Rede von Kulturstaatsministerin Grütters anlässlich der Verleihung des Deutschen Verlagspreises 2021

In seinen eher knapp und nüchtern gehaltenen Tagebuchaufzeichnungen schreibt Lion Feuchtwanger, einer der berühmtesten literarischen Söhne Münchens, immer wieder auch über seinen Verleger Gustav Kiepenheuer. Darin finden sich Sätze wie:

  • „Unerquickliche Unterredung mit Kiepenheuer, dem ich Erleichterung einräume.“
  • „Geld von Kiepenheuer.“
  • „Kiepenheuer schickt nach langer Mahnung eine längst fällige Abrechnung, aber kein Geld. Erklärt dann, er werde das Geld in 3 Tagen schicken.“

Bekanntermaßen ist ja die Autor-Verleger-Beziehung nicht immer die einfachste – Thomas Bernhards Briefwechsel mit Siegfried Unseld ist legendär und mittlerweile selbst als Buch erschienen.
Aber es ist eben auch eine zentrale Beziehung für alle Schreibenden; denn ihre Verlegerinnen und Verleger sind das Bindeglied zwischen ihnen und ihrem Publikum. Mit ihrer großen Leidenschaft für Literatur, mit ihrem Glauben an die Kraft des geschriebenen Wortes, mit unternehmerischer Weitsicht und feinem Gespür für außergewöhnliche Stoffe sorgen sie dafür, dass auch Bücher abseits des publizistischen Mainstreams ihren Weg in den Buchhandel finden. Und oft sind sie auch wichtige Vertraute oder sogar Freunde. Feuchtwanger jedenfalls hielt in seinem Tagebuch auch fest, dass sein Verleger Kiepenheuer an seinem Geburtstag im Jahr 1931 sein einziger Gast war.

Die große Leistung der Verlegerinnen und Verleger wollen wir heute einmal mehr würdigen. Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zur Verleihung des Deutschen Verlagspreises – hier in den schönen Münchner Kammerspielen, denen ich für die Gastfreundschaft herzlich danke. Ich freue mich sehr, dass das Theater seine Pforten für das Publikum öffnen kann und dass wir endlich wieder Gelegenheit haben, für schöne Anlässe wie den heutigen live vor Ort zusammenzukommen – wenn auch nicht in der vollen Stärke, die ich mir gewünscht hätte.
Bereits zum dritten Mal verleihen wir den Deutschen Verlagspreis – an 66 Verlage in diesem Jahr aus sage und schreibe 366 Bewerbungen. Vermutlich hätte es sogar noch mehr Bewerbungen gegeben, wenn auch diejenigen 33 Verlage, die im vergangenen Jahr Spitzenpreisträger waren oder Doppel-Gewinner der beiden Vorjahre sind, sich hätten bewerben können – was seit diesem Jahr aber aus gutem Grund nicht mehr möglich ist, denn nur so können wir mittelfristig viele Verlage erreichen.

Auch an diesen eindrucksvollen Zahlen lässt sich die Vielfalt der deutschen Verlagslandschaft ablesen. Und diese Vielfalt gäbe es nicht ohne die unabhängigen Verlage, ohne ihre Bereitschaft, auch finanzielle Risiken einzugehen. Das Verlagsgeschäft ist hart und der Markt umkämpft. Wer sich dennoch entscheidet, eigenverantwortlich seine „Herzblut“-Projekte umzusetzen, hat nicht nur Mut, sondern fördert gleichzeitig den kulturellen Reichtum unseres Landes. Deshalb haben wir diesen Preis ins Leben gerufen, um jene zu würdigen, die sich nicht allein dem Diktat der Verkaufszahlen unterwerfen, die für publizistische Vielfalt stehen und die die Lesekultur hierzulande maßgeblich fördern.

Ich danke allen Beteiligten für ihr Engagement, vor allem der versierten und fleißigen Jury unter dem Vorsitz von Insa Wilke, die heute von Patricia Klobusiczky würdig vertreten wird.

In diesem Jahr haben wir die Prämien deutlich erhöht, denn gerade in dieser Zeit der Krise haben die Verlage ja einmal mehr löwenhaft für das Kulturgut Buch gekämpft. Die Umsatzeinbußen der zwangsläufig geschlossenen Buchhandlungen haben sich ja trotz Online-Handel auch auf die Erträge der Verlage ausgewirkt. Deshalb hat der Bund erhebliche Fördermittel für die gesamte Buch- und Verlagsbranche aus dem Rettungs- und Zukunftsprogramm NEUSTART KULTUR zur Verfügung gestellt.

Doch auch hier, bei der Unterstützung der Buchbranche geht es – ähnlich wie im Verhältnis von Autorinnen und Autoren zu ihren Verlegern – nicht nur ums Geld. Konsultieren wir noch einmal Lion Feuchtwanger. In seinem Roman „Erfolg“ schreibt er, ich zitiere:

„Karl Marx meinte: Die Philosophen haben die Welt erklärt, es kommt darauf an, sie zu ändern. Ich für meine Person glaube, das einzige Mittel, sie zu ändern, ist, sie zu erklären. (…) Sie mit Gewalt zu ändern, versuchen nur diejenigen, die sie nicht plausibel erklären können. Diese lauten Versuche halten nicht vor, ich glaube mehr an die leisen. Große Reiche vergehen, ein gutes Buch bleibt. Ich glaube an gutbeschriebenes Papier mehr als an Maschinengewehre.“

Sie, liebe Verlegerinnen und Verleger, wissen es wohl am besten: Ein gutes Buch bleibt. Deshalb schenken Sie Ihre Aufmerksamkeit sowohl den literarischen Traditionen als auch den literarischen Aufbrüchen und leisten als Wegbereiter für die Kraft des besseren Arguments und als Anstifter zum Perspektivenwechsel einen wichtigen Beitrag zu einer Debattenkultur, die diesen Namen verdient. Ich bin sicher: Mit Neugier, Wagemut und Weitsicht werden Sie auch in Zukunft dafür sorgen, dass wunderbare Bücher ihre welt-bewegenden Kräfte im Sinne Lion Feuchtwangers entfalten können!

Herzlichen Glückwunsch zum Deutschen Verlagspreis!