Die Bundesregierung prüft weiterhin den förmlichen Wunsch der Türkei nach Strafverfolgung gegen Böhmermann. Das erklärte Kanzlerin Merkel in Stolpe. Erneut bekräftigte sie, dass die Meinungs- und Pressefreiheit unabhängig von Herausforderungen wie der Flüchtlingskrise Bestand habe.
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Die Bundesregierung hat im Fall Böhmermann noch nicht entschieden, ob dem Strafverlangen der türkischen Regierung gegen den Satiriker gefolgt wird. "Wir haben immer gesagt, wir werden einige Tage brauchen und nicht Wochen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande eines Treffens mit den Regierungschefs der ostdeutschen Länder in Stolpe.
In der ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" vom 31. März hatte der Satiriker Jan Böhmermann ein Gedicht vorgetragen, das als "Schmähkritik" an dem türkischen Präsidenten Erdogan gekennzeichnet war. Die Botschaft der Türkei hatte daraufhin eine Verbalnote an das Auswärtige Amt gerichtet. Das sei ein förmliches Verlangen der türkischen Seite nach Strafverfolgung, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag (11. April) in der Regierungspressekonferenz erklärt. Die Türkei beruft sich dabei auf Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuchs, das die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt. Die Bundesregierung muss eine "Ermächtigung" erteilen, damit die Staatsanwälte wegen Beleidigung von ausländischen Staatsorganen ermitteln dürfen.
Die Kanzlerin betonte erneut, dass die Zusammenarbeit mit der Türkei, wie das Abkommen zur Flüchtlingskrise, unabhängig seien vom Schutz der Grundrechte. Dieser sei im Übrigen "eine gefestigte Auffassung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Pressefreiheit, zur Meinungsfreiheit, zur Demonstrationsfreiheit". Beides sei nicht "miteinander verbunden".
Trotz aller partnerschaftlichen Verbundenheit mit der Türkei gelte in Deutschland die journalistische Freiheit. Diese fordere die Bundesregierung auch bei der Türkei ein. "Die Türkei ist Beitrittskandidat, die Türkei hat sich damit auch dazu bekannt, die Werte der Europäischen Union zu akzeptieren", erklärte die Kanzlerin. "Wenn Dinge passieren, die aus unserer Sicht kritikwürdig sind beim Umgang mit Journalisten, beim Umgang mit Demonstrationen - wenn wir jetzt auch an den Weltfrauentag denken - dann benennen wir das und werden das auch weiter benennen."
Am Dienstag hatte die Kanzlerin bereits am Rande des Treffens mit dem mexikanischen Staatspräsidenten erklärt, dass die Grundwerte des Grundgesetzes - die Freiheit der Presse, Meinung und Wissenschaft - gelten und völlig entkoppelt seien von "allen politischen Problemen, die wir miteinander besprechen". Dazu gehöre auch die Flüchtlingskrise. Sowohl die Türkei wie auch die EU hätten ein Interesse an einer politischen Lösung, einer Legalisierung der Migration sowie einer gerechten Verteilung der Lasten, so Merkel.
Am Mittwoch (13. April) betonte Regierungssprecher Seibert, wie wichtig es für die Bundesregierung sei, dass das Abkommen zwischen der Türkei und der EU über Flüchtlingsfragen umgesetzt wird. Deutschland wie auch die Türkei selber hätten ein Interesse daran, dass diese Umsetzung gelinge und "die Tendenz zur stark abnehmenden illegalen Migration über die Ägäis" sich fortsetze. "Aber ganz unabhängig davon steht unser klares Bekenntnis zu Artikel 5 unsers Grundgesetzes, zur Freiheit der Meinung, der Wissenschaft und der Kunst. Und dieses Grundgesetz ist nicht verhandelbar – nicht nach innen und nicht nach außen", so Seibert.
Bereits am Montag (11. April) hatte der Regierungssprecher erklärt, dass das Grundgesetz nicht verhandelbar sei - und das gelte unabhängig davon, ob die Kanzlerin persönlich etwas für geschmackvoll oder geschmacklos, für gelungen oder abstoßend halte. Zum Böhmermann-Beitrag erklärte Seibert, dass der Satiriker seinen Text selbst als "bewusste Überschreitung von Grenzen" eingeleitet habe.
Am vergangenen Montag (4. April) hatte Seibert von einem Telefonat der Kanzlerin mit dem türkischen Ministerpräsidenten zur Flüchtlingspolitik berichtet. Dabei sei es auch um die Böhmermann-Satire gegangen. In dem Telefonat habe die Kanzlerin darauf hingewiesen, dass es sich bei dem sogenannten Schmähgedicht um einen "bewusst verletzenden Text" handele. Zudem habe Merkel den hohen Wert bekräftigt, den die Bundesregierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse.
Das ZDF hatte den Beitrag am 1. April aus der Mediathek im Internet entfernt. Die Parodie zum Umgang Erdogans mit Satire entspreche nicht den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stelle, hatte der Sender den Schritt begründet. Mit dem Text hatte Böhmermann Bezug auf das NDR-Fernsehmagazin "extra 3" genommen, das zuvor einen umstrittenen satirischen Beitrag über Erdogan ausgestrahlt hatte. Daraufhin war der deutsche Botschafter in Ankara einbestellt worden.