Der Fußball spricht alle Sprachen der Welt

DFB-Integrationspreis für Schule Der Fußball spricht alle Sprachen der Welt

Fußball-AGs, die Ausbildung von Sporthelfern, eine spielerische Sprachförderung: Die Hans-Tilkowski-Hauptschule in Herne nutzt die verbindende Kraft des Sports nicht nur während der Fußball-WM. Für ihr Engagement hat die Schule den von der Bundesregierung geförderten DFB-Integrationspreis 2018 erhalten.

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Schüler aus verschiedenen Nationen spielen angeleitet von einem Sporthelfer Fußball an der Hans-Tilkowski-Schule in Herne. Die Hauptschule wurde mit dem Integrationspreis 2018 des Deutschen Fußballbundes (DFB) ausgezeichnet. Integration, Migration, …

Der 16-jährige Yassine (re.) engagiert sich mit großer Leidenschaft in der Fußball-AG der Schule.

Foto: Michael Gottschalk

Den Doppelpass beherrscht Yassine perfekt. Schnell sprintet der 16-Jährige aus Togo nach vorne, spielt den Ball quer zu seinem deutschen Mitspieler, der gibt zurück, Yassine schießt: Tor. Freudestrahlend klatscht sich die Mannschaft der Fußball-AG der Hans-Tilkowski-Schule ab. Einmal in der Woche trifft sich Yassines Team am Nachmittag.

"Das macht mir sehr großen Spaß", erzählt der junge Togolese. "Fußball verbindet uns alle, da spielt es keine Rolle, wo jemand herkommt. Wir sind hier echt eine gute Gemeinschaft."

Fußball fördert Spracherwerb

Yassine lebt erst seit eineinhalb Jahren in Deutschland - so wie auch andere Jugendliche an der Herner Schule. Vielfalt wird hier in buchstäblichem Sinne gelebt. Aus 31 Nationen kommen die 330 Schülerinnen und Schüler. Viele von ihnen engagieren sich in den insgesamt drei nach Altersklassen aufgeteilten Fußball-AGs.

"Der Sport und insbesondere der Fußball fördern nicht nur den Zusammenhalt, sondern helfen auch beim Spracherwerb", berichtet Schulleiter Lothar Heistermann.

Schule integriert Seiteneinsteiger

Besonders anschaulich wird dies in den Sprachförderklassen. Hier bekommen 45 zugewanderte Mädchen und Jungen als sogenannte Seiteneinsteiger stundenweise zusätzlichen Deutschunterricht - bis zu zwei Jahre lang. Zur Fußball-WM hat Lehrer Sebastian Straschischnik die Flaggen der teilnehmenden Länder neben die Tafel gehängt. Und mitten im Klassenraum liegen zwei Turnmatten.

Schüler lernen in einer Integrationsklasse anhand des Themas Fußball Deutsch an der Hans-Tilkowski-Schule in Herne. Die Hauptschule wurde mit dem Integrationspreis 2018 des Deutschen Fußballbundes (DFB) ausgezeichnet. Integration, Migration, Bildung, …

Über das Thema Fußball erhalten Flüchtlingskinder einen direkten Zugang zur deutschen Sprache.

Foto: Michael Gottschalk

"Wer von euch weiß denn, wann es eine rote Karte gibt?", fragt Straschischnik. Fast alle Finger schnellen nach oben, Larissa darf die Antwort geben. "Wenn ein Spieler ein ganz schlimmes Foul gemacht hat", sagt das Mädchen armenischer Herkunft langsam, aber verständlich. "Gut", lobt der Lehrer. "Und was ist eine Schwalbe?" Jetzt ist Faisal an der Reihe, ein 10-Jähriger aus Syrien, der die Klasse erst seit einem halben Jahr besucht. "Das ist, wenn jemand so tut, als ob er gefoult worden wäre".

Damit auch alle anderen, die noch nicht so gut Deutsch können, verstehen was er meint, wälzt sich Faisal auf den Turnmatten mit vermeintlich schmerzverzerrtem Gesicht hin und her. Fast wie eine Showeinlage von Brasiliens Superstar Neymar. "Für die allermeisten ist Fußball auch ein großes Hobby. Da bietet sich an, ihnen über dieses Thema auch viele deutsche Begriffe und ihre Bedeutung zu vermitteln", erklärt Straschischnik.

Vertrauen der Flüchtlingskinder gewinnen

Unterstützt wird der Lehrer von Hubert Haarmann, einem frühpensionierten Ingenieur, der über den SES (Senior Experten Service) ehrenamtlich einigen Kindern beim Deutschlernen hilft. Und das bereits seit 2008. "Das Wichtigste ist zunächst, Vertrauen aufzubauen. Viele Flüchtlingskinder sind am Anfang fast buchstäblich sprachlos, weil sie in ihren Heimatländern oft ganz furchtbare Dinge erlebt haben“, berichtet Haarmann.

An der Schule beeindruckt ihn vor allem der große Einsatz der Lehrerinnen und Lehrer, die sich schon weit vor den großen Flüchtlingswellen der Herausforderung Integration gestellt hätten.

Schulung von Streitschlichtern und Sporthelfern

Das soziale Engagement der Schule umfasst auch die Ausbildung von Streitschlichtern sowie von Sporthelfern. Hierbei lernen interessierte Schülerinnen und Schüler in der 8. Klasse, Angebote wie die Fußball-AGs oder Sporteinheiten in den großen Pausen selbstständig zu organisieren und zu leiten. Zusätzlich werden sie in Erster Hilfe geschult.

Schülern Verantwortung übertragen

Für Schulleiter Lothar Heistermann ist der Gewinn des DFB-Integrationspreises großer Ansporn. "Um die Kinder und Jugendlichen in die Mitte der Gesellschaft zu bringen, ist es wichtig, ihnen Verantwortung zu übertragen. Das motiviert sie, und dann kommt auch viel zurück." Der Schulleiter ist davon überzeugt, dass dieser Baustein des Erfolgs auch ein Modell für andere Schulen sein könnte. Allerdings ginge dies sicher nicht von heute auf morgen.

Tilkowski: Alle stehen füreinander ein

Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Hans Tilkowski in einer Ausstellung zu seinem Lebenswerk in der Hans-Tilkowski-Schule in Herne. Die Hauptschule wurde mit dem Integrationspreis 2018 des Deutschen Fußballbundes (DFB) ausgezeichnet. Integration, …

Der ehemalige Fußball-Nationalspieler Hans Tilkowski und frühere Herner Vereinsspieler ist Namensgeber der Schule.

Foto: Michael Gottschalk

Der Namensgeber der Schule, Hans Tilkowski, ist sichtlich stolz über den Erfolg "seiner" Schule. "Hier gibt es bei den Schülern und den Lehrern die Bereitschaft, stets füreinander einzustehen“, sagt der 82-Jährige, der 1966 als Torwart mit der deutschen Nationalelf in England Vize-Weltmeister wurde und zu Beginn seiner Karriere bei Westfalia Herne spielte. Und das Fußball eine wichtige Rolle bei der Integration spielen kann, ist für Tilkowski eine Selbstverständlichkeit: "Der Fußball spricht alle Sprachen der Welt."

In der Fußball-AG ist die Partie mittlerweile vorbei. Yassine will schnell nach Hause, um noch etwas zu lernen. "Es ist so wichtig, was im Kopf zu haben. Ich möchte später Anwalt werden, um Leuten wie in Togo helfen zu können", sagt der 16-Jährige. Wer ihm zuhört ist sich sicher, dass Yassine auch dieser Treffer gelingt.