Erinnerungskultur jenseits von Gedenkrhetorik

Zum Tod von Reinhard Rürup Erinnerungskultur jenseits von Gedenkrhetorik

Der Berliner Historiker Reinhard Rürup ist tot. Kulturstaatsministerin Grütters würdigte den ehemaligen Leiter der Gedenkstätte "Topographie des Terrors" als kritischen Ratgeber, der in seiner Arbeit beharrlich auf Tiefenschärfe und gesellschaftliche Wirksamkeit der Geschichtswissenschaft drängte.

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Reinhard Rürup in einer Talkshow in Berlin.

Reinhard Rürup: Der Historiker prägte die Geschichtswissenschaft in Deutschland maßgeblich mit.

Foto: picture-alliance / dpa

Reinhard Rürup galt als einer der wichtigsten Forscher im Bereich der NS-Geschichte. Kulturstaatsministerin Monika Grütters reagierte bestürzt auf die Nachricht vom Tod des 83-Jährigen:

"Reinhard Rürup bestand darauf, dass die Geschichtswissenschaft in die Gesellschaft hineinzuwirken hat. In diesem auf Verantwortung gerichteten Sinn verstand er seine akademische Lehre ebenso wie seinen Part bei der Entwicklung einer Erinnerungskultur in diesem Land, die Position bezieht und sich nicht mit Gedenkrhetorik begnügt. Für viele Akteure im politischen Raum - so auch für mich - war er ein nachdenklicher und kritischer Ratgeber, der in seiner Arbeit beharrlich auf Tiefenschärfe und gesellschaftliche Wirksamkeit drängte."

Wichtige Akzente in vielen Kultureinrichtungen

Viele der BKM-geförderten Einrichtungen verdankten Reinhard Rürup wegweisende Akzente, so Grütters. Am wichtigsten ist sein Beitrag zur Entstehung der Topographie des Terrors. Von 1989 bis 2004 war Rürup deren wissenschaftlicher Direktor. "Ohne seinen Einsatz würde es diese international hoch angesehene Einrichtung mit ihrem stetig wachsenden enormen Besucheraufkommen nicht geben."

Daneben hat Reinhard Rürup in vielen weiteren Einrichtungen im Bereich der Aufarbeitung des Nationalsozialismus segensreich gewirkt: Zum Beispiel im Haus der Wannsee-Konferenz, in dessen Beirat er den Vorsitz ebenso führte wie in dem des Deutsch-Russischen Museums in Berlin-Karlshorst. Hier gelang es ihm trotz aller Probleme eine wissenschaftlich fundierte gemeinsame deutsch-russische Dauerausstellung zu entwickeln. Der international hoch angesehene Wissenschaftler war auch Mitglied der "Beratenden Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz" seit deren Gründung 2003.

Zurückhaltend und integer

"Seine liebenswürdige, persönlich zurückhaltende und doch menschlich so zugewandte Wesensart hat ihn ebenso ausgezeichnet wie seine wissenschaftliche Expertise und sein politisches Verständnis. Sie verlieh ihm eine persönliche Integrität, die andere geradezu anspornte, konstruktive Ansätze zu entwickeln", erklärte Grütters. "Ihm ein ehrendes Andenken zu erweisen, wird hier daher als Auftrag verstanden, die Erinnerungskultur in Deutschland in seinem Sinne weiterzuentwickeln."