Atom-Konzerne bleiben in der Pflicht

Atomausstieg Atom-Konzerne bleiben in der Pflicht

Die Bundesregierung will die Energieversorger für die Rückbau- und die Entsorgungskosten von Kernkraftanlagen in die Verantwortung nehmen. Eine Kommission soll die Finanzierung überprüfen. Dazu hat das Kabinett einen Gesetzentwurf beschlossen.

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Kernkraftwerk Grafenrheinfeld

Mit dem Gesetz sollen die Risiken aus dem Atomausstieg für die öffentlichen Haushalte minimiert werden.

Foto: picture alliance / blickwinkel

Mit dem Gesetzesentwurf zur Nachhaftung für Rückbau- und Entsorgungskosten im Kernenergiebereich nimmt die Bundesregierung die Energieversorger für die Kosten in die Verantwortung. Bei Zahlungsunfähigkeit der Kernkraftwerksbetreiber müssen deren Mutterunternehmen die Kosten für Rückbau und Entsorgung tragen.

Das Gesetz entlastet damit vor allem den Steuerzahler, der bei einer Insolvenz der Betreibergesellschaft nicht mehr für die Rückbau- und Entsorgungskosten aufkommen muss. "Eltern haften für ihre Kinder" würde mit diesem Gesetzesentwurf Wirklichkeit werden, so Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in einem Interview mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 3. September.

Nachhaftung vermindert Kostenrisiken

Derzeit sind die Betreiber von Kernkraftwerken in Konzerne von Energieversorgungsunternehmen eingegliedert. Das geltende Recht gestattet es, Umstrukturierungen der Konzerne vorzunehmen und somit beispielsweise Betreibergesellschaften auszugliedern und zu Tochtergesellschaften zu machen. Dies kann die Folge haben, dass die Haftung auf das wirtschaftliche Konzernvermögen der Tochtergesellschaft begrenzt wird. 

Wenn diese Möglichkeiten künftig von Unternehmen genutzt werden sollten, und es in der Folge zu einer Zahlungsunfähigkeit von Betreibergesellschaften kommt, sind erhebliche finanzielle Risiken für den Staat wahrscheinlich. Um ein solches Szenario vorzubeugen, wird in dem Gesetzesentwurf die Haftung auf die Mutterkonzerne ausgeweitet.

Dauerhafte Haftung wichtig 

Nach geltendem Recht endet die Haftung der Muttergesellschaften für Verpflichtungen der Betreibergesellschaften nach einem Übergangszeitraum, wenn beispielsweise eine Abspaltung der Betreibergesellschaft vom Mutterkonzern vorgenommen wurde. Da ein Endlager für hochradioaktive Abfälle nicht vor 2050 zur Verfügung stehen wird, ist es wichtig, eine langfristige Nachhaftung für die Stilllegungs- und Rückbaukosten der Kernkraftwerke sowie die Entsorgung der Atomabfälle zu schaffen. Mit dem neuen Gesetzesentwurf soll es künftig nicht mehr möglich sein, dass die Haftung der Mutterunternehmen durch Konzernumstrukturierungen erlischt.

Kommission soll Finanzierung überprüfen

Das Bundeskabinett setzt eine Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK) ein. Die Kommission soll im Auftrag der Bundesregierung Handlungsempfehlungen erarbeiten und prüfen, wie die Finanzierung von Stilllegung und Rückbau der Kernkraftwerke gestaltet werden muss, damit die Energieversorger den Ausstieg aus der Kernenergie wirtschaftlich bewerkstelligen können. Das Gutachten zum Stresstest soll die Kommission in ihrer Stellungnahme berücksichtigen.

Mitglieder der Kommission sind: Ole von Beust (Ko-Vorsitzender), Michael Fuchs, Hartmut Gaßner, Monika Griefahn, Ulrich Grillo, Regine Günther, Gerald Hennenhöfer, Reiner Hoffmann, Professor Karin Holm-Müller, Bischof Ralf Meister, Professor Georg Milbradt, Georg Nüßlein, Matthias Platzeck (Ko-Vorsitzender), Simone Probst, Werner Schnappauf, Jürgen Trittin (Ko-Vorsitzender), Ute Vogt, Hedda von Wedel, Ines Zenke.

Mit der Einsetzung der Kommission wird ein zentrales Element der von den Parteivorsitzenden der Koalitionspartner am 1. Juli 2015 vereinbarten Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende umgesetzt.

Die Bundesregierung hat auch die Einsetzung eines Staatssekretärsausschusses Kernenergie unter Vorsitz des Bundesministers für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes beschlossen. Dieser soll die Arbeit der Kommission begleiten und ihren Bericht auswerten. Beteiligt sind das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, das Bundesministerium der Finanzen und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Kommission soll dem Staatssekretärsausschuss bis Ende Januar 2016 eine Empfehlung vorlegen.

Stresstest: Energieversorger sind finanziell abgesichert

Ein vom Bundeswirtschaftsministerium am 10. Oktober 2015 veröffentlichtes Gutachten bescheinigt den Energieversorgern ausreichend finanzielle Kapazitäten, um den Rückbau und die Entsorgung der Kernkraftwerke leisten zu können. Das von der Wirtschaftsprüfergesellschaft Warth & Klein Grant Thornton AG erstellte Gutachten errechnet die erwartenden Kosten für die Unternehmen. Auf Basis verschiedener Annahmen stellten die Wirtschaftsprüfer Szenarien auf, die Rückstellungen in unterschiedlichen Höhen nötig machen.

Die Spannbereite der anfallenden Kosten reicht von rund 29 bis 77 Milliarden Euro. So würden die von den Unternehmen gebildeten Rückstellungen in Höhe von 38,3 Milliarden Euro innerhalb der von den Gutachtern errechneten Szenarien liegen, so Bundeswirtschaftsminister Gabriel. Zu den Extremszenarien von 77 Milliarden Euro sagt Gabriel: "Die Szenarien mit den hohen Rückstellungswerten halten wir für unwahrscheinlich, da sie langfristig höhere wirtschaftliche Verluste unterstellen."