Bundesregierung lässt Strafverfolgung zu

Böhmermann-Schmähgedicht Bundesregierung lässt Strafverfolgung zu

Die Bundesregierung wird die strafrechtliche Verfolgung des Satirikers Böhmermann ermöglichen. Dies erklärte Bundeskanzlerin Merkel in Berlin. In einem Rechtsstaat wie Deutschland sei es Sache der Gerichte, Persönlichkeitsrechte und Belange der Pressefreiheit gegeneinander abzuwägen.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt zum Fall Böhmermann Stellung.

Merkel: Wir sind von der Stärke des Rechtsstaats überzeugt.

Foto: Bundesregierung/Koall

Video Erklärung der Bundeskanzlerin zu Böhmermann

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte im Kanzleramt, dass Deutschland mit der Türkei eng und freundschaftlich verbunden sei. Die Türkei sei Nato-Partner und führe Beitrittsverhandlungen mit der EU. In dieser engen Partnerschaft seien "die gegenseitige, auch völkerrechtlich geschuldete Achtung ebenso wie der offene Austausch zu den Entwicklungen des Rechtsstaats, der Unabhängigkeit der Gerichte und des Meinungspluralismus von besonderer Bedeutung."

In der ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" vom 31. März hatte der Satiriker Jan Böhmermann ein Gedicht vorgetragen, das als "Schmähkritik" an dem türkischen Präsidenten Erdogan gekennzeichnet war. Die Botschaft der Türkei hatte daraufhin eine Verbalnote an das Auswärtige Amt gerichtet. Das sei ein förmliches Verlangen der türkischen Seite nach Strafverfolgung, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am 11. April in der Regierungspressekonferenz erklärt. Die Türkei beruft sich dabei auf Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuchs, das die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt. Die Bundesregierung hatte darüber zu entscheiden, eine "Ermächtigung" zu erteilen, damit die Staatsanwälte wegen Beleidigung von ausländischen Staatsorganen ermitteln dürfen.

Pressefreiheit ist elementar für den Rechtsstaat

Mit großer Sorge erfülle die Bundesregierung umso mehr die Lage der Medien in der Türkei, das Schicksal einzelner Journalisten und die Einschränkungen des Demonstrationsrechts. Die Bundesregierung setze sich international dafür ein, Grundrechte wie die Meinungsfreiheit, die Kunstfreiheit und die Pressefreiheit zu achten. "Wir fordern ihre Achtung und ihren Schutz auch von der Türkei ein", so Merkel.

Die Bundesregierung fordere dies, weil sie von der Stärke des Rechtsstaats überzeugt sei, betonte die Kanzlerin. In einem Rechtsstaat seien die Freiheit der Meinung, der Kunst und der Presse elementar. Auch gewähre der Rechtsstaat die Verfahrensrechte und die Unschuldsvermutung von Betroffenen.

Bundesregierung ermöglicht Prüfung durch Justiz

Im Rechtsstaat sei es "nicht Sache der Regierung, sondern von Staatsanwaltschaften und Gerichten, das Persönlichkeitsrecht und andere Belange gegen die Presse- und Kunstfreiheit abzuwägen", so Merkel weiter. Wenn die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung Böhmermanns erteile, so überantworte sie lediglich die rechtliche Prüfung der unabhängigen Justiz. Eine Vorverurteilung oder eine Entscheidung über Grenzen der Kunst-, Presse- und Meinungsfreiheit sei dies nicht.

Abschaffung des Paragrafen 103 angestrebt

Ergänzend teilte Merkel mit, dass nach Ansicht der Bundesregierung der Paragraf 103 des Strafgesetzbuches für die Zukunft entbehrlich sei. Der Paragraf schützt die persönliche Ehre ausländischer Staatsoberhäupter. Die Bundesregierung strebe seine Abschaffung durch den Bundestag bis 2018 an.

Paragraf 103, Strafgesetzbuch: Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten
(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft ...
Der Paragraf ist in der Nachkriegszeit nur in wenigen Fällen angewandt worden. Damit Gerichte ihn anwenden können, muss unter anderem gewährleistet sein, dass im betreffenden Staat ein vergleichbares Gesetz gilt (Gegenseitigkeit) und dass die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt.