voß ist Leiter der Verifikation bei der Deutschen Presse-Agentur und Teil des GADMO-Teams. Er ist außerdem seit vielen Jahren Social Media-Trainer und schulte mit Faktencheck22 mehr als 100 deutsche Medienhäuser zu den Schwerpunkten Recherche und Verifikation. 

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Wie können die Bürgerinnen und Bürger auf Ihre Arbeit zugreifen? 

Voß: Schon heute können uns Menschen kontaktieren und Behauptungen über Whatsapp zur Überprüfung zuzuschicken. Inzwischen gibt es bei der dpa ein Archiv mit mehr als 5.000 Faktenchecks. Davon sind ungefähr 2.000 zur Corona-Pandemie und etwa 400 zum Krieg in der Ukraine. Es bleibt auch weiterhin unser Ziel, nicht nur Tatsachenbehauptungen zu überprüfen, sondern unsere Erkenntnisse auf eine praktische Weise mit der Öffentlichkeit zu teilen. Ab Februar 2023 wird unsere Arbeit im GADMO-Projekt auf einer eigenen Webseite festgehalten. Dieser Internetauftritt dient dann als zentrale Anlaufstelle für Bürgerinnen und Bürger, aber auch für Multiplikatoren wie Lehrpersonen oder Journalisten. Dort werden wir auch regelmäßige Berichte und Forschungsergebnisse veröffentlichen. 

Wie arbeiten die regionalen Hubs innerhalb von EDMO zusammen?

Voß: Derzeit gibt es acht regionale sogenannte Hubs (Knotenpunkte) und wir sind der neunte. Anfang nächsten Jahres werden dann noch weitere Hubs folgen . Zusammen ergeben sie ein Netzwerk. Die regionalen Hubs beobachten jeweils ihre Region und liefern Berichte darüber an EDMO. Diese beinhalten neben aktuellen Faktenchecks auch neuste Erkenntnisse medienwissenschaftlicher Forschung. So entsteht eine europaweite Datengrundlage, mit der die Bemühungen gegen Desinformationen ausgewertet und verbessert werden können. Gibt es bestimmte Trends, eine veränderte Lage oder welche Maßnahmen der Plattformen greifen?

Ein Großteil des Desinformationsproblems liegt nämlich daran, dass die Plattformen so arbeiten wie sie arbeiten. Sie sind durch die neue Regulierung der EU zu Veränderungen verpflichtet und wir helfen da beim Erkennen und Einordnen von Desinformationen. Auf Ebene von EDMO gibt es dann auch einen Austausch mit den Plattformen und dem vereinbarten Code of Practice. Die Plattformen müssen künftig detaillierte Berichte liefern, die wir im GADMO-Projekt auswerten. Darüber hinaus arbeiten wir nicht mit den großen Plattformen zusammen, da wir primär kritischer Beobachter sind. 

Wie finanziert sich das Projekt?

Voß: Die ersten zweieinhalb Jahre sind durch die EU-Kommission finanziert. In dem Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass wir inhaltlich unabhängig sind und nicht im Auftrag der EU Faktenchecks durchführen. Bei der Förderung geht es im Wesentlichen um die Struktur, welche diese Art der internationalen Zusammenarbeit ermöglicht. Im Fall der dpa bedeutet das, dass unser Engagement zu 50 Prozent von der EU finanziert wird und wir die andere Hälfte des Budgets selber dazugeben. 

Hier finden Sie mehr Informationen zum Ansatz von GADMO und ein Quiz der AFP zum Erkennen von Falschinformationen.

Was ist Ihre Erfahrung im Kampf gegen Desinformation im deutschsprachigen Raum?

Voß: Wir haben Desinformation seit mehr als zehn Jahren im Blick und auffällig waren immer emotionale Themen, wie etwa Migration im Jahr 2015. Gefälschte Informationen können dann noch eher zu Wut, Verzweiflung oder einer Radikalisierung führen. Das Problem der Desinformation ist auch deshalb so gefährlich, weil die Algorithmen der Plattformen die Reichweite von Reizthemen zusätzlich erhöhen. Dadurch bekommen manche Desinformationen plötzlich eine gesellschaftliche Relevanz. Im idealen Fall kommt es gar nicht so weit, aber dann helfen Faktenchecks. Wenn eine Behauptung allerdings näher an einer Meinung ist, dann gibt es für uns nichts zu überprüfen. Wir checken keine Meinungsäußerungen, sondern nur Tatsachenbehauptungen. Bei unseren dpa-Faktenchecks muss es egal sein, wer etwas sagt. Es geht immer nur darum, was behauptet wird.

Wie tauschen Sie sich untereinander aus und wie ist Ihr gemeinsames Engagement geplant?

Voß: Die verschiedenen Akteure bringen ihre eigenen Schwerpunkte ein. Die TU Dortmund kümmert sich um die wissenschaftliche Analyse von Trends sowie inhaltliche Mustern und fasst alles nach Themen zusammen. Dort werden außerdem die vielen Faktenchecks der dpa, APA, AFP und von dem Recherchezentrum Correctiv analysiert. Das Austrian Institute of Technology (AIT) wird sich um Erkennungsmethoden mit Hilfe von künstlicher Intelligenz auseinandersetzen. Zum gemeinsamen Austausch nutzen alle Beteiligten Truly Media (eine webbasierte Kollaborationsplattform zur Überprüfung von digitalen Inhalten). So können wir innerhalb von GADMO sowie innerhalb von EDMO unser gegenseitiges Engagement verfolgen und bei der Identifizierung und der Entlarvung von Desinformationen zusammenarbeiten.