Regierungspressekonferenz vom 11. Januar 2021

Im Wortlaut Regierungspressekonferenz vom 11. Januar 2021

Themen: COVID-19-Pandemie (Muster-Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Bekämpfung des Coronavirus, Corona-Warn-App, SARS-CoV2-Mutationen, Kinderkrankengeld, steigende Infektionszahlen, Auswirkungen auf die Wirtschaft, Homeoffice, Impfstoffbeschaffung, Preis der Impfstoffe, Impfstoffwirksamkeit, Regelungen für Fahrschüler und Fahrschulen, Impfpflicht für Arbeitnehmer), staatliche Daseinsvorsorge, neue Einreiseverordnung, Lkw-Flotten-Modernisierungsprogramm, Telefonat des Bundesaußenministers mit seinem saudi-arabischen Amtskollegen, Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen bei einer Demonstration in Berlin, Sperrung der Twitter-Accounts des US-Präsidenten, Situation in Washington, Beschwerdeverfahren von Reporter ohne Grenzen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Medienberichte über einen Appell von polnischer Seite an die Bundesregierung in Bezug auf den Atomausstieg, Medienberichte über europäische Stromausfälle, Nord Stream 2, Lieferkettengesetz

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Montag, 11. Januar 2021

Sprecher: StS Seibert, Kautz (BMG), Alter (BMI), Keitel (BMJV), Baron (BMWi), Ehrentraut (BMAS)


Vorsitzender Feldhoff eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.


Frage: Im Rahmen des Themenkomplexes Corona habe ich eine Frage zur Muster-Quarantäneverordnung des Bundes, wahrscheinlich an das Gesundheitsministerium, aber auch an das Innenministerium. Aus einzelnen Bundesländern gibt es Rückmeldungen, die es kritisch sehen, dass die neue Muster-Verordnung vorsieht, dass man für Geimpfte und für Genesene Ausnahmen von der Quarantänepflicht für Personen, die aus Risikogebieten zurückkommen, machen kann. Bislang hieß es, man wolle Geimpfte noch nicht anders behandeln als andere.

Warum hat sich der Bund dazu entschieden, jetzt schon diese Ausnahmen möglich zu machen? Wie wird das begründet?

Kautz: Da diese Verordnung noch Gegenstand regierungsinterner Beratungen ist, kann ich die Prämisse noch nicht bestätigen, die Sie Ihrer Frage zugrunde legen.

Zusatz: Aber es gibt erste Bundesländer, die das schon umgesetzt haben.

Kautz: Nein.

Zusatzfrage: Doch. Tatsächlich hat Sachsen-Anhalt wohl eine neue Quarantäneverordnung erlassen, die diese Ausnahmen vorsieht. Handeln die Länder dann voreilig, oder verstehe ich das falsch?

Kautz: Wir machen eine neue Einreiseverordnung, und diese ist noch Gegenstand regierungsinterner Beratung. Sie wird dann von den Bundesländern umgesetzt.

Zusatzfrage: Vielleicht können Sie trotzdem noch einmal die Grundsatzhaltung des Bundes schildern. Sind Sie dafür, oder sind Sie dagegen, dass es diese Ausnahmen für Geimpfte gibt?

Kautz: Ich werde jetzt keine Detaildiskussion führen, da das zurzeit noch in Beratung ist.

Alter: Herr Kautz hat das Wesentliche zum Verfahrensstand gesagt. Wir sind im Gespräch. Beide Verordnungen werden diskutiert. Über Details kann man im Moment keine Auskunft geben.

Ich möchte an die der Stelle aber noch einmal an das erinnern, was der Bundesinnenminister Ende des vergangenen Jahres dazu gesagt hat. Er hat eine ganz klare politische Haltung formuliert, nämlich die, dass es keine Privilegien für Geimpfte geben soll, weil er befürchtet, dass damit eine Impflicht durch die Hintertür eingeführt werden könnte. An dieser Position hat sich nichts geändert.

Gleichwohl sind in einem solchen Prozess immer auch rechtliche Fragestellungen zu prüfen, und die muss man jetzt im Detail abwägen.

Frage: Ich habe eine Nachfrage zu dem, was Frau Buschow gesagt hat. Am 28. Dezember hat Frau Demmer hier gesagt: Wir wissen, dass die Impfung die geimpften Personen schützt, aber wir wissen nicht, ob sie auch vor einer Ansteckung anderer schützt. - Nun gibt es diese Muster-Verordnung - die gibt es ja -, und die Bundesregierung hat hineingeschrieben - sozusagen geplant -: Bei einer Impfung gibt es eine Aussetzung von Freiheitsbeschränkungen.

Gibt es jetzt andere Erkenntnisse als die, die Frau Demmer am 28. Dezember vorgetragen hat, oder warum ändert man die Herangehensweise innerhalb von zwei Wochen?

Kautz: Diese Verordnung ist momentan noch im Gespräch. Die Ausnahme, von der Sie gerade geredet haben, ist noch in Abstimmung.

Aber ich kann Ihnen sagen, dass es, wie Sie vorhin formuliert haben, noch nicht wissenschaftlich ausreichend untersucht ist, ob jemand ansteckend ist, wenn er geimpft worden ist.

Zusatzfrage: Sie sagten, die Muster-Verordnung sei noch nicht in Kraft. Einverstanden. Aber Sie ist ausgearbeitet worden. Haben sich die Ministerien also geirrt? Wenn sie trotz fehlender Kenntnis über den Schutz von Geimpften bei der Übertragung so etwas in eine Muster-Verordnung aufnehmen, dann ist das ja ein Widerspruch.

Kautz: Nein. Diese Muster-Verordnung, die Einreiseverordnung ist nicht ausgearbeitet. Sie ist im Gespräch.

Frage: Wird diese Muster-Verordnung, ohne dass man grundsätzlich schon sagt, was darin steht, voraussichtlich auch für Pendler gelten?

Frage: Eine Frage an das BMI: Warum sprechen Sie von Privilegien? Geht es hier nicht um Grundrechte?

Kautz: Ich kann nur wiederholen, was ich gerade gesagt habe, dass ich Details jetzt nicht erörtern werde.

Alter: Ich schließe mich dem an. Aber zum konkreten Aspekt der Pendler ist das auch nichts Neues. Seit März des vergangenen Jahres sind wir in dem System, dass wir Regelungen entwickeln und es von diesen Regelungen bestimmte Ausnahmen geben muss. Wir haben bisher immer darauf Wert gelegt, dass der grenzüberschreitende Lieferverkehr und auch Berufspendler eine besondere Berücksichtigung erfahren. Ob und inwieweit das in der aktuellen Fassung zu berücksichtigen ist, ist im Gespräch.

Zur zweiten Frage: Ich habe deutlich gemacht, welche politische Haltung der Bundesinnenminister zum Thema von Privilegien für Geimpfte hat. Daran ändert sich nichts. Ich habe auch deutlich gemacht, dass bei dieser Fragestellung immer auch rechtliche Aspekte zu berücksichtigen sind. Das heißt, dass die Regelungen, die wir erlassen, verhältnismäßig sein und vor Gericht Bestand haben müssen. Dafür reicht eine politische Haltung allein nicht aus. Dazu werden im Moment Gespräche geführt.

Frage: Ich habe die neue, seit 8. Januar gültige Quarantäne-Verordnung in Sachsen-Anhalt vor mir, die diese Ausnahmen jetzt vorsieht. Dazu eine Wissensfrage: Können die Länder das auch einzeln machen? Können sie diese Ausnahmen selbst machen, ohne dass Sie schon über die neue Muster-Quarantäneverordnung befunden haben, oder braucht es ein Okay des Bundes für Ausnahmen für Geimpfte?

Kautz: Rechtlich kann ich das nicht bewerten. Aber es gibt eine Muster-Quarantäneverordnung, die die Länder jeweils umsetzen. Ob sie so weit gehen können, wie Sie es gerade gesagt haben, kann ich rechtlich nicht bewerten.

Vorsitzender Feldhoff: Vielleicht Herr Alter?

