Regierungspressekonferenz vom 11. August 2021

Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 11. August 2021

Themen: gestrige Videoschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder zur COVID-19-Pandemie, Festnahme eines Mitarbeiters der britischen Botschaft wegen des Verdachts der Spionage, ehemalige afghanische Ortskräfte der Bundeswehr, Abschiebungen nach Afghanistan, geplante Eröffnung eines Büros der Internationalen Organisation für Migration in Masar-e Scharif, Gespräche zwischen Vertretern der afghanischen Regierung und der Taliban, Bahnstreik, Aufbauhilfefonds „Aufbauhilfe 2021“, Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange, Medienberichte über eine Verbindung eines Professors für Sicherheitspolitik an der Hochschule des Bundes zur sogenannten Neuen Rechten, Mitgliedschaft einer Verfassungsrichterin bei der Antikapitalistischen Linken, Sechster IPCC-Sachstandsbericht

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Mittwoch, 11. August 2021

Sprecher: StS Seibert, Kautz (BMG), Mühlhausen (BMAS), Alter (BMI), Burger (AA), Kall (BMJV), Helmbold (BMVg), Kuhn (BMF)


Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage (zur gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz zur COVID-19-Pandemie): Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder sieht die Entwicklung von 3G zu 2G, also Bewegungsfreiheit und Teilhabe nur noch für Geimpfte und Genesene. Wie schätzt die Bundesregierung das ein? Teilt sie Söders Einschätzung, dass es auf Dauer zu 2G kommen wird?

StS Seibert: Zuerst muss ich natürlich sagen: Die Bundesregierung steht hinter den Beschlüssen, die Bund und Länder gestern gemeinsam getroffen haben und die ja die Bundeskanzlerin in der Pressekonferenz gemeinsam mit den beiden Ministerpräsidenten auch dargelegt hat.

Ich will vielleicht noch einmal grundsätzlich sagen: Es sind drei Faktoren, die die Lage der Pandemie, in der wir uns derzeit befinden und in der auch gestern beraten wurde, prägen.

Erstens. Die Fallzahlen steigen seit einiger Zeit von ursprünglich sehr niedrigem Niveau wieder. Ein Ende dieses Anstiegs ist noch nicht abzusehen.

Zweitens. Es ist ein sicherer und wirksamer Impfstoff ausreichend vorhanden. Jeder in Deutschland kann sich, wenn er es noch nicht getan hat, jetzt impfen lassen und sich damit persönlich schützen und der Gemeinschaft helfen, die Pandemie zu überwinden. Um die hochansteckende Deltavariante in den Griff zu bekommen - das wissen wir -, ist es nötig, dass wir einen noch deutlich höheren Prozentsatz an Geimpften erreichen.

Dritter Faktor: Die vielen Millionen von Menschen, die den vollen Impfschutz schon haben, tragen - genau wie die Genesenen - kaum oder wenig zur Pandemie bei. Daher sollen sie auch mit bestimmten Einschränkungen nicht leben müssen. Die Basismaßnahmen - Abstand, Hygiene, Maske - gelten auch für sie.

In dieser Lage haben die Vertreter von Bund und Ländern gestern beraten. Sie haben beschlossen, zu handeln, um den Anstieg der Fallzahlen wieder einzudämmen, am besten zu stoppen. Sie haben beschlossen, noch einmal an alle Bürgerinnen und Bürger dringlich zu appellieren, die jetzt wirklich sehr unkomplizierten Impfangebote auch anzunehmen. Und sie haben beschlossen, für den großen Bereich von Aktivitäten in Innenräumen Testpflichten einzuführen, die Geimpfte und Genesene nicht betreffen. Das geht nach dem Motto 3G. Das ist die Haltung der Bundesregierung.

Natürlich müssen und werden wir beobachten, wie sich die Lage weiterentwickelt. Das kann aus heutiger Sicht niemand wirklich vorhersagen. Dabei sind die Inzidenzen im Blick zu haben. Dabei ist zu berücksichtigen, wie sich die Impfquote weiterentwickelt. Hoffentlich geht es dabei noch gut voran. Dabei ist zu berücksichtigen, wie die Zahl der Hospitalisierungen ist. Das wird jetzt ja täglich erhoben. Dabei ist zu berücksichtigen, wie die Auslastung der Intensivbetten ist. Da ist der Rückgang derzeit gestoppt, und es geht wieder ein Klein bisschen nach oben, allerdings auf niedrigem Niveau. All das ist zu beobachten. Daraus werden dann die Schlüsse gezogen, um die Pandemie zu kontrollieren. Das ist das, worauf sich Bund und Länder gestern geeinigt haben.

Zusatzfrage: Die Frage war ja: Teilt die Bundesregierung Söders Einschätzung, dass es zu 2G kommen wird?

StS Seibert: Ich habe Ihnen das gesagt, was die Bundesregierung gemeinsam auch gerade nach den Beschlüssen vertritt. Diese Beschlüsse sind genau für diese Zeit die richtigen Beschlüsse und werden uns hoffentlich zusammen mit einer Steigerung der Impfquote helfen, die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert. Herr Seibert, im Beschluss heißt es: „Wer nicht geimpft ist, muss sich absehbar regelmäßig testen lassen, wenn er in Innenräumen mit anderen Menschen zusammentrifft.“ Was wurde als „Innenräume“ definiert? Lebensmittelgeschäfte sind ja auch Innenräume, in denen man mit anderen Menschen zusammentrifft. Vielleicht könnten Sie das noch genauer ausführen. - Vielen Dank.

StS Seibert: Es gibt die Punkte a bis f, die in dem Punkt 4 der gestrigen Beschlüsse genannt werden. Ich lese sie Ihnen gerne vor, aber eigentlich kann es jeder im Netz selber nachlesen:

„Tests sollen Voraussetzung sein für:

a. Zugang als Besucher zu Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie Einrichtungen der Behindertenhilfe

b. Zugang zur Innengastronomie

c. Teilnahme an Veranstaltungen und Festen in Innenräumen (zum Beispiel Informations-, Kultur- oder Sportveranstaltungen)

d. Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen (zum Beispiel Friseur, Kosmetik, Körperpflege)

e. Sport im Innenbereich (zum Beispiel in Fitnessstudios, Schwimmbädern oder Sporthallen)

f. Beherbergung, wo gilt: Test bei Anreise und zweimal pro Woche während des Aufenthalts“

Wie alle Regelungen - das wissen Sie - sind sie letztlich von den Ländern umzusetzen und damit auch zu präzisieren.

Zusatzfrage: Herr Seibert, Sie sagen jetzt, dass das eindeutig ist. Ich habe mich vorher noch beim Ministerium erkundigt. Die wussten es nicht eindeutig. Es ist ja eine Kann-Regelung. Deshalb noch einmal die Frage: Gilt das definitiv nicht für Lebensmittelgeschäfte? Können die Deutschen im Herbst in Lebensmittelgeschäften ohne Test einkaufen? Können Sie das garantieren? - Danke.

StS Seibert: Ich denke, das, was ich Ihnen vorgelesen habe, ist eindeutig. Das sind die Innenräume, die genannt werden.

Ansonsten obliegt es natürlich erstens der Ausgestaltung durch die Länder in ihren Verordnungen. Zweitens gibt es dann auch noch so etwas wie das Recht jedes Privatwirtschaftsbetreibenden, Zugänge zu regeln.

Zuruf: Also schließen Sie es nicht aus?

StS Seibert: Ich verweise Sie auf den, wie ich finde, sehr klaren Beschluss der gestrigen Bund-Länder-Tagung.

Frage: Eine Frage, die gestern nicht beantwortet wurde und auch in dem Papier nicht enthalten ist, aber für jeden, der nicht so viel Geld wie wir beide verdient, wahrscheinlich die entscheidende ist. Wie viel wird der Test ab Mitte Oktober kosten?

Kautz: Das kann ich gerne beantworten. Das kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keiner wirklich sagen.

Ich kann Ihnen sagen, wie die Tests zurzeit von der gesetzlichen Krankenversicherung vergütet werden. Die PCR-Tests werden mit ein bisschen mehr als 43 Euro vergütet, die Antigenschnelltests mit elf Euro. Das können Anhaltswerte sein. Das wird dann auf dem freien Markt entschieden werden.

Zusatzfrage: Wenn ich geimpft bin, macht es ja trotzdem manchmal Sinn, mich testen zu lassen, wenn ich zum Beispiel ins Krankenhaus gehe und kein gutes Gefühl habe, wenn ich aus dem Urlaub zurückkomme und kein gutes Gefühl habe. Muss ich als Geimpfter dann auch für den Test zahlen oder ist der für mich umsonst?

Kautz: Wenn Sie den MPK-Beschluss lesen, ist das explizit nicht geregelt. Aber wenn ab dem 11. Oktober die Tests kostenpflichtig wären, wäre das dann Sache des Einzelnen.

StS Seibert: Die Arbeitgeber werden ja auch weiterhin Tests an den Arbeitsstätten anbieten. Es ist dann auch jedermanns Möglichkeit, sich dort testen zu lassen. Man darf nicht vergessen: Kostenlos bleibt die Impfung.

Frage: Herr Kautz, daran anschließend: Gibt es denn eine rechtliche Möglichkeit für das Ministerium, einen Richtwert vorzugeben, über den hinaus die Tests nicht bepreist werden dürfen?

Herr Seibert, 2G ist ja perspektivisch in privaten Situationen schon möglich. Wird es dann mittel- oder langfristig die Möglichkeit geben, ohne Maske an Veranstaltungen oder Ähnlichem teilzunehmen?

Kautz: Ob es einen Deckel gibt, ob der Preis in irgendeiner Weise reglementiert werden kann, kann ich Ihnen nicht sagen. Das ist eine verwaltungstechnische Frage. Die müsste ich klären.

