Raus aus der Langzeitarbeitslosigkeit

Teilhabechancengesetz wirkt Raus aus der Langzeitarbeitslosigkeit

Nach sechs Jahren Arbeitslosigkeit hat Gertrude Maul wieder eine Anstellung. Und Lebensmittelmarktbesitzer Dino Eicker ist froh über die motivierte neue Mitarbeiterin. Beide Seiten profitieren - die Jobcenter fördern die Einstellung Langzeitarbeitsloser mit Lohnkostenzuschüssen. 

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Gertrude Maul in der Fleichabteilung des Lebensmittelmarktes.

Das Teilhabechancengesetz fördert Langzeitarbeitslose: Gertrude Maul ist glücklich mit ihrem neuen Job in der Fleischerei.

Foto: Marvin Ibo Güngör

Gertrude Maul war seit 2013 arbeitslos. Ihr damaliger Arbeitsplatz wurde wegrationalisiert und mit Anfang 50 waren ihre Chancen für eine Neuanstellung gering. Die lange Arbeitslosigkeit war keine schöne Zeit: "Man fühlt sich ausgegrenzt, kann sich nichts mehr leisten, kann nicht mehr in den Urlaub fahren oder mit Freunden mal ausgehen", sagt sie. "Man ist halt nix mehr."

Wieder im Leben stehen

Trotz vieler erfolgloser Bewerbungen - zuletzt fünf bis sechs pro Woche - habe sie immer gehofft, irgendwann wieder einen Arbeitsplatz zu bekommen. "Ich wollte unbedingt wieder im Leben drin sein", sagt Maul. Dieser Gedanke habe sie motiviert, sich immer wieder zu bewerben. 

Als sie Mitte des Jahres eine Zusage bekam, hat sie sich "wahnsinnig gefreut" und einfach wieder an Selbstbewusstsein gewonnen, sagt Maul. Die neue Arbeit mache ihr Spaß, sie genieße den Kontakt mit den Kunden, das sei genau "ihr Ding". Ihr neuer Chef Dino Eicker, Inhaber eines Lebensmittelmarktes in Alsdorf (Nordrhein-Westfalen), bestätigt: "Sie ist freundlich und bereit zu lernen. Das ist hervorragend."

Jobcenter wollen motivierte Arbeitslose vermitteln

Arbeitgeber, die Langzeitarbeitslosen eine Chance geben wollen, können sich an die Jobcenter wenden. Deren Fallmanager wissen, wer für welche Tätigkeiten in Frage kommt. Sie suchen im Vorfeld einer Förderung geeignete Kandidatinnen und Kandidaten aus.

Dabei kommt es zwar auch auf die Vorkenntnisse und den Lebenslauf an. Eine entscheidende Rolle spiele allerdings die Motivation. "Sie wird im Vorfeld mehrfach von uns überprüft", sagt Beate Falkowski vom Jobcenter der Region Aachen. Sie vermittelte die frühere Langzeitarbeitslose Maul zunächst für ein zweiwöchiges Praktikum in den Lebensmittel-Markt von Dino Eicker in Alsdorf. Denn ein paar Erfahrungen im Einzelhandel sind aus ihrer früheren Berufstätigkeit noch vorhanden.

Arbeitgeber können gute Mitarbeiter gewinnen 

Während des Praktikums zeigte sich schnell, dass Maul sehr gern an der Fleischtheke und in der Metzgerei arbeitet, berichtet Eicker. Umso erfreulicher für ihn, denn gerade für die Fleischerei sei es schwer, neue Mitarbeiter zu finden.

Ihm sei klar gewesen, dass er keine vollwertige Fachkraft erhalte. Langzeitarbeitslosigkeit oder das Alter spielten für ihn keine große Rolle. Entscheidend sei, dass jemand mit Freude bei der Sache sei und etwas lernen wolle.

Viele Langzeitarbeitslose wünschen sich, wieder zu arbeiten und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Auf dem Arbeitsmarkt gelten sie jedoch als kaum vermittelbar. Durch das Teilhabechancengesetz können Arbeitgeber bis zu fünf Jahre lang Lohnkostenzuschüsse erhalten, wenn sie Langzeitarbeitslose sozialversichert einstellen.

Engagement des Arbeitgebers wichtig und lohnend

Das Teilhabechancengesetz halte er für ein sehr gutes Instrument, so Eicker. Er Stellte Gertrude Maul für zweieinhalb Jahre ein, zuvor war sie bereits über das Vorläuferprogramm "Soziale Teilhabe" bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt. Das wird jetzt angerechnet. Daher erhält Eicker Lohnkostenzuschüsse in Höhe von 90 Prozent im ersten halben Jahr, danach 80 und 70 Prozent.

Maximal sind nach dem Teilhabechancengesetz fünf Jahre Förderung mit 100 Prozent Zuschuss in den ersten beiden Jahren möglich. Danach sinkt der Zuschuss jährlich um zehn Prozentpunkte.

Für den Arbeitgeber sollten auf keinen Fall die Zuschüsse im Vordergrund stehen, warnt Eicker. Der Einarbeitungsaufwand sei nicht zu unterschätzen - er sei etwa genauso hoch wie bei Auszubildenden. Aber es lohne sich: Wenn man dadurch langfristig eine hervorragende Arbeitskraft gewinne und sich ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis entwickle, profitierten beide.

Coaches geben Sicherheit beim Neubeginn

Wenn es Probleme gibt, sind die Jobcenter-Coaches als Ansprechpartner immer da. Zu wissen, dass sie sich vertrauensvoll an jemanden wenden könne, gebe ihr Sicherheit, sagt Maul. Auch wenn sie es bisher nicht wirklich brauchte. Sie werde von ihren neuen Kolleginnen und Kollegen sehr gut eingearbeitet. 

Das Coaching hat das Ziel, das Arbeitsverhältnis während des Förderzeitraums zu festigen und einen Abbruch zu verhindern, erklärt Jobcenter-Mitarbeiterin Falkowski. Ziel ist möglichst eine dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nach Ende der Förderung.

Teilhabechancengesetz erfolgreich gestartet

"Unser Jobcenter der Region Aachen hat bisher 290 langzeitarbeitslose Menschen vor allem an kommunale und gemeinnützige Beschäftigungsträger vermittelt. Geplant sind bis Ende 2019 insgesamt 400 Vermittlungen", so Falkowski. Das Jobcenter spricht jetzt verstärkt private Unternehmen an. Für Arbeitgeber gibt es eine Anlaufstelle und Telefon-Hotline.

Langzeitarbeitslose profitieren von einem begleitenden Coaching der Jobcenter. Die Bundesregierung investiert bis 2022 vier Milliarden Euro, damit zusätzliche Beschäftigungsangebote entstehen. Seit Jahresbeginn haben laut Bundesarbeitsministerium mehr als 25.000 Langzeitarbeitslose eine geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen.