Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Emmanuel Macron, Vorsitzender des Libyschen Präsidialrats Mohamed El-Menfi, Ministerpräsident Abdelhamid Mohammed Dbaibah und Premierminister Mario Draghi zur Libyen-Konferenz in Paris am 12. November

Im Wortlaut Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Präsident Emmanuel Macron, Vorsitzender des Libyschen Präsidialrats Mohamed El-Menfi, Ministerpräsident Abdelhamid Mohammed Dbaibah und Premierminister Mario Draghi zur Libyen-Konferenz in Paris am 12. November

in Paris

  • Mitschrift Pressekonferenz
  • Freitag, 12. November 2021

P Macron: Frau Bundeskanzlerin, liebe Angela, sehr verehrter Herr Vorsitzender des Rates, lieber Mario, sehr verehrter Herr Präsident, lieber Abdelhamid, ich freue mich, hier in Paris zur internationalen Libyen-Konferenz begrüßen zu dürfen, die wir zusammen mit den Vereinten Nationen organisiert haben.

Libyen steht erneut am Scheideweg, und der Ausweg aus der Krise steht auf dem Spiel. Man darf die Schwierigkeiten hier nicht unterschätzen. Zehn Jahre an Unordnung und Umwälzungen liegen hinter uns. Dafür ist die internationale Staatengemeinschaft natürlich nicht ganz unverantwortlich. Aber es ist vor allen Dingen eine schwierige Situation für das libysche Volk und für alle Mittelmeeranrainerstaaten einschließlich der humanitär und politisch destabilisierenden Auswirkungen.

Es wurden viele Maßnahmen innerhalb der letzten Jahre durchgeführt. Daran haben wir alle mit verschiedenen Initiativen teilgenommen, so 2017 und 2018 in Palermo, in Berlin und in Tripolis. Die Initiative Kairos möchte ich nicht vergessen. Die Vereinbarung von Skhirat, die Mediation der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga sowie die ausgezeichnete Arbeit der Vereinten Nationen gehören dazu.

Der Gipfel, an dem wir heute teilgenommen haben, zeichnet sich durch unterschiedliche Dinge aus. Zum Ersten ist er zum allerersten Mal im Co-Vorsitz mit den libyschen Autoritäten, den libyschen Verantwortlichen durchgeführt worden, und ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei dem libyschen Präsidenten für seine Anwesenheit und dafür, dass er diesen Gipfel zusammen mit uns durchgeführt hat. In diesem bisher noch nie da gewesenen Format danke ich insbesondere Angela Merkel und Mario Draghi für ihre Teilnahme und für die exzellente Koordination dieser Organisation.

Wir haben des Weiteren alle Nachbarstaaten Libyens zu dieser Konferenz eingeladen. Das schien uns absolut entscheidend zu sein. Es gibt nämlich viele verschiedene Themen bzw. Faktoren, von denen auch der Tschad, Niger und andere Nachbarstaaten Libyens direkt betroffen sind.

Schlussendlich hat diese Konferenz auch Gegebenheit gegeben, zu zeigen, dass die internationale Staatengemeinschaft geschlossen ist, um den Fortschritt für Libyen zu erreichen. Ich begrüße insbesondere die Teilnahme der Vizepräsidentin der Vereinigten Staaten, Kamala Harris, wie auch die Teilnahme aller Vertreter unterschiedlicher Länder und internationaler Organisationen an dieser Konferenz.

Wir haben im Verlauf dieser Konferenz zwei wichtige Dinge verabschiedet und gebilligt, zum einen das Wahlverfahren, den Wahlprozess und die Organisation von Wahlen am 24. Dezember. Es haben sich bereits verschiedene Kandidaten gemeldet, um für diese Wahl als Präsidentschaftskandidaten anzutreten. Die internationale Staatengemeinschaft unterstützt die Ausrichtung dieser Wahlen und den vorgesehenen Zeitplan. Nun kommt es darauf an, dass alle Verantwortlichen auch in Libyen und besonders in Libyen in den kommenden Wochen dafür sorgen, dass dieser Wahlprozess tatsächlich inklusiv gestaltet wird und sich alle interessierten und betroffenen Beteiligten unter guten Bedingungen an diesem Prozess beteiligen können. Die Europäische Union, die Afrikanische Union, die Vereinten Nationen haben bereits ihre Unterstützung für die Vorbereitung des Wahlprozesses zugesagt.

