Hier fühlen sich Schweine richtig wohl

Tierwohlinitiative Hier fühlen sich Schweine richtig wohl

Sie wollen, dass es ihren Schweinen gut geht. Deshalb haben die Landwirte Jens van Bebber und seine Frau Katja Bodenkamp ein Offenstall-System aufgebaut. Und das klappt: Hier kommen die Tiere ihrer natürlichen Lebensweise sehr nah. Auch die Bundesregierung will die Haltungsbedingungen landwirtschaftlicher Nutztiere verbessern.

5 Min. Lesedauer

Hof Bodenkamp in Samern, Niedersachsen. Die Hofbesitzer Dr. Jens van Bebber und Dr. Katja Bodenkamp betreiben hier einen Offenstall für ihre Schweinemast.

Neugierige Begrüßung im Offenstall: Hier haben die Tiere doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben.

Foto: Oliver Pracht

Ortsbesuch in Niedersachsen: Es herrscht Aufregung im Stall. Auf dem Weg zu der offenen Holzkonstruktion des umgebauten Schweinestalles erklärt Landwirt Jens van Bebber: "Gleich ist Fütterungszeit und die Schweine wissen das." Über den Köpfen der Tiere öffnet sich ein Metallkasten, aus dem Futter herab auf den Boden rieselt - so wie viermal pro Tag. Damit sind die Schweine gut beschäftigt und sofort ist gefräßige Ruhe im Stall. Diese Art der Bodenfütterung von Schweinen ist in Deutschland einmalig.

Hof Bodenkamp in Samern, Niedersachsen. Die Hofbesitzer Dr. Jens van Bebber und Dr. Katja Bodenkamp betreiben hier einen Offenstall für ihre Schweinemast.

Das Futter für die Bodenfütterung rieselt vollautomatisch aus den Fütterungskästen.

Foto: Oliver Pracht

Artgemäße Schweinehaltung

Als Katja Bodenkamp und ihr Mann im Jahr 2000 in den Betrieb ihrer Eltern, den Hof Bodenkamp im Landkreis Grafschaft Bentheim (Niedersachsen) einstiegen, hatte der Betrieb 10.000 Mastplätze in konventioneller Haltung. Seitdem hat sich viel geändert.

Van Bebber und seine Frau hatten sich schon länger damit beschäftigt, wie Schweinemastbetriebe Bedingungen schaffen können, die der natürlichen Lebensweise der Tiere entgegenkommen. "Wir wollten unserer Verantwortung für die Tiere besser gerecht werden", sagt van Bebber. Neben der konventionellen Haltung betreibt das Ehepaar nun auch zwei Ställe im sogenannten Offenstall-System. Die Schweine auf Hof Bodenkamp sind sogenannte Duke-of-Berkshires, eine Kreuzung zwischen der alten und robusten englischen Rasse Berkshire mit einer deutschen Sau, die besonders geeignet für die Offenstallhaltung sind.

Jedes Schwein hat 1,5 Quadratmeter

Die ehemaligen Ställe, die zuvor 1.800 Tiere aufnahmen, fassen nach dem Umbau 1.000 Schweine. "Dadurch haben diese doppelt so viel Platz (1,5 Quadratmeter pro Schwein) wie gesetzlich vorgeschrieben (0,75 Quadratmeter pro Schwein)", erklärt van Bebber. Und nicht nur das: Die Schweinebuchten sind in drei sogenannte Funktionsbereiche aufgeteilt, einen Ruhebereich, einen Fressbereich und einen Kotbereich - ein innovativer Aufbau, der der natürlichen Veranlagung der Schweine entgegenkommt. Denn sie trennen diese Bereiche auch von sich aus.

Windnetze am Hof Bodenkamp in Samern, Niedersachsen. Die Hofbesitzer Dr. Jens van Bebber und Dr. Katja Bodenkamp betreiben hier einen Offenstall für ihre Schweinemast.

Die grünen Windnetze werden bei kühleren Temperaturen zum Schutz der Tiere vor Zugluft heraufgezogen.

Foto: Oliver Pracht

Der mit Stroh eingestreute Liegebereich sorgt für Ruhe, dient aber auch zum Spielen und Knabbern. Er kann mit einer an der Decke angebrachten und absenkbaren Platte abgedeckt werden. "Das schafft ein angenehmes Mikroklima für die Tiere", erklärt van Bebber. Durch die Bodenfütterung im Fressbereich sind die Tiere bis zu 30 Minuten pro Fütterung beschäftigt. In der Gruppe suchen und lesen sie das Futter am Boden auf. Es gibt genügend Platz, so dass kein Streit ums Futter entsteht. Der Kotbereich ist auf eine kleine Fläche begrenzt, besteht zur einen Hälfte aus Spaltboden und ist zur anderen Hälfte befestigt und leicht abschüssig. Der Harn kann dadurch schnell abfließen, die Entstehung von Ammoniak wird stark reduziert - keine Chance für den typischen "Stallgeruch".

