Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und der Ministerpräsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu

(Die Protokollierung des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultandolmetschung)

BK’in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich heute die Ministerpräsidentin von Moldawien, Maia Sandu, hier in Berlin begrüßen darf.

Sie haben jedenfalls zum Teil sicherlich mitverfolgt, wie die Amtsübernahme durch Maia Sandu erfolgt ist. Es waren für europäische Verhältnisse sehr ungewöhnliche Umstände, die viel Mut und auch sehr schnelle und auch kritische Entscheidungen erfordert haben. Ich glaube, dass damit eine Regierung im Amt ist, die einen proeuropäischen Kurs, aber vor allen Dingen auch einen Kurs, der vor allen Dingen Politik für die Menschen im Lande macht, fahren kann und gehen will. Das bedeutet: gegen die Korruption, für ehrliche, transparente Institutionen. Ich sage, denke ich, nicht zu viel, wenn ich sage, dass damit sehr viel Arbeit auf die Regierung wartet.

Wir freuen uns über die proeuropäische Ausrichtung. Die Europäische Kommission hat bereits deutlich gemacht, dass sie diesen Weg Moldawiens unterstützen will. Wir tun das auch von deutscher Seite aus von ganzem Herzen. Wir haben heute über die verschiedenen Punkte gesprochen, wie die wirtschaftliche Entwicklung belebt werden kann, wie man den Menschen möglichst schnell zeigen kann, welche Erfolge es geben kann, wie vor allen Dingen die juristischen Institutionen gestärkt werden können, damit Recht und Gesetz durchgesetzt werden können.

Das alles erfolgt in einer Umgebung, in der es sehr viel Armut und sehr viele Menschen gibt, denen es schlecht geht und in der sehr viele Menschen das Land in den letzten Jahren verlassen haben, die wieder ermuntert werden müssen, in das Land zurückzukehren und dort ihre Perspektive zu sehen. Die Ministerpräsidentin hat mir erzählt, dass es eben auch sehr viele ältere Menschen gibt, deren jüngere Kinder längst im Ausland leben. Das hat die Struktur Moldawiens natürlich auch geschwächt.

Wir haben über 300 moldauische Nachwuchskräfte zum Beispiel in einem Managerfortbildungsprogramm gefördert. Solche Dinge können wir auch in Zukunft tun. 400 deutsche Unternehmen sind in Moldawien engagiert. Wenn man ihnen in kurzer Zeit sozusagen gute Bedingungen bietet, wird es sicherlich auch mehr Direktinvestitionen und damit auch mehr Arbeitsplätze geben. All das ist eben sehr wichtig.

Wir haben 2016 mit der Republik Moldau ein Assoziierungs- und Freihandelsabkommen abgeschlossen. Es ist sehr weitreichend. Ich denke, man kann sagen, dass ein paar Erfolge auch jetzt schon sichtbar sind, die die Export- und Importströme verstärkt haben. Deshalb sind aus unserer Sicht natürlich auch die Wirtschaftsreformen von allergrößter Bedeutung.

Es war sehr interessant, sich mit Maia Sandu auszutauschen, weil wir am Anfang vieles, was dort vor sich ging, noch nicht ganz verstanden haben. Ich darf aus ganzem Herzen sagen: Wir wünschen Ihnen und Ihrem Team von ganzem Herzen viel, viel Erfolg bei dieser sehr, sehr schwierigen Arbeit. Wo immer notwendig, werden wir versuchen, Sie zu unterstützen.

MP’in Sandu: Vielen Dank! Frau Bundeskanzlerin, es ist mir eine Ehre, dass Sie mich eingeladen haben. Ich freue mich und fühle mich geehrt, eine der angesehensten Politikerinnen in der EU kennenzulernen, eine Frau, die Deutschland und Europa in turbulenten Zeiten gesteuert hat, und zwar mit Talent und Weitsicht.

Mein Land ist ein Kleines osteuropäisches Land, das hart daran arbeitet, sich aus der obskuren Vergangenheit zu befreien und einen neuen europäischen Anfang zu machen. Ihre Unterstützung, Frau Bundeskanzlerin, ist für uns von großem Interesse gewesen. Hier geht es darum, die Regierung meines Landes zu ändern und dadurch die europäischen Ideen auch wirken zu lassen. Das europäische demokratische Modell, das das Gewicht auf Freiheit, Menschenrechte und die soziale Marktwirtschaft legt, ist unser Modell.