StS Seibert: Herr Kollege, ich kann für Sie jetzt nicht in die Zukunft schauen. Ich habe versucht, zu beschreiben: Was ist unsere derzeitige Situation? Die Grundhaltung, die Bund und Länder gestern miteinander hatten - und die Sie auch in dem Papier wiederfinden -, ist: Wir sind in einer noch frühen Phase des Wiederanstiegs der Fallzahlen, also wollen wir jetzt frühzeitig handeln. Mit zeitigen und mit relativ leichteren Maßnahmen und mit dem erneuten Impfappell wollen wir versuchen, die Geschwindigkeit des Anstiegs der Fallzahlen zu verlangsamen, im besten Fall natürlich einzudämmen und zu stoppen.

Das, was man unter „3G“ versteht, also den Zugang zu bestimmten Einrichtungen und Veranstaltungen in Innenräumen nur für Geimpfte, Genesene und Getestete, ist so eine niedrigschwellige Maßnahme, die Bund und Länder frühzeitig einsetzen wollen, um den Anstieg der Zahlen einzudämmen. Denn sonst könnten Innenräume im Herbst natürlich Orte der Ansteckung werden. Das wollen wir mit diesen frühen Maßnahmen, die in ihrer Belastung relativ niedrig sind, verhindern. Es hat einfach Sinn, vorsichtig zu sein. Das ist das, was Bund und Länder gestern geleitet hat.

Zusatz : Es ging um 2G.

StS Seibert: Ja. Deswegen erkläre ich Ihnen, mit welcher Grundüberzeugung Bund und Länder sich gestern unter der Überschrift „3G“ für die Einführung dieser Testpflicht entschieden haben, um frühzeitig mit relativ niedrigschwelligen Maßnahmen zu verhindern, dass die Situation eskaliert und man überhaupt über andere Maßnahmen nachdenken muss. Aber wir werden die Situation weiter zu beobachten haben - das Infektionsgeschehen, die Auswirkungen auf das Gesundheitswesen, die Entwicklung der Impfquote, all das - und müssen dann gegebenenfalls schauen, ob weitere Maßnahmen notwendig sind. Gestern ist das beschlossen worden. Wenn wir uns daran halten, wenn es wirksam ist, haben wir gute Chancen, damit die Pandemie auch wieder ein Stück in den Griff zu bekommen.

Frage: Ich habe eine Frage zu den Tests, die sich wahrscheinlich an Herrn Kautz richtet. Es gibt Forderungen, zum Beispiel des Sozialverbands VdK, die Heime, also die Bewohnerinnen und Bewohner und auch die Besucherinnen und Besucher, von der Kostenpflicht auszunehmen. Mich würde interessieren, ob Sie einen Überblick darüber haben, ob das wirklich ein Problem ist. Sprich, kennt man die Impfquote der Heimbewohner und die Impfquote der Leute, die dort regelmäßig zu Besuch sind?

Kautz: Es gibt bestimmt Zahlen dazu. Aber ich habe nicht alle Zahlen zu Tests und der Frage, wer wo wann getestet wird, mit.

Zusatzfrage: Wie stehen Sie zu der Forderung, Altenheime und deren Besucher von dieser Kostenpflicht auszunehmen?

Kautz: Es ist prinzipiell sinnvoll, Altenheime, Pflegeeinrichtungen zu schützen. Da bieten natürlich Tests einen guten Schutz oder machen den Alltag dort sicherer. Die genaue Ausformulierung, wie sich die Testverordnung ab dem 11. Oktober ändern wird, folgt erst noch.

Zusatzfrage: Heißt das mit anderen Worten, dass da eine Ausnahme zu erwarten ist?

Kautz: Ich kann Ihnen heute nicht sagen, wie die Testverordnung, die in einem oder anderthalb Monaten stehen soll, aussieht.

Frage: Gibt es eigentlich einen weiteren Termin für eine nächste MPK vor oder nach der Bundestagswahl?

StS Seibert: In dem Papier ist gestern keine weitere MPK festgelegt worden. Wann die nächste regelmäßige stattfindet, da müsste ich, ehrlich gesagt, die Kollegen bitten, einmal nachzuschauen.

Frage: Ich habe eine Lernfrage an Herrn Seibert. Der Herr Söder hat im Mai gesagt: Der Prozess des Impfens muss länger gehen, mehrfach, mehrere Jahre. Keiner darf jetzt glauben: Zweimal gepikst, und das war es schon. Impfen wird in den nächsten Jahren Alltag werden. - Gestern sagte er: „Wir können mit zwei Kleinen Piks … aus dieser Endlosschleife herauskommen.“ Welche Meinung von diesen beiden teilt denn die Bundesregierung? - Danke.

StS Seibert: Ich weiß nicht, ob Sie da nicht einen Widerspruch aufbauen, den es gar nicht gibt. Derzeit ist es so, dass man mit der zweiten Impfung den vollkommenen Impfschutz hat. Gleichzeitig wissen Sie, dass die Gesundheitsminister der Länder auch bereits beschlossen haben, Auffrischungsimpfungen ab Herbst für bestimmte Bevölkerungsgruppen möglich zu machen, zum Beispiel für Menschen in Alten- und Pflegeheimen. Davon war ja gerade auch die Rede.

Die Frage, ob es weiterer Impfungen bedürfen wird, hat auch ganz entscheidend mit einem Faktor zu tun, den Sie und ich jetzt nicht voraussehen können, nämlich welche Mutationen, Varianten des Virus sich uns noch entgegenstellen werden. Was hoffentlich nicht passiert, ist, dass es eines Tages eine Variante gibt, gegen die die jetzt im Markt befindlichen Impfstoffe keine Wirksamkeit mehr haben. Wir haben großes Glück - und wir können wirklich zufrieden damit sein -, dass auch gegen die deutlich ansteckendere Deltavariante die Wirksamkeit der bestehenden mRNA-Impfstoffe, die ja im Wesentlichen in Deutschland zum Einsatz kommen, sehr hoch ist. Möge es so bleiben.

Jeder, der sich mit Epidemien, Pandemien auskennt, weiß, dass immer die Gefahr besteht, dass sich neue Mutationen bilden. Deswegen ist es ja so wichtig, die Zahl der Infektionen so gering wie möglich zu halten, weil aus einer geringeren Gesamtmenge die Wahrscheinlichkeit geringer ist, dass sich eine neue Mutation bildet. Das ist etwas, was im Moment niemand voraussehen kann.

Zusatzfrage: Ich habe Ihre Stellvertreterin, Frau Demmer, hier schon nach den neuen Erkenntnissen aus den USA gefragt. Die „New York Times“, keine Verschwörungstheoretiker, wie Sie das ja gerne nennen, sagt: Geimpfte sind genauso ansteckend bei Delta wie nicht Geimpfte. Frau Demmer sagte: Die Bundesregierung hat sich damit noch nicht befasst. Haben Sie da ein Update für mich? Haben Sie sich damit befasst? Wie ist im Moment der Erkenntnisstand? - Danke.

StS Seibert: Ich kenne die konkrete Studie, auf die die „New York Times“ dort eingeht, nicht. Vielleicht kann der Kollege aus dem BMG eingreifen.

Nach meinen Informationen ist es durch das RKI bestätigt, dass die Wirksamkeit der Impfstoffe bei der Vermeidung von ernsthaften oder gar sehr schwerwiegenden Verläufen sehr hoch ist und dass es trotzdem Impfdurchbrüche in einer gewissen Zahl gibt; nicht zu vergleichen mit dem Risiko, sich anzustecken, das nicht Geimpfte haben. Überhaupt kein Vergleich.

Zusatz: Aber es geht um die Ansteckungsgefahr.

Kautz: Aber das, was Sie gesagt haben, ist genau falsch, Herr Kollege.

Zuruf: Ich habe die „New York Times“ zitiert, Herr Kautz!

Kautz: Entschuldigung, Herr Kollege, ich rede. Sie haben gesagt, dass Geimpfte genauso ansteckend seien wie nicht Geimpfte. Genau das hat die Studie nicht gezeigt. Das ist falsch. Die Studie hat gezeigt, dass auch Geimpfte sich infizieren können und auch Geimpfte in einigen Fällen andere anstecken können. Das haben wir auch nie bestritten. Diese Studie zeigt aber auch, dass Geimpfte, die sich anstecken, sehr viel kürzer infektiös sind als nicht Geimpfte und sehr viel seltener ins Krankenhaus müssen. Das heißt: Diese Studie zeigt einmal mehr, dass Impfungen sehr, sehr wirkungsvoll sind.

Zusatzfrage: Also haben Sie andere Erkenntnisse als die „New York Times“?

Kautz: Ich kommentiere nicht Berichte einer Zeitung. Ich kommentiere eine Studie.

Frage: Herr Kautz, es gibt Berichte - weil die Impfquote jetzt so eine wichtige Rolle spielt -, dass das RKI offenbar festgestellt hat, dass es bei der Messung der Impfquote gewisse Unsicherheiten gibt. Es gibt offenbar verschiedene Messmethoden, die zum Teil zu erheblichen Unterschieden gerade bei der Erstimpfung kommen. Ist Ihnen das bekannt?

Zweitens. Muss möglicherweise das System reformiert werden?

Kautz: Nein, das System muss nicht reformiert werden. Es gibt in der Tat zwei unterschiedliche Ansätze, die Impfquoten zu bemessen. Das eine ist eine Umfrage, die regelmäßig durch das RKI gemacht wird. Das Covid-Impfquotenmonitoring nennt sich COVIMO. Das andere ist das digitale Impfquotenmonitoring. Das basiert auf den Daten, die die Länder aus den Impfzentren übermitteln. Das basiert auf den Daten, die die Ärzte übermitteln. Das basiert auf den Daten, die die Betriebsärzte übermitteln.

