Häusliche Gewalt nimmt zu

Kriminalstatistik zur Partnerschaftsgewalt Häusliche Gewalt nimmt zu

2019 gab es mehr als 141.000 Opfer von häuslicher Gewalt - 81 Prozent davon Frauen. Das ist das Ergebnis einer Auswertung des Bundeskriminalamts, die Bundesfamilienministerin Giffey vorgestellt hat. Das sei nicht hinnehmbar, sagte Giffey bei der Vorstellung der Zahlen. Die Bundesregierung hat eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Gewalt an Frauen aufgestellt.

4 Min. Lesedauer

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey bei einer Pressekonferenz.

Die Zahlen "schockieren", sagt Bundesfamilienministerin Giffey bei der Vorstellung der Kriminatlitätsstatistik zur Partnerschaftsgewalt 2019.

Foto: Jens Ahner

Was zeigt die Kriminalstatistik zum Thema Partnerschaftsgewalt 2019?

Partnerschaftsgewalt in Deutschland bleibt auf hohem Niveau. Das zeigen die Zahlen des Bundeskriminalamtes, das mittlerweile zum fünften Mal die Kriminalstatistik zum Thema Partnerschaftsgewalt ausgewertet hat. 2019 wurden demnach 141.792 Opfer von Partnerschaftsgewalt polizeilich erfasst, knapp ein Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zu 81 Prozent waren Frauen betroffen und zu 19 Prozent Männer.

Dass jedoch von einem "erheblichen Dunkelfeld" auszugehen ist, sagte BKA Präsident Münch. Denn in der BKA-Auswertung sind nur die bei der Polizei gemeldeten Fälle enthalten. Experten vermuten eine Dunkelziffer von etwa 80 Prozent. Bei Männern ist die Scham, wenn sie zu Opfern werden, oft noch größer als bei Frauen.      

Diese Zahlen "schockieren", wie Bundesfamilienministerin Giffey betonte: "An fast jedem dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Und alle 45 Minuten wird - statistisch gesehen - eine Frau Opfer von vollendeter und versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt." Es sei für viele leider traurige Realität, "dass die eigene Wohnung, in der man sich sicher fühlen möchte, zu einem gefährlichen Ort wird".

Welche Formen von Gewalt kommen vor?

Gewalt in Partnerschaften äußert sich als Stalking, Bedrohung, sexueller Übergriff, Körperverletzung, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung bis hin zu Mord und Totschlag. Die meisten Betroffenen wurden Opfer einer vorsätzlichen einfachen Körperverletzung (86.812), das sind über 60 Prozent der angezeigten Fälle. Es folgen Bedrohung, Stalking und Nötigung (32.477 Fälle) und gefährliche, beziehungsweise schwere Körperverletzung oder Körperverletzung mit Todesfolge (insgesamt 17.236 Fälle).

Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer zu über 98 Prozent weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es 89 Prozent. Der Anteil männlicher Opfer ist bei vorsätzlicher, einfacher Körperverletzung mit 20,5 Prozent sowie bei Mord und Totschlag mit 23,6 Prozent vergleichsweise am höchsten.        

Was tut die Bundesregierung? 

Ministerin Giffey betonte, dass für die Bundesregierung die kontinuierlich steigenden Zahlen von Partnerschaftsgewalt nicht hinnehmbar seien. Es sei wichtig, dass die Opfer von Gewalt Hilfe und Unterstützung bekämen. Die Bundesregierung habe daher eine Gesamtstrategie zur Bekämpfung der Gewalt an Frauen aufgestellt, die auf vier Säulen basiere:

  • Da gibt es zunächst das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen". Frauen, die von Gewalt betroffen sind, wird hier rund um die Uhr, anonym und in 18 Sprachen kostenfrei Hilfe angeboten. Die Rufnummer lautet: 08000 116 016. Hilfe gibt es auch über die dazugehörige Internetseite www.hilfetelefon.de . Für Männer gibt es im Übrigen das Männerhilfetelefon .
  • Die zweite Säule bildet die Initiative "Stärker als Gewalt". Mit ihr soll mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für häusliche Gewalt erreicht werden. Das Ziel ist, dass mehr Menschen genau hinschauen und sich auch einschalten, wenn Gewalt droht. Betroffene sollen ermutigt werden, sich Unterstützung zu holen. Zudem gilt es, Hilfsangebote besser bekannt zu machen. Die Internetseite der Initiative gibt einen Überblick über Stellen, die Hilfe bieten - auch bei Partnerschaftsgewalt gegen Männer, die aber deutlich seltener vorkommt.
  • Seit 2018 gibt es - drittens - den "Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen" von Bund, Ländern und Kommunen. Er hat das Ziel, durch enge Vernetzung Finanzhilfen und die Unterstützung vor Ort besser abzustimmen. Denn es gibt Lücken und große regionale Unterschiede im Hilfesystem.
  • Die letzte Säule bildet das Förderprogramm "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen". Damit investiert der Bund in den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäusern in Deutschland. Hierfür stehen in den kommenden vier Jahren 120 Millionen Euro bereit - zur Unterstützung von Ländern und Kommunen.  

Zudem will die Bundesregierung die Datenlage des Dunkelfeldes der häuslichen Gewalt verbessern. Im kommenden Jahr soll daher eine Umfrage von Bundesfamilien- und Bundesinnenministerium gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt starten, um mehr über Gewalterfahrungen in Privatbeziehungen zu erfahren.  

Welche Hilfsangebote gibt es zu Pandemiezeiten?

Gerade die letzten Monate unter den Bedingungen der Corona-Pandemie haben die Bedeutung von Unterstützungsangeboten für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder gezeigt. Die Leiterin des Frauenhilfetelefons , Söchting, betonte, dass die Beratungskontakte seit April um circa 20 Prozent gestiegen seien. Noch sei es zu früh, zu beurteilen, ob dies an einer Zunahme der Gewalt liege, oder aber an der Tatsache, dass seit Beginn der Pandemie auch verstärkt auf das Hilfetelefon hingewiesen werde.

Der Tatsache, dass durch Corona verstärkt auf digitale Hilfsangebote gesetzt werden muss, trägt der Bund bereits Rechnung. Er stellt mehr als drei Millionen Euro zur Verfügung, die für eine bessere technische Ausstattung in den Beratungsstellen und Frauenhäusern sorgen sollen.