Alter: Im Detail schließe ich mich, wie gesagt, dem an, was Herr Kautz sagt. Aber der Begriff Muster-Quarantäneverordnung gibt ja schon Hinweise darauf. Wir haben immer Wert darauf gelegt, dass es eine Muster-Quarantäneverordnung ist, weil die Zuständigkeit für die Vorschriften bei den Ländern liegt. Insofern ist die Frage zu beantworten. Der Bund macht ein Muster; die Länder setzen es um.

Frage Wolf: Ich habe eine Frage zur Corona-Warn-App an das Gesundheitsministerium und das Justizministerium. Die App wurde von Beginn vor sieben Monaten an generell für die Entwicklung und den hohen Datenschutzstandard gelobt. Nun gibt es zunehmend Rufe danach, im Sinne des effektiveren Gesundheitsschutzes Abstriche beim Datenschutz zu machen oder den Datenschutz zumindest nicht zu streng zu sehen.

Wie stehen die beiden Ressorts, Gesundheitsministerium und Justizministerium, zu dieser Abwägung? Halten Sie es für notwendig, die App vor diesem Hintergrund über das jüngste Update hinaus weiterzuentwickeln?

Kautz: Die App wird kontinuierlich weiterentwickelt. Aber an dem Punkt, den Sie ansprechen, dem Datenschutz, wollen wir keine Abstriche machen. Das ist unserer Meinung nach ein wesentlicher Grund für die Akzeptanz der Corona-Warn-App. Alles, was dem zuwiderlaufen würde, würde den Erfolg der Corona-Warn-App gefährden.

Zusatzfrage Wolf: Wenn aber Akzeptanz das Hauptkriterium dafür ist, dass man daran keine Abstriche machen kann, dann kann man ja durchaus sagen, dass viele Menschen die App einfach nicht als wirksam genug ansehen und sie deswegen nicht aktiv nutzen, weil sie sagen, sie sei ohnehin kein effektiver Beitrag in der Pandemiebekämpfung.

Könnte es umgekehrt nicht auch zur Akzeptanz beitragen, sie aufzubohren?

Kautz: Ich weiß nicht, was Sie als Erfolg bezeichnen. Ich habe mir gerade die aktuellen Zahlen angeschaut. 25 Millionen Downloads, sieben Millionen übertragener Testresultate - ich denke, dass das schon ein Erfolg der Corona-Warn-App ist.

Nicht alle nutzen die Corona-Warn-App; das ist so. Aber wir haben schon einen sehr, sehr hohen Anteil, und sie funktioniert.

Keitel: Im Prinzip hat sich die Ministerin ähnlich geäußert, kürzlich beispielsweise gegenüber der „WELT am Sonntag“, dass auch sie bei dem Grundsatz der Freiwilligkeit und damit verbundener hoher Akzeptanz der Bevölkerung bleibt und dass es für Sie auch nicht infrage kommen würde, Datenschutz gegen Gesundheitsschutz auszuspielen. Sie sagt, dass die entscheidende Frage ist, welche Daten uns bei der Pandemiebekämpfung wirklich weiterbringen. Die Corona-Warn-App ist nur dann nützlich, wenn genügend Menschen mitmachen. Dazu brauchen wir eine hohe Akzeptanz, die wir sicherlich nicht durch Zwang erreichen.

Zusatzfrage Wolf: Noch eine Lernfrage zu den Zahlen, die Sie, Herr Kautz, genannt haben. Können Sie sagen, wie viele der sieben Millionen Ergebnisse, die eingetragen wurden, positiv waren?

Kautz: Ich habe die Zahl von 200 000 positiven Testergebnissen, die weitergegeben wurden. Das muss dann mit der Zahl der Kontakte, die man gehabt hat, multipliziert werden, um zu sehen, wie viele Menschen gewarnt werden. Das ist schon eine erkleckliche Zahl. Wir müssen auch sehen, dass die Corona-Warn-App ein Bestandteil im Baukasten ist, den man hat, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Sie ist kein Allheilmittel - das haben wir von Anfang an gesagt -, sondern sie ist ein Werkzeug, um die Pandemie besser in den Griff zu bekommen.

StS Seibert: Ich möchte noch eine Sache dazu sagen. Alle Argumente, die die Kollegen bezüglich der Akzeptanz und des Vertrauens in die App genannt haben, unterstütze ich hundertprozentig. Das hängt tatsächlich an dem Versprechen des hohen Datenschutzstandards.

Ich will noch etwas dazusagen: Manche der Forderungen - das steht auch ein wenig hinter Ihrer Frage -, was alles man an der App noch verändern könnte, stoßen sich ja nicht nur an Fragen des Datenschutzes, sondern ganz schlicht auch an technischen Möglichkeiten beziehungsweise Unmöglichkeiten. Die technologische Grundlage der App ist das Framework von Google und Apple. Dafür ist die freiwillige Einwilligung die Rechtsgrundlage und die Voraussetzung. Das heißt, dass die App vieles von dem, was Menschen sich an Zusätzlichem vorstellen, mit dieser technologischen Grundlage nicht leisten kann.

Dann will ich einfach noch einmal den Blick darauf richten, dass die App heute, Januar 2021, nicht mehr genau dieselbe ist wie im Juni 2020, als wir sie gestartet haben. Sie hat sich vielfachen Updates unterzogen. Sie warnt heute präziser. Sie hat in dem neuesten Update auch die Möglichkeit, die lange gefordert worden war, dass Menschen freiwillig ein Kontakttagebuch in dieser App führen können. Das heißt: Die Weiterentwicklung, die noch bessere Nutzbarmachung der App läuft.

Frage: Es ist ja bekannt, dass eine südafrikanische und eine britische Mutation, wenn man es einmal so nennen darf, die offenbar ansteckender sind, unterwegs sind. Muss man die App in dieser Hinsicht anpassen? Muss man sie also sensibler machen, weil eine Ansteckung vielleicht schon in kürzerer Zeit möglich ist? Gibt es solche Überlegungen?

Kautz: Bislang ist dazu noch kein weiteres Update geplant.

StS Seibert: Ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstehe. Die App kann mich als Nutzer der App immer nur dann warnen, wenn jemand, mit dem ich eine zu enge und zu lange Begegnung hatte, positiv getestet worden ist und dieses Positivergebnis in der App teilt, wie es 200 000 Menschen schon getan haben. Das unterscheidet natürlich nicht nach der Variante des Virus.

Es geht immer darum, dass derjenige, der ein positives Testergebnis erhält, dieses aktiv in der App teilt - dazu fordern wir ja auch immer wieder auf -, damit alle Menschen entlang seiner Infektionsstrecke und -kette frühzeitig gewarnt werden können.

Zusatzfrage: Ich denke, Herr Kautz hat mich richtig verstanden. Es geht darum, ob man zum Beispiel einen kürzeren Zeitraum einstellt, weil eine Infektion schneller möglich ist.

Kautz: Es gibt die Vermutung, dass die Virusvarianten, die wir jetzt in Südafrika und Großbritannien gesehen haben, infektiöser seien. Aber eine klare, wissenschaftlich fundierte Aussage der Art, dass man zum Beispiel sagen könnte, dass jetzt bereits ein um so und so viel kürzerer Kontakt zu einem Infizierten in einem um so und so viel geringeren Abstand für eine Gefährdung ausreiche, liegt noch nicht vor. Die Grundlage für Ihre Frage ist noch nicht vorhanden.

Zusatzfrage (zur SARS-CoV2-Mutationen): Können Sie ein kurzes Update dazu geben, wie weit man bei der Erforschung und Sequenzierung ist? Wie viele Tests werden auf die neuen Mutationen ausgewertet?

Kautz: Die Sequenzierung läuft in entsprechenden Laboren. Die Informationen werden an das Konsiliarlabor in Berlin, an die Charité gegeben. Wir sind dabei. Auf Grundlage des Bevölkerungsschutzgesetzes haben wir die Möglichkeit, die Sequenzierung zu erweitern. An dieser Verordnung arbeiten wir mit Hochdruck, auch daran, dass diese Sequenzen parallel auch dem RKI gemeldet werden.

Frage (zur Corona-Warn-App): Die Downloadzahl wird immer wieder genannt. Aber wie viele Menschen haben die App heruntergeladen - das ist ja ein Unterschied -, und wie viele nutzen die App gerade?

Kautz: Das kann ich Ihnen en détail nicht sagen. Das ist auch ein wenig schwierig zu prognostizieren. Dieses Thema hatten wir hier schon mehrfach. Es gibt ein paar Menschen, die die App wieder deinstallieren. Das muss man abziehen. Die genauen Daten darüber, wie viele Zugriffe auf den Server am Tag laufen, würde ich nachliefern.

Frage: An Herrn Kautz in Sachen Kinderkrankengeld: Trifft es zu, dass es einen Nachweis der Kita oder der Schule braucht, dass sie tatsächlich geschlossen ist, um das Kinderkrankengeld beziehen zu können? Was würde das dann in Bundesländern bedeuten, in denen beispielsweise ein Notbetrieb aufrechterhalten wird? Heißt das, dass es dort unmöglich wäre, Kinderkrankengeld zu beziehen?

Kautz: Da würde ich Sie bitten, sich noch etwas zu gedulden. Das war in der Tat in einem ersten Entwurf für das Kinderkrankengeld vorgesehen, aber auch diese Verordnung ist noch Gegenstand regierungsinterner Beratungen.

Zusatzfrage: Können Sie denn zum Zeitplan etwas Näheres sagen? Wird das am Mittwoch schon im Kabinett sein? Es hieß aus der SPD-Fraktion, man rechne damit, dass das diese Woche in erster Lesung im Bundestag beraten würde. Dann müsste es ja am Mittwoch ins Kabinett.

Kautz: Damit rechnen wir auch, ja.

Frage: Auch zum Thema Kinderkrankengeld: Was ist der Stand der Dinge bei der Umsetzung des Kinderkrankengelds bei geschlossenen Kitas und Schulen? Da wurde ja großzügige Unterstützung angekündigt.

Was ist mit privat Versicherten, welchen Anspruch haben die auf Sonderurlaub?

Kautz: Details dazu würde ich jetzt nicht beantworten.

Frage: Weil die PKV angesprochen war: Für die ist das Kinderkrankengeld ja eine sachfremde Leistung. Würde im Fall von privat Versicherten dann die Entschädigung nach Infektionsschutzgesetz in Höhe von 67 Prozent des Nettoeinkommens fließen?

Kautz: Davon gehe ich aus, ja.

Zusatzfrage: Das wäre also komplett getrennt, das heißt, das Kinderkrankengeld würde bei gesetzlich Versicherten bei maximal 90 Prozent gedeckelt, und bei privat Versicherten gälten die 67 Prozent?

Kautz: So wäre es auf jeden Fall, wenn dazu in der Verordnung keine gesonderte Regelung getroffen wird.

Frage: An den Regierungssprecher: Ist für die Bundesregierung bei weiter hohen Infektionszahlen ein Herunterfahren der Wirtschaft eine Option?

StS Seibert: Diese Frage hatten wir ja letzte Woche schon. Wir haben jetzt einen ganzen Satz von Beschlüssen aus dem Treffen von Bund und Ländern am 5. Januar, die die Beschlüsse, die im Dezember galten, zum Teil fortschreiben und zum Teil an einigen wichtigen Punkten sogar noch verschärft haben, weil die Situation dies leider notwendig macht. Bund und Länder haben miteinander besprochen, am 25. Januar wieder zusammenzukommen, um im Lichte der Infektionslage, wie sie sich dann darstellt, und der Entwicklung der Zahlen zu beraten, wie es weitergeht. Ich kann und werde jetzt nicht Einzelmaßnahmen diskutieren, die dann möglicherweise Thema sind, sondern will, wie gesagt, den 25. abwarten. Wir haben, was die Datenlage betrifft, im Moment immer noch eine Situation, die durch die Feiertage, den Jahreswechsel, die niedrigere Zahl von Testungen usw. beeinflusst ist, und es gibt noch nicht wirklich das präzise Bild, wo wir in dieser Pandemie stehen. Das brauchen wir, um dann am 25. weitere Entscheidungen zu treffen.

Frage: An das BMWi zu diesem Thema: Falls der Shutdown des privaten und kulturellen Lebens und die Leitmaßnahmen im Wirtschaftsbereich nicht ausreichen und die Infektionszahlen, wie Herr Seibert jetzt auch schon sagt, nicht ausreichen gesenkt werden können: Haben Sie im BMWi schon einen Überblick, welche Teile der Produktion geschlossen werden können, ohne dass die Daseinsvorsorge gefährdet ist?

Baron: Ich kann mich den Worten von Herrn Seibert nur anschließen: Es gibt eine klare Beschlusslage der Ministerpräsidentenkonferenz vom letzten Dienstag. Man hat vereinbart, am 25. Januar erneut zusammenzutreten. Jetzt gilt es eben, Kontaktbeschränkungen soweit wie möglich umzusetzen, Kontakte zu reduzieren und die Infektionszahlen nach unten zu bringen. Je schneller wir das hinbekommen und die Infektionszahlen sinken, desto besser ist das natürlich auch für die Wirtschaft und die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich kann jetzt aber nicht über künftige Beschlüsse beziehungsweise über die Frage spekulieren, was zu tun wäre, sollten die Infektionszahlen nicht sinken.

Zusatzfrage: Ich habe ja explizit nicht nach Spekulationen gefragt, sondern ob Sie als verantwortungsbewusstes Wirtschaftsministerium einen Überblick haben, welche Teile der Wirtschaft geschlossen werden können, ohne dass die Aufrechterhaltung der Daseinsvorsorge beeinträchtigt wird. Herr Seibert hat am Freitag ja selbst gesagt, dass Herr Ramelow die Forderungen in die nächste Runde einbringen kann und wahrscheinlich auch wird - - -

StS Seibert: Das habe ich nicht gesagt. Ich kann hier ja nicht für Herrn Ramelow sprechen.

Zusatzfrage: Sie haben am Freitag gesagt, er könne es einbringen. Dementsprechend will ich wissen, ob die Bundesregierung diese Forderungen ernst nimmt; denn das wäre ja der nächste Schritt, wenn die Zahlen nicht sinken.

Baron: Ich kann Ihnen versichern: Wir sind mit allen Wirtschaftsverbänden und mit allen Betroffenen in der Wirtschaft in einem stetigen Austausch, wir haben natürlich einen Blick in die Betroffenheit der Wirtschaft hinein. Dennoch bleibe ich bei meiner Antwort, dass jetzt die Beschlüsse vom vergangenen Dienstag gelten und Beschlüsse immer im Kreis der Ministerpräsidenten getroffen werden.

Zusatzfrage: Sie haben keinen Überblick, welche Teile der Wirtschaft geschlossen werden?

Baron: Herr Kollege, das habe ich nicht gesagt, das lesen Sie jetzt hinein. Ich habe Ihnen gesagt: Wir sind in einem ständigen Austausch, schon seit dem Frühjahr. Da haben wir ja auch angefangen, die Coronahotline zu schalten, um eben den Austausch mit der Wirtschaft zu pflegen und zu schauen, in welchen Bereichen es welche Sorgen und welche Probleme gibt. Aber noch einmal: Es gilt die Beschlussvorlage der jetzt geltenden Ministerpräsidentenkonferenzbeschlüsse.

Frage: Auch an Frau Baron dazu: Die Vorstufe zur Wirtschaftsschließung wäre ja mehr Homeoffice - darüber ist hier in der Runde ja auch schon mehrfach gesprochen worden. Sie hatten zuletzt gesagt, nach Ihren Kenntnissen werde Homeoffice weitgehend gewährt und auch in einem großen Rahmen genutzt. Herr Heil hat heute Morgen im Norddeutschen Rundfunk gesagt, seiner Kenntnis nach sei das bei diesem Lockdown sehr viel weniger als im März. Können Sie vielleicht sagen, worauf sich Ihre Zahlen oder Ihre Umfragewerte stützen und wie Sie zu Ihrer Erkenntnis gekommen sind?