Es gibt bei einer Umfrage immer Unregelmäßigkeiten. Es gibt unterschiedliche Gründe, warum in diesen beiden Erhebungen Unterschiede aufkommen. Erst einmal ist es so, dass diese beiden Varianten, um die Impfquote zu bestimmen, immer sehr nahe aneinander lagen. Jetzt ist es das erste Mal so, dass die Zahlen bei der Erstimpfung auseinanderliegen. Das führen wir darauf zurück, dass sich bei der Umfrage zum großen Teil Impfbefürworter melden oder teilnehmen. Außerdem findet die Umfrage nur auf Deutsch und nicht mehrsprachig statt. Schließlich gibt es noch eine Unsicherheit, was die Meldungen von Betriebsärzten angeht, vor allen Dingen, was den Janssen-Impfstoff angeht. Der Janssen-Impfstoff wird nur als Zweitimpfung angegeben und fällt somit nicht in die Erstquoten.

Insgesamt können wir davon ausgehen, dass das DIM, also dieses digitale Impfquotenmonitoring, sehr zuverlässig ist und eventuell leicht höher als aktuell angesetzt werden muss.

Zusatzfrage: Sie sprechen von „leicht höher“. Haben Sie eine Einschätzung, wie hoch das sein könnte?

Zweitens. Wie kann denn sichergestellt werden, dass Betriebsärzte in diesem System auch wirklich korrekt erfasst werden?

Kautz: Letztendlich ist es eine Sache des Betriebsarztes. Die Betriebsärzte sind in diesem System alle angemeldet. Sie müssen die Impfungen in diesem System melden. Wir gehen nicht davon aus, dass die tatsächliche Impfquote sehr stark von der DIM-Impfquote abweicht.

Frage: Ich habe zwei Fragen zu Tests, die sich eher an das BMAS richten. Ist an Hilfe bei den Kosten für Einkommensschwache gedacht, die sich diese Tests nicht leisten können?

Zweitens. Die Arbeitgeber fordern ein Ende der für Beschäftigte kostenlosen Testangebote in Betrieben. Ist das geplant?

Mühlhausen: Vielleicht beginne ich mit der letzten Frage zuerst. Für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales war seit Anbeginn der Pandemie immer zentral, dass man die Beschäftigten vor möglichen Infektionen schützt. Ausgangspunkt aller Regeln war dabei die genaue Beobachtung des aktuellen Pandemiegeschehens.

Die gestrige Ministerpräsidentenkonferenz hat sich darauf geeinigt, dass die Testangebotspflicht für Unternehmen ebenso beibehalten wird wie die Bereitstellung von kostenlosen Schutzmasken, aber eben auch geltende Hygienevorschriften in Betrieben. Das ist zum einen wichtig, um die Beschäftigten vor Ort in den Betrieben vor möglichen Infektionen zu schützen, aber dass zum anderen die Arbeitswelt auch insgesamt einen Beitrag zum Pandemiegeschehen leistet.

Mit Blick auf Ihre erste Frage hat die Ministerpräsidentenkonferenz gestern ganz deutlich gemacht, dass es jetzt wichtig ist, dass die Menschen sich impfen lassen. Die Bundesregierung stellt sicher, dass alle Bürgerinnen und Bürger jetzt die Möglichkeit haben, sich kostenlos impfen zu lassen, um mit dieser Impfung sich und auch andere zu schützen. Das ist ja der zentrale Punkt, ganz unabhängig von der sozialen Situation.

Ebenso ist unabhängig von der sozialen Situation des Einzelnen natürlich auch sichergestellt worden, dass allen Personen, die sich nicht impfen lassen können - Kinder, Schwangere oder wenn gesundheitliche Gründe vorliegen -, weiterhin kostenlose Tests bereitgestellt werden.

Zusatz: Ich verkürze das einmal auf Nein.

Mühlhausen: Ich habe gesagt, dass es jetzt darauf ankommt, dass die Menschen ihr kostenloses Impfangebot annehmen. Natürlich hat das BMAS - wie auch bisher in der Pandemie - Menschen in schwierigen sozialen Lagen im Blick und prüft derzeit ganz grundsätzlich, inwiefern vor dem Hintergrund der gestrigen Beschlüsse weiterer Handlungsbedarf besteht. Aber die Prüfung bleibt abzuwarten.

Frage: Herr Seibert, Sie bezogen sich jetzt öfter schon auf das RKI und haben betont, dass sich das RKI mit Epidemien auskennt und was es alles bestätigt. Während Sie in den Ferien waren, hat das RKI als Fakten bestätigt, dass die vierte Welle begonnen hat. Das hat die Bundesregierung, während Sie in den Ferien waren, bisher nicht anerkennen wollen. Das BMG spricht davon, dass die vierte Welle bevorsteht. Herr Söder hat gestern auch gesagt, dass sich die vierte Welle heranschleiche. Erkennt die Bundesregierung, erkennt die Kanzlerin an, dass das RKI als Faktum verkündet hat, dass die vierte Welle begonnen hat? Das ist ein großer Unterschied zu dem, was die Bundesregierung kommuniziert, dass die vierte Welle bevorsteht.

StS Seibert: In der entscheidenden Frage gibt es überhaupt keinen Unterschied. Wir wissen, dass wir nach einem sehr niedrigen Infektionsstand vor einigen Wochen seit einigen Wochen einen beständigen Wiederanstieg der Fallzahlen haben. Wir sind jetzt bei einer Inzidenz - bundesweiter Schnitt - von etwa 25. Wir hatten heute, glaube ich, an die 5000 neue Infektionsfälle. Das sind die Zahlen, die uns allen gemeinsam die Grundlage für die Arbeit der Politik der Bundesregierung in der Pandemie geben. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel.

Nun sind Sie jemand, der immer gerne ein bestimmtes Wort bestätigt haben möchte. Ehrlich gesagt, ich bin kein Epidemiologe. Deswegen kann ich Ihnen nicht sagen: Ist dies der erste Ausläufer der vierten Welle? Sind wir in der ersten Phase der vierten Welle? Schleicht sie sich langsam heran?

Das Entscheidende ist: Wir kennen die Zahlen. Wir wissen, wie sich die Zahlen steigern. Wir wissen, dass wir seit einigen Wochen diesen Anstieg haben. Wir wissen, wie er mit den Entwicklungen im Gesundheitswesen korreliert. Wir kennen die Impfquote. Wir wissen deswegen genau - - - Jedenfalls haben wir eine Überzeugung, dass das, was gestern beschlossen wurde, für unser Land jetzt notwendig ist.

Zusatz: Sie wissen, dass das RKI sagt, dass die vierte Welle begonnen hat. Stand 26. Juli.

StS Seibert: Ich weiß, dass Ihnen das sehr wichtig ist.

Zuruf: Ja, das ist doch klar!

StS Seibert: Nein, das Wichtigste sind doch die Zahlen. Über die gibt es doch überhaupt gar keinen Zweifel. Sie möchten eine bestimmte Bezeichnung dafür. Ich weiß nicht, was die Haltung des BMG dazu ist. Es gibt keinen Unterschied in der Bewertung oder in der Erhebung der Zahlen zwischen den unterschiedlichen Experten.

Kautz: Ich kann das vielleicht insofern ergänzen, Herr Kollege: Mir wäre nicht bekannt, dass es eine epidemiologische Definition für eine Welle geben würde. Ansonsten habe ich den Worten von Herrn Seibert nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Wir streiten uns ja nicht über eine Definition - - -

Kautz: Doch!

Zusatz : - - -, sondern um Aussagen des RKI, was Sie, wenn es Ihnen in den Kram passt, gerne bestätigen. Wenn das RKI als Faktum, als Tatsache am 26. Juli verkündet, dass die vierte Welle begonnen hat, was etwas anderes als das ist, was Sie uns hier seit zwei Wochen erzählen, dann geht es hier nicht um eine Definition, sondern um Unterschiede öffentlicher Kommunikation. Die Bundesregierung behauptet, dass die vierte Welle bevorsteht. Das RKI sagt: Die ist schon da. Das ist ein Unterschied.

StS Seibert: Wir arbeiten hier auf einer ganz klaren Zahlenbasis, die für jeden die gleiche ist. Da gibt es überhaupt keine Unterschiede. Ich habe sie dargelegt. Deswegen verstehe ich nicht ganz, welchen politischen oder sonst wie kommunikativen Unterschied Sie hier aufmachen wollen.

Frage: Wer wird die Kosten für die Tests für Ungeimpfte übernehmen?

Wer wird prüfen, ob sich der Betreffende wirklich nicht impfen lassen kann?

Kautz: All das wird noch festzulegen und Bestandteil der Testverordnung sein, von der ich vorhin gesprochen habe, wobei die Tests ja jetzt schon durch die gesetzliche Krankenversicherung bezahlt werden. Daran wird sich in diesem Fall sicherlich nichts ändern.

Frage: Noch eine Frage zu den Zahlen: Der ursprüngliche Plan der Bundesregierung, bis zum Herbst die Impfquote von 80 Prozent oder 85 Prozent zu erreichen, die die sogenannte Herdenimmunität bedeuten würde, scheint zurzeit sehr ambitioniert. In der Vergangenheit gab es immer sehr unterschiedliche Einschätzungen, inwieweit Geimpfte und Genesene in der Beziehung gleichzusetzen seien.

Wäre nach Ansicht der Bundesregierung die Herdenimmunität auch dann erreicht, wenn zwar die Zahl der Zweitgeimpften unter dieser Schwelle wäre, aber mit der Zahl der Genesenen diese Schwelle erreicht würde? Würde auch das entsprechende Lockerungen zur Folge haben?

StS Seibert: Bevor der Kollege aus dem BMG etwas dazu sagt, will ich vielleicht nur voranstellen, dass der ursprüngliche Plan und auch die ursprüngliche Zusage der Bundesregierung war, allen Menschen, die impfwillig sind, bis zum Ende des Sommers ein Impfangebot zu machen, praktikabel, leicht zugänglich, unkompliziert. Genau das können wir schon jetzt, Anfang August, vermelden, wo das Ende des Sommers noch lange nicht in Sicht ist. Das war der Punkt. Wir haben uns nicht auf bestimmte Zielmarken festgelegt.