Die relative Stabilität, die seit der Unterzeichnung des Waffenstillstands im Oktober 2020 vorherrscht, ist ein gutes Zeichen. Die Resolutionen 2570 und 2571 müssen voll und ganz umgesetzt werden. Ich möchte vor allen Dingen begrüßen, dass die libyschen Bürger selbst mit der Militärkommission 5+5, die in das Militärkommando der Zehn umbenannt wurde, dazu beigetragen haben, einen Aktionsplan auszuarbeiten, der darauf abzielt, dafür zu sorgen, dass sämtliche ausländischen Söldner und Streitkräfte aus dem Land abgezogen werden. Aber eine Vereinbarung bedeutet noch nicht, dass der Frieden stattfindet, sondern es kommt darauf an, dass dieser Rückzugsplan umgesetzt wird und vor allen Dingen die ausländischen Söldner zurückgezogen werden.

Dieser Plan wurde vom Militärkomitee 5+5 zusammengestellt, und wir haben heute die ersten Schritte der Anwendung dieser Vereinbarung eingeleitet. Es sollen 300 Söldner abgezogen werden, die sich in dem Moment, in dem wir hier sprechen, darauf vorbereiten, das Land zu verlassen. Das ist ein kleiner Schritt, aber ein wichtiger Schritt in Richtung des Friedensprozesses, über den wir bereits seit einiger Zeit sprechen. Diese Söldner werden also in den kommenden Wochen das libysche Staatsgebiet verlassen. Ich möchte mich bei den afrikanischen Nachbarstaaten und insbesondere dem Tschad bedanken; denn sie haben dazu beigetragen, dass diese Demobilisierung und Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorgenommen werden können, auch mit Unterstützung der Vereinten Nationen.

Das ist nur ein Anfang. Die Türkei und Russland werden ebenfalls ihre Streitkräfte und Kämpfer aus Libyen zurückziehen; denn davon wird die Stabilität Libyens ebenfalls bedroht.

Die Aussicht auf die Wahlen ruft natürlich bei einigen Beteiligten auch gewisse Zweifel hervor, insbesondere bei denjenigen, die gegen diese Wahlen sind. Wir müssen dafür sorgen, dass die Wahlen transparent und fair gestaltet werden. Die libysche Transition bzw. der Übergang zu einer demokratischen Staatsorganisation müssen gewährleistet werden, auch mit Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft. Wir haben uns deshalb dafür engagiert, und es haben sich hier auch alle Beteiligten engagiert, die Ergebnisse der Wahl anzuerkennen. Dementsprechend wird eine Wahlbeobachtungskommission entsandt werden.

Wir wissen, dass zum Beispiel das Gesundheitssystem immer noch sehr fragil ist. Die Unsicherheit in vielen Teilen des Landes ist noch spürbar. Die Migranten   flüchtende Frauen, Kinder und Jugendliche   sind besonders von dieser mangelhaften Sicherheitssituation bedroht. Deswegen müssen wir uns dafür einsetzen, die humanitäre Hilfe weiter auf den richtigen Weg zu bringen und die Menschenrechte geltend zu machen.

Die wichtigsten Ziele, die wir uns heute gesetzt haben, haben wir allerdings erreichen können. Das haben wir auch in unserer Erklärung festgehalten. Worauf es nun ankommt, ist, dafür zu sorgen, dass die Wahl am 24. Dezember gut verlaufen wird.

Ich gebe das Wort nun direkt an den Präsidenten Libyens weiter.

El-Menfi: Danke schön, Herr Präsident. Ich möchte im Namen des libyschen Volkes der Französischen Republik, dem französischen Volk und natürlich auch den Staatschefs und dem Präsidenten danken, die sich an dieser essenziellen Konferenz beteiligt haben. Das ist ein historischer Moment für Libyen.