Baron: Ich hatte Ihnen ja gesagt, dass wir keine Zahlen oder Statistiken dazu vorliegen haben, sondern dass wir den Austausch mit der Wirtschaft und mit den Verbänden pflegen. Es gibt ja auch den Appell - der sich jetzt schon in verschiedenen Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenzen wiederfindet -, soweit wie möglich Homeoffice zu gewähren. Die Lage ist aber natürlich in unterschiedlichen Bereichen sehr unterschiedlich. Es gibt ganz offensichtlich Berufsgruppen, die nicht im Homeoffice arbeiten können - Krankenpfleger, Post usw. - und andere Bereiche, die das können. Wo es möglich ist, soll das natürlich gemacht werden; das ist auch die Beschlusslage der Ministerpräsidentenkonferenz. Ich kann aber auch nicht jeden Einzelfall beurteilen, denn es gibt auch sehr unterschiedliche Motivationslagen. In bestimmten Bereichen war im März vielleicht zunächst eine höhere Homeofficenutzung gegeben, und jetzt ist man in unterschiedlichen Bereichen eben zu dem Ergebnis gekommen, dass man in Teammodellen oder in Wechselmodellen arbeiten wird, wodurch sich die Zahlen wieder verändern. Ich kann das im Einzelfall nicht beurteilen; das ist auch nicht unsere Aufgabe. Aber noch einmal: Es gibt hierzu eine klare Beschlusslage der Ministerpräsidentenkonferenzen.

Frage: Herr Seibert, eine Verständnisfrage: Sie haben gerade auf die Frage nach der aktuellen Einschätzung im Hinblick auf die Weihnachtstage geantwortet, es gebe kein präzises Bild, wo wir in dieser Pandemie stehen. Da bin ich jetzt doch sehr überrascht: Man hat die Wirtschaft heruntergefahren, was schwerwiegende Folgen für 83 Millionen Menschen hatte, und eine Woche danach sagen Sie, man habe kein präzises Bild, wo wir stehen. Ist man dann sozusagen auf Verdacht vorgegangen? Wie begründet man solche einschneidenden Maßnahmen, wenn man kein präzises Bild hat?

StS Seibert: Es ist auch die Haltung der Wissenschaftler, dass wir aufgrund der von mir genannten Umstände - Feiertage, Jahreswechsel, geringere Zahl von Tests usw. - heute nicht davon ausgehen können, dass die Infektionszahlen, die wir derzeit vom RKI gemeldet bekommen, schon das komplette Bild abgeben. Das ist nicht meine Erfindung, sondern das ist etwas, was von vielen Wissenschaftlern und vom RKI selber so dargestellt wird und auch hier an dieser Stelle so dargestellt wurde - ich weiß nicht, ob Sie bei der Pressekonferenz dabei waren. Das ist das, was ich gesagt habe.

Das, was wir aber derzeit sehen, nämlich die sehr hohen Zahlen, die täglichen Todeszahlen, die sehr hohe Zahl der Auslastung von Intensivstationen - 5500 Menschen müssen derzeit in Intensivstationen behandelt werden -, zeigt uns, dass wir in einer ganz, ganz schwierigen Phase sind. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben.

Hinzu kommen die Meldungen über das mutierte Virus, das noch nicht auserforscht ist, von dem man aber jetzt schon annehmen muss, dass es eine deutlich höhere Infektiosität in sich trägt - offensichtlich keine größere Gefährlichkeit, aber eine höhere Infektiosität; das ist das, was uns die Wissenschaftler bisher sagen. Damit erklärt sich der enorme Anstieg, der ganz steile Anstieg der Infektionszahlen in Ländern wie Großbritannien, Irland und sonst wo. Wir haben bereits erste Spuren dieses Virus auch in Deutschland gefunden, so wie andere Länder auch bei sich erste Spuren gefunden haben. Es muss unser dringendes Interesse sein, dass wir die Zahlen ganz, ganz stark herabdämmen können, damit diese Virusmutante hier nicht dominant wird und nicht in Deutschland das anrichtet, was sie in anderen Ländern angerichtet hat.

Das ist die Situation. Die Analyse der Wissenschaftler ist: Mitte des Monats - um den 17. herum, wurde gesagt - werden sich all diese Effekte, die Sondereffekte aus dem Jahreswechsel und den Feiertagen, sozusagen ausbalanciert haben, und dann wird man sehr viel klarer sehen, was die Zahlen wert sind. Es gibt aber absolute Zahlen: Das sind die Zahlen der Toten, das sind die Zahlen der belegten Intensivbetten. Diese sprechen für eine sehr, sehr ernste Lage.

Kautz: Ich darf das kurz mit konkreten Zahlen ergänzen, Herr Kollege. Wir haben momentan 343 Todesfälle am Tag. Anfang November war es die Hälfte, 151. Wir haben zurzeit 5320 COVID-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung. Anfang November war es die Hälfte, 2300. Wir haben zurzeit rund 4000 freie Intensivbetten. Anfang November waren es doppelt so viele, fast 8000. Das zeigt die Situation. Nicht eingepreist ist dabei, dass das aufgrund des Jahreswechsels dann eventuell noch weiter nach oben geht.

Zusatzfrage: Ich denke, es leuchtet ein, dass man in einer Pandemie ein präzises Bild haben muss. Sehen Sie da dann Versäumnisse, dass die Bundesregierung und auch die Länderregierungen nicht gewährleisten konnten, dass man über Weihnachten diesen Verzerreffekt herunterfährt, also doch mehr in Betrieb hält, damit man auch über Weihnachten ein präzises Bild in einer Pandemie bekommt. Denn es ist ja keine schöne Lage, wenn in so einer kritischen Situation kein präzises Bild vorhanden ist.

Kautz: Die ganzen Zahlen müssen sie in der Entwicklung sehen, und die Zahlen konnte man - zugegebenermaßen mit einer gewissen Unschärfe - auch über den Jahreswechsel erkennen; da wurden ja auch Infektionen gemeldet. Es gibt momentan keine Unschärfe. Die Unschärfe ergibt sich vielmehr allein daraus, dass man momentan sagt: Wir wissen noch nicht, wie sich der Jahreswechsel auf die Infektionszahlen ausgewirkt hat. Die Infektionszahlen und auch die Zahl der Krankenhauseinweisungen zeigen sich eben mit einem Verzug. Das ist so; so etwas nennt man zum Beispiel Inkubationszeit.

Zusatzfrage: Aber jetzt widersprechen Sie ja Herrn Seibert, der gesagt hat, es gebe kein präzises Bild. Sie sagen, es gebe keine Unschärfe. Das ist doch ein ganz klarer Widerspruch.

Kautz: Nein, ich widerspreche Herrn Seibert überhaupt nicht. Genau das ist ja damit gemeint: Dass man erst dann richtig sehen kann, was zum Jahreswechsel passiert ist, wie viele Leute sich getroffen haben, wer sich angesteckt hat, wer einen schweren Verlauf in seiner Krankheit hat. Das können Sie erst später sehen. Das ist gemeint.

Frage: Ich hätte auch noch eine Frage zur Entwicklung von Zahlen, und zwar zum Thema Homeoffice an das BMAS: Frau Baron meinte, es gebe dazu keine präzisen Zahlen Ihrerseits. Die Hans-Böckler-Stiftung hat letztens eine Erwerbstätigenbefragung gemacht, bei der herauskam: Im April sind noch 27 Prozent der Angestellten ins Homeoffice gegangen, im November waren es nur noch 14 Prozent. Wie kann es sein, dass Sie keine Erwerbstätigenbefragungen oder etwas Ähnliches machen? Sie müssten doch ein Interesse daran haben, dass die Zahlen aus dem April jetzt noch übertroffen werden. Aktuell scheint es aber eher so zu sein, dass das weniger geworden ist. Haben Sie da überhaupt eine Zielgröße? Ist Ihre Zielgröße, dass 100 Prozent der Angestellten im Homeoffice arbeiten, oder sind 50 Prozent das Ziel?

Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, das mit Bußgeldern durchzusetzen, sodass Unternehmen, die ihre Leute nicht ins Homeoffice schicken, büßen müssen?

Vielleicht kann auch Frau Baron etwas dazu sagen - Sie haben ja so einen tollen Kontakt zur Wirtschaft.