Aber natürlich ist klar: Je höher die Impfquote, je mehr Menschen sich zu dieser Entscheidung durchringen, die sie selbst schützt, die ihre Familien schützt und die unserer Gemeinschaft hilft, desto besser.

Wir müssen heute sagen: Die Fortschritte sind erheblich, aber es reicht noch nicht, gerade mit Blick auf die noch deutlich ansteckendere Deltavariante. Deswegen noch einmal der Appell an alle: Nutzen Sie die Angebote, die es Ihnen jetzt so leicht wie noch nie machen, sich impfen zu lassen!

Kautz: Sicherlich spielt die Zahl der Genesenen bei der Beurteilung der epidemischen Lage eine Rolle. Allerdings ist das rein zahlenmäßig doch relativ untergeordnet. Die Impfquote ist das Wichtige. Außerdem wird Genesenen empfohlen, sich nach einem bestimmten Zeitpunkt wenigstens noch einmal impfen zu lassen, um entsprechend Antikörper aufzubauen.

Zusatzfrage : Verstehe ich das richtig? Wenn eine entsprechend hohe Impfquote noch nicht erreicht wäre, aber man mit der Zahl der Genesenen in diesem Bereich wäre, dann wäre das noch kein Grund zu sagen: Jetzt sind wir auf der sicheren Seite und lockern weiter.

Kautz: Das ist mir zu viel Irrealis, was Sie da fragen.

Frage: Ich habe noch eine Frage zur Teststrategie. Viel zu testen ist ja sinnvoll. Ab Mitte Oktober wird es absehbar heruntergehen, wenn sich die Geimpften nicht mehr testen und die Ungeimpften sich das nicht leisten können.

Würden Sie von dieser Strategie abweichen, wenn absehbar ist, dass die Impfstoffe gegen eine neue Variante nicht wirken?

Kautz: Die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz sind immer der Lage angepasst, genauso wie die Testverordnung natürlich immer der Lage angepasst ist. Sie sprechen von einer Zukunft, von der ich nicht weiß, wann und wie sie eintritt.

Zusatz: Aber Sie selbst sagen ja, die Gefahr, dass es weitere Varianten gibt und dass die Impfstoffe dann womöglich (akustisch unverständlich) Das kommt ja von Ihnen. Das ist ja Ihre Warnung.

Kautz: Wir haben aber diese Varianten noch nicht. Wenn die Varianten da sind, dann sprechen wir uns wieder.

Frage: Herr Seibert hat eben darauf verwiesen - die Frage geht aber vermutlich eher an das BMG -, dass nun auch die Zahl der Hospitalisierungen täglich erhoben werde. Warum ist sie dann immer noch nicht Teil des Dashboards? Das ist doch eigentlich auch eine wichtige Information für die Öffentlichkeit, weil mit einer drohenden Überlastung des Gesundheitssystems jetzt auch viele Schritte begründet werden.

Kautz: Die Zahl der Hospitalisierungen ist im DIVI-Register dargelegt und kein Geheimnis, sondern öffentlich.

Frage: Meine Frage geht an das BMI. In Niedersachsen soll eine Krankenschwester statt Impfstoff nur Kochsalzlösung verabreicht haben. Weil eine politische Motivation im Raum steht, ermittelt der Staatsschutz.

Können Sie, ohne auf den spezifischen Fall einzugehen, weil Sie das ja nicht können, sagen, ob im Zusammenhang mit Impfgegnern Fälle von politisch motivierter Kriminalität durch die entsprechenden Sicherheitsbehörden in Deutschland erfasst werden und, wenn ja, ob es schon nennenswerte Zahlen gibt?

Alter: Die Sicherheitsbehörden erfassen jegliche Form von Kriminalität, auch im Hinblick auf eine mögliche politische Motivation. Das ist ein in allen Polizeien in Bund und Ländern standardisierter Erfassungsprozess. Das heißt, wenn eine Straftat festgestellt wird, und zwar zunächst einmal unabhängig davon, um welche Straftat es sich handelt, dann wird hinterfragt, ob Hinweise auf eine politische Motivation vorliegen. Wenn dies der Fall ist, dann wird das in den entsprechenden Statistiken genau so vermerkt. Es spielt keine Rolle, ob es sich dabei um eine Sachbeschädigung oder um eine Körperverletzung oder um schlimmere Taten handelt. Statistische Angaben dazu habe ich an dieser Stelle nicht dabei.

Zusatzfrage: Ist das denn schon eine Kategorie ebenso wie Islamismus und Rechtsextremismus usw., oder ist das divers?

Alter: Offen gestanden, bin ich zu wenig in der Sache, um das zu kategorisieren. Sie wissen, dass die Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen eine neue Form von Extremismus gebildet haben, die sie in einer eigenständigen Kategorie zusammenfassen. Das zeigt, dass man die Dinge immer fortlaufend beobachten muss und dass es auch Phänomene gibt, die nicht in die herkömmlichen Muster hineinpassen. Aber zu sagen, in welche Kategorie das Geschehen, das Sie beschreiben, jetzt konkret eingeordnet werden müsste, wäre von mir als jemandem, der nicht bis ins letzte Detail sachkundig ist, nicht seriös.

Frage: Herr Seibert oder Herr Kautz, der Brief von Professor Wieler, über den schon gesprochen wurde, verfolgt offenbar die Absicht, durch möglichst präzise Benennung von Fakten eine realistische Lageeinschätzung zu geben. Auch wenn Sie das Wording in Bezug auf den Begriff der Welle derzeit nicht übernehmen wollen, teilen Sie die in diesem Brief formulierte Zielimpfquote von Professor Wieler, die bei den 12- bis 59-Jährigen bei 85 Prozent liegt und bei den über 60-Jährigen bei 90 Prozent? Das sind sehr präzise Daten. Teilen Sie sie?

Kautz: Es gibt Beschreibungen oder Modellierungen des RKI, die beschreiben, wie sich abhängig von der Impfquote die epidemische Lage verändert. Das ist natürlicherweise Grundlage aller Gespräche und Überlegungen und ist gestern auch Grundlage der Ministerpräsidentenkonferenz gewesen.

Zusatzfrage: Die Frage war: Professor Wieler gibt konkrete Zielimpfquoten an. Teilen Sie diese?

Kautz: Das ist Teil der Modellierung, von der ich gerade gesprochen habe.

Zusatz: Das ist eine Grundlage der Modellierung.

Kautz: In der Modellierung sind abhängig von jeweiligen Impfquoten vier Möglichkeiten aufgezählt. Wünschenswert ist das auf jeden Fall. Diese Modellierungen zeigen ganz klar, dass wir ab einer gesamten Impfquote von 75 Prozent über die gesamte Bevölkerung - wie auch immer man sie erreicht, ob mit 90 Prozent bei den über 60-Jährigen und wie Sie es gesagt haben - einen eklatanten Unterschied haben werden, was die Beherrschung der Pandemie betrifft.

StS Seibert: Ich habe eines nachzureichen. Ich wurde nach dem Termin der nächsten MPK gefragt. Ich kann Ihnen sagen, dass die nächste reguläre, turnusmäßige Besprechung der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin oder mit dem Bundeskanzler, mit dem Vertreter des Bundeskanzleramts, am 9. Dezember sein wird. Das ist noch eine Weile hin.

Ein Termin für die nächste Coronabesprechung ist gestern nicht ausgemacht worden, aber natürlich möglich.

Vorsitzender Feldhoff: Jetzt kommen wir zum Thema der Spionage. Die Bundesanwaltschaft hat einen Vertreter der britischen Botschaft festnehmen lassen, weil er für einen russischen Geheimdienst gegen Geld Dokumente beschafft haben soll. Kann die Bundesregierung das kommentieren?

Dazu habe ich verschiedene weitere Fragen.

Wird eventuell der russische Botschafter einbestellt?

Wird über neue Sanktionen nachgedacht?

Haben deutsche Behörden den Vertreter russischer Nachrichtendienste identifiziert, und, falls ja, ist er Mitarbeiter der russischen Botschaft in Berlin, oder hat er den britischen Nachrichtendienst im Ausland kontaktiert?

Wer will anfangen? Das AA oder das BMI, das, meine ich, für Spionage zuständig ist?

Alter: Ich meine, dass das Maßnahmen unter der Ägide des Generalbundesanwalts sind. Deswegen würde ich es meinem Kollegen vom BMJV überlassen.

Burger: Ich kann vielleicht die Zeit überbrücken und schon einmal sagen, dass Ihnen und uns die Pressemitteilung des Generalbundesanwalts zu den strafrechtlichen Maßnahmen ja vorliegt. Die Hinweise, dass die geheimdienstliche Tätigkeit des Festgenommenen im Auftrag eines russischen Nachrichtendienstes erfolgte, nehmen wir sehr ernst. Geheimdienstliches Ausspähen eines engen Bündnispartners auf deutschem Boden ist nichts, was wir akzeptieren können. Deswegen werden wir die weiteren Ermittlungen des Generalbundesanwalts sehr genau verfolgen.

Kall: Das kann ich für das Bundesjustizministerium nur unterstreichen. Dieses Ermittlungsverfahren zeigt, wie ernst zu nehmend diese Vorwürfe sind. Informationen über die Pressemitteilung der Bundesanwaltschaft hinaus kann ich natürlich nicht geben. Ich würde Sie bitten, sich dafür direkt an die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe zu wenden.

Frage: Herr Kall, vielleicht können Sie eine Sache klarstellen. Es ist ja nicht eindeutig, ob dieser Mann politische Immunität oder Ähnliches hat. Musste irgendein diesbezügliches Verfahren durchlaufen werden, bevor die Festnahme stattfinden konnte?

Kall: So wie immer bei Verfahren, die der Generalbundesanwalt führt, würde ich Sie wirklich bitten, sich zu jeglichen Einzelheiten des Ermittlungsverfahrens und jeglichen Erkenntnissen direkt an die Bundesanwaltschaft zu wenden. Es ist Sache der Justiz, diesen Fall weiter zu ermitteln.

Das Einzige, was ich Ihnen aus der Pressemitteilung widergeben kann, ist, dass es das Ergebnis gemeinsamer Ermittlung sowohl deutscher als auch britischer Behörden ist.

Zusatzfrage: Aber wenn er diplomatische Immunität gehabt hätte, dann hätte das Aufhebungsersuchen doch über Ihren Tisch laufen müssen, oder?

Kall: Wie gesagt, kann ich mich wie immer in laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu Einzelheiten des Verfahrens nicht äußern.

Frage: Herr Seibert, die Taliban rücken jetzt auch in Richtung auf Masar-e Scharif vor. Wann macht die Bundesregierung ihr Versprechen wahr und findet pragmatische Lösungen, um afghanische Ortskräfte der Bundeswehr nach Deutschland zu holen?

StS Seibert: Ich denke, dass hier in den Regierungspressekonferenzen der letzten Tage und Wochen sehr deutlich geworden ist, dass sich die Bundesregierung mit ganzer Kraft für gute Lösungen für die Ortskräfte, die uns während unseres Afghanistaneinsatzes so geholfen haben, einsetzt. Innerhalb der Bundesregierung gibt es fortlaufende und intensive Bemühungen um die weitere Vorgehensweise in der aktuellen Situation. Am besten könnte ich nun an die Kollegen aus den entsprechenden Ressorts abgeben.

Helmbold: Vielen Dank für die Frage. Ich will in dem Zusammenhang noch einmal betonen, wie die Anstrengungen im Moment laufen, um den ehemaligen Ortskräften der Bundeswehr zu helfen. Wie Sie wissen, haben wir den Ortskräften, die für die Bundeswehr gearbeitet haben, bereits im ursprünglichen Verfahren Visadokumente, Ausreisedokumente in sehr großem Umfang ausgehändigt, bevor die Bundeswehr Afghanistan verlassen hat. Das heißt, dass der Großteil dieser Menschen die Ausreisedokumente in der Hand gehabt hat, bevor wir Afghanistan verlassen haben.

Es gab dann natürlich noch Weitere, und dann gab es zusätzlich noch das erweiterte Verfahren, bei dem zusätzlich auch diejenigen Ortskräfte betrachtet werden, die vor 2019, also im Zeitraum von 2013 bis 2019, für die Bundeswehr gearbeitet und damals einen bezogen auf die Gefährdung abschlägigen Bescheid bekommen haben.

Nun ist trotz allem die Ausreise für viele aufgrund der Lage im Moment schwierig geworden. Wir betreiben im Moment ein Callcenter im Einsatzführungskommando, bei dem verschiedenen Teams - sie bestehen immer aus einer Soldatin, einem Soldaten und einem Sprachmittler - versuchen, die Menschen zu erreichen, die für uns gearbeitet haben und die ausreisen können, um sie zu unterstützen und um eben auch festzustellen, wie der Status bei den einzelnen Personen ist. Die Gespräche dazu sind sehr intensiv. Manche gehen sehr schnell, weil die Personen bereits darüber Bescheid wissen, wie das Verfahren ist. Andere haben mehr Fragen, die in die ganze Breite gehen, weil es wirklich die Schwierigkeiten der Schicksale betrifft. Wir merken, dass es sehr, sehr anspruchsvoll ist vor Ort. Aufgrund der sehr schwierigen Gespräche gibt es jetzt auch eine psychologische Unterstützung für diejenigen, die diese Gespräche führen. Unser Ziel ist, dass wir tatsächlich alle erreichen.

Wir sehen ebenfalls, welche Hürden es im Einzelnen noch gibt. Eine der Hürden ist, dass die afghanischen Behörden die erforderlichen Passdokumente im Moment nicht so ausstellen, wie wir es uns wünschen würden, damit es schnell genug geht. Dort entstehen also trotz unserer Möglichkeiten, dass die Ausreise vonstattengehen kann, auch von afghanischer Seite bürokratische Hürden. Dazu gibt es verschiedene Ansätze. Die Verteidigungsministerin hat sich gestern auch dazu geäußert, wie wir damit umgehen wollen. Dazu gab es heute früh eine entsprechende AFP-Meldung.

Das sind die Anstrengungen, die wir in der Vergangenheit unternommen haben; das sind die Anstrengungen, die wir im Moment unternehmen. Ich will noch hinzufügen, dass es auch einzelne Fälle gibt, bei denen Schwierigkeiten bestehen, den Flug zurück nach Deutschland zu bezahlen. Auch in solchen Fällen unterstützt die Bundesregierung, wenn anderweitig eine Ausreise nicht möglich ist.

Frage: Es gab jetzt einen ungewöhnlichen Appell der EU-Botschafter in Kabul, die Abschiebungen aus EU-Staaten nach Afghanistan auszusetzen. Wie bewertet die Bundesregierung, dass jetzt nicht nur die afghanische Regierung selbst sie bittet, die Abschiebungen sein zu lassen, sondern auch die eigenen EU-Botschafter?

Vielleicht antwortet Herr Seibert für die Kanzlerin, die ja auch immer noch für die Abschiebung ist.

Frage: Ich sehe einen Widerspruch zwischen der Tatsache, dass die Innenminister von sechs EU-Staaten, darunter von Deutschland, in einem Brief an die EU-Kommission eine Fortsetzung von Abschiebungen fordern, während die genannten EU-Botschafter einen Abschiebestopp verlangen.

Burger: Ich will zur Einordnung kurz sagen, dass in verschiedenen Medien über einen internen Bericht der Botschafter der in Kabul vertretenen EU-Mitgliedsstaaten an die Hauptstädte berichtet wird. Das ist naturgemäß ein Dokument, das intern und vertraulich ist. Dieses Dokument gibt naturgemäß eine Zusammenfassung eines Diskussionsstandes zwischen den Botschaftern wider und nicht notwendigerweise eine unmittelbare Politikentscheidung.

Frau Adebahr hat Ihnen hier am Montag erklärt, dass wir im Auswärtigen Amt derzeit unter Hochdruck an der Aktualisierung des Asyllageberichts für Afghanistan arbeiten. Natürlich fließen alle uns zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen in die Arbeit an dieser Aktualisierung ein.

Frage: Sie dementieren nicht den Appell der EU-Botschafter.

Herr Seibert, hält die Kanzlerin angesichts der Bitte der afghanischen Regierung, angesichts der EU-Botschafter, die sich vor Ort auskennen, an den Abschiebungen fest? Beim BMI spare ich mir die Frage; da kann ich mir die Antwort denken.

Burger: Ich will das vielleicht noch einmal präzisieren: Ich nehme hier nicht Stellung zu Inhalten eines vertraulichen Dokuments, über das in Medienberichten spekuliert wird.

Zusatz: Ich hatte Herrn Seibert gefragt.

StS Seibert: Sie haben die ja bekannte Bitte der afghanischen Regierung, Abschiebungen temporär auszusetzen, erwähnt. Sie wissen, dass Innenminister Seehofer gemeinsam mit den Innenministern fünf anderer europäischer Länder an die EU-Kommission geschrieben und die Notwendigkeit, Personen, die ausreisepflichtig sind, auch zurückzuführen, auch freiwillige Rückreisen weiterhin zu organisieren, dargelegt hat. Das gilt ganz besonders für die Rückführung von Straftätern, die schwere Straftaten begangen haben.

Natürlich muss man das im Lichte der aktuellen Entwicklung der Lage prüfen, auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen der letzten Tage. Wir werden uns darüber natürlich mit unseren europäischen Partnern absprechen.

Frage: Masar-e Scharif steht offenbar kurz vor der Übernahme durch die Taliban. Herr Burger, was bedeutet das für die bislang ja immer noch in Aussicht gestellte Eröffnung des IOM-Büros dort? Ist das jetzt endgültig Vergangenheit?

Was würde das für den Transport ehemaliger Ortskräfte nach Deutschland bedeuten?

Burger: Ich mache mir Ihre Lageanalyse ausdrücklich nicht zu eigen. Zu der Frage, die Sie ansprechen, habe ich keinen neuen Stand mitzuteilen. Ich meine, dass wir Ihnen in der vergangenen Woche schon mitgeteilt haben, dass die Antragsannahme in Kabul inzwischen möglich und angelaufen ist und dort auch gut angenommen wird und dass dort eine Kontaktaufnahme auch auf elektronischem Weg möglich ist.

Zusatz: Die Lageanalyse ist ja nicht meine. Ich zitiere da ja internationale Quellen.

Sehen Sie noch irgendeine Chance dafür, dass das IOM-Büro in Masar-e Scharif seine Arbeit aufnimmt?

Burger: Ich habe dazu heute keine neuen Informationen.

Frage: Herr Helmbold, habe ich es richtig verstanden, dass das Callcenter, das Sie erwähnten und das zur Unterstützung ehemaliger Ortskräfte gedacht ist, aber für Menschen gedacht ist, die bereits deutsche Visa haben und Unterstützung bei der Ausreise bekommen sollen?

Heißt das, dass die Frage der Ortskräfte, die von 2013 bis 2019 für deutsche Truppen gearbeitet haben, weiterhin geprüft wird und es dazu keinen neuen Stand gibt?

Helmbold: Die Aufgabe der Callcenter ist es, Kontakt mit denjenigen Ortskräften aufzunehmen, die eine Ausreise bekommen können, um sie zu unterstützen, um sie zu finden, sie darauf hinzuweisen und - das machen wir aktiv von unserer Seite - ihnen auch die Möglichkeit zu geben, ihre Fragen zu stellen, damit wir ihnen die Möglichkeit geben, sie dabei zu unterstützen, an Ausreisedokumente heranzukommen und wie sie im Weiteren vorgehen. Das wird tatsächlich angenommen.