Die früheren Regierungen meines Landes haben sich leider mehr an dem persönlichen Gewinn, der persönlichen Bereicherung Einzelner ausgerichtet. Wir sind einst die Erfolgsgeschichte Europas gewesen, wurden dann aber zu der Geschichte mangelnden Erfolges in Europa, wo Menschenrechte missachtet wurden, wo Staatsunternehmen beraubt wurden, wo Geldwäsche betrieben wurde und Korruption immanent war. Nur wenige ausländische Unternehmen waren bereit, in meinem Land zu investieren, das Vertrauen in die staatlichen Institutionen brach ein. Viele junge Menschen haben das Land verlassen. Wir haben Chancen verpasst, wir haben Chancen, ein besseres europäisches Land aufzubauen, nicht genutzt.

Ich weiß, dass Sie persönlich sehr enttäuscht waren, wenn es um einzelne Politiker meines Landes ging. Ich bin heute hier, um Sie darum zu bitten, an die Fähigkeit meines Landes zu glauben, wieder als Staat zu funktionieren. Natürlich haben wir schwierige Aufgaben zu bewältigen; wir haben ein unterdrückerisches Regime zu verändern gehabt. Nun müssen wir unseren Staat neu aufbauen. Wir müssen das Vertrauen der Bevölkerung in die Institutionen des Staates, aber auch das Vertrauen unserer strategischen Partner wiederherstellen. Wir müssen die Republik Moldau von der Korruption befreien, von der Geldwäsche befreien, und die Institutionen wieder in den Dienst des Volkes stellen. Kein Staat im Übergang kann diese Ziele schnell genug erreichen. Entscheidend ist aber, dass wir in die richtige Richtung gehen und welche Ziele uns dabei leiten.

Ich werde dafür sorgen und ich bestehe darauf, dass ehrliche, integre Menschen für wichtige Positionen in den Institutionen - dem Verfassungsgericht, der Staatsanwaltschaft usw. usf. - benannt werden. Ich spreche hier von unabhängigen Persönlichkeiten, die von niemandem Befehle annehmen. Dies ist ein grundlegendes Prinzip, das überall respektiert werden soll. Wir möchten das idealistische Projekt der Republik Moldau wieder auf die richtige Spur bringen. Wir wollen nicht nur sagen, dass wir Europäer sind, sondern wir wollen die Republik Moldau von innen verändern, damit wir dann auch in der EU als ein selbstbewusstes Mitglied mit funktionierenden demokratischen Institutionen aufgenommen werden können. Mehr als je zuvor zählen wir hierbei, bei der Transformation der Republik Moldau in einen erfolgreichen europäischen Staat, in dem die Interessen der Bürger immer das Allerwichtigste sind, auf Ihre Unterstützung.

Ich danke Ihnen!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, wie schätzen Sie die Beziehungen zwischen der Republik Moldau und der Bundesrepublik Deutschland ein, und wie werden sich diese Beziehungen verändern?

Zweitens: Was sind Ihre Empfehlungen für die Veränderung eines so korrupten Systems?

BK’in Merkel: Die Beziehungen sind gut. Wir freuen uns natürlich, dass jetzt mit Maia Sandu wieder proeuropäische Kräfte das Land führen. Wir haben natürlich in den letzten Jahren die zunehmende Korruption auch bemerkt. Das Ausmaß, das sie uns heute geschildert hat, ist natürlich schon eine große Herausforderung für die Arbeit der Regierung, und natürlich ist es nicht ganz einfach, ein in allen Facetten mit der Korruption vertrautes System neu aufzubauen.

Wir haben jetzt keinen abschließenden Masterplan darüber entwickelt, sondern wir haben Erfahrungen ausgetauscht. Wie sehen nämlich zum Beispiel anhand des Vetting-Prozesses in Albanien, dass das dann dazu führen kann, dass man gar keine funktionierenden Gerichte mehr hat. In Albanien wird es jetzt noch einige Zeit dauern, bis es ein Verfassungsgericht geben wird, und das kann sich so ein Land auch nicht leisten.