Baron: Wie gesagt, ich kann Ihnen keine Studie oder Statistik zitieren. Ich habe heute auch die Studie gelesen, die Sie zitieren. Diese verfolgen wir natürlich auch. Es ist aber natürlich so, dass aktuell im direkten Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder im Austausch mit den Betriebsräten geklärt wird, welches Modell gewählt wird. Ich hatte eben ja schon erwähnt, dass unterschiedliche Bürobereiche unterschiedliche Modelle wählen. Die einen wählen das Modell eines Homeoffice, andere wählen Wechselteammodelle. Es muss auch jeweils vor Ort geklärt werden, welches Modell den betrieblichen Anforderungen gerecht wird und zugleich Kontakte reduzieren kann. Das Wechselteammodell kann hier ja ein solches Modell sein. Aber wie gesagt, die Entscheidung liegt nicht bei uns, sondern die Entscheidung liegt vor Ort bei den Betroffenen.

Ehrentraut: Herr Kollege, jetzt müssten Sie noch einmal sagen, welche Frage sich an mich richtet.

Zusatzfrage: Warum haben Sie keine Zahlen, wie viele Leute im Homeoffice sind? Haben Sie eine Zielgröße, wie viele ins Homeoffice gehen sollten? Was ist mit den Bußgeldern?

Ehrentraut: Sie haben ja schon die entsprechenden Studien angesprochen, zum Beispiel die der Hans-Böckler-Stiftung. Wir hatten auch davor schon Daten, wie es im ersten Lockdown war, und der Minister hat sich dazu auch schon geäußert. Uns geht es darum, dass wir einen verbindlichen Rechtsrahmen für mobiles Arbeiten bekommen. Dazu hat der Minister einen Entwurf vorgelegt, der sich jetzt in der Ressortabstimmung befindet; dazu hat er sich am Wochenende auch noch einmal im „Spiegel“ geäußert. Ihm geht es um einen verbindlichen Rechtsrahmen; er will den Beschäftigten mit einem Erörterungsrecht den Rücken stärken. Darüber hinaus geht es natürlich auch um Rechtsfragen zum Unfallversicherungsschutz. Dieser Entwurf befindet sich, wie gesagt, in der Ressortabstimmung, und wir hoffen, dass wir dieses Gesetz so schnell wie möglich beschließen können. Bußgelder sind dort ausdrücklich nicht vorgesehen.

Zu Ihrer Frage nach einer Zielgröße: Wir haben immer wieder gesagt, dass 40 Prozent ins Homeoffice gehen könnten. Es gibt natürlich einen großen Teil der Wirtschaft, der nicht im Homeoffice arbeiten kann - denken Sie an Supermärkte oder an die Bäckereien.

Frage: Erwägt das BMAS, mit Blick auf den 25. Januar eine abgewandelte oder vorgezogene Regelung in Sachen Homeoffice in den Kreis der Länder und des Bundes einzubringen?

Ehrentraut: Das ist jetzt, glaube ich, Angelegenheit der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie des Bundeskanzleramtes. Unser Entwurf für das Homeoffice befindet sich in der regierungsinternen Abstimmung.

Frage: Herr Kautz, nun hat auch Herr Seibert noch einmal die Zahl der Toten und Schwerstkranken auf den Intensivstationen als entscheidendes Kriterium genannt. Sie wissen, dass von Menschen, die sich als Skeptiker bezeichnen, häufig gesagt wird: Ja, da heißt es ja dann inzwischen auch offiziell „an oder mit COVID-19 Verstorbene“, und dann kommen die berühmten Beispiele, dass dann auch der schwer Krebskranke, der sowieso gestorben wäre, da mit hineingerechnet wird. – Gibt es Kriterien dafür oder haben Sie einen Überblick darüber, welche Relevanz die SARS-CoV-2-Infektion beziehungsweise die COVID-19-Erkrankung tatsächlich für die Zahl der empirisch erfassten Toten hat?

Kautz: Es gab bezüglich dieser Frage - die ist hier auch auf einer Pressekonferenz noch im vergangenen Jahr gestellt worden - die klare Aussage der Virologen sowohl vom RKI als auch anderer Virologen - ich erinnere mich jetzt nicht genau, welche Virologin oder welcher Virologe sonst noch Teil des Panels war - - -

Zuruf: Das war Frau Ciesek!

Kautz: Ja, genau, das war Frau Ciesek; Sie sagen es richtig. – Da war die klare Aussage: Diese Zahlen werden die genaue Zahl eigentlich nicht widerspiegeln können, weil es auch einige gibt, die zu Hause sterben.

Zusatzfrage: Das bedeutet also - ich erinnere mich jetzt, wo Sie es sagen, an diese PK -, dass Sie nach wie vor sagen, dass diese Zahl, die da in Bezug auf „an und mit“ genannt wird, bedeutet, dass COVID-19 im Wesentlichen die Todesursache und den Todeszeitpunkt bestimmt. Ist das der Kern?

Kautz: Ja, das ist der Kern - und dass wahrscheinlich noch mehr an COVID-19 sterben.

Frage: Herr Seibert, wie erklären Sie der Bevölkerung, dass die EU-Länder ja offensichtlich horrende Summen für Wirtschaftshilfen in die Hand genommen haben, bei der Beschaffung von Impfstoff aber finanziell doch eher gekleckert als geklotzt wurde?

StS Seibert: Ich glaube, dass man das so einfach nicht ausdrücken kann. Die EU-Kommission hat - verhandelnd für alle 27 Mitgliedstaaten, worum diese sie gebeten hatten - mit allen infrage kommenden Herstellern Verhandlungen geführt und erreicht, dass wir 450 Millionen Europäer im Laufe dieses Jahres deutlich mehr Impfdosen zur Verfügung haben werden, als wir vermutlich brauchen werden, wenn man zugrunde legt, dass all diese Impfstoffe auch tatsächlich genehmigt werden. Das ist erst einmal eine Leistung der Europäischen Union.

Die Europäische Union hat ja nicht die Impfstoffe für die Mitgliedstaaten bezahlt. Sie hat sozusagen die Vorfinanzierung übernommen; das kann man, glaube ich, etwa so ausdrücken. Das einzelne „Geschäft“ musste dann der Mitgliedstaat mit den Herstellern abschließen. Aber durch dieses gesammelte Verhandeln für alle 27 hat sie natürlich eine Marktmacht entwickelt, die dafür sorgt, dass Europa nicht jetzt schon im Januar - das ist völlig klar -, aber im Laufe dieses Jahres, sich von Quartal zu Quartal aufbauend, sehr gut mit Impfstoff versorgt sein wird.

Zusatzfrage: Dann ist aber doch auch die Bundesregierung und nicht die EU dafür verantwortlich, wenn jetzt Menschen an COVID sterben, die vielleicht bei einer beherzteren Impfstoffbeschaffung nicht hätten sterben müssen, oder?

Kautz: Das ist falsch, weil es genug Impfstoff gibt. Wir haben genug Impfstoff bestellt. Die Frage ist, wie er produziert werden kann beziehungsweise wie schnell er produziert werden kann. Wenn man mehr bestellt hätte, hätte der ja auch nicht schneller produziert werden können. Die Knappheit kommt vielmehr durch die fehlende Produktionskapazität.

Zusatz: Aber andere Länder haben schneller mehr zu höheren Preisen bestellt. Jetzt wird für die und bei denen mehr produziert!

Kautz: Das sind ganz große Ausnahmen, die Sie beschreiben. Die beziehen sich jetzt eventuell auf Israel, das sehr viel weniger Impfstoff braucht und ausschließlich auf zwei Impfstoffe gesetzt hat, soweit ich weiß. Wir haben auf sehr viel mehr Impfstoffe gesetzt, und dies zu einem Zeitpunkt, als noch nicht klar war, welcher ins Ziel kommen würde. Wenn jetzt AstraZeneca allein ins Ziel gekommen wäre, hätte das ganz anders ausgesehen. Das können Sie so also nicht miteinander vergleichen.

StS Seibert: Ich denke, man muss auch hinzufügen: Die EU hat Produktionskapazitäten mit diesen berühmten, oft zitierten etwas mehr als 2 Milliarden Euro vorfinanziert. Damit hat sie eigentlich die Produktion größerer Volumina an Impfstoffen erst ermöglicht, und das ist etwas, von dem wir Europäer im Laufe dieses Jahres alle profitieren werden. Ja, jetzt im Januar ist in keinem Land so viel vorhanden, wie man gerne hätte. Aber das hat genau die Gründe, die Herr Kautz gerade genannt hat. Das liegt an den Produktionskapazitäten, die noch nicht im entsprechenden Maße aufgebaut sind.