Auch die Zahlen will ich gern noch einmal aktualisieren. Die Zahlen steigen. Ortskräfte kommen in Deutschland an. Am Montag haben wir Zahlen genannt. Die aktuellen Zahlen sind: Mindestens 353 ehemalige Ortskräfte mit 1433 Familienangehörigen, also insgesamt 1786 Personen, sind in Deutschland eingetroffen. Das sind die Zahlen von gestern. Wir können sie weiter aktualisieren und informieren sie. Wir werden auch weiterhin die zuständigen Ressorts unterstützen, wenn es darum geht, Ausreise-, Visa- oder Passangelegenheiten mit den entsprechenden Ortskräften vor Ort zu kommunizieren, logistisch und mit den Möglichkeiten, die wir haben.

Zusatzfrage: Sind unter den Menschen, die dieses Angebot nutzen können, auch schon Ortskräfte aus der Gruppe derer, die von 2013 bis 2019 für deutsche Kräfte gearbeitet haben, oder noch nicht?

Helmbold: Doch, doch! Sie werden angesprochen. Sie sind ja tatsächlich der Kern dieses Anliegens. Denn wie ich es eben gesagt habe: Die Mehrzahl derjenigen, die zu der ersten Gruppe gehören, also zum nicht erweiterten Kreis, hatte ja bereits Anfang Juli ihre Ausreisedokumente. Das bedeutet, dass wir jetzt natürlich vor allem diejenigen erreichen wollen, die wir vorher nicht angesprochen haben, die vorher einen abschlägigen Bescheid bekommen haben, um sie darauf hinzuweisen, dass sie jetzt die Möglichkeit haben, Ausreisedokumente zu bekommen, und um mit ihnen das weitere Verfahren in der jeweiligen Situation zu besprechen.

Frage: An das Auswärtige Amt: Gibt es trotz den Vorgängen in Afghanistan Lichtblicke in Gesprächen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban unter anderem in Doha, die ja auch unter deutscher Vermittlung stehen?

Burger: Ich kann Ihnen dazu sagen, dass der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für Afghanistan und Pakistan die Bemühungen fortsetzt. Er hat dazu in Doha bereits Gespräche mit beiden Verhandlungsteams geführt, sowohl dem der Republik Afghanistan als auch dem der Taliban. Diese Bemühungen halten wir nach wie vor für sinnvoll. Aus unserer Sicht sind Verhandlungen nach wie vor der einzige Weg zu einer politischen Lösung. Wir haben auch immer unterstrichen, dass eine verhandelte Lösung die Voraussetzung für die Fortsetzung der internationalen Unterstützung Afghanistans ist.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMI zu den Abschiebungen. Gibt es dazu etwas Neues? Die Niederlande haben wegen der dynamischen Situation jetzt, wenn ich richtig informiert bin, Abschiebungen für sechs Monate ausgesetzt.

Alter: Auf der einen Seite ist die Situation in Afghanistan schwierig und entwickelt sich Tag für Tag weiter. Das sehen wir. Auf der anderen Seite zählt die Gruppe der ausreisepflichtigen Afghanen - knapp 30 000 sind es in Deutschland - zu den größten Gruppen Ausreisepflichtiger in Deutschland. Das BMI ist weiterhin der Auffassung, dass es Menschen in Deutschland gibt, die das Land verlassen sollten, so schnell wie möglich.

Wir haben vor zwei Wochen versucht, sechs Inhaftierte nach Afghanistan abzuschieben. Diese Abschiebung hat nicht stattgefunden, weil die Situation für die beteiligten Behörden in Deutschland und auch in Afghanistan unklar war. Das heißt, es war keine sichere Prognose möglich, wie sich die Situation entwickelt. Das ist auch ein wichtiges Anliegen. Das heißt also, Abschiebungen finden nur dann statt, wenn sie mit Blick auf die individuelle Situation der betreffenden Person, aber auch mit Blick auf die gesamte Situation nicht zuletzt auch für unsere Begleitkräfte und die Flugzeugbesatzung und die Behörden in Afghanistan kalkulierbar sind und die Abschiebung vertretbar ist. Das ist nach wie vor der Stand der Dinge. Die Beobachtung der Lageentwicklung wird nach wie vor einen ganz wichtigen Platz in der Beurteilung der Gesamtsituation einnehmen.

Zusatzfrage: An das Auswärtige Amt: Droht aus Ihrer Sicht Kabul auch zu fallen? Wenn ja, wann?

Burger: Ich werde hier keine Spekulationen zur Entwicklung der militärischen Lage abgeben. Sie sehen, dass sich diese Lage sehr schnell weiterentwickelt. Wir haben in den letzten Wochen eine sehr spürbare Verschlechterung der Sicherheitslage feststellen müssen. Wir beobachten das, und wir gleichen unsere Erkenntnisse dazu natürlich mit denen unserer Partner ab. Ich werde hier aber keine Prognosen im Sinne Ihrer Fragestellung abgeben.

Frage: Herr Seibert, ich glaube, von Ihnen ist der Satz, die Bundesregierung bemühe sich mit ganzer Kraft um die Lösung auch der Ortskräftefrage. Reicht die ganze Kraft nicht aus, um zum Beispiel pragmatische Varianten wie die Organisation von Charterflügen herzustellen?

StS Seibert: Ich stehe zu diesem Satz. Die Bundesregierung bemüht sich mit ganzer Kraft. Ich denke, das, was die Kollegen aus den Ressorts und auch gerade aus dem Verteidigungsressort hier über die Betreuung der Menschen vorgetragen haben, die noch in Afghanistan sind und hierherkommen wollen und sollen, und das, was die Bundesverteidigungsministerin heute zum Visumsverfahren gesagt hat, zeigt, dass das auch wirklich mit ganzer Kraft geschieht.

Zusatzfrage: Würde die Organisation von Charterflügen, wo es sich anbietet und möglich ist, dazugehören?

StS Seibert: Das wird dann lageabhängig zu entscheiden sein.

Alter: Ich würde gerne noch einen Satz ergänzen, wenn ich darf. Es gibt ja jeden Tag Einreisen von Ortskräfte. Jeden Tag kommen Leute aus Afghanistan, die aus Afghanistan ausgereist sind, auch in Deutschland an. Das heißt also, der Prozess läuft. Es gibt aber auch wichtige Anliegen, die in diesem Gesamtprozess berücksichtigt werden müssen, etwa eine Sicherheitsüberprüfung, die stattfindet, bevor das Visum erteilt wird. Das ist deswegen wichtig, weil wir ja über insgesamt mehrere Tausend Menschen reden. Einen Teil davon kennen wir, aber Familienangehörige, die dazugehören und die auch reisen dürfen, kennen wir nicht unmittelbar. Deswegen ist es für das Bundesinnenministerium von Anfang an wichtig gewesen, dass zumindest das geprüft werden kann, bevor die Reise angetreten wird. Das findet aber natürlich auch mit der größtmöglichen Geschwindigkeit statt.

Es ist nur wichtig, diese Dinge zu berücksichtigen. Es ist nicht damit getan, dass jemand eine Gefährdungsanzeige stellt und dann automatisch sofort einreisen kann, sondern es braucht gewisse Mindeststandards, die - natürlich in der gebotenen Geschwindigkeit - auch eingehalten werden müssen.

Zusatzfrage: Pardon, ist aber nicht die Sicherheitsüberprüfung Sache des Bundesverteidigungsministeriums? Es klang für mich so, als sei das Ihre Aufgabe, aber macht das nicht das Verteidigungsministerium?

Alter: Nein, das ist im Prinzip ein Teil des Visumsprozesses. Wenn ein Visum erteilt wird - im Übrigen nicht nur für Ortskräfte, sondern für alle afghanischen Staatsangehörigen -, dann wird vor der Erteilung natürlich auch geprüft, ob gegen diese Visumserteilung Bedenken bestehen. Das ist, wie gesagt, bei denjenigen, die für uns gearbeitet haben und die wir gut kennen, ein etwas einfacherer Prozess. Aber wir reden immerhin über mehrere Tausend Menschen, die zumindest einer Mindestüberprüfung unterzogen werden.

Im Moment ist es - jedenfalls nach unseren Erkenntnissen - so, dass die Ausreise mit Linienflügen funktioniert. Die Bundesregierung hat ja deutlich gemacht, dass, wenn das nicht gelingt, die Option, Charterflüge zu organisieren, durchaus angedacht ist.

Helmbold: Ich möchte das noch ergänzen: Nein, die Sicherheitsüberprüfung ist nicht Aufgabe des Verteidigungsministeriums. Unsere Aufgabe im Prozess ist es, festzustellen, ob jemand eine Ortskraft war und ob die Gefährdung vorlag.

Frage: Ich habe noch zwei Fragen. Kennt das BMI das völkerrechtliche Nichtzurückweisungsrecht, das Non-Refoulement-Prinzip, und warum wird sich daran nicht gehalten?

Herr Burger, aktueller Stand aus Sicht der Bundesregierung ist ja, dass es noch sichere Regionen in Afghanistan gibt, in die abgeschoben werden könne. Können Sie uns diese Regionen nennen? Können Sie uns eine nennen?

Burger: Ich weiß nicht, woher Sie diesen Begriff gerade nehmen und mir vorhalten. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir hier in der Vergangenheit bezüglich dieser Frage solche Zuschreibungen gemacht hätten. Zu der Frage, die zu prüfen ist, hat Herr Alter Ihnen heute und auch in der Vergangenheit immer wieder die Auskunft gegeben, dass im Einzelfall von den dafür zuständigen Innenbehörden beziehungsweise von den Gerichten geprüft wird, wie die Prognose ist, was die betroffene Person in dem Land, in das sie abgeschoben werden soll, erwartet. Insofern würde ich jetzt hier nicht so pauschalierende Begriffe verwenden wollen.

Ich hatte Ihnen auch gesagt, dass wir an einer Aktualisierung des Asyllagebericht arbeiten, um der fortschreitenden Entwicklung in Afghanistan Rechnung zu tragen. Das ist immer der Versuch, zum Zeitpunkt des Berichts so differenziert und präzise wie möglich Auskunft über die Situation in einem Land zu geben, natürlich auch regional so differenziert wie möglich. Das ist aber tatsächlich auch nur eine der Erkenntnisquellen, auf die sich die Entscheidung von Innenbehörden und (akustisch unverständlich) kann. Das ist natürlich in einer sich dynamisch entwickelnden Situation, wie wir sie in Afghanistan derzeit erleben, auch mit der Notwendigkeit verbunden, das immer wieder mit den Entwicklungen vor Ort abzugleichen.