Insofern ist mein Rat - darin stimmen wir aber vollkommen überein -, eben zu versuchen, vertrauenswürdige Menschen in Schlüsselpositionen einzusetzen, sie zu unterstützen, ihnen Rückendeckung zu geben - denn das ist dann ja eine mutige Aufgabe - und dann Schritt für Schritt andere Menschen mitzunehmen, die guten Willens sind. Das, was ich gehört habe, ist, dass es ja in Moldawien jetzt auch eine Aufbruchstimmung gibt, dass sich Menschen wieder trauen, frei darüber zu sprechen, was sie erlebt haben. Diese Entwicklung zu befördern, wollen wir unterstützen. Aber den Masterplan dafür muss das Land selbst finden; das kann man nicht von außen aufoktroyieren. Aber wenn wir helfen sollen, dann werden wir gerne helfen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie waren gerade auf der Westbalkankonferenz. Für diese Länder auf dem Westbalkan gibt es eine EU-Beitrittsperspektive. Würde es einem Land wie Moldawien nicht auch helfen, wenn Sie diese aussprechen würden, auch wenn das Land in seiner Entwicklung noch nicht so weit ist? Es wird ja immer damit argumentiert, dass das für innenpolitische Reformen hilfreich sei. Wenn Sie das nicht so sehen, vielleicht können Sie uns dann ein, zwei Gründe nennen, warum es aus Ihrer Sicht jetzt noch nicht so weit sein sollte.

Frau Ministerpräsidenten, Sie haben von dieser EU-Beitrittsperspektive gesprochen, die Sie haben möchte. Können Sie uns einen Zeitrahmen nennen, an den Sie denken?

BK’in Merkel: Wir haben darüber heute noch nicht gesprochen, und ich kann den Wunsch Moldawiens an der Stelle natürlich verstehen. Ich sage am heutigen Tag weder Ja noch Nein, sondern ich sage: Es gibt ein sehr stark ausgeweitetes EU-Assoziierungsabkommen. Das bindet Moldawien sehr eng an die Europäische Union. Es gibt eine Vielzahl von Schritten, die wir jetzt gehen können, bevor wir dann schon den übernächsten Schritt miteinander besprechen. Auf diesem Weg, der bis dahin gegangen werden muss, werden wir Moldawien unterstützen. Jetzt müssen erst einmal die nächsten Schritte gegangen werden.

MP’in Sandu: Mein Land hat ein Assoziierungsabkommen geschlossen. Wir müssen dieses Abkommen erst einmal umsetzen. Die früheren Regierungen haben da nicht sehr viel Arbeit geleistet. Es war ein unterdrückerisches System, in dem es nicht um gute Regierungsführung ging, in dem es nicht um Demokratie und die Achtung der Rechte der Menschen ging. Ich bin mir sicher, dass wir diese Verpflichtung im Rahmen des Assoziierungsabkommens jetzt auch ernsthaft umsetzen werden. Sobald wir dann deutlich machen werden, dass wir ernsthafte Fortschritte erzielen, werden wir auch in einer besseren Position sein, um über weitere Schritte zu sprechen. Es liegt also letzten Endes an uns. Wir müssen jetzt der Bevölkerung gegenüber liefern, der EU deutlich machen, dass wir es mit der Umsetzung der Vereinbarung ernst meinen, und dann über eine spätere Mitgliedschaft nachdenken.

Frage: Ursula von der Leyen wird ja morgen unabhängig vom Wahlausgang ihr Amt als Verteidigungsministerin niederlegen. Nach welchen Kriterien und wie schnell wollen Sie für die Nachfolge sorgen?

Haben Sie vielleicht auch Angst, dass diese Kabinettsumbildung Ihre Urlaubspläne durcheinanderbringen könnte, wie auch immer die aussehen?

BK’in Merkel: Nein, Angst habe ich nicht. Es wird eine sehr schnelle Neubesetzung geben. Der Verteidigungsminister oder die Verteidigungsministerin sind Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt; das kann man nicht lange offenlassen. Insofern wird es nicht lange dauern, und Sie werden Bescheid wissen.