„Wir versuchen, jedes Tier so ursprünglich wie möglich zu halten“

Interview mit dem Landwirt des Jahres „Wir versuchen, jedes Tier so ursprünglich wie möglich zu halten“

Felix Hoffarth zeigt mit seinem Hof Eselsmühle in Hessen, wie moderne, nachhaltige Landwirtschaft aussieht – und er hat ein Händchen für Tiere. Dafür erhielt Hoffarth nun die Auszeichnung „Landwirt des Jahres“ eines Fachmagazins. Im Interview erzählt der 28-Jährige, warum er für die Landwirtschaft brennt und welche Erwartungen und Wünsche er hat.

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Jungbauer Felix Hoffarth bei seinen Rindern auf der Weide

Die richtige Haltung und der vertrauensvolle Umgang mit seinen Angus-Rindern ist Felix Hoffarth wichtig. Von der Aufzucht bis zur Vermarktung liegt bei ihm alles in einer Hand.

Foto: agrarheute/Timo Jaworr

Herr Hoffahrt, stellen Sie bitte Ihren Betrieb kurz vor – was ist das Besondere an der Eselsmühle?

Felix Hoffarth: Die Eselsmühle ist seit Generationen in Familienbesitz. Seit 1991 wird unser Betrieb biologisch bewirtschaftet und ist „Naturland“-Mitglied. Der Mühlbach, der am Haus entlangfließt , gab dem Hof den Namen. Gemahlen wird hier allerdings schon lange nicht mehr. Dafür wird mittels Wasserkraft Strom erzeugt. Weitere Energie kommt von den Fotovoltaikflächen auf den Haus- und Stalldächern. 35 Haushalte können wir auf diese Weise mit Strom versorgen.

Neben dem Ackerbau sind es vor allem die Angus-Rinder, die im Mittelpunkt des Betriebes stehen. Dazu kommen Puten, die die Stallfläche der Rinder im Sommer nutzen, sowie Pensions- und Zuchtpferde, die das Grünland beweiden. Das Angus- und Putenfleisch vermarkten wir direkt und erzielen so angemessene Preise für die hochwertige Qualität.

Weshalb haben Sie sich für den Beruf des Landwirts entschieden und was sollte man unbedingt mitbringen?

Hoffarth: Das hat viel mit frühkindlicher positiver Prägung zu tun. Mir hat von kleinauf der Umgang mit Tieren, die Arbeit mit der Natur und in der Familie und nicht zuletzt das selbstbestimmte Arbeiten – wenn das Wetter mitspielt – Spaß gemacht. Ich bin da sozusagen reingewachsen. Nicht zu vergessen: Landwirt ist einer der wichtigsten Berufe der Welt – wir produzieren Lebensmittel.

Wenn man Landwirt werden will, sollte man sich darüber im Klaren sein, dass das kein „Job“ mit einer 40-Stunden-Woche ist. Man muss schon eine Leidenschaft dafür haben und darf die Stunden nicht zählen. Mitbringen sollte man auf jeden Fall gute Nerven und man sollte kreativ und flexibel sein. Denn es gibt immer wieder neue Herausforderungen, auf die man sich einstellen muss. Letztlich sollte man ein „Allrounder“ sein. Es geht definitiv dabei nicht ohne technisches Wissen. Und man sollte sich viel mit den Kollegen austauschen. Anders kann man die vielfältigen Aufgaben, die auf einem Hof anfallen, nicht erledigen.

Nur Studium der Landwirtschaft und dann einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen funktioniert meiner Meinung nach nicht. Ein Studium schafft zwar die fachlichen Grundlagen. Besser ist es, sich zunächst praktisches Wissen anzueignen, etwa mit einem Praktikum oder einem der vielen landwirtschaftlichen Lehrberufe, bevor man ein Studium beginnt. Und wer ökologischen Landbau betreiben möchte, sollte davon wirklich überzeugt sein und ihn nicht nur aus finanziellen Gründen beginnen. Er sollte sich auch hier viel mit anderen Ökobetrieben austauschen.