Ich habe bereits in meinem Beitrag gesagt: Wir befinden uns derzeit in einer heiklen Phase, in der sich die Libyer darauf vorbereiten, ihre eigene Zukunft und ihr eigenes Schicksal zu bestimmen. Die Schlussfolgerungen aus dieser Konferenz entsprechen den Erwartungen des libyschen Volkes. Am 24. Dezember wird es gleichzeitig Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geben. Wir werden die Punkte, die derzeit noch problematisch sind, noch klären, damit die Teilnahme aller Parteien möglich wird und damit das gesamte libysche Volk teilnehmen kann.

Wir waren sehr froh, dass sich die internationale Gemeinschaft hier so eingebracht hat. Das gemeinsame Militärkomitee der zehn, statt fünf plus fünf, ist erfolgreich gewesen. Bereits 300 Söldner haben den libyschen Boden verlassen. Das ist einer der ersten Erfolge, die wir mit dem Fünf-plus-fünf-Komitee erzielen konnten. Wir hoffen, dass dieser Abzug nur ein erster Schritt war und dass wir weitere Truppen zum Abzug bewegen können. Hierbei geht es um einen wichtigen Schritt. Das ist ein Licht der Hoffnung für uns. Diese Konferenz wird zu einer strahlenden Zukunft für das libysche Volk führen. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch die vorhergehenden Konferenzen in Berlin dazu beigetragen haben, ebenso wie die Italienische Republik, was sehr wichtig ist.

MP Dbaibah: Wir freuen uns, dass wir an dieser internationalen Konferenz zu Libyen zusammen mit vielen Brüderländern und befreundeten Ländern teilnehmen können. Es geht darum, die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zu unterstützen, die Wahlen zu organisieren und dann auch die Ergebnisse zu respektieren.

Die Anstrengungen für mehr Stabilität in unserem Land tragen ihre Früchte. Wir haben verschiedene Etappen: die erste Berliner Konferenz, die zweite Berliner Konferenz und auch die Resolutionen zur Situation in Libyen. Im letzten Oktober hatten wir eine Konferenz in Tripolis. Dort konnte ein echter Wendepunkt erreicht werden. Wir konnten für die Einigung des libyschen Volkes und des libyschen Staates agieren.

Die heutigen Arbeiten haben einige sehr wichtige Punkte konsolidiert, die es uns ermöglichen, die Wahlen unter angemessenen Umständen durchzuführen. Erstens wird das Abgeordnetenhaus anregen, für faire und freie Wahlen zu sorgen. Zweitens werden die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen auf der Grundlage eines klaren Zeitplans durchgeführt werden. Drittens werden die Wahlen frei zugänglich sein. Es wird auch internationale Beobachter für den Ablauf der Wahlen geben. Auch wird dafür gesorgt, dass die Wahlergebnisse dann auch akzeptiert werden. Diejenigen, die sich weigern, die Wahlergebnisse zu akzeptieren, werden es mit der internationalen Gemeinschaft zu tun bekommen.

Wir haben ein gemeinsames Militärkomitee der Zehn. Wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt, zu bekräftigen, dass die Organisation der Wahlen zum festgelegten Termin ein historisches nationales Ziel ist. Wir werden alles tun, damit diese Wahlen auch wirklich zustande kommen. Wir werden für mehr Stabilität und für Frieden auf der Basis der Grundlagen sorgen, die damals auf der Konferenz in Tripolis festgelegt wurden.

Herr Präsident, noch einmal vielen Dank an Sie und auch an die Französische Republik für Ihre Gastfreundschaft, für Ihre Großzügigkeit, für all die Standpunkte, die heute geäußert wurden, um uns zu unterstützen, und für alle Bemühungen, um uns zu helfen, damit wir in der Welt unseren Platz einnehmen können.

