"Wir wollen die Alpen so schonend wie möglich nutzen"

Interview mit Hüttenexperten von Deutschem Alpenverein "Wir wollen die Alpen so schonend wie möglich nutzen"

Der Deutsche Alpenverein betreibt rund 320 Berghütten - oft in extremer Lage. Sie sollen noch umweltfreundlicher werden. Ein Gespräch zum Internationalen Tag der Berge mit dem Hüttenexperten des Vereins über die Energiewende auf 2500 Metern, den Reiz des Bergsteigens und unnützes Gepäck.

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Das Friesenberghaus in den Alpen

Übernachten in exklusiver Lage: Das Friesenberghaus in den Zillertaler Alpen ist eine von rund 320 Hütten des Deutschen Alpenvereins. Das auf 2500 Metern gelegene Haus gehört dem Berliner Regionalverband des Vereins.

Foto: mauritius images / Timm Humpfer

Die Vereinten Nationen haben den 11. Dezember zum Internationalen Tag der Berge erklärt. Er soll daran erinnern, wie schön und empfindlich unsere Berglandschaften sind. Der Deutsche Alpenverein (DAV) will, dass beides gelingt: die Berge zu nutzen und zu schützen. DAV-Hüttenexperte Robert Kolbitsch, 50, erzählt im Gespräch, wie sein Verein mit Unterstützung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt Berghütten so umbaut, dass sie die Natur schonen.

Herr Kolbitsch, haben Sie eine Lieblings-Berghütte?

Robert Kolbitsch: Einer meiner Favoriten ist die Erlanger Hütte auf rund 2500 Metern in den Ötztaler Alpen. Die liegt sehr exponiert. Sie wurde vor über hundert Jahren gebaut und ist in ihrer Form fast unverändert. Da schauen Sie morgens auf einen kleinen Bergsee und ein gigantisches Gipfelpanorama.

Was macht eine gute Hütte aus?

Kolbitsch: Schon der Weg dorthin verrät einiges: Ist der gepflegt, dann wird auch die Hütte meist gut geführt. Die Lage ist natürlich für die meisten ein Kriterium: Wie ist der Blick, welche Berge umgeben sie, liegt sie vielleicht am Anstieg eines prächtigen Gipfels? Die Höhe finde ich eigentlich nicht so entscheidend. Andererseits: Je kürzer der Aufstieg, desto mehr Leute sind oben und der Rummel ist größer.

Schauen Sie dann als erstes in die Speisekarte oder in den Technikkeller?

Kolbitsch: Da bin ich durch meinen Job wohl ein Spezialfall. Ich muss zuerst sehen, wo die Energie herkommt, ob die Hütte umweltfreundlich ist, wie die Entsorgung läuft und wo der Müll gesammelt wird. Das ist alles hochspannend.

Und was ist für alle Nicht-Fachleute der Reiz einer guten Hütte? Der Deutsche Alpenverein verzeichnet rund 890.000 Übernachtungen pro Jahr.

Kolbitsch: Wer hat nach dem Aufstehen sonst noch diese gigantische Aussicht? Und dann ist da diese gesellige Seite: Ich verbringe den Abend auf engstem Raum mit Leuten, die ich gar nicht kenne. Da kann man sehr gut neue Bekanntschaften und Freundschaften schließen.

Robert Kolbitsch ist Ressortleiter "Hütten und Wege" beim Deutschen Alpenverein

Bergsteiger und Architekt: Robert Kolbitsch, 50, ist beruflich viel in den Alpen unterwegs. Der Ressortleiter "Hütten und Wege" plant und begleitet die Bauprojekte des DAV. Die Hütten selbst gehören meist den Regionalgruppen.

Foto: DAV/Tobias Hase

Viele Berghütten sind über 100 Jahre alt. Wie groß ist der Aufwand, die Gebäude zu sanieren?

Kolbitsch: Der ist groß. Viele Häuser stammen tatsächlich aus den ersten Jahrzehnten des Alpinismus und sind seitdem extremen Bedingungen ausgesetzt. Wir stecken deshalb jedes Jahr rund 13 Millionen Euro in die Gebäudesanierung. Als Bundesverband machen wir das gemeinsam mit unseren Sektionen, denen die Hütten auch gehören. Und weil wir ein Naturschutzverband sind, wollen wir das Geld vor allem in regenerative Energien investieren. Wir wollen das Ökosystem Alpen so schonend wie möglich nutzen.

In den vergangenen Jahren hat Ihnen die Deutschen Bundestiftung Umwelt mit Fachwissen und Fördergeld geholfen, viele Hütten umweltgerecht saniert. Was sind dabei die größten Herausforderungen?

Kolbitsch: Wir spüren da oben den Klimawandel. Die größten Auswirkungen haben wir zurzeit bei der Trinkwasserversorgung. Wasserleitungen ins Tal gibt es nicht, wir betreiben die Hütten daher oft mit Schmelzwasser. Weil die Gletscher zurückgehen und weniger Schnee fällt, wird es aber immer schwieriger, genügend Wasser zu sammeln.

Wie können Sie darauf reagieren? 

Kolbitsch: Wir erweitern zum Beispiel die Speicherkapazitäten, um besser vorbereitet zu sein. Manche Hütten können schon bis zu 30000 Liter Wasser speichern. Zugleich reduzieren wir den Wassereinsatz, durch sparsamere Toiletten etwa. Wenn auf einer Hütte das Wasser ausgeht, dann gibt es Chaos. Die Duschen kann ich sperren, aber wenn es nicht mehr für Küche reicht, muss man zusperren. Vielleicht sogar im August, bei bestem Wetter. Das ist dann sehr ärgerlich.

Wie lässt sich gebunkertes Wasser aufbereiten?

Kolbitsch: Da nutzen wir Aufbereitungsanlagen, in denen das Wasser über ultraviolette Strahlung aus dem Sonnenlicht desinfiziert wird. Das vernichtet Viren und Bakterien.

Die Erneuerbaren Energien werden immer effizienter. Welche Möglichkeiten bietet das für den Hüttenbau?

Kolbitsch: Wir nutzen die Erneuerbaren Energien schon lange, weil sie die beste Möglichkeit sind, auf dem Berg Strom zu erzeugen. Technisch betrachtet stehen die Hütten da oben ja wie auf einer einsamen Insel – ohne Stromanschluss, ohne Wasserleitung. Deshalb haben wir vor Jahrzehnten die ersten Fotovoltaikanlagen installiert. Dass die Technik immer effizienter wird, hilft uns, noch umweltfreundlicher zu produzieren. Auch wir haben noch einige Technik-Dinosaurier: In manchen Hütten etwa kann man leider noch Dieselaggregate sehen.

Als Stromquelle?

Kolbitsch: Ja, das war früher die einzige Stromversorgung. Jetzt setzen wir auch auf bessere Batteriespeicher: Wir haben mit Blei-Säure-Batterien angefangen, inzwischen sind es Lithium-Ionen-Batterien. Durch bessere Speicher im Keller und effizientere Solarpaneele können wir inzwischen 60 bis 70 Prozent des Energiebedarfs einer Hütte mit Regenerativen Energien abdecken. Man braucht aber eine Ergänzung: Auch schlechtes Wetter kommt ja im Gebirge ab und an vor. Momentan nutzen wir da oft Blockheizkraftwerke, die mit Rapsöl laufen.

Kann man von Ihren Erfahrungen etwas für den Hausbau im Flachland lernen?

Kolbitsch: Eher fürs Wohnen in Extremsituationen: Unsere Ansprüche sind zu speziell. Wir hatten mal ein Projekt mit Leuten, die die Trinkwasserversorgung auf einer Forschungsstation in der Arktis weiterentwickelt haben. Da gibt es ähnliche Probleme.

Müssen Sie auch sanieren, weil die Ansprüche der Bergwanderer steigen?

Kolbitsch: Das denken viele. Aber unsere Erfahrung zeigt etwas anderes: Die Leute kommen auf den Berg, weil sie diesen Luxus mal nicht haben wollen. Wir bieten Einfachheit.

Falsche Luxuserwartungen sind gar kein Thema?

Kolbitsch: Doch, die gibt es auch. Nicht jeder ist von klein auf in den Bergen verwurzelt. Der Klassiker ist etwa der Haarfön. Den bringen die Leute zusammen mit anderem unnützen Gepäck nach oben. Dort stellen sie fest, dass sie auf dem Zimmer gar keine Steckdose haben und man auf der Hütte auch keinen Fön nutzen sollte, weil der ein Energiefresser ist. Es ist auch nicht jedem klar, dass es keine Einzelzimmer gibt, sondern oft Schlaflager für ein knappes Dutzend Bergsteiger.

Die großen Matratzenlager werden alle Umbauten überleben?

Kolbitsch: Ein bisschen müssen wir uns anpassen: Diese riesigen Schlaflager mit 70, 80 Matratzen will niemand mehr. Aber wir bauen nicht alle Hütten auf Zweier-Appartements um. Keine Waschmöglichkeiten auf den Zimmern, kein Strom, kein W-Lan – so wird es bleiben. Die Bettwäsche wird auch nicht täglich gewechselt. Wir sind ja kein Hotel.

Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) hat in den vergangenen Jahren die umweltgerechte Modernisierung zahlreicher Alpenvereinshütten gefördert. Schwerpunkte waren die Trinkwasserversorgung, Strom aus regenerativen Energien und der umweltfreundliche Umgang mit Abwasser. Die DBU wurde 1989 von der damaligen Bundesregierung ins Leben gerufen. Das Stiftungskapital stammte aus dem Verkauf der bundeseigenen Salzgitter AG. Sie fördert innovative, modellhafte Projekte zum Umweltschutz. Das aktuelle Stiftungskapital beträgt 2,24 Milliarden Euro.