2019 übernahm Felix Hoffarth (28) den Hof Eselsmühle von seinen Eltern. Diese hatten begonnen, den Betrieb in Lohra (Hessen) nach ökologischen Kriterien zu bewirtschaften. Hoffahrt absolvierte an der Universität Kassel/Witzenhausen den Master-Studiengang in ökologischer Landwirtschaft.

Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sollen ja auch Junglandwirte stärker gefördert werden. Was halten Sie davon?

Hoffarth: Die so genannte Junglandwirteprämie, die aufgestockt werden soll, sehe ich positiv. Sie wird zu einer Verjüngung in der Landwirtschaft beitragen und eine Hofübergabe früher als bisher möglich machen. Junglandwirte erhalten so die Chance, mit entsprechender Begleitung in ihre Aufgaben hineinzuwachsen.

Um Junglandwirte zu motivieren, ist aber auch eine angemessene Bezahlung für das, was die Landwirte produzieren essentiell – verbunden mit größerer Wertschätzung ihrer Arbeit. Man will das Gefühl haben, für die Gesellschaft wichtig zu sein.

Warum haben Sie sich für einen Ökobetrieb entschieden?

Hoffarth: Ich bin so aufgewachsen und ein ökologischer Betrieb ist aus meiner Sicht zukunftsfähiger, weil er nachhaltig und klimaschonend wirtschaftet und zu einer höheren Biodiversität führt. Mit Pestiziden konnte ich mich noch nie anfreunden. Wir machen viel von dem, was schon vor 100 Jahren gemacht wurde. Wir setzen bereits Maßnahmen um, die nun durch die GAP-Reform für die so genannten Eco-Schemes gefordert werden. Es zeigt sich zudem, dass sich konventionelle und ökologische Landwirtschaft annähern: So erfährt etwa die mechanische Unkrautbekämpfung mit dem Striegel auch im konventionellen Landbau eine Wiederbelebung.

Was hat man sich unter einer „ökologisch nachhaltigen Kreislaufwirtschaft“ vorzustellen?

Hoffarth: Das Prinzip beschreibt, dass praktisch ein Betriebszweig in den nächsten greift und sich gegenseitig hilft. Beispiele von unserem Hof: Der Anbau von Kleegras fixiert den für das Pflanzenwachstum lebensnotwendigen Stickstoff im Boden, das Gras wiederum wird an die Kühe verfüttert und die Kühe ihrerseits düngen mit ihrem Mist die Äcker. Wir kooperieren auch mit anderen Betrieben und tauschen etwa Mist gegen Getreide. Wir verstehen Boden als eine lebendige Masse, in den etwas hinein- und gleichzeitig wieder etwas herausgeht.

Wie setzen Sie eine artgerechte Tierhaltung in Ihrem Betrieb um? Was erwarten Sie von den Vorschlägen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung, der sogenannten Borchert-Kommission?

Hoffarth: Wir versuchen, jedes Tier so ursprünglich wie möglich zu halten. Unsere Pferde etwa sind in einem Aktivstall untergebracht, sie können sich in der Herde auf einer eingezäunten Fläche frei bewegen. Die Kühe halten wir, so lange die Witterung es zulässt, ebenfalls auf der Weide in der Herde. Sie kalben grundsätzlich auch in der Herde. Auf diese Weise entsteht eine enge Mutter-Kind- sowie Herden-Bindung. Und auch unsere Puten sind in geräumigen Stallungen mit Stroheinstreu und Grünlandauslauf untergebracht. Das Futter besteht aus selbst angebautem ökologischem Getreide, Erbsen und einem Mineralfutter, welches frei von jeglichen Wachstumsförderern, Antibiotika und Gentechnik ist.

Von den Vorschlägen der Borchert-Kommission erwarte ich grundlegende Verbesserungen vor allem für die konventionelle Tierhaltung. Diese sollten mit zusätzlichen Mitteln flankiert werden, denn der Umbau von Ställen kostet viel Geld.

Welche Erwartungen haben Sie an die Zukunft, welche Herausforderungen sehen Sie?

Hoffarth: Das Wichtigste, das jedem Landwirt auf der Seele brennt, ist wirklicher Abbau von Bürokratie. 30 bis 40 Prozent der Arbeitszeit gehen derzeit für das Ausfüllen von Formularen verloren und damit für unsere eigentliche Arbeit draußen. Eine stärkere Vereinfachung ist vonnöten. Viele Betriebe möchten etwas machen, kommen aber mit den verschiedenen Anträgen und Fördermöglichkeiten nicht mehr klar. Etwa: Was wird mit Bundesmitteln und was mit Landesmitteln gefördert?

Auch die zunehmende Flächenversiegelung sehe ich mit Sorge. Warum nimmt man hier nicht die schlechten Böden statt der guten für Neubauten und Industrieansiedlungen? Land ist das einzige, was wir nicht vermehren können.

Eine weitere Bitte an die Politik: Sie sollte die Ansiedlung regionaler Schlachthöfe fördern, damit wir weniger lange Tiertransporte haben. Der Weg unserer Tiere zum Schlachthof ist kurz und damit stressfreier.

Die große Herausforderung der Zukunft ist unser Klima. Das Wetter wird immer unberechenbarer. Wir Landwirte müssen mit der Trockenheit klarkommen, uns immer schneller auf neue Situationen einstellen und neue Kulturen anbauen. Unsere Einflussmöglichkeiten sind hier begrenzt.

Was tun Sie, um das Ansehen der Landwirte in der Gesellschaft zu verbessern? Was kann die Politik beitragen?

Hoffarth: Wir selbst tun eine ganze Menge dafür. In den 30 Jahren des Bestehens unseres Ökobetriebs haben wir viel Aufklärungsarbeit betrieben. Etwa durch Führungen und das Aufstellen von Infotafeln. Kindergartengruppen und Schulklassen kommen zu normalen Zeiten durch das Programms „Bauernhof als Klassenzimmer“ zu Besuch auf die Eselsmühle. Wir legen Blühstreifen an, auf denen Sonnenblumen wachsen und die die Besucher selbst pflücken und mitnehmen können.

Eine gute Idee der Politik finde ich zum Beispiel, dass in Kantinen viele deutsche und regionale Produkte angeboten werden, um die heimische Landwirtschaft zu unterstützen. Wichtig ist, immer wieder hervorzuheben, wie lebensnotwendig die Arbeit der Landwirte für alle ist. Dass es mitnichten nur schwarze Schafe gibt. Es gibt genügend positive Beispiele, die machen das ganz toll und denen muss ein „Gesicht“ gegeben werden. Ich freue mich sehr darüber, dass ich mithelfen kann, ein positiveres Bild von der Landwirtschaft zu vermitteln.

Zu guter Letzt: Was erwarten Sie sich von den deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern?

Hoffarth: Sie sollen nicht nur reden, sondern auch tun und regional einkaufen sowie angemessene Preise zahlen. Es hilft nicht, wenn Supermärkte die Preise für eine artgerechtere Haltung von Tieren erhöhen, niemand aber die Ware kauft. Und die Lebensmittelverschwendung muss endlich aufhören.

Mit dem CeresAward – Landwirt des Jahres verlieh die Fachzeitschrift „agrarheute“ zum siebten Mal einen Preis, der Landwirten und Landwirtinnen mehr Anerkennung für ihre Arbeit verschafft und ihre Erfolgsgeschichten in den Mittelpunkt stellt. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner beglückwünschte den Rinderhalter aus Hessen ebenfalls zu seinem Sieg.