Grußwort von Kulturstaatsministerin Monika Grütters zum Auftakt des „Ideenlabors Weimar“

„Drei Tage in Weimar, und man kann auf Lebenszeit kein Quadrat mehr sehen“, kommentierte der Kunstkritiker Paul Westheim 1923 den Besuch einer Bauhausausstellung. Mag die Dominanz des Rechtecks auch nicht jedermanns Sache sein: Drei Tage in Weimar sind heute für viele Dichter und Denkerinnen, Designer und Künstlerinnen, Wissenschaftler und Kulturinteressierte immer noch ein willkommener Anlass, um in bester Bauhaus-Tradition über einen neuen Gesellschaftsentwurf zu diskutieren. So zeigt die hohe Resonanz auf die Einladung der Klassik Stiftung Weimar zum Ideenlabor einmal mehr, dass die Wirkmacht des Bauhauses die Lebenszeit seiner Kritiker weit überdauert hat.

Dass die bevorstehenden drei Konferenztage der Initiative „Neues Europäisches Bauhaus“ gewidmet sind und damit ganz im Zeichen des ökologischen Gesellschaftswandels und der Nachhaltigkeit stehen, freut mich sehr.
Denn die Bedeutung der Kultur- und Kreativbranche für den Umwelt- und Klimaschutz wird vielfach unterschätzt und verdient mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Künstlerinnen und Künstler haben mehr als nur ein Wörtchen mitzureden, wenn es um Innovationen für ressourcenschonendes Wirtschaften und den notwendigen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel geht, weil sie für Missstände sensibilisieren und den Blick über das Wirkliche hinaus auf das Mögliche lenken. Es sind die kleinen Revolutionen im Denken, im Wahrnehmen, im Empfinden, im Bewusstsein, die jeder großen gesellschaftlichen Veränderung vorausgehen. In eben diesem Sinne tragen Kunst und Kultur den Keim des Revolutionären in sich. Darüber hinaus sind für Innovationen künstlerische Kernkompetenzen gefragt: Neugier, Kühnheit, Fantasie und die Lust, der Macht der Gewohnheit die Freude am Experiment entgegen zu setzen. Damit tragen Künstlerinnen, Künstler und Kreative die Fackel, an der viele andere das Feuer eigener schöpferischer Kraft entzünden. Das Bauhaus als „Werkstatt der Moderne“ ist dafür bis heute ein wunderbares Beispiel. Vorbilder sind ebenso die Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Bundesregierung alljährlich als sogenannte Kultur- und Kreativpiloten auszeichnet, um Innovationen nicht zuletzt in puncto Nachhaltigkeit zu fördern.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Kulturbranche insgesamt ihrer Verantwortung für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen noch nicht in dem Maße gerecht wird, wie das ihrem Selbstverständnis und auch ihrer Rolle als gesellschaftliche Avantgarde angemessen wäre. Ökologische Fragen stellen sich zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Ressourcenverbrauch künstlerischer Produktionen oder mit der energetischen Bilanz von Kulturinstitutionen.
Das Bundeskulturressort – die BKM – unterstützt die Branche deshalb dabei, ihrer öffentlichen Vorbildfunktion noch mehr als bisher gerecht zu werden.

Beispiel Film: Impulse für eine ressourcenschonende Produktion sind Teil der Förderregularien. Die von mir darüber hinaus initiierte Gemeinsame Erklärung für eine nachhaltige Film- und Serienproduktion, die ich 2020 mit zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern der Film- und Fernsehbranche unterzeichnet habe, zielt darauf ab, ökologische Auswirkungen der Produktion so weit wie möglich zu minimieren.

Beispiel Museen: Gemeinsam mit dem Deutschen Museumsbund sowie Ländern und Kommunen lade ich Ende Mai zu einem Runden Tisch „Museen und Klimaschutz“ ein, bei dem es unter anderem um den ökologischen Betrieb, um Klimatechnik, Licht, Ausstellungsmaterialien usw. gehen soll.

Ein drittes und letztes Beispiel: Mit dem Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur & Medien unterstützt die BKM betriebsökologische Verbesserungen und Beratungsangebote für Kultureinrichtungen verschiedener Sparten. Hier erproben wir auch digitale Lösungen für den Klimaschutz, etwa mit einem CO2-Rechner, der dabei hilft, Klimabilanzen zu erstellen und Emissionen zu verringern.

Ideen für Veränderungen im Alltag zu entwickeln und zu erproben: Darauf kommt es an, wenn der Grüne Deal der Europäischen Union keine lebensferne Utopie bleiben soll.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und internationaler Austausch sind dabei ebenso gefragt wie Fantasie und der Mut, die Welt – insbesondere die eigene Lebenswelt – neu zu denken. Mehr Bauhaus wagen, ist deshalb eine vielversprechende Devise für den ökologischen Umbau der Gesellschaft.

In diesem Sinne wünsche ich dem Ideenlabor Weimar eine breite Resonanz und danke allen Beteiligten für Ihr Engagement und für Ihre Bereitschaft, zu einer umwelt- und klimafreundlicheren Gesellschaft beizutragen.

Die digitalen Beiträge des Ideenlabors Weimar finden Sie in der Mediathek der Klassik Stiftung Weimar.