"Europa für alle Menschen erlebbar machen"

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Als Dolmetscherin bei der EU-Kommission "Europa für alle Menschen erlebbar machen"

Fast 500 festangestellte Dolmetscherinnen und Dolmetscher zählt die Brüsseler EU-Kommission. Mit ihrer Arbeit machen sie gegenseitiges Verständnis in den Sitzungen des Europäischen Rats erst möglich. Eine von ihnen ist die Baden-Württembergerin Elisabeth Bock-Chambon. Im Interview berichtet sie von der Teamarbeit hinter Glas, Dolmetschen - und ihrer ganz persönlichen Idee von Europa.

3 Min. Lesedauer

Elisabeth Bock-Chambon sitzt in einem Glaskasten in einem Sitzungssaal in Brüssel, von wo aus sie die Sitzungen dolmetscht.

Bock-Chambon in ihrer Kabine im Brüsseler Sitzungssaal. Von hier aus dolmetscht sie aus sechs Sprachen ins Deutsche.

Foto: Sophie Hettrich

Frau Bock-Chambon, wie sind Sie zum Dolmetschen gekommen?

Elisabeth Bock-Chambon: Ich habe schon früh gemerkt, dass meine Berufung und mein Talent in erster Linie Sprachen und Kommunikation gelten. Nach dem Abitur bin ich deshalb für ein Jahr in die USA gegangen. Dort habe ich studiert und angefangen, Portugiesisch zu lernen. Mein Dolmetsch-Studium hat mich dann nach Heidelberg und Paris geführt. In dieser Zeit habe ich mit einem zweijährigen Aufenthalt in São Paulo auch meinen Traum verwirklicht, einmal in Brasilien zu leben. Nach meinem Studium 1991 fing ich dann an, als Dolmetscherin für die EU-Kommission zu arbeiten.

Sie stammen ursprünglich aus dem oberschwäbischen Biberach an der Riß. Was hat Sie zur EU-Kommission nach Brüssel geführt?

Bock-Chambon: Ich war schon immer begeistert von der Idee, für eine europäische Institution zu arbeiten. Meine Eltern waren beide Geschichtslehrer. Deshalb habe ich immer an Aussöhnung und Europa als Friedensprojekt geglaubt.

Mit meiner Arbeit möchte ich Europa für alle Menschen erlebbar machen - unabhängig von der eigenen Muttersprache. Ich denke, wir Dolmetscher können zum besseren Verständnis zwischen den verschiedenen Ländern und Kulturen beitragen und die Mehrsprachigkeit in Europa fördern.

Elisabeth Bock-Chambon arbeitet seit über 20 Jahren als Dolmetscherin in der Generaldirektion Dolmetschen der EU-Kommission. Ihre Aufgabe: Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch und Griechisch ins Deutsche dolmetschen. Zurzeit übernimmt sie die Koordination der Verdolmetschung der Ratstreffen.

Wie kann man sich Ihre Arbeit für die EU-Kommission vorstellen?

Bock-Chambon: Mein Arbeitstag beginnt eigentlich schon am Abend zuvor um 18:30 Uhr. Dann wird nämlich unser endgültiges Programm für den folgenden Tag eingestellt. Daraufhin bereite ich mich auf das Thema und die Inhalte der Sitzung vor. Am nächsten Tag begebe ich mich dann in die Kabine und dolmetsche dort entlang der Tagesordnung.

Dolmetscher sind Generalisten, keine Spezialisten. Wir beschäftigen uns an jedem Sitzungstag mit einem anderen Fachbereich: von Landwirtschaft, über Steuern bis hin zur Raumfahrt. Meine letzte Sitzung betraf das Thema: Vorbereitung der COP27 in Sharm el Sheikh.

Gleichzeitig zuhören und übersetzen - das klingt nach einer großen Herausforderung. Wie schaffen Sie das?

Bock-Chambon: Wir müssen gleichzeitig einem Redner zuhören, das Gesagte verstehen und inhaltsgetreu wiedergeben - und zwar alles innerhalb von Sekundenbruchteilen. Klar, dass einem dabei manchmal etwas entgeht oder man womöglich etwas nicht ganz richtig versteht. Aber Dolmetschen ist eben auch Teamarbeit. Und da wir meistens zu zweit oder zu dritt in der Kabine sitzen, unterstützen wir uns gegenseitig. Indem wir für den Kollegen zum Beispiel Vokabular, Zahlen oder Abkürzungen aufschreiben. 

Hat Ihre Arbeit Ihren Blick auf Europa verändert?

Bock-Chambon: Dank der vielen Sprachen, die ich spreche, sehe ich Europa mit anderen Augen. Meine letzte gelernte Sprache ist Griechisch. Seitdem habe ich viel Kontakt zu Griechen und habe viele griechische Sendungen gesehen. Dadurch lernte ich beispielsweise die Finanz- und Wirtschaftskrise sozusagen auch mit griechischen Augen zu verstehen. Wir Dolmetscher sind nicht wirklich dazu in der Lage in das politische Geschehen Europas einzugreifen, aber allein es besser verstehen zu können, finde ich, ist ein großer Mehrwert. Letztendlich gibt es ja nicht die eine Wahrheit, sondern immer mehrere Wahrheiten.

Die Generaldirektion Dolmetschen der EU-Kommission dolmetscht jeden Tag durchschnittlich 40 Sitzungen verschiedener EU-Institutionen. Neben den 24 Amtssprachen der EU werden 15 bis 20 Nicht-EU-Sprachen gedolmetscht. Um diese Leistung tagtäglich erbringen zu können, beschäftigt die Generaldirektion Dolmetschen etwa 500 festangestellte und 2.900 freiberuflich tätige Dolmetscherinnen und Dolmetscher.