BKin Merkel: Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Emmanuel Macron, sehr geehrte Teilnehmer an dieser Pressekonferenz, meine Damen und Herren! Ich möchte mich für die Initiative bedanken, die Konferenz zu diesem Zeitpunkt hier in Paris durchzuführen. Ich glaube, das ist genau der richtige Zeitpunkt. Seit der Berliner Konferenz im Januar 2020 ist doch erkennbar viel passiert. Der sichtbare Ausdruck ist, dass heute der Präsidialratsvorsitzende El-Menfi zusammen mit dem Premierminister Dbaibah als libysche Vertreter mit uns diese Pressekonferenz durchführen.

Ich glaube, es war auch richtig, das Format noch einmal zu erweitern. Dies hat uns vor Augen geführt, von welch großer Bedeutung das Schicksal Libyens für die gesamte Region ist. Insbesondere muss man sagen: In dem Prozess, der auch von den Vereinten Nationen geführt wird, geht es vorrangig darum, dass die Libyer wieder über ihre Zukunft entscheiden können. In diesem Zusammenhang spielen natürlich die Wahlen am 24. Dezember eine entscheidende Rolle.

Manches ist vorbereitet, manches muss noch getan werden. Ich hoffe sehr, dass die Vorbereitungen für die Wahlen so vervollständigt werden, dass anschließend das Wahlergebnis auch wirklich akzeptiert wird. Nicht alle können gewinnen; das ist das Schicksal von Wahlen. Gerade in einem so fragilen Prozess ist es von großer Bedeutung, dass man sich vorher darüber einig ist, dass das Votum des libyschen Volkes dann auch akzeptiert wird. Immerhin haben sich schon 3 Millionen Menschen registriert. Das zeigt, dass es dieses Bedürfnis seitens der Libyer auch gibt.

Die Voraussetzung für die Durchführung dieser Wahlen ist das Thema der Sicherheit und der Stabilität. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass wir den Abzug der ausländischen Söldner nicht nur auf dem Papier haben, dass wir einen Plan haben   das ist ein riesiger Fortschritt  , sondern dass auch erste Schritte unternommen werden. Ich möchte Emmanuel Macron, aber auch dem Vorsitzenden des Rates in Tschad sehr danken, dass ein solcher Schritt getan wurde, dem natürlich noch viele weitere folgen müssen.

Deutschland ist bereit, ein Kontingent libyscher Waffenstillstandsbeobachter auch in Deutschland auszubilden; denn das Thema der Sicherheit wird noch eine ganze Weile auf der Tagesordnung bleiben.

Dann wird es wichtig sein, dass Schritt für Schritt eine Versöhnung zwischen den verschiedenen Kräften in Libyen stattfindet. Das wird noch ein längerer Prozess sein. Aber ich glaube, mit dem heutigen Tag haben wir noch einmal unterstrichen: Es ist uns nicht egal, was in Libyen passiert. Wir wollen das so gestalten, dass die Libyer es entscheiden. Die internationale Staatengemeinschaft steht den Libyern bei. Deshalb noch einmal herzlichen Dank, Emmanuel, für die Organisation dieser Konferenz.

PM Draghi: Vielen Dank, Emmanuel, für die Ausrichtung dieser Konferenz. Es handelt sich natürlich um eine sehr wichtige Konferenz, und ich möchte deswegen auch allen Co-Vorsitzenden danken, insbesondere dem Präsidenten El-Menfi und dem Vorsitzenden Dbaibah. Italien hat sich in diesen Prozessen stark mit engagiert, aber das Engagement der beiden libyschen Vertreter ist beispielhaft. Sie haben sich dafür eingesetzt, dass Libyen sein Schicksal selbst in die Hand nimmt, und das mit unserer Unterstützung. Ich glaube, genau das gibt Ihrer Präsenz heute hier eine ganz besondere Bedeutung. Das gilt auch für die Tatsache, dass Sie bereit sind, Hand in Hand zusammenzuarbeiten, denn es stehen noch viele komplizierte Treffen bevor. 

