Zurückhaltung und Dialog sind Gebot der Stunde

Zwischenfall im Asowschen Meer Zurückhaltung und Dialog sind Gebot der Stunde

Nach der Eskalation des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine in der Straße von Kertsch ruft die Bundesregierung zur Mäßigung auf. Regierungssprecher Seibert verurteilte das Aufbringen eines ukrainischen Küstenwachbootes durch ein russisches Kriegsschiff und forderte die sofortige Freilassung der Seeleute.

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Auf dem Standbild aus dem Video des Russischen Föderalen Nachrichtendienste sieht man ein Schiff der Russischen Küstenwache und einen ukrainischen Schlepper in den Gewässern der Straße von Kertsch.

Der Vorfall ereignete sich an der Brücke von Russland zur völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim.

Foto: picture alliance/AP Photo

Die Bundesregierung verfolge die Lage nach dem Zwischenfall in der Straße von Kertsch mit Sorge, so Regierungssprecher Steffen Seibert in der Regierungspressekonferenz am Mittwoch.

"Das Gebot der Stunde ist Zurückhaltung und Dialog", betonte Seibert. Die Bundesregierung erwarte von Russland, dass die festgenommenen Seeleute freigelassen und dass die aufgebrachten Schiffe von Russland zurückgegeben werden. "Ich kritisiere auch im Namen der Bundesregierung die Vorführung ukrainischer Gefangener im russischen Fernsehen."

Am 25.11.2018 verwehrte Russland ukrainischen Schiffen die Durchfahrt zum Asowschen Meer, und zwar in der Straße von Kertsch, an der 2018 eröffneten Brücke vom russischen Festland zur von Russland 2014 völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim. Ein ukrainisches Schiff wurde von russischer Seite gerammt, drei Schiffe beschlagnahmt. Es soll mehrere Verletzte unter der ukrainischen Besatzung gegeben haben. Die Seeleute wurden bis Januar 2019 in U-Haft genommen. Im russischen Fernsehen wurden die Gefangenen vorgeführt, wo sie sich selbst des Vergehens der Grenzverletzung bezichtigten.

Keine Rechtfertigung für militärische Gewalt

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zu diesem Vorfall inzwischen sowohl mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko, als auch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Dabei habe sie Zurückhaltung und Dialog der Kontrahenten angemahnt, so Seibert.

Aus deutscher Sicht sei "keine Rechtfertigung für den Einsatz militärischer Mittel durch Russland zu erkennen", betonte der Sprecher. Er wiederholte, dass Deutschland die volle Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine unterstützt. "Dazu gehören natürlich auch die Schifffahrtsrechte in die Meerenge von Kertsch und ins Asowsche Meer."

Einschränkungen der internationalen Seeschiffahrt inakzeptabel

Es sei völlig klar: "Es darf keinerlei Beschränkungen der internationalen Seeschiffahrt im Asowschen Meer geben – vor allem auch nicht zu Lasten der Ukraine und ihrer dortigen Häfen." Die Bundesregierung appelliere an beide Seiten, nun rasch den Dialog aufzunehmen und diesen Vorfall gründlich aufzuarbeiten.

Rainer Breul, Sprecher des Außenministeriums, ergänzte, dass es diesbezüglich bereits ein Telefonat zwischen Bundesaußenminister Heiko Maas und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow gegeben habe. Die beiden Minister hätten über Möglichkeiten gesprochen, den Vorfall unter Beteiligung russischer und ukrainischer Grenzschutzexperten zu analysieren. "Das Wichtigste ist jetzt, die Fakten auszutauschen", so Breul.

Der Sprecher bekräftigte: "Unsere Rechtsposition ist eindeutig: Die Annexion der Krim war und ist völkerrechtswidrig. Zweitens ist auch der Bau der Kertsch-Brücke völkerrechtswidrig, weil die Ukraine daran nicht beteiligt wurde."

Völkerrechtlich geht das Außenministerium davon aus, dass es sich beim Asowschen Meer und der Meerenge von Kertsch um "innere Gewässer" handelt, die von der Ukraine und von Russland gemeinschaftlich verwaltet und genutzt werden. Die Nutzung ist zwischen beiden Anrainerstaaten in einem Abkommen geregelt, dem Russisch-Ukrainischen Kooperationsvertrag vom 24. Dezember 2003. Darin sieht Artikel 2, Absatz 1 des Vertrages das freie Durchfahrtrecht von Schiffen beider Vertragsparteien durch die Meerenge vor. Dies gilt ausdrücklich auch für militärische Fahrzeuge beider Vertragsparteien in beiden Gewässern, und zwar "ohne Einschränkung oder Zustimmung des jeweils anderen Staates".

Sanktionen bleiben auf der Tagesordnung

Über mögliche Erweiterungen von Sanktionen müsse mit den europäischen Partnern diskutiert werden, sagte Regierungssprecher Seibert. Die Wirtschaftssanktionen der Stufe 3 gegen Russland seien erst im Sommer bis zum 31. Januar 2019 einstimmig verlängert worden. Die Frage der Verlängerung dieser Sanktionen stelle sich also "erst in ein paar Wochen". "Für uns steht jetzt die Frage der Entspannung in der Straße von Kertsch im Vordergrund und die akute Hilfe für diejenigen, die jetzt in Gefangenschaft sind."

Außenamtssprecher Breul ergänzte, Sanktionen als Instrument, das Folgen habe, müsse man "sorgfältig wägen und diskutieren". Diese Debatte werde man jetzt weiterführen, wobei Deutschland bereits klargemacht habe, "was unsere Erwartungen an Russland sind." Russland habe nun Möglichkeiten, darauf zu reagieren.

Gastransit weiter wichtig für die Ukraine

Regierungssprecher Seibert wies auf die politische Dimension des Pipeline-Projekts Nord Stream 2 hin. Dieses Vorhaben der Wirtschaft müsse die künftige Rolle der Ukraine beim Gastransit berücksichtigen. "Wir haben immer betont, darüber braucht man Klarheit", so Seibert. Deshalb beobachte die Bundesregierung die derzeitigen Spannungen sehr genau. Deshalb sei es auch gut, dass Gespräche zwischen der EU, der Ukraine und Russland über die Fortsetzung des Gastransits über 2019 hinaus geführt würden.

"Die Ukraine muss ein Transitland bleiben, und deswegen werden wir tun, was wir flankierend tun können, um diese Gespräche auch zu unterstützen." Es sei im deutschen und europäischen Interesse, und dies habe die Bundeskanzlerin der russischen Seite auch mitgeteilt, stellte der Sprecher klar.