Zeitzeugen berichten

25 Jahre Freiheit und Einheit Zeitzeugen berichten

Lebendige Geschichte beim Tag der offenen Tür der Bundesregierung: Gespräche mit Zeitzeugen lassen ein anschauliches Bild über die Friedliche Revolution und den Einigungsprozess entstehen.

6 Min. Lesedauer

Lutz Rathenow

Zeitzeugen erzählen: Autor Lutz Rathenow berichtet über seine Erinnerungen an die DDR.

Foto: Bundesregierung/Bolesch

Wie war das Leben im geteilten Deutschland? Wie kam es zur Friedlichen Revolution und zur Deutschen Wiedervereinigung. Diese und andere Fragen beantworten Zeitzeugen beim Tag der offenen Tür im Bundespresseamt.

Harald Hauswald - ein "pessimistischer" Fotograf?

Anschaulichkeit war auch dem ersten Gast, Harald Hauswald, ein großes Anliegen, schließlich hatte er als freischaffender Fotograf die letzten Jahre der DDR in Bildern festgehalten. Er gilt als einer der bedeutendsten kritischen Chronisten der Endzeit der DDR.

Seine Bilder waren dem Staat ein Dorn im Auge, er wurde überwacht und bespitzelt. Davon erzählt der Film "Radfahrer", der über Hauswald gedreht worden ist und jetzt das Interesse der Besucher beim Tag der offenen Tür fand. Interessiert hörten sie wie Hauswald bei den alltäglichsten Dingen im Minutentakt überwacht wurde. "Heute muss ich nur noch schmunzeln über die Pillepalle", sagt er. Damals sei es beklemmend gewesen.

Man warf Hauswald vor, seine Bilder wollten ein pessimistisches Bild von der DDR zeichnen. "Ich habe das fotografiert, was ich gesehen habe", erzählt Hauswald. Viele Bilder landeten im Text-Bildband "Berlin-Ost: Die andere Seite einer Stadt", den Hauswald gemeinsam mit dem DDR-Schriftsteller Lutz Rathenow 1987 im Westen veröffentlichte. In der DDR kam es auf den Index.

Lutz Rathenow - nach Protesten aus Stasi-Haft entlassen

Auch sein erstes Werk hatte Lutz Rathenow im Westen veröffentlicht. Bereits 1980 erschien sein Buch "Mit dem Schlimmsten wurde schon gerechnet". Kurz nach der Veröffentlichung wurde er von der Stasi verhaftete.

Doch aufgrund der starken Proteste westlicher Schriftsteller wurde er nach zehn Tagen freigelassen. Ein darauffolgendes Ausreiseangebot lehnte er ab und engagierte sich als Bürgerrechtler. Auch heute lässt ihn das Unrecht der DDR-Diktatur nicht los, er ist der sächsische Landesbeauftrage für die Unterlagen der Staatssicherheit. "Das ist die spannendste Arbeit meines Lebens heute", verrät Rathenow.

Und es gebe immer etwas zu tun, denn heute wollten die Kinder und Enkelkinder der damaligen DDR-Bürger wissen: wie war der Osten? So sei seine Tätigkeit als Landesbeauftragter keine Vergangenheitsaufarbeitung, sondern eine Gegenwartsbewältigung. "Die Menschen wollen mit den Dingen zurechtkommen", sagt er.

Hauswald und Rathenow verbindet eine lange Freundschaft. Im vergangenen Jahr haben sie ihren Text-Fotoband "Berlin-Ost: Die andere Seite einer Stadt" abermals veröffentlicht. Der habe sogar seit seiner dritten Veröffentlichung im Jahr 2005 noch mehr Interesse in der Öffentlichkeit bekommen, erzählt Rathenow. Und Hauswald ergänzt: "Als 2005 die Ostalgie-Welle abebbte, wurde die DDR Geschichte."

Andrzej Stach - der Blick von außen

Den Blick von außen auf die letzten Jahre der DDR vermittelte der polnische Publizist, Andrzej Stach. Von 1979 bis 1984 war er mit einem absolutem Ausreiseverbot belegt worden, weil er in der antikommunistischen Opposition mitarbeitete hatte. 1986 – 1991 schrieb er eine große Artikelserie über die DDR-Opposition. "Ich wollte die Menschen zeigen, die den Mut hatten, gegen das Regime vorzugehen", sagte er.

Roland Jahn - Mittler zwischen Ost und West

Roland Jahn, heute Bundesbeauftrage für die Unterlagen der Staatssicherheit, gehört zu denen, die den Mut hatten, gegen das DDR-Regime aufzustehen. Verhaftungen und eine gewaltsame Ausbürgerung waren die Antwort der SED-Diktatur. Doch auch vom Westen aus kämpfte er gegen das DDR-Unrecht. Er unterstützte DDR-Bürgerrechtler mit Kameras und Tonbandgeräten. "Ich fühlte mich als ein Mittler zwischen Ost und West", erzählt Jahn. Auch er selbst berichtete als Journalist in den Westmedien über die Missstände in der DDR und die Montagsdemonstrationen. Er wollte damit die DDR-Bürger erreichen und wachrütteln.

