Den Opferbiografien weiter nachspüren

Deutsch-Israelische Regierungskonsultationen Den Opferbiografien weiter nachspüren

Kulturstaatsministerin Grütters hat sich in Jerusalem mit der israelischen Ministerin für soziale Gleichstellung, Gila Gamliel, über die Themen Provenienzforschung und Rückgaben von NS-Raubkunst ausgetauscht. Grütters warb für eine weitere internationale Vernetzung, um den NS-Kunstraub weiter aufzuklären.

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Kulturstaatsministerin Monika Grütters und Israels Gleichstellungsministerin Gila Gamliel.

Grütters und Gamliel haben in einer gemeinsamen Übereinkunft die Übernahme der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt" geregelt.

Foto: BKM/Schütt

Im Rahmen der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen in Jerusalem ist Kulturstaatsministerin Monika Grütters zu bilateralen Gesprächen mit der israelischen Ministerin für soziale Gleichstellung, Gila Gamliel, und dem Generaldirektor des Ministeriums für Kultur und Sport, Yossi Sharabi, zusammengetroffen.

Kultureller Austausch und Rückgabe von NS-Raubkunst

Mit Blick auf ihre letzte Reise nach Israel im Juli freute sich Grütters über die enge kulturelle Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, die sie "in einer guten und vertrauensvollen Atmosphäre erneut vertieft" haben, erklärte die Staatsministerin im Anschluss. "Den deutsch-hebräischen Übersetzerpreis werden Kulturministerin Miri Regev und ich weiterhin ausloben. Wir wollen auch die bereits bestehende Zusammenarbeit von Kulturschaffenden im Bereich Literatur, Tanz, Musik und Film noch weiter intensivieren.“

Bei der Aufarbeitung des NS-Kunstraubes und der Rückgabe von NS-Raubkunst waren sich beide Ministerinnen einig, dass diese "auch im gegenwärtig 20. Jahr des Bestehens der Washingtoner Erklärung ihre zentrale Bedeutung nicht verloren haben", betonte Grütters. "Hier werden Deutschland und Israel auch weiterhin eng zusammenarbeiten."

Daher unterstützt die Bundesregierung die für das Jahr 2019 vom Israel Museum in Jerusalem vorgesehene Übernahme der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt - Ein Kunsthändler im Nationalsozialismus" , die aktuell im Berliner Gropiusbau gezeigt wird. "Den Kunstfund wollen wir nicht nur der israelischen Öffentlichkeit zugänglich, sondern auch den NS-Kunstraub und das damit verbundene Schicksal von Opfern der Shoa sichtbar machen. Wir haben daher vereinbart, der Ausstellung in Israel alle uns mögliche Unterstützung zu geben", so die Kulturstaatsministerin.

Grütters eröffnet Konferenz zur Washingtoner Erklärung

Nach ihrem Zusammentreffen eröffneten Grütters und Gamliel gemeinsam die internationale Raubkunst-Konferenz "The Future of Looted Art" im Bible Lands Museum in Jerusalem. Die Kulturstaatsministerin nahm auf Einladung des Verbandes der Organisationen Holocaustüberlebender in Israel an der Konferenz teil. Fachleute unterschiedlichster Disziplinen diskutierten über Bestandsaufnahme und Perspektiven der Washingtoner Erklärung.

In ihrem Grußwort unterstrich die Staatsministerin: "Der Fall Gurlitt ist ein anschauliches und gutes Beispiel für die Erfolge, die aus internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit im Bereich der Provenienzforschung erwachsen können und eine Motivation dafür, diese auch in Zukunft fortzuführen."

Weil die Aufarbeitung des NS-Kunstraubes ein wichtiges politisches Anliegen ist, hat die Bundesregierung die Mittel für Provenienzforschung im Etat der Kulturstaatsministerin mehr als verdreifacht: "Und das war dringend nötig, denn wir alle wissen, wie schwierig, komplex und mitunter zäh die Erforschung der Provenienz geraubter Kulturgüter ist", gab Grütters zu Bedenken.

Internationale Vernetzung in der Provenienzforschung stärken

Hier habe die Wissenschaft in den vergangenen Jahren jedoch erhebliche Fortschritte gemacht und damit maßgeblich zum weiteren Verständnis und zur Aufklärung des NS-Kunstraubes beigetragen, so Grütters weiter.

(v.l.n.r.) mit Gila Gamliel, ISR Ministerin für Soziale Gleichstellung, Colette Avital, Vorsitzende des Center of Holocaust Survivors in Israel und Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

Besuch der Holocaust-Erinnerungsstätte Yad Vashem: Kulturstaatsministerin Grütters (r.) und Israels Gleichstellungsministerin Gamliel (l.) trafen sich mit der Vorsitzenden des israelischen Zentrums für Holocaustüberlebende Colette Avita.

Foto: BKM/Schütt


"Auch die Zusammenarbeit mit internationalen Einrichtungen, insbesondere die wertvolle Unterstützung durch das Israel Museum und Yad Vashem, hat uns international zusammengebracht und viel besser vernetzt als wir es vorher waren." Gerade die internationale Vernetzung der Provenienzforschung und der Wissensaustausch haben es "immer wieder und teilweise überraschend" geschafft, so die Staatsministerin, Schicksale aufzuklären und verschlungene Wege mancher Objekte nachzuzeichnen, auf deren Herkunft es vorher keine Hinweise gab.

Brücken bauen im gemeinsamen Erinnern

Grütters hob hervor: "Es ist unsere moralische Pflicht, den Opferbiographien nachzuspüren." Eine Wiedergutmachung könne es nicht geben, "aber wir müssen der Geschichte derer auf den Grund gehen, die von den Nationalsozialisten beraubt, enteignet und verfolgt wurden, in Konzentrationslagern ermordet, in den Tod getrieben oder – mittellos – zur Emigration gezwungen wurden. Diese Einsicht brauchen wir, um der immerwährenden Verantwortung für die Erinnerung an die Opfer gerecht zu werden, die das von Deutschen verschuldete, unermessliche Leid und Unrecht uns auferlegt."

Die Kulturstaatsministerin schloss ihre Rede mit einem Appell an eine gemeinsame Erinnerungskultur, "die das Verbindende über das Trennende stellt" und Brücken der Verständigung baue, auch über nationale Grenzen hinweg. Deshalb sei es notwendig und wichtig, dass sich die Jerusalemer Raubkunst-Konferenz auch der Frage widmet, wie gemeinsames Erinnern ermöglicht werden kann.