Die Bundesregierung und der Bundesgesundheitsminister haben sich seit Herbst letzten Jahres massiv dafür eingesetzt, dass eine zusätzliche Produktionskapazität in Marburg aufgebaut werden kann. Wenn das, wie man hofft, demnächst gelingen wird, dann wird das die Produktionslage noch einmal deutlich verändern. Es stehen weitere Impfstoffe zur Zertifizierung beziehungsweise Freigabe an. Auch dafür hat die EU sozusagen durch eine breite Streuung in ihren Verhandlungen vorgesorgt. Insofern sollte man in der Situation, die wir jetzt, Anfang Januar, haben und in der wir natürlich noch nicht so viel Impfstoff zur Verfügung haben, wie wir alle gerne hätten, nicht das grundsätzliche Urteil über dieses europäische Vorgehen sprechen.

Frage: Ich möchte noch einmal konkret über den BioNTech-Impfstoff sprechen. Es gab ja die Nachbestellung der EU. Ich spreche jetzt über das erste Halbjahr, weil das ja für die Impfung das Entscheidende ist. Wird Deutschland durch diese Nachbestellung im ersten Halbjahr mehr oder weniger Impfstoffdosen von BioNTech bekommen?

Kautz: Die Details des Vertrags zwischen der EU-Kommission und BioNTech kenne ich nicht. Es sieht so aus, dass ein Vertrag über 300 Millionen zusätzliche Impfstoffdosen geschlossen wurde. Wie sich das dann auf die Mitgliedstaaten verteilt, ist noch offen. Das wird noch verhandelt. Deutschland wird den möglichen Anteil auf jeden Fall abnehmen, und wir überlegen, ob wir zusätzliche Impfdosen abnehmen, wie wir das im Rahmen anderer Verträge übrigens auch gemacht haben, wenn die Mitgliedstaaten ihre Option nicht ziehen.

Aber dazu, wann die einzelnen Impfstoffdosen geliefert werden: Das soll in diesem Jahr passieren, aber wann sie geliefert werden, hängt von sehr vielen Eventualitäten ab, unter anderem auch von diesem Werk in Marburg, von dem Herr Seibert gerade gesprochen hat.

Zusatz: Das ist, ehrlich gesagt, keine Antwort auf meine Frage. Die Frage war ja nach dem Mehr oder Weniger. Sie wissen: Deutschland hat 30 Millionen Dosen separat, sage ich einmal, bestellt, die hinzukommen. Es gibt im zweiten Quartal offenkundig Produktionskapazitäten in Höhe von 75 Millionen, wenn ich der Aussage von Frau von der Leyen glauben kann. Davon würde Deutschland nach dem normalen Schlüssel grob 15 Millionen erhalten. Die 30 Millionen würden aber nach hinten fallen.

Kautz: Wie kommen Sie auf 15 Millionen?

Zusatz: 20 Prozent von 75 Millionen.

Kautz: 300 Millionen?

Zusatz: Nein, 75 Millionen im zweiten Quartal.

Kautz: Ach so.

Zusatz: Wir sprechen nur über das erste Halbjahr; das ist ja das Entscheidende. Daher betraf die Frage eben das erste Halbjahr. Dann heißt das doch logischerweise, 15 Millionen von den 75 Millionen würden wir über die EU bekommen, 30 Millionen würden aber nach hinten rutschen, die sonst für Deutschland hätten produziert werden können.

Kautz: Ich weiß nicht, woher Sie die Informationen haben, wann die 30 Millionen gekommen wären. Das, was immer - - -

Zuruf: Weil die Kapazität da ist!

Kautz: Moment, Herr Kollege. – Das, was immer klar war, ist, dass die bilateralen Vereinbarungen weder die Vertragsabschlüsse der EU beeinträchtigen sollen noch die Auslieferung der Impfstoffe EU-seitig beeinflussen sollen. Das heißt, diese 30 Millionen wären immer nach EU-Verträgen gekommen.

Zusatz: Klar! Deswegen sage ich ja: Die EU-Verträge blockieren jetzt sozusagen die Produktion dieser 30 Millionen, die ja möglich gewesen wäre, weil Frau von der Leyen gesagt hat, 75 Millionen würden im zweiten Quartal zusätzlich kommen, schon nach dem neuen Vertrag.

Kautz: Herr Kollege, Entschuldigung, wenn ich es so sage: Sie denken falsch. Ich meine, wenn die mehr produzieren würden, dann würden auch mehr als 75 Millionen Dosen im zweiten Quartal ausgeliefert werden können, und dann würde Deutschland auch mehr bekommen. Von den 300 Millionen Impfstoffdosen aus dem zweiten Vertrag der EU wird Deutschland sicher 55 Millionen erhalten, wahrscheinlich noch mehr. Wenn BioNTech - - -

Zusatz: Entschuldigung, vielleicht habe ich Sie falsch verstanden. Von der neuen Bestellung wird Deutschland 55 Millionen Dosen noch im ersten Halbjahr erhalten?

Kautz: Ich sage nicht „im ersten Halbjahr“. Insgesamt! Wenn die Produktion - - -

Zuruf: Ah! Aber wir reden hier ja über das erste Halbjahr.

Kautz: Ich kann Ihnen nicht die einzelnen Lieferdaten nennen und kann Ihnen auch nicht sagen, wie das jetzt im ersten Halbjahr aussehen wird. Die Vertragsdetails auch bezüglich der Lieferdaten kenne ich nicht.

Zusatz: Frau von der Leyen hat für das zweite Quartal von 75 Millionen gesprochen.

Kautz: Das Thema ist, glaube ich, jetzt durch, Herr Kollege, oder?

Frage: Ich würde schon gerne noch einmal nach den Mengen fragen, weil die Karte zwischen Produktionskapazitäten und der Impfstoffmenge jetzt ein bisschen hin- und hergeschoben wird. Wenn man - sei es von EU-Seite oder seitens der einzelnen Mitgliedstaaten - mehr finanzielle Mittel zu einem früheren Zeitpunkt bereitgestellt hätte, sowohl für den Aufbau von Produktionskapazitäten als auch konkret für Impfstoffe, würden Menschen jetzt doch schneller geimpft werden können und folglich diejenigen, die an Corona sterben, nicht sterben müssen, oder?

Kautz: Ich glaube, die Frage haben wir vorhin schon klar beantwortet. Auch der Minister hat es gesagt: Man hätte eventuell ein bisschen früher den Vertrag abschließen können. Das hätte aber an der Situation nichts geändert oder nicht wesentlich etwas daran geändert.

Zusatzfrage: Herr Seibert, was löst das bei Ihnen als Vertreter der Bundesregierung aus?

StS Seibert: Ich bezweifle, dass die Rechnung, die Sie aufmachen, nämlich dass Produktionskapazitäten ganz anders hätten gesteigert werden können, mit der Realität der Produktion dieses extrem diffizilen Produkts des Corona-Impfstoffs so richtig zu tun hat. Sie sehen, dass es ja sehr schnell - Ende des Sommers, Anfang des Herbstes - die Bemühung gab, zu schauen, wo BioNTech noch zusätzliche Produktionskapazitäten finden könnte. In diesem Rahmen ist in Marburg genau dieser Ort gefunden worden, weil man das nicht in jeder Fabrik machen kann, in der bisher Kopfschmerztabletten hergestellt worden sind. Es stehen auch - das hat Herr Şahin im Interview ja sehr schön gesagt - nicht einfach leere pharmazeutische Fabriken herum. Das heißt, ich glaube nicht, dass dieser Gedanke, dass da viel mehr produziert hätte werden können, ganz mit der Realität übereinstimmt.

Nichtsdestotrotz werden wir gemeinsam mit den Europäern noch einmal und weiter jede Möglichkeit prüfen, durch die Produktionskapazitäten gesteigert werden können. Damit beschäftigen sich ja mehrere Minister und die Bundeskanzlerin. Der Produktionsstandort Marburg wäre, wenn er denn im Februar tatsächlich schon Realität werden sollte, ein großer Erfolg, und es wird sicherlich nichts unversucht gelassen, um im Laufe dieses Jahres weitere Produktionskapazitäten, wenn es sie denn gibt, zu identifizieren.