Zusatzfrage: Solange Sie an der Aktualisierung des Asyllagebericht arbeiten, gilt der aktuelle ja noch, und in dem ist immer noch von sicheren Regionen in Afghanistan die Rede. Darum stelle ich die Frage: Können Sie uns eine nennen?

Burger: Ich kann mich nicht erinnern, dass wir hier über Zitate aus dem Asyllagebericht gesprochen hätten. Es ist umgekehrt so, dass diese Berichte als Verschlusssache eingestuft sind, weil sie als möglichst unabhängige Informationsquelle den betreffenden Behörden zur Verfügung gestellt werden. Deswegen ist die Regel eben, dass wir hier in der Regierungspressekonferenz über einzelne Inhalte dieser Asyllageberichte keine Auskunft geben können. Deswegen würde es mich auch wundern, wenn wir hier in der Vergangenheit entsprechende Begriffe zitiert hätten.

Alter: Das Refoulement-Verbot ist natürlich bekannt. Das ist ein ganz wichtiges Prinzip in der Migrationspolitik. Wenn jemand zum Beispiel an der Schengen-Außengrenzen einen Asylantrag stellt, kommt es zur Anwendung. Dann darf er nicht in einen Staat zurückgewiesen werden, aus dem er flieht. Es gilt natürlich auch zu berücksichtigen, wenn Personen abgeschoben werden sollen.

Genau deswegen gibt es ja zwei wesentliche Dinge, die für eine Abschiebungsentscheidung erheblich sind, nämlich einerseits die Gesamtlage in dem Land und andererseits die individuelle Prüfung, ob eine Person, wenn sie abgeschoben werden würde, in dem Zielland einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, Folter oder Ähnlichem unterläge. Erst dann, wenn diese beiden Fragen klar mit Nein beantwortet werden können, findet die Abschiebung auch statt.

Frage: Ich habe eine Frage zum Bahnstreik, ich glaube, an das Arbeitsministerium. Das Tarifeinheitsgesetz sollte ja Klarheit im Konflikt innerhalb der Bahngewerkschaften und zwischen der Bahn, der GDL und der EVG schaffen. Jetzt gibt es den Streik. Ist das Tarifeinheitsgesetz damit, sagen wir einmal, obsolet, weil es jetzt einfach so von der GDL übergangen wird?

Mühlhausen: Vielleicht ganz grundsätzlich: Das Streikrecht ist in Deutschland eben Bestandteil der Tarifautonomie und dadurch verfassungsrechtlich geschützt. Insofern kann ich dazu keine weitere Kommentierung vornehmen.

Zusatzfrage: Aber das Gesetz wurde ja explizit geschaffen, und jetzt wird es offenbar nicht angewendet und übergangen. Hat das Gesetz dann überhaupt einen Sinn? Es geht ja jetzt nicht um die Frage, wie innerhalb der Tarifpartner - - -

Mühlhausen: Das nehme ich mit und werde es Ihnen schriftlich beantworten.

Frage : Meine Frage bezieht sich auf das Thema der Fluthilfe. Ich glaube, dazu hat der Kollege auch eine Frage. Gestern, Herr Seibert, wurde ein Wiederaufbaupaket für die betroffenen Regionen mit einem Volumen von 58 Milliarden Euro beschlossen. Mich würde interessieren, ob das in irgendeiner Weise kontrovers diskutiert wurde oder ob das quasi durchgewunken wurde, weil jetzt die Wahl ansteht. Das, was da beschlossen wurde, sind ja nicht Peanuts.

Ist das jetzt die Messlatte für weitere Unwetterschäden? Der IPCC-Bericht hat ja diese Woche klargestellt, dass man solche Unwetter in der Zukunft wahrscheinlich vermehrt erwarten kann. Das könnte ja teuer werden.

StS Seibert: Erstens. Bei der gestrigen Beratung zwischen Bund und Ländern war dies ein Tagesordnungspunkt, über den sehr schnell Einigkeit hergestellt wurde. Der Großteil der Beratung ist dann mit dem Thema Corona verbracht worden. Warum ist das so? Es ist so, weil allen bewusst war, welch ungeheures und beinahe vorher nicht vorstellbares Ausmaß die Schäden in den betroffenen Bundesländern haben, und weil allen klar war, dass hier eine nationale, gemeinschaftliche, gesamtstaatliche Aufgabe vorliegt. Dass das nun etwas mit der Bundestagswahl zu tun hat, weise ich zurück. Das hat etwas mit der Not und den jetzt dringenden Bedürfnissen der Menschen in diesen Regionen sowie mit diesen Regionen insgesamt zu tun, die einen Wiederaufbau brauchen, der möglichst schnell anfangen muss und zum Teil schon angefangen hat, der aber in einzelnen Fällen lange, lange dauern wird. Deswegen, weil das Ausmaß so groß ist, ist die Höhe dieses nationalen Aufbauhilfefonds „Aufbauhilfe 2021“, der gestern als Sondervermögen des Bundes mit 30 Milliarden Euro vereinbart wurde, höher als bei vergangenen, noch nicht so lange zurückliegenden Überschwemmungsunglücken und -katastrophen. Das ist das, was die Bundesregierung und die Länderregierungen gestern geleitet hat und insgesamt leitet.

Zusatz: Darin war aber noch eine zweite Frage enthalten.

StS Seibert: Ja, Sie wollen, dass ich in die Zukunft schaue und sage, wie künftige Unglücke, von denen wir ja nicht hoffen, dass sie eintreten - - -

Zuruf: Werden sie aber!

StS Seibert: Ja, man muss wahrscheinlich damit rechnen, dass solche Ereignisse nicht singulär auftreten. Darüber ist ja jetzt auch sehr viel im Zusammenhang mit dem großen Thema des Klimawandels als dem Auslöser solcher Ereignisse gesprochen worden. Aber Sie können doch nicht von einem Regierungssprecher erwarten, dass ich jetzt noch gar nicht eingetretene Ereignisse bewerte, einschätze und sage, in welcher Höhe dann staatlich zu reagieren sein wird.

Frage: Herr Seibert, „Focus online“ berichtet über ein Chaos bei der Krisenhilfe in Ahrweiler, Überschrift „Selbst Fluchthelfer schütteln den Kopf: Frau Merkel, schicken Sie endlich echte Macher!“. Ist Ihrer Chefin dieser Aufruf bekannt? Möchte sie echte Macher schicken, oder was tut sie?

StS Seibert: Ich kenne den Artikel nicht, und deswegen weiß ich auch nicht, ob die Bundeskanzlerin diesen Artikel gelesen hat. Es gibt sehr, sehr enge Kontakte zwischen dem Bund und den Ländern. Die Länder haben ja jeweils Sonderbeauftragte eingerichtet. Der Bund hat einen Staatssekretärsausschuss eingerichtet. Das heißt, wir wissen sehr genau von den Ländern, was in den betroffenen Katastrophengebieten der Stand der Dinge ist. Entsprechend orientieren wir unsere Unterstützung. Ich denke, dass das auch gestern in diesem nationalen Aufbauhilfefonds seinen Niederschlag gefunden hat und in der Bereitschaft des Bundes, die Wiederaufbaumaßnahmen der Länder eben hälftig zu finanzieren.

Im Übrigen hat gestern auch Einigkeit darüber bestanden, dass es Grund gibt, all denen, die im Katastrophengebiet anpacken - seien es Ehrenamtliche, seien sie aus dem privaten Bereich, seien sie zum Beispiel von der Bundeswehr dort zum Einsatz gebracht worden -, wirklich tief dankbar zu sein.

Zusatzfrage: In dem Artikel wird kritisiert, die Bundeskanzlerin habe zu bürokratisch gehandelt. Der ehemalige Hamburger Innensenator und Bundeskanzler Schmidt habe damals die bürokratisch vorgeschriebenen Wege verlassen. Ohne das hätte er das nicht managen können. Wie stehen Sie zu dieser Kritik, die Hilfe sei zu bürokratisch?

StS Seibert: Der Bund spielt seine notwendige Rolle dabei, den Katastrophenregionen zu helfen, in einer in der Höhe der Finanzhilfen noch nie da gewesenen Weise. Das Ganze wird jetzt in der nächsten Woche sehr schnell im Kabinett beschlossen werden, und dann wird es die notwendigen Lesungen im Deutschen Bundestag geben, auch sehr schnell. Das heißt, dieses Geld wird sehr schnell zur Verfügung stehen. Deswegen, glaube ich, kann man diesen Vorwurf so nicht erheben. Da, wo es im Einzelnen hapert beziehungsweise wo man sagt „Hier hätte es schneller gehen können, hier hätte man einen anderen Weg finden sollen“, werden die Vertreter des Bundes wie auch sicherlich die der Länder immer gut hinhören und schauen, ob etwas besser gemacht werden kann.

Frage: Sie sagten, das müsse auch im Bundeskabinett und im Bundestag behandelt werden. Läuft das über eine Kreditaufnahme? Uns ist gestern nicht ganz klar geworden, wo das ganze Geld eigentlich herkommen soll, das der Bund bereitstellen möchte.

StS Seibert: Vielleicht kann ich da das Bundesfinanzministerium um das Wort bitten.

Kuhn: Wie der Regierungssprecher schon erwähnt hat, handelt es sich hierbei ja um ein Sondervermögen in Höhe von 30 Milliarden Euro. Der Anteil in Höhe von 28 Milliarden Euro, der die Schäden der Länder betrifft, soll ja hälftig finanziert werden. Die Beteiligung der Ländergesamtheit soll über einen längeren Zeitraum erfolgen, über 30 Jahre. Das Sondervermögen wird dann vom Bund in Form eines Sondervermögens aufgesetzt. Das ist ja abseits des normalen Haushalts. Der Bund wird dann dafür sorgen, dass dieses Sondervermögen immer über ausreichende Liquidität verfügt. Das wird dann wahrscheinlich über mehrere Zuführungen aus dem Bundeshaushalt erfolgen.