Heute ist dem Bundesbeauftragen für die Unterlagen der Staatssicherheit, Roland Jahn, die Sicherung der Akten wichtig. Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der Forscher an den Akten sei ungebrochen, sagt Jahn. Jeden Monat würden mehr als 5.000 Anträge auf persönliche Akteneinsicht gestellt.

Markus Meckel - beteiligt am "Zwei-plus-Vier-Vertrag"

Einer der Hauptakteure der Deutschen Einheit ist Markus Meckel. Er war Außenminister in der ersten freigewählten Volkskammer und an den Verhandlungen zum "Zwei-plus-Vier-Vertrag" beteiligt, der dem wiedervereinten Deutschland volle Souveränität zusicherte.

"Das war eine aufregende Zeit", erklärt Meckel. Zwar habe er in der DDR bereits in kirchlichen Friedenskreisen mitgearbeitet, die Gründung der Sozialdemokratische Partei in der DDR initiiert und am Runden Tisch mitgearbeitet, aber nun musste er mit den Vertretern der Alliierten und der Bundesrepublik verhandeln.

Bereits beim Mauerfall sei ihm klar gewesen, "jetzt steht die Deutsche Einheit auf der Tagesordnung". Schnell sei auch deutlich geworden, dass die Deutsche Einheit verhandelt werden muss. Die Gespräche seien nicht immer leicht gewesen, erzählt er weiter. "Aber dass, die Deutsche Einheit gelungen ist, ist für mich ein zentraler Erfolg." 

Martin Jankowski – von der Stasi in die Opposition gedrängt

Er wollte immer Schriftsteller werden. Die Stasi jedoch legt ihm immer wieder Steine in den Weg, fängt Bewerbungsschreiben an Universitäten ab – all dies aus Angst er könne mit seinen Texten die Menschen in der DDR aufrütteln. Die Angst vor dem Wort war enorm, wie auch schon Lutz Rathenow berichtete.

Die Stasi hatte ihr Ziel trotzdem nicht erreicht. Jankowski geht in die Opposition, arbeitet mit im Trägerkreis der oppositionellen Gruppen um die Leipziger Nikolaikirche. "Dass mit der Leipziger Demonstration am 9. Oktober 1989 ein bis an die Zähne bewaffnetes Regime mit friedlichen Mitteln bezwungen wurde, darauf könne man wirklich stolz sein", sagt er.

Und auch, wenn er kein Befürworter der Deutschen Einheit war, weil ihm Freiheit und Demokratie wichtiger als eine Wiedervereinigung waren, so habe sich nach 25 Jahren doch vieles als "durchführbar" erwiesen und es habe sich unglaublich viel getan.

Konrad Weiß – Filmregisseur, Bürgerrechtler, Bundestagsabgeordneter

Bei seiner Arbeit als Regisseur im DEFA Studio für Dokumentarfilme und seiner Mitgliedschaft bei der Aktion Sühnezeichen war ihm die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit wichtig. Die Stasi sah dies kritisch, überwachte Konrad Weiß und verhinderte Fahrten nach Auschwitz.

1989 war Konrad Weiß einer der Mitgründer und Sprecher der Bürgerbewegung "Demokratie jetzt". "Wenn die Zeit reif ist, geschieht so etwas auch. So war es mit diesen Bürgerrechtsbewegungen", sagte er und berichtete weiter vom Weg zur Deutschen Einheit.

Die Aussagen polnischer Freunde – "Wir verstehen euch nicht. Ihr seid doch ein Volk." – gaben für ihn den Anstoß, die Deutsche Einheit mit in das Gründungspapier von "Demokratie jetzt" aufzunehmen. Auch wenn noch nicht alles gelungen sei, sei doch das erreicht, was die Bürgerbewegungen wollten – das Land zu demokratisieren. "Wir haben längst eine innere Einheit."

Claus-Jürgen Duisberg – Innensicht aus dem Kanzleramt

Ganz nah dran am Geschehen auf westdeutscher Seite war Claus-Jürgen Duisberg. In den brisanten Jahren von friedlicher Revolution und Wiedervereinigung leitete er die Abteilung "Deutschlandpolitik" im Kanzleramt. Zuvor war er als Diplomat unter anderem in Washington und Moskau, sowie an der Ständigen Vertretung in der DDR tätig.

"Ich bin überzeugt: Wenn Honecker noch im Vollbesitz seiner Kräfte gewesen wäre, er hätte schießen lassen, und was dann geschehen wäre, das ist nicht auszudenken", beschreibt Duisberg das große Glück, das man bei den Demonstrationen in Leipzig im Herbst 89 gehabt habe.

Nach dem Mauerfall sei klar gewesen, dass ein wiedervereinigtes Deutschland eine Größe in Europa darstellen würde, die alle Nachbarn beunruhigen musste. Frankreich und Großbritannien hätten daher einer Wiedervereinigung sehr skeptisch gegenüber gestanden. Entscheidend seien aber die Haltungen der Sowjetunion und der USA gewesen. "Ohne die USA und ihre Unterstützung damals wären wir nicht da, wo wir jetzt sind", bilanziert Duisberg die damaligen Verhandlungen.