Frage: Es geht noch einmal um die Preise. Herr Kautz, ein Mitglied der belgischen Regierung, Staatssekretärin Eva De Bleeker, hat Preise, die die EU für die Impfstoffe offenbar gezahlt hat, veröffentlicht. Demzufolge wird pro Dosis von BioNTech 12 Euro, von CureVac 10 Euro und von AstraZeneca 1,78 Euro gezahlt. Das sind Zahlen, die von einem Regierungsmitglied veröffentlicht worden sind. Können Sie die bestätigen, oder dementieren Sie diese Zahlen?

Kautz: Ich werde hier keine Preise bestätigen oder Vertragsdetails bestätigen und auch nicht die Aussagen anderer Regierungen kommentieren.

Zusatz: Aber wenn ein Mitglied der belgischen Regierung - somit am EU Beschaffungsprogramm beteiligt - Zahlen veröffentlicht und sagt „Das sind die Preise, die pro Dosis gezahlt werden“ und wenn diese Zahlen nicht stimmen würden, dann müssten Sie dem doch, denke ich, ein klares Dementi entgegensetzen.

Kautz: Das können Sie so interpretieren.

Zusatz: Sie wollen auf keinen Fall dazu Stellung nehmen.

Kautz: Ich glaube, ich habe dazu gesagt, was ich zu sagen habe.

Frage: Laut dem Bundesgesundheitsministeriums dauert es mindestens zwei bis drei Wochen nach der zweiten Impfung, bis ein vollständiger Schutz gegen das Coronavirus vorliegt. Ist diese Information noch aktuell und gilt sie für alle bisher zugelassenen mRNA-Impfstoffe?

Kautz: Das Erste kann ich bestätigen. Zum Zweiten: Hinsichtlich des Moderna-Impfstoffs kann ich Ihnen das nicht sagen. Das würde ich nachreichen.

Frage: Fahrschüler sehen sich wegen Corona mit ständigen Unterbrechungen und Verzögerungen konfrontiert. Einigen Fahrschulen droht die Insolvenz. Mit welchen Regelungen kommen Sie Fahrschülern bei der Einhaltung von Fristen und absolvierten Fahrstunden entgegen?

Vorsitzender Feldhoff: Kann irgendjemand etwas dazu sagen? – Dann warten wir auf eine schriftliche Beantwortung dieser Frage.

Frage : Eine kurze Frage in Bezug auf Produktion und Wirtschaft an das BMI, weil Sie für das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zuständig sind. Gibt es eine Übersicht oder einen Plan, welche Teile der Produktion für die Daseinsvorsorge unabdingbar sind?

Alter: Die Frage, ob das Bundesamt eine solche Übersicht führt, kann ich Ihnen aus dem Stegreif nicht beantworten. Ich prüfe das und reiche es nach.

Frage: Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Herr Bareiß, hat heute Morgen angekündigt, es könne eine neue Einstufung von Risikogebieten geben, die mit einer Testpflicht für Reiserückkehrer einhergehen würde. Ab wann könnte es zu dieser neuen Einstufung kommen? Müsste dann ein Test vor der Einreise vorliegen?

Alter: Die Frage geht in den Komplex, den wir zu Beginn bereits beantwortet haben. Das sind Fragen, die sich auf die neue Einreiseverordnung beziehen, die wir im Moment innerhalb der Regierung diskutieren. Wann diese in Kraft tritt, kann ich im Moment nicht vorhersagen.

Frage: Eine Frage an das BMVI. Das Lkw-Flotten-Modernisierungsprogramm wurde am 8. Januar 2021 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Wie wird es finanziert? Aus welchem Haushaltstitel wird das finanziert? Rechnet das BMVI mit EU-Geldern? Wie hoch ist die gesamte Fördersumme?

Vorsitzender Feldhoff: Da das BMVI nicht da ist, bitte ich, auch diese Frage schriftlich zu beantworten.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema Impfpflicht für Arbeitnehmer an das Bundesarbeitsministerium. Ich möchte wissen, wie die Einschätzung des Arbeitsministeriums ist, ob es eine Impfpflicht für Arbeitnehmer geben kann. Der DGB sagt ganz klar Nein. Vom Arbeitsministerium habe ich dazu keine Aussage gefunden; vielleicht habe ich es übersehen. Wie ist die Haltung, was eine allgemeine Impfpflicht für Arbeitnehmer angeht?

Zweitens. Es gibt für bestimmte Berufszweige aus vielerlei anderen Gründen eine Impfpflicht, was nichts mit Corona zu tun hat. Ist vielleicht daran gedacht, in diesem Zusammenhang diese arbeitsmedizinischen Regeln auszuweiten, damit bestimmte Berufsgruppen gegen Corona geimpft werden können beziehungsweise müssen?

Ehrentraut: Das müssten wir ein bisschen sortieren, Herr Lange. Wenn es um das Arbeitsrecht geht, sehe ich im arbeitsrechtlichen Sinne keine Impfpflicht. Wenn Sie andere Impfpflichten wie zum Beispiel die Masernimpfung ansprechen, wären nicht wir, sondern sicherlich das BMG zuständig. Das ergibt sich, wie gesagt, nicht per se aus dem Arbeitsrecht.

Zusatz: Das bezog sich nicht auf Masern, sondern auf die arbeitsmedizinischen Regelungen. Ich glaube, dafür ist das BMAS zuständig. Das geht aber wahrscheinlich auch zu sehr ins Detail. - Danke.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt zum Thema Saudi-Arabien. Sie hatten berichtet, dass der Außenminister am 7. Januar mit seinem saudischen Amtskollegen Farhan unter anderem zur Katar-Krise und der Lage im Jemen telefoniert hat. Ich würde gerne fragen, ob Herr Maas die saudische Kriegsführung angesprochen und thematisiert hat, wenn es um die Lage im Jemen ging.

Hat Herr Maas die Verantwortung von Mohammed bin Salman für den Khashoggi-Mord thematisiert?

Adebahr: Das ist ein vertrauliches Gespräch mit dem Außenminister gewesen. Die Themen haben wir genannt und auch vertweetet. Ich kann so viel sagen, dass es beim Thema Jemen darum ging, dass eine politische Lösung für den Konflikt gefunden werden muss. Es ging auch um die wirklich schwierige humanitäre Notlage im Jemen. Insofern sind das die großen Themen, die wir aus diesem vertraulichen Gespräch genannt haben.

Zusatzfrage: Das heißt, die saudische Kriegsführung des Jemen-Krieges wurde vom Minister nicht explizit angesprochen oder kritisiert und auch nicht die Verantwortung von MbS für den Mord an Khashoggi?

Adebahr: Herr Kollege, ich habe darauf hingewiesen, dass es ein vertrauliches Gespräch war. Was wir öffentlich daraus sagen, ist das, was ich Ihnen in meiner Antwort eben habe mitteilen können.

Frage: Eine Frage an Herrn Alter, gegebenenfalls an das Bundesjustizministerium. Ich denke aber, dass nur das Innenministerium zuständig ist.

Am Wochenende gab es in Berlin anlässlich des Todestages von Rosa Luxemburg eine Demonstration mit rund 2000 Teilnehmern. Dort wurden verfassungsfeindliche Symbole gezeigt. Zum einen wurden Bilder von Stalin, Mao, Lenin und anderen Massenmördern gezeigt, zum anderen FDJ-Fahnen. Zuerst hat die Polizei durchgegriffen. Es hieß, das sei verboten. Dann gab es aber doch Zweifel, und die Polizei hat nicht mehr durchgegriffen. In den Medien hieß es, das sei unklar. Haben Sie Erkenntnisse, wie es mit diesen FDJ-Symbolen, also der Jugendorganisation der SED, aussieht?

Generell: Gibt es irgendwelche Pläne, kompromittierte kommunistische Symbolik zu verbieten, wie das bei rechtsextremer Symbolik der Fall ist? - Danke.

Alter: Zunächst einmal kann ich Ihnen zu dem konkreten Einsatz keine Angaben machen. Was die Entscheidungsprozesse angeht, die dort stattgefunden haben, sind mir nur die Dinge bekannt, die auch in den Medien nachzulesen sind.