Zusatz: Das ist ja aber eine erhebliche Summe! Der Haushalt ist ja auch nicht unendlich belastbar.

Kuhn: Genau. Wir gehen nach derzeitigem Stand davon aus, dass die Kreditermächtigung, die ja auch mit dem Nachtragshaushalt insgesamt vorgesehen worden ist, ausreicht. Das wird ja über mehrere Jahre hinweg erfolgen. Dann wird es möglicherweise weitere Zuführungen geben.

Frage: Gibt es neben dem Vertrauen in das britische Rechtssystem eine grundsätzliche Haltung der Bundesregierung zum weiteren Schicksal des gesundheitlich gefährdeten politischen Häftlings Assange, zur Frage seiner Auslieferung an die USA beziehungsweise zum weiteren, anders gearteten Umgang mit ihm?

Burger: Ich kann zu diesem Fall nur noch einmal wiederholen, was wir hier bereits vielfach ausgeführt haben: Die Bundesregierung sieht das große öffentliche Interesse am Auslieferungsverfahren gegen Julian Assange im Vereinigten Königreich. Entsprechend verfolgt die Bundesregierung wichtige Entwicklungen und Äußerungen hierzu auch aufmerksam. Nach der erstinstanzlichen Ablehnung der Auslieferung von Assange in die USA wird die Bundesregierung wie bisher auch die weiteren Verfahrensschritte verfolgen. Die Zuständigkeit für das Verfahren liegt jedoch bei der britischen Justiz. Das Auswärtige Amt kann Julian Assange als australischen Staatsbürger nicht konsularisch betreuen. Über die Haftbedingungen und den Gesundheitszustand von Herrn Assange haben wir deshalb als Auswärtiges Amt auch keine eigenen Erkenntnisse. Im Übrigen werde ich dem Prozessverlauf in Großbritannien von hier aus nicht weiter kommentieren.

Frage: Ich versuche, es schnell zu machen. Herr Alter, es geht um einen Professor für Sicherheitspolitik an der Hochschule des Bundes, Herrn Stephan Maninger, Fachbereich Bundespolizei. Da kam jetzt heraus, dass der eine rechte Vergangenheit hat. Der ist ja an der Hochschule Sicherheitsexperte und unterrichtet auch Spezialeinheiten. Da kam jetzt heraus, dass Herr Maninger einer der Gründerväter des Instituts für Staatspolitik gewesen ist, das als Denkfabrik der Neuen Rechten gilt und mittlerweile ja auch von Ihrem Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird. Er sprach zudem als Redner auf einer Veranstaltung, an der auch Unterstützer aus dem NSU-Umfeld teilnahmen. Wie bewerten Sie die Berichterstattung? Ist Herr Maninger immer noch Professor an der Universität?

Alter: Zur Berichterstattung: Ich kann Ihnen unsere Position zu diesem Thema nochmals wiedergeben. Rassismus und extremistisches Gedankengut haben im öffentlichen Dienst nichts verloren, weder innerhalb der Polizei noch in Bildungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes. Wer durch extremistische Auffälligkeiten bekannt wird oder auffällt, hat mit harten Konsequenzen zu rechnen.

Zum Einzelfall: Der in Rede stehende Professor ist schon seit knapp 20 Jahren im Dienst der öffentlichen Verwaltung, seit etwa zehn Jahren auch für die Bundespolizei. Er gilt in Fachkreisen als sehr renommierter Experte für Sicherheitspolitik. Er verfügt auch über eine ausgezeichnete internationale Vernetzung und hat selbstverständlich wie alle, die für die Bundespolizei arbeiten, auch eine Sicherheitsüberprüfung durch das BfV durchlaufen.

Die Bundespolizei hat die Medienberichte zur Kenntnis genommen und auch zum Anlass genommen, diesen Sachverhalt intensiv zu überprüfen. Sie hat auch dem Bundesinnenministerium eine vorläufige Einschätzung dazu vorgelegt. Das BMI hält es für richtig, dass die Bundespolizei diesen Fall sehr intensiv prüft.

Zusatzfrage: Wie lange wird das dauern?

Alter: Das wird nicht verzögert. So etwas geschieht unverzüglich.

Frage: Herr Alter, prüfen Sie als Verfassungsschutzministerium auch, dass in Mecklenburg-Vorpommern ein Mitglied einer Untergruppierung der Linken, das vom Verfassungsschutz beobachtet wird, Verfassungsrichterin geworden ist?

Alter: Das Bundesinnenministerium und der Geschäftsbereich sind auf keinem Auge blind. Deswegen sind diese Vergleiche, die Sie anstellen und die andeuten, dass wir für die eine Seite etwas anderes als für die andere tun - - - Wenn Sie sich dem verwehren, dann ist das falsch herübergekommen. Ich will aber nur deutlich machen: Es spielt für uns überhaupt keine Rolle, aus welcher Richtung etwaige verfassungsfeindliche Tendenzen oder Auffälligkeiten kommen. Alles wird gleichermaßen mit der gleichen Intensität behandelt, und für alle gelten gegebenenfalls die gleichen Konsequenzen. Da gibt es keine Unterschiede.

Zusatz: Ich habe nichts verglichen, Herr Alter. Das können Sie auch noch einmal nachhören.

Alter: Dann nehme ich das zurück. Dann ist es bei mir einfach falsch angekommen.

Zusatzfrage: Aber der Fall ist ja schon eine Weile her. Ist da schon konkret etwas unternommen worden?

Alter: Sie wissen, dass wir zu den operativen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden und insbesondere auch zu Einzelfällen an dieser Stelle grundsätzlich nicht Stellung nehmen. Ich habe das eben mit Blick auf die Frage von dem Kollegen gemacht, weil es sich um eine Person handelt, die, wie ich schon sagte, aus unserer Sicht zunächst einmal als renommierter Experte gilt, der in unserer Personalverantwortung steht. Wie immer in solchen Fällen kann es Berichte geben. Die müssen überprüft werden. Es sollte aber auch keine Vorverurteilung geben.

Frage: Herr Seibert, können Sie uns sagen, wie die Bundeskanzlerin den aktuellen IPCC-Report bewertet, davon ausgehend, dass sie ihn kennt, vor allem die zentrale Aussage, dass zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels eigentlich nur noch ein Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung steht, um auf eine CO2-Emissionen von null zu kommen?

StS Seibert: Die Bundesumweltministerin und die Bundesforschungsministerin haben ja für die Bundesregierung ihre Einschätzungen zum sechsten IPCC-Report schon vorgestellt. Ich kann für die gesamte Bundesregierung und damit natürlich auch für die Bundeskanzlerin sagen: Diese Berichte des Weltklimarats und die Arbeit des Weltklimarats insgesamt sind für die Bundesregierung von großer Bedeutung. Dies ist ja der erste Teil des Sechsten Sachstandsbericht. Es sollen weitere folgen. Diesmal sind schon wichtige Erkenntnisse zum aktuellen Weltklimazustand darin enthalten, ebenso wichtige Modellierungen der künftigen Entwicklungen. Zwei weitere Berichtsteile sollen nächstes Jahr folgen. Das wird die Bundesregierung wie auch bisher die gesamten Arbeiten des IPCC natürlich sehr genau studieren, und das fließt auch immer in unsere Arbeit ein.

Ich glaube, die Kollegin Demmer hat es hier schon am vergangenen Freitag gesagt, und deswegen möchte ich mich jetzt eigentlich ungern wiederholen. Für die Bundesregierung steht absolut fest: Der Klimawandel ist da. Er ist spürbar. Er ist bei uns spürbar, in anderen Teilen der Welt ohnehin, zum Teil mit noch viel drastischeren Auswirkungen, schon jetzt. Wir haben deshalb unsere Anstrengungen verstärkt, um die neuen Klimaziele des Bundesklimaschutzgesetzes zu erreichen. Wir haben Deutschland auf einen Kurs zur Klimaneutralität bis 2045 gebracht. Wir wollen bis 2030 den Treibhausgasausstoß um mindestens 65 Prozent senken. Wir haben vor allem auch zu einer neuen Dynamik auf europäischer Ebene beigetragen. Es war in der deutschen Präsidentschaft Ende des vergangenen Jahres, dass eben die Entscheidung fiel, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen zu wollen. Die Europäische Kommission hat gerade jetzt - Mitte Juli war es, glaube ich - ihre sehr weitreichenden Gesetzgebungsvorschläge dazu vorgestellt, und die werden jetzt nach der Sommerpause in Brüssel auch unter intensiver Beteiligung der Bundesregierung intensiv beraten werden. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann. Die Arbeit des Weltklimarats - er führt ja die Arbeit von Hunderten von Forschern und Forscherinnen aus vielen Ländern der Welt zusammen - ist von großer Bedeutung.

Zusatzfrage: Die direkte Nachfrage bezieht sich auf die Position der Kanzlerin vor dem Hintergrund, dass Frau Merkel selbst dieses Thema immer wieder als ihr zentrales bezeichnet hat. Teilt sie also die Einschätzung, dass zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels eigentlich nur noch dieser knappe Zeitraum von fünf Jahren bis zur Emission von null CO2 zur Verfügung steht?

StS Seibert: Ich will hier nicht auf einzelne Aussagen aus diesem Sachstandsbericht eingehen. Ich habe Ihnen gesagt, wie wichtig die Arbeit des Weltklimarats insgesamt ist, wie wichtig auch wieder dieser neueste Bericht ist und dass wir uns mit aller Kraft als Bundesregierung - das muss dann natürlich in einigen Monaten eine neue Bundesregierung fortführen - genau dem widmen, national wie europäisch, den Kurs auf konsequenten Klimaschutz zu lenken.