Wir sind aber zuversichtlich, denn wir sind davon überzeugt, dass die Dinge von nun an im Interesse Libyens durch die Libyer selbst umgesetzt werden können. Dazu gehören zum einen natürlich die Wahlen. Aber wie wir alle wissen, kommt es vor allen Dingen darauf an, dass diese Wahlen am 24. Dezember stattfinden, dass die Präsidentschaftswahlen und die Parlamentswahlen gleichzeitig stattfinden und dass am Ende die Ergebnisse akzeptiert werden. Denn wir dürfen nicht vergessen   die Frau Bundeskanzlerin und auch Präsident Macron haben es bereits gesagt: Es gibt bereits fast drei Millionen Wahlberechtigte, die sich auf die Wahllisten eingetragen haben. Um aber dafür zu sorgen, dass diese Wahlen tatsächlich stattfinden, braucht es ein Wahlgesetz, das in der Verfassung verankert ist und das diesen Wahlablauf, diesen Wahlprozess möglich macht. Uns liegt es daran, dass alle zusammenarbeiten, um dieses Gesetz möglich zu machen   nicht nur in den nächsten Wochen, sondern in den nächsten Tagen, denn es ist dringend, dafür zu sorgen, dass diese Wahlen tatsächlich am 24. Dezember stattfinden können.

Die Stabilität ist wichtig, aber die Sicherheit ist es genauso. Die Arbeit des 5+5-Militärkomitees ist hervorragend; sie trägt zur besseren Sicherheit bei. Seit eineinhalb Jahren gibt es den Frieden, herrscht die Waffenruhe. Das ist der Beweis dafür, dass die Waffenruhe einen wichtigen Beitrag zur Wiederherstellung der Sicherheit leistet. Die Präsenz und der Co-Vorsitz der beiden libyschen Präsidenten heute hier zeigt, dass das möglich ist. 

Der dritte Pfeiler neben Sicherheit und Stabilität ist natürlich die Wirtschaft. Man muss also dafür sorgen, dass die Zentralbank konsolidiert wird. Das ist ein zentrales Anliegen, das eine Vorbedingung für die wirtschaftliche Entwicklung Libyens ist.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind natürlich die Menschenrechte. Wir sind uns alle darin einig zu sagen, dass die Achtung der Menschenrechte vorrangig ist. Dafür brauchen wir unser aller Engagement. 

Herzlichen Dank, Emmanuel!

Frage: Meine erste kurze Frage bezieht sich auf die französisch-italienischen Beziehungen. Da gab es in der Vergangenheit recht große Divergenzen zwischen Rom und Paris, was Libyen betrifft. Kann man heute sagen, dass diese Divergenzen hinter uns liegen und eine vollständige Übereinstimmung zwischen beiden Positionen besteht, was Libyen betrifft?

Die zweite Frage bezieht sich auf die Migranten: NGOs und sogar der Papst haben vor Kurzem angeprangert, unter welchen fürchterlichen Verhältnissen Migranten in Libyen festgehalten werden. Was kann man tun, um dieses Problem zu lösen?

PM Draghi: Auf die erste Frage würde ich Folgendes antworten: Die italienische und französische Position haben sich angenähert, und diese Annäherung ist wirklich symbolhaft; denn wir können den Libyern sonst nicht helfen. Wir haben unsere Standpunkte, wir haben auch eine persönliche Vertrauensbeziehung mit dem Präsidenten Macron, aber natürlich haben sich unsere Positionen angenähert.

Was die zweite Frage betrifft: Ja, ich bin mit Ihnen einverstanden: Wir müssen uns engagieren, wir müssen hier aktiv werden, damit das Problem auch gelöst werden kann. Es ist sicher, dass die Migranten die Situation in Italien schwierig machen. Die EU muss eine Lösung für dieses Problem finden. Wir müssen auch mehr in Libyen investieren, wir müssen dort mehr Geld ausgeben, mehr Geld investieren, damit die Libyer unter menschenwürdigen Bedingungen leben können. Die Migration kommt ja nicht unbedingt aus Libyen, sondern auch aus den Anrainerstaaten Libyens. Deshalb habe ich eben mit dem (akustisch unverständlich) Premierminister gesprochen. Libyen ist eigentlich nur ein Transitland für die Migranten.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie wollen Sie vor allem Russland und die Türkei überzeugen und dazu bringen, die ausländischen Kräfte abzuziehen, wenn diese Staaten noch nicht einmal dazu stehen, dass da welche sind?