Es fällt mir an dieser Stelle schwer, konkret zu beauskunften, wie das mit den unterschiedlichen Symbolen ist. Ich nehme Ihre konkrete Frage nach den FDJ-Symbolen mit und würde die Antwort im Anschluss nachreichen.

Frage: Herr Seibert, wie bewertet die Bundesregierung die Sperrung des Twitter-Kontos von Donald Trump?

Sollte es in Deutschland gesetzliche Regeln geben, die die Sperrung offizieller Accounts der Bundesregierung regulieren oder sogar verbieten?

StS Seibert: Ich will ganz grundsätzlich sagen, dass die Bundesregierung überzeugt ist, dass die Betreiber sozialer Netzwerke sehr hohe Verantwortung tragen. Sie tragen hohe Verantwortung dafür, dass die politische Kommunikation nicht durch Hass, Lüge oder Anstiftung zur Gewalt vergiftet wird. Es ist auch richtig, nicht tatenlos zuzusehen, wenn auf bestimmten Kanälen Inhalte gepostet werden, die in diese Kategorien fallen. Deswegen ist es richtig, wenn Anmerkungen gemacht werden und was man an Praktiken in den letzten Wochen und Monaten alles sozusagen noch sah.

Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht von elementarer Bedeutung. In dieses Grundrecht kann eingegriffen werden, aber entlang der Gesetze und innerhalb des Rahmens, den der Gesetzgeber definiert, und nicht nach dem Beschluss der Unternehmensführung von Social-Media-Plattformen. Unter dem Aspekt sieht die Bundeskanzlerin es als problematisch an, dass jetzt die Konten des US-Präsidenten dauerhaft gesperrt wurden.

Frage: Folgt daraus eine politische Forderung, Herr Seibert?

StS Seibert: Das war zunächst einmal meine Einschätzung auf die Frage, die gestellt wurde.

Sie wissen, dass wir in Deutschland ein Netzwerkdurchsetzungsgesetz haben, das seit 2017 gilt. Es hat sich grundsätzlich bewährt und wird aktuell fortentwickelt. Es ist ja eigentlich genau Ausdruck dieses Gedankens, den ich versucht habe, zu überbringen, dass es nämlich der Gesetzgeber ist, der den nachvollziehbaren Rahmen zu setzen hat, in dem sich die Kommunikation in sozialen Netzwerken zu bewegen hat.

Frage: Herr Seibert, Sie haben jetzt zwei sehr wichtige Dinge gesagt. Sie haben von einer hohen Verantwortung der Betreiber bei Hassrede gesprochen, wie Sie das nennen. Auf der anderen Seite haben Sie gesagt, dass es nur juristisch durchgesetzt werden kann. Ich sehe da einen großen Spalt. Wie kann man das abwägen? Wo ist die Grenze, wo der Betreiber selbst entscheiden soll, und wo ist die Grenze, wo nur noch ein Gericht entscheiden kann? Prinzipiell gilt ja, dass Meinungsfreiheit nur durch gerichtlichen Beschluss beschränkt werden kann.

StS Seibert: Das sind Abwägungen in einem Spannungsfeld, die ich hier ganz sicherlich nicht pauschal vornehmen kann.

Ich habe gesagt, dass die Komplettsperrung des Accounts eines gewählten Präsidenten aufgrund des Beschlusses von Unternehmensführungen problematisch ist. Ganz problematisch - und ganz grundsätzlich problematisch - ist natürlich, was es zum Teil an lügenhaften, an verfälschenden und gewaltfördernden Tweets und Posts insgesamt gibt. Deswegen ist man in dieser Abwägung ständig herausgefordert. Aber es ist richtig, dass der Staat - der Gesetzgeber - dazu einen Rahmen setzt.

Frage: Ich habe eine Frage zur Situation in Washington. Frau Adebahr, Sie haben nach dem Mittwoch darauf aufmerksam gemacht, dass die Situation in den USA kritisch ist und Anlass zur Sorge gibt. Was bedeutet das zum Beispiel für die Arbeitsfähigkeit der deutschen Botschaft oder anderer diplomatischen Vertretungen? Gibt es besondere Sicherheitsvorkehrungen, die getroffen werden, oder ist das immer noch business as usual, wenn man das überhaupt so sagen kann?

Adebahr: Unser Krisenstab ist natürlich in engem Kontakt mit den Botschaften und den Generalkonsulaten in den USA. Die grundsätzlichen Sicherheitsmaßnahmen und Notfallpläne, die die Botschaften haben, sind natürlich in Kraft. Sie sind auch gut und unverändert geblieben. Während der Vorkommnisse am Kongress hatte die deutsche Botschaft in Washington an dem Tag, als die Ausgangssperre verhängt wurde, ihren Dienstbetrieb vorzeitig beendet und die Beschäftigten gut und sicher nach Hause geschickt. Das heißt, wir - und auch unsere Vertretung - sind dort wachsam. Wir fühlen uns dort gut mit unseren Plänen und den Sicherungsmaßnahmen versorgt und sind auch in der Lage - zumindest waren wir es, als die Geschehnisse am Kongress passierten -, schnell zu reagieren.

Frage: Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Beschwerde der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen gegen das Ausspähen deutscher Staatsbürger durch den BND zur Entscheidung angenommen. Laut „SZ“ habe der Gerichtshof die Bundesregierung bereits am 9. Dezember um wirksame Rechtsbehelfe gebeten. Kann die Bundesregierung diesen Vorgang bestätigen? Wie gedenken Sie darauf zu reagieren?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat das Beschwerdeverfahren von Reporter ohne Grenzen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Kenntnis genommen. Derzeit wird diese Beschwerde innerhalb der Bundesregierung geprüft. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich angesichts dieser laufenden Prüfung zu Details des Verfahrens oder der Beschwerde nicht äußern kann und werde.

Paul: Treffen Darstellungen aus derzeit unsicherer Quelle zugibt, nach denen am Wochenende von polnischer Seite ein Appell an die Bundesregierung gerichtet worden ist, im Interesse von Netzstabilität und Versorgungssicherheit ihren Atomausstiegsplan vorerst auf Eis zu legen und auf die Abschaltung weiterer Atomkraftwerke einstweilen zu verzichten?

Haben die zuständigen Ressorts den schlagartigen Frequenzabfall im europäischen Stromnetz vom Freitag zur Kenntnis genommen? Falls ja, wie beurteilt die Bundesregierung dieses Ereignis? Nach Darstellung des österreichischen Stromkonzerns EVN ist man nur knapp an einem flächendeckenden Stromausfall vorbeigeschrammt.

Baron: Zum ersten Teil, was die Frage zu den Atomkraftwerken angeht: Solche Berichte sind mir nicht bekannt. Deshalb kann ich sie auch ausdrücklich nicht kommentieren. Ich weiß nicht, ob gegebenenfalls die Kollegen aus dem Bundesumweltministerium ergänzen wollen.

Zum zweiten Aspekt, der sich auf die Stromausfälle bezieht: Mir ist keine genaue Berichterstattung bekannt. Natürlich haben wir hier die Bundesnetzagentur, die ein regelmäßiges Monitoring durchführt. Die Bundesnetzagentur ist auch dabei, hier Sachverhalte aufzuklären. Aber noch habe ich dafür jeweils keine Bestätigung.

Frage: Ich habe eine Frage zu Nord Stream 2. Der Landtag des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern hat den Weg für die Gründung einer landeseigenen Stiftung zum Weiterbau der Ostseepipeline Nord Stream 2 freigemacht. Wie sieht die Bundesregierung die Ziele dieser Stiftung?

StS Seibert: Da es sich um eine Initiative des Landes Mecklenburg-Vorpommern handelt, wie ja die Fragerin auch selber sagt, sind die Fragen dazu an die Staatskanzlei in Schwerin zu richten.

Baron: Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, gibt es schon einen Termin für das Treffen mit der Bundeskanzlerin und dem Vizekanzler, um den Streit zwischen den Ressorts Wirtschaft, Arbeit und Entwicklung in Sachen Lieferkettengesetz beizulegen? Bleibt es bei dem im Dezember von Bundesminister Heil vorgestellten Plan eines solchen Spitzengesprächs?

StS Seibert: Ich habe dazu keinen Termin zu nennen. Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen.