Konzertierte Aktion im Kanzleramt gegen hohe Preise
„Wir stehen zusammen. Und wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger gut durch diese Zeit kommen.“ Das war die Botschaft von Bundeskanzler Scholz nach der Auftaktsitzung der Konzertierten Aktion. Ziel der Beratungen von Gewerkschaften, Unternehmen, Wissenschaft und Politik ist es, hohe Inflation und Einkommensverluste abzumildern.
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Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich am Montag mit Gewerkschaften und den Spitzen der Arbeitgeberverbände zur Auftaktsitzung der Konzertierten Aktion getroffen. Gemeinsam wollen sie Lösungen finden, damit die Bevölkerung die durch den russischen Krieg verursachten Preissteigerungen verkraftet.
„Unsere Gesellschaft ist stark“
Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine ändere alles, so Scholz. Die hohen Preissteigerungen in Folge des Krieges und weiterhin gestörte Lieferketten seien ein ernstes soziales und wirtschaftliches Problem. Die hohen Energie- und Nahrungsmittelpreise treffen viele Menschen hart, und sie machen sich große Sorgen, ob sie die Preiserhöhungen bewältigen können. Diese Lage werde sich auf absehbare Zeit nicht ändern, darauf müssten sich alle einstellen, sagte der Kanzler.
Zugleich betonte er: „Unsere Gesellschaft ist stark, viel stärker als manchmal unterstellt wird. Der faire Ausgleich zwischen den Interessen, in einem Geist der Gemeinsamkeit, prägt unser Land. Und diesen Geist gilt es zu erhalten und zu stärken.“
Historische Herausforderung gemeinsam meistern
„Heute haben wir den Auftakt zur Konzertierten Aktion gemacht. Um uns gemeinsam dieser Aufgabe zu stellen: Gewerkschaften, Verbände, Bundesbank, Wissenschaft und Regierung.“ Ziel ist, reale Einkommensverluste abzumildern und eine drohende Preisspirale abzuwenden. In den nächsten Wochen gehe es darum, die richtigen Instrumente zu entwickeln und Wege zu finden, um auf diese historische Herausforderung zu reagieren. „Denn wir werden durch diese Krise nur gut durchkommen als Land, wenn wir uns unterhaken und uns gemeinsam auf Lösungswege einigen“, sagte Scholz.
Der Bundeskanzler dankte den Sozialpartnern, dass sie seine Initiative aufgegriffen haben und sie unterstützen. „Wichtig ist mir die Botschaft: Wir stehen zusammen. Und wir wollen, dass alle Bürgerinnen und Bürger gut durch diese Zeit kommen. Schülerinnen und Schüler genauso wie Rentnerinnen und Rentner. Die Unternehmen genauso wie die Beschäftigten“, so der Kanzler.
Die Verbraucherpreise lagen im Juni um 7,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats; im Mai waren es sogar 7,9 Prozent. Bürgerinnen und Bürger sind damit einer sehr hohen Inflation ausgesetzt, die ihre Kaufkraft unter Druck setzt.
Entlastungspakete greifen jetzt
Die von der Bundesregierung geschnürten zwei Entlastungspakete mit 30 Milliarden Euro werden die in diesem Jahr stark gestiegenen Energiepreise abmildern. Insgesamt gehe es um etwa 20 Milliarden Euro, die heute auf den Stromrechnungen lasten. „Deshalb ist das eine Entlastung für viele – für Familien, für Unternehmen, und das ist richtig so“, sagte Scholz.
Vieles wird in diesen Tagen wirksam, darauf machte der Kanzler aufmerksam: der höhere Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer, 200 Euro-Einmalzahlung für Sozialleistungsbezieher, 100 Euro-Kinderbonus, die seit dem 1. Juli abgeschaffte der EEG-Umlage, der höhere Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger und die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro im September. Der Tankrabatt und das 9-Euro-Ticket werde bereits genutzt.
Gleichzeitig tut die Bundesregierung alles, was möglich ist, damit die Energieversorgung weiter funktioniert.
Um die hohen Energiepreise abzufedern, hat die Bundesregierung spürbare Entlastungen auf den Weg gebracht. Das Bundesfinanzministerium zeigt an sechs konkreten Beispielen, dass sie bei Bürgerinnen und Bürgern ankommen.
Sozialpartner tragen Verantwortung
Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, und Arbeitgeberpräsident (BDA) Rainer Dulger begrüßten den Auftakt der Konzertierten Aktion. Es brauche eine gemeinsame Kraftanstrengung, so Fahimi. Das heutige Treffen habe einen Beitrag dazu geleistet, den gesellschaftlichen Frieden zu wahren. „Wir können diese Krise nur gemeinsam bewältigen,“ so auch Dulger.
Die DGB-Vorsitzende Fahimi lobte, dass die ersten Entlastungen der Pakete der Bundesregierung bei den Bürgerinnen und Bürgern auch ankämen. „Ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt wird um die 1.000 Euro entlastet werden“, sagte Fahimi. Dies sei eine „nennenswerte Summe“ und „auf jeden Fall hilfreich.“ Es sei das, was gebraucht würde, „begleitend und flankierend zu dem, was wir als Tarifvertragsparteien verantworten müssen“, so Fahimi.
Löhne sind keine Inflationstreiber
DGB-Chefin Fahimi und Arbeitgeberpräsident Dulger betonten, es gehe momentan nicht um eine Lohn-Preisspirale. Die Löhne seien aktuell keine Inflationstreiber, so Dulger.
Umso mehr gelte es darum herauszufinden, wie die hohen Energiekosten zu bewältigen seien – für die privaten Haushalte ebenso wie für die Betriebe. Die Energiesteuer und Netzentgelte könnten gute Hebel dafür sein, sagte Arbeitgeberpräsident Dulger.
Vor allem müsse alles dafür unternommen werden, eine Rezession zu verhindern, Standorte zu stabilisieren, Wertschöpfungsketten zu erhalten und Beschäftigung zu sichern, so Fahimi. Ein stetiges Wirtschaftswachstum sei keine Selbstverständlichkeit mehr, betonte Arbeitgeberpräsident Dulger. Vor den Unternehmen und ihren Belegschaften lägen große Herausforderungen. Die Arbeitgeber sähen es als ihre Aufgabe, jetzt Wirtschaft und Arbeitsmarkt stabil zu halten.
Lohnerhöhungen verhandelten ausschließlich die Tarifvertragsparteien. Die Politik könne aber dafür sorgen, dass von den Lohnsteigerungen mehr im Portemonnaie bleibe. Für „Mehr Netto vom Brutto“ schlug der Arbeitgeberverband die Beseitigung der kalten Progression vor. Auch die Befreiung von Einmalzahlungen, von Steuern und Sozialbeiträgen seien eine Option, so Dulger. Aber ob und wie die Tarifpartner diese Option nutzten, liege bei ihnen.