Zweite Frage: Welche Nationalität haben die 300, die jetzt abgezogen bzw. rausgeschickt werden?

BKin Merkel: Zu Ihrer ersten Frage: Es ist ein gradueller Prozess; das haben wir in der Zeit von der Berliner Konferenz bis heute ja gesehen. Es gibt immer noch bestimmte Vorbehalte auf der türkischen Seite, aber die russische Seite hat durchaus anerkannt, dass man das in einem reziproken Prozess machen könnte. Jetzt gibt es da sehr intensive Diskussionen. 

Ich finde aber, dass es gut ist, dass es jetzt mit im Wesentlichen tschadischen oder sudanesischen Söldnern   die genaue Nationalität müsste Emmanuel Macron noch einmal nennen     dass diese Länder aus der Nachbarschaft die Vorreiter sind und damit auch ein Stück weit zeigen, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Es bleibt da noch ein dickes Brett zu bohren, das ist keine Frage; aber ein Anfang ist gemacht. 

Was ich eben auch sehr wichtig finde, ist, dass das 5+5-Komitee bzw. das Zehnerkomitee einen Plan vorgelegt hat, der die libysche Sicht der Dinge darlegt. Es wird sich dann über die mittlere Frist auch zeigen, dass das eine gute Grundlage ist.

Seit der ersten Libyen-Konferenz sind jetzt fast zwei Jahre vergangenn, und der Fortschritt ist manchmal auch langsam. Es gab jetzt aber immer eine Bewegung in die richtige Richtung, und das macht mir Hoffnung.

Frage: Ich denke, wir haben viel Glück, heute in Frankreich zusammenzukommen, im Land der Freiheit und der Demokratie, um unsere Fragen direkt an die beiden libyschen Vertreter, also an den Premierminister und den Präsidenten, stellen zu können. Sie hatten sich dafür engagiert, sich selbst nicht um die Wahl zu bewerben, denn die Antwort auf diese Frage ist essenziell für den Ausgang der Wahlen. 

MP Dbaibah: Ich denke, das ist eine ganz, ganz wichtige Frage. Wenn der Wahlprozess tatsächlich stattfindet, und zwar ehrlich, im Konsens und unter Beteiligung aller Beteiligten, werde ich mich dem Ergebnis der Wahl beugen. Ich glaube, das ist eine klare Antwort. 

Frage: Guten Abend, sehr verehrter Herr Präsident. Eine Frage an Sie und an die Ko-Vorsitzenden. Das Wahlgesetz hat bisher noch keinen Konsens in Libyen erreichen können. Wie ich von den beiden libyschen Vertretern heute gehört habe, geht man davon aus, dass beide Wahlen – Parlamentswahlen und Präsidentschaftswahlen – gleichzeitig stattfinden sollen. Könnten Sie das noch einmal präzisieren? Es scheint mir nämlich Divergenzen zwischen dem libyschen Premierminister und dem Präsidenten Libyens zu geben. 

Dann noch eine Frage an Sie, Herr Präsident. Sie hatten heute Nachmittag eine Sitzung im Außenministerium mit den Vertretern Russlands. Es wurde über die territoriale Integrität der Ukraine diskutiert. Was sind die Ergebnisse dieser Gespräche? Können Sie das beantworten? 

P Macron: Möchten Sie zuerst auf die anderen Fragen antworten? 

MP Dbaibah: Die Antwort ist durchaus klar: Der 24. Dezember ist ein Datum, das wir nicht kontrollieren, sondern es ist die Hohe Nationale Wahlkommission, die dieses Datum festgelegt hat oder eben dann das Datum auch nicht einhält. Wir haben darum gebeten, dass die Präsidentschaftswahlen und die Parlamentswahlen gleichzeitig stattfinden. Diese Gleichzeitigkeit kann zum Beispiel so aussehen, dass die eine Wahl am 25. und die andere am 24. stattfindet. Aber es ist die Hohe Nationale Wahlkommission, die das festlegt. 

El-Menfi: Ich möchte hier etwas unterstreichen: Da gibt es keine Verstimmung, keine unterschiedliche Einschätzung zwischen uns beiden, sondern es ist die Aufgabe der Hohen Nationalen Wahlkommission. Es gibt Gesetze. Die Hohe Nationale Wahlkommission arbeitet daran, diese Gesetze vorzubereiten. Wenn es die Kommission also schafft, die Präsidentschaftswahlen für den 24. Dezember zu organisieren, werden wir uns der gewählten Autorität beugen. Das ist das, was wir beide gesagt haben. Alle Libyer sind damit einverstanden, dass am 24. Dezember Wahlen stattfinden. Wir unterstreichen, dass der Wahlprozess unangreifbar ausgestaltet werden muss und zu einem Ergebnis führt, das dann auch wirklich von allen akzeptiert werden kann. Das möchten wir noch einmal bekräftigen.   Vielen Dank. 

P Macron: Sehr verehrter Herr Premierminister, sehr verehrter Herr Präsident, Sie haben Ihre Position bekräftigt. Dann gibt es natürlich Strukturen wie zum Beispiel die Hohe Nationale Wahlkommission, die ihre Rolle spielen muss, um dafür zu sorgen, dass wirklich alles miteinander zusammengeführt wird. Das Ergebnis dieser Konferenz ist, dass diese Konferenz zum ersten Mal von zwei Präsidenten, also Premierminister und Präsidialvorsitzendem, durchgeführt wurde. 

Zweitens. Beide haben sich dafür engagiert, dass der Wahlprozess stattfinden soll, dass es am 24. Dezember Wahlen geben soll und dass diese nach inklusiven und fairen internationalen Kriterien stattfinden sollen. 

Der dritte Punkt ist: Die internationale Staatengemeinschaft hat einstimmig diesen Prozess unter Aufsicht der Vereinten Nationen mit den entsprechenden Beobachtungsmissionen unterstützt. Wir haben uns alle bereiterklärt, verschiedene Beobachter für diese Mission zur Verfügung zu stellen. Ich glaube, das ist eine wichtige Errungenschaft. Keiner von uns kann sich die libysche Souveränität aneignen. Die Bürger müssen ihre Wahlstimme abgeben. 

Zu der anderen Frage: Die Minister haben sich zusammengefunden. Die Frau Bundeskanzlerin und der Vorsitzende des italienischen Ministerrats haben ebenfalls über diese Themen diskutiert. Es geht tatsächlich darum, dass das Minsker Abkommen eingehalten wird und das ukrainische Territorium unversehrt bleibt. Wir können jetzt hier keine Science-Fiction schreiben. Die Frau Bundeskanzlerin hat sich gestern mit Präsident Putin unterhalten. Auch ich werde mich in den nächsten Tagen mit ihm über unterschiedliche Themen unterhalten. Das Thema Ukraine gehört dazu. Wir setzen also diese Arbeit gemeinsam fort, immer mit dem Hauptanliegen, die Sicherheit in Europa zu gewährleisten. Ich hoffe, das wird auch dazu beitragen, den italienischen Kollegen zu überzeugen, dass die unterschiedlichen Ansichten zwischen Italien und Frankreich überwunden werden können. 

Ich glaube, wir kommen zum Ende dieser Pressekonferenz. Ich danke allen Ko-Vorsitzenden dieser Konferenz. Ich möchte den Vertretern der Vereinten Nationen meinen Dank aussprechen, die hier und vor Ort eine wichtige Arbeit geleistet haben. Vielen Dank! 

Ich möchte noch einmal allen Libyerinnen und Libyern sagen, dass wir fest entschlossen sind, sie dabei zu unterstützen, dass sie ihr souveränes Wahlrecht ausüben können, dass sie eine souveräne Regierung wählen. 

Vielen Dank! 

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