Viele weitere innovative Ideen sind im Stall umgesetzt. Nicht nur die Fütterung funktioniert vollautomatisch. Bei kälteren und windigen Witterungsbedingungen schützen Windnetze die offenen Seiten des Stalls. Sie werden automatisch geregelt - mittels Temperaturmessung und Windsensoren.

Das steckt hinter der Tierwohl-Initiative

Mit der Tierwohlinitiative , die es seit 2014 gibt, will auch die Bundesregierung die Haltungsbedingungen der landwirtschaftlichen Nutztiere verbessern. Eine wichtige Maßnahme ist die geplante Einführung eines staatlichen Tierwohl-Kennzeichens. Mit diesem sollen Verbraucher Produkte erkennen können, bei denen höhere Standards als gesetzlich vorgeschrieben eingehalten werden.

Spürbar bessere Haltungsbedingungen für Nutztiere und Planungssicherheit für Bauern - das sind auch die Ziele der nationalen Nutztierstrategie , die die Bundesregierung im Juni 2017 vorgestellt hat. Sie zeigt den Weg für eine zukunftsfähige Tierhaltung, die Tier- und Umweltschutz genauso miteinander vereinbart wie Qualität bei der Produktion und Marktorientierung.

Erst Ende August hat sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner mit Landwirten getroffen. Beim "Runden Tisch Sauenhaltung " erklärte sie: "Es braucht tragfähige Lösungen, die Wirtschaftlichkeit, Tierschutz und gesellschaftliche Akzeptanz in Einklang bringen."

Intakte Ringelschwänze ohne Langeweile

Die rosa Ringelschwänzchen sind auf dem niedersächsischen Hof Bodenkamp deutlich zu sehen, während die Schweine ihre Portion Futter vom Boden fressen. "Die Tiere sind durch das Ausleben ihrer natürlichen Verhaltensweisen, durch die Außenreize sowie das Angebot von Stroh und Heu sehr ausgeglichen. Sie haben keine Langeweile und beißen sich gegenseitig nicht in die Ringelschwänze", erklärt Landwirt van Bebber. Die Schwänze der Tiere werden nicht wie sonst üblich kupiert.

Der Ringelschwanz ist ein Symbol des Systemwechsels hin zu mehr Tierwohl in der Schweinehaltung. Er wird in Niedersachsen mit der sogenannten Ringelschwanzprämie belohnt. Die Schweine aus dem Offenstallsystem erreichen dabei eine fast 100-prozentige Quote.

Wertschöpfung für jedes Tier

Für Tierwohl sorgen und trotzdem wirtschaftlich arbeiten: Geht das? Für van Bebber und seine Frau war klar: "Vor der Entscheidung zum Umbau der Ställe musste ein Vermarktungssystem vorhanden sein." Die entstehenden Mehrkosten würden sie für ihre Schweine am konventionellen Markt nicht abdecken können. So haben sich gleichgesinnte Akteure zusammengefunden: Vom Sauenhalter über die Mast, die Schlachtung, die Zerlegung bis hin zur Vermarktung steht jeder Beteiligte mit Namen und Gesicht für seine Leistung. Das schafft Transparenz und Vertrauen bei den Verbrauchern.

Van Bebber betont, die Offenstallhaltung sei nur eine Möglichkeit für mehr Tierwohl in der Schweinehaltung. Sie stelle nicht die konventionelle Produktion in Frage. Aber künftig werde es darauf ankommen, "dass wir wieder eine Wertschätzung für jedes einzelne Tier hinbekommen." Verbraucher würden mehr und mehr Interesse an guten Haltungsbedingungen haben und auch bereit sein, dafür einen höheren Preis zu bezahlen.

Auch der Verein der Förderung der Offenstallhaltung von Schweinen arbeitet daran, das Konzept des Offenstalls bekannter zu machen.

Geeignete Rahmenbedingungen erforderlich

Der Umbau des Stalles stellte den Hof Bodenkamp auch vor bürokratische Herausforderungen. So war aus rechtlichen Gründen nur eine Umgestaltung innerhalb der bestehenden Bausubstanz möglich. "Wenn wir Veränderungen hin zu mehr Tierwohl in Deutschland wollen, dann brauchen wir dafür auch die rechtlichen Rahmenbedingungen", sagt van Bebber. Hier sei die Politik gefragt. In Niedersachsen befasst sich bereits ein interministerieller Arbeitskreis mit dem Thema.

Der Hof Bodenkamp nahm mit seinen Offenställen auch an dem im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums durchgeführten Wettbewerb "Landwirtschaftliches Bauen 2017/2018 " des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL) teil und hofft auf